BT-Drucksache 17/12213

Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen

Vom 30. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12213
17. Wahlperiode 30. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas, Petra
Ernstberger, Elke Ferner, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Ute Kumpf,
Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann,
Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem vergangenen Juni liegt der begründete Beschluss des Großen Straf-
senats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2012 zur Frage der Straf-
barkeit von niedergelassenen Vertragsärzten wegen Bestechlichkeit und Vor-
teilsannahme vor. Der Große Strafsenat hatte dort festgestellt, dass niedergelas-
sene Vertragsärzte nach der gegenwärtigen Gesetzeslage strafrechtlich nicht
verfolgt werden können. Im zugrundeliegenden Fall hatte eine Pharma-
referentin Ärzten eine Beteiligung in Höhe von 5 Prozent des Medikamenten-
preises zugesagt, wenn sie sich bereit erklärten, ihren Patienten künftig bevor-
zugt Präparate eines bestimmten Pharmaunternehmens zu verschreiben. Die
Zahlungen wurden als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausge-
wiesen.

Mit dem Beschluss des Großen Strafsenats besteht nun Rechtsklarheit darüber,
dass korruptives Verhalten von niedergelassenen Vertragsärzten nach dem gel-
tenden Strafrecht nicht strafbar ist und deshalb auch die Vertreter der Phar-
maunternehmen bei Bestechungsvereinbarungen straffrei ausgehen. Der Bun-
desgerichtshof hält es zwar für berechtigt, der Korruption im Gesundheitswe-
sen mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten. Allerdings passt
keine der bestehenden Strafvorschriften auf die besonderen Umstände im Ge-
sundheitswesen. Also besteht eine Regelungslücke, die geschlossen werden
muss. In seinem Beschluss hat der Bundesgerichtshof eine deutliche Aufforde-
rung an den Gesetzgeber formuliert: „Vor dem Hintergrund der seit längerem
im strafrechtlichen Schrifttum geführten Diskussion sowie im Hinblick auf ge-
setzgeberische Initiativen (vgl. dazu etwa Bundestagsdrucksache 17/3685) zur
Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen verkennt der Große
Senat für Strafsachen nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens,
Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen

des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv
entgegenzutreten.“

Die Fraktion der SPD hat bereits in dem vom Bundesgerichtshof in Bezug
genommenen Antrag vom 10. November 2012 „Korruption im Gesundheits-
wesen wirksam bekämpfen“ einen Straftatbestand für die Bestechung nieder-
gelassener Vertragsärzte gefordert. Krankenkassen, Patientenvertretungen, Er-

Drucksache 17/12213 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mittlungsbehörden und Teile der Ärzteschaft hatten sich dieser Forderung ange-
schlossen. Die Bundesärztekammer vertrat dagegen bisher die Position, berufs-
und standesrechtliche Regelungen seien ausreichend, Änderungen im Straf-
recht seien nicht erforderlich.

Diese Auffassung kann jedoch immer weniger überzeugen, weil nach derzeiti-
ger Rechtslage bei angestellten Ärzten Bestechlichkeit strafrechtlich verfolgt
werden kann, bei freiberuflich tätigen Ärzten jedoch nicht. Diese Ungleichbe-
handlung ist zunehmend schwerer zu erklären, da immer häufiger in medizini-
schen Versorgungszentren angestellte und freiberufliche Ärzte Tür an Tür der-
selben Tätigkeit nachgehen. Während die einen wegen Bestechlichkeit verur-
teilt werden können, wenn sie Geld von einem Pharmaunternehmen für die Ver-
ordnung bestimmter Arzneimittel annehmen, bleiben die anderen straffrei.

Mittlerweile hat sich überdies gezeigt, dass berufsrechtliche Sanktionen nur
dann erfolgen, wenn Ermittlungen der Staatsanwaltschaften auch zu Anklagen
und Verurteilungen führen. Da infolge des BGH-Beschlusses in vielen Fällen
die Ermittlungen wegen der fehlenden Strafbarkeit eingestellt worden sind, un-
terbleiben in diesen Fällen in der Regel auch berufsrechtliche Sanktionen. Die-
ses Dilemma hat auch die Bundesärztekammer erkannt und ist von der bisher
vertretenen Position, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, abgewichen. Nun-
mehr fordert der Präsident der Bundesärztekammer eigene polizeiähnliche
Ermittlungsbefugnisse, ist damit jedoch auf breite Kritik gestoßen. Auch einen
generellen Straftatbestand, der Bestechlichkeit bei Freiberuflern unter Strafe
stellt, befürwortet die Bundesärztekammer inzwischen.

Patientinnen und Patienten müssen sich jederzeit darauf verlassen können, dass
die unter Umständen lebenswichtigen Entscheidungen über ihre Diagnostik
und Therapie ausschließlich aus medizinischen Gründen getroffen werden. Al-
leine der Verdacht, Zuwendungen an den behandelnden Arzt könnten z. B. die
Auswahl eines Krebsmedikamentes beeinflussen, untergräbt das Vertrauensver-
hältnis zwischen Arzt und Patient. Nicht die Bestrafung von korrupten Ärzten
schadet dem Berufsstand und dem Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern die feh-
lende Regelung und die andauernde Debatte darüber.

Korruption im Gesundheitswesen schadet Patientinnen und Patienten, allen
ehrlichen Leistungserbringern und dem Gesundheitssystem insgesamt. Sie ist
nicht beschränkt auf den ärztlichen Berufsstand, sondern findet sich in allen
Bereichen des Gesundheitswesens. Sie ist zwar kein Massenphänomen, aber
auch keine zu vernachlässigende Bagatelle einzelner schwarzer Schafe.

Appelle, Selbstkontrollen und berufs- und standesrechtliche Regelungen haben
sich als unzureichend erwiesen. Es ist notwendig, in unserer rechtlichen Werte-
ordnung klar zum Ausdruck zu bringen, dass Bestechung und Bestechlichkeit
hinter dem Rücken von Patientinnen und Patienten und zu Lasten des Gesund-
heitssystems kein Kavaliersdelikt ist, sondern einen Straftatbestand darstellt.
Patientinnen und Patienten haben ebenso wie alle Leistungserbringer im Ge-
sundheitswesen einen Anspruch auf Rechtsklarheit, wie mit Korruption im Ge-
sundheitswesen umgegangen wird. Hierzu brauchen wir kein Spezialgesetz ge-
gen Ärzte, wohl aber eine spezielle Regelung, die für alle Leistungserbringer
im Gesundheitswesen gilt.

Der Gesetzgeber muss handeln, um im Wettbewerb die vielen ehrlichen Ärzte
und auch die übrigen Leistungserbringer vor den wenigen Korrupten zu schüt-
zen. Er muss außerdem handeln, um Patientinnen und Patienten die Sicherheit
und das Vertrauen zurückzugeben, dass für ihre Behandlung nur medizinische
Gründe ausschlaggebend sein dürfen und nicht etwaige Zuwendungen an ihre
Behandler.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12213

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem Korruption im Gesundheits-
wesen generell unter Strafe gestellt wird.

Berlin, 30. Januar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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