BT-Drucksache 17/12134

Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergieanlagen und damit verbundene Mehrbelastungen für die Stromkunden

Vom 18. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12134
17. Wahlperiode 18. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dorothea Steiner, Sven-Christian Kindler,
Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergieanlagen und damit
verbundene Mehrbelastungen für die Stromkunden

Die Netzanbindung von Offshore-Windparks ist eine zentrale Herausforderung
im Rahmen der Energiewende. Bisher gab es keine klaren Regeln, wer für Schä-
den und Produktionsausfall haftet, wenn eine Stromleitung ausfällt oder wenn
ein Offshore-Windpark nicht rechtzeitig ans Netz angeschlossen werden kann.
Obwohl Probleme, wie die fehlende Synchronisation von Windparkerrichtung
und der Netzanschluss, der Bundesregierung seit Jahren bekannt waren und sie
von den Beteiligten immer wieder darauf hingewiesen wurde, hatte es die
schwarz-gelbe Bundesregierung bisher versäumt, einen ordnungsrechtlichen
Rahmen für den Offshore-Windausbau zu schaffen. Mit der Verabschiedung des
Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften Ende des
Jahres 2012 hat die Bundesregierung nun einen Gesetzesrahmen geschaffen, der
Haftungsregeln definiert. So tragen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bei
einfacher Fahrlässigkeit einen maximalen Schadensbeitrag von 17,5 Mio. Euro
je Schadensereignis, den sie durch die verzögerte Anbindung oder verursachte
Sachschäden an den Offshore-Windparkbetreiber erstatten müssen. Der maxi-
male Selbstbehalt des ÜNB wird insgesamt auf 110 Mio. Euro jährlich ge-
deckelt. Die über die maximalen Schadensbeiträge hinausgehenden Mehrkosten
können die ÜNB über die neue Offshore-Umlage auf die Stromverbraucher und
Stromverbraucherinnen abwälzen. Wie hoch diese Belastung für sie aussehen
wird, ist jedoch weiterhin nicht vollständig geklärt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Belastungen (bitte unter Angabe der konkreten Summe) für die
Stromverbraucher rechnet die Bundesregierung bis zum Jahr 2015 durch die
sog. Offshore-Umlage vor dem Hintergrund der im Laufe des Gesetzgebungs-
verfahrens eingebrachten Änderungen beim Dritten Gesetz zur Neuregelung
energiewirtschaftlicher Vorschriften (17,5 Mio. Euro je Schadensereignis/
maximaler Selbstbehalt des ÜNB 110 Mio. Euro jährlich)?
2. Erwartet die Bundesregierung im Jahr 2013 Forderungen im Zusammenhang
mit verspäteten Anschlüssen in der Nordsee?

Wenn ja, in welcher Höhe?

3. Erwartet die Bundesregierung im Jahr 2014 Forderungen im Zusammenhang
mit verspäteten Anschlüssen in der Nordsee?

Wenn ja, in welcher Höhe?

Drucksache 17/12134 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Erwartet die Bundesregierung im Jahr 2015 Forderungen im Zusammen-
hang mit verspäteten Anschlüssen in der Nordsee?

Wenn ja, in welcher Höhe?

5. Auf welcher Datengrundlage hat die Bundesregierung die im Gesetzentwurf
des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften
(Bundestagsdrucksache 17/10754) die zu erwartenden Verzögerungsfälle
und Entschädigungszahlungen von etwa 1 Mrd. Euro errechnet?

6. Hat sich die Bundesregierung dabei auf Angaben der ÜNB, Offshore-Wind-
parkbetreiber und Zulieferer beschränkt, oder hat sie eigene Berechnungen
angestellt bzw. in Auftrag gegeben?

7. Teilt die Bundesregierung die in der Anhörung des Ausschusses für Wirt-
schaft und Technologie des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines
Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften am
22. Oktober 2012 getroffene Einschätzung des Präsidenten der Bundesnetz-
agentur, Jochen Homann, wonach die zu erwartenden Entschädigungszah-
lungen über 1 Mrd. Euro liegen werden (siehe Protokoll 17/81), und wenn
nein, warum nicht?

8. Geht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund davon aus, dass die bis-
herige Offshore-Haftungsumlage für Stromkunden in Höhe von maximal
0,25 Cent pro Kilowattstunde ausreichend ist, und welche Daten liegen die-
ser Annahme zugrunde?

Falls nein, welche Höhe der Offshore-Haftungsumlage wird für die Jahre
2014 und 2015 erwartet?

9. Über welchen Zeitraum soll nach Einschätzung der Bundesregierung die ge-
deckelte Umlage insgesamt erhoben werden?

10. Wie definiert die Bundesregierung ein einzelnes Schadensereignis im Sinne
des § 17f Absatz 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)?

11. Hat die Bundesregierung bereits eine Verordnung nach § 17j EnWG erstellt,
und falls nicht, bis wann wird sie dies tun?

12. Wie plant die Bundesregierung die Umsetzung der in § 17j EnWG erwähn-
ten Liquiditätsreserve, und welche Kosten entstehen dabei für die Übertra-
gungsnetzbetreiber sowie die Endverbraucherinnen und -verbraucher?

13. Welche Anforderungen an Schadensminderungsmaßnahmen beabsichtigt
die Bundesregierung zu erlassen, und bis wann werden erste Schadensmin-
derungsmaßnahmen wirksam werden?

14. Wie hoch kalkuliert die Bundesregierung die Eintrittswahrscheinlichkeit
der verschiedenen Offshore-Risiken, und ist diese in die Schadensbewer-
tung für Risiken beim Bau und Betrieb der Netzanbindung sowie in die Be-
rechnung der Haftungsumlage eingeflossen, und wenn nein, warum nicht?

15. Wie hoch kalkuliert die Bundesregierung das maximale Schadensrisiko von
Großschäden (Auswahl von Transformatoren, große Kabelschäden, die ge-
samte Netzcluster betreffen, kombinierte Risiken bei großen Orkanen)?

16. Was bedeutet das Eintreten dieser Großschäden für die Haftungsregelung,
wenn nach Aussagen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungs-
wirtschaft e. V. und Berechnungen von Instituten (z. B. Deutsche WindGuard
GmbH) mit mehreren Milliarden Euro Ertragsausfällen gerechnet werden
muss und die potentielle Schadenshöhe damit ein Vielfaches der Umlagebe-
grenzung von 0,25 Cent pro Kilowattstunde beträgt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12134

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kosten für die Haftungsumlage,
wenn die Versicherungsunternehmen Ertragsausfälle durch Großschäden
als nur begrenzt versicherbar ansehen und deswegen noch entsprechende
Versicherungsprodukte fehlen?

18. Warum sind erweiterte Schadensminderungsmaßnahmen wie z. B. das Vor-
halten von Ersatzgroßkomponenten noch nicht verpflichtend und noch nicht
netzumlagefähig?

19. Warum enthält der Offshore-Netzplan noch nicht die Vorschläge des Gesamt-
verbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. zur Eindämmung von
Risiken (Sicherheitsabstände der Umspannplattformen und Seekabel, Ver-
legetiefen für Seekabel, Aufbau von Redundanzen im Gesamtnetz, Ver-
maschung)?

20. Sieht sich der in der Nordsee anbindungsverpflichtete Netzbetreiber TenneT
TSO GmbH nach Informationen der Bundesregierung unter den neuen ge-
setzlichen Rahmenbedingungen in der Lage, seine Investitionsverpflichtun-
gen zu erfüllen?

21. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass der in der Nordsee tätige
ÜNB TenneT TSO GmbH seine Prioritäten richtig setzt vor dem Hinter-
grund der neben den dringlichen Offshore-Anbindungen notwendigen um-
fangreichen Investitionsvorhaben wie Overlay-Verbindungen über Land so-
wie Interkonnektoren, an denen sich das Unternehmen ebenfalls in vollem
Umfang beteiligen will?

22. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer Entscheidung des Oberlandes-
gerichts Düsseldorf zur Beschwerde (Aktenzeichen VI-3 Kart 294/12 [V])
der TenneT TSO GmbH, und mit welcher Frist hat die TenneT TSO GmbH
die von der Bundesnetzagentur verhängte Strafe von 1 Mio. Euro dann zu
zahlen?

23. Mit welchen Konsequenzen rechnet die Bundesregierung für kommende
Zertifizierungsverfahren, wenn das Oberlandesgericht Düsseldorf der Be-
schwerde der TenneT TSO GmbH stattgibt?

24. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wonach einzelne ÜNB für
den Offshore-Anschluss mit Investoren über Kooperationen verhandeln,
und wenn ja, welche Informationen sind ihr konkret bekannt, und wurde sie
bei diesem Prozess bereits beteiligt?

25. Zu welchem Ergebnis kam die Prüfung des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie – wie in der Antwort der Bundesregierung auf die
Schriftliche Frage 54 auf Bundestagsdrucksache 17/11426 angekündigt – be-
züglich des bis Januar 2012 als Vizepräsident der Bundesnetzagentur tätigen
Beamten Johannes Kindler und seiner derzeitigen Tätigkeit bei der Anwalts-
kanzlei Bird & Bird und seinem damit zusammenhängenden Engagement für
den US-Investor Anbaric Transmission und dessen Bestrebungen, beim Off-
shore-Netzanschluss in Deutschland einzusteigen?

Berlin, den 18. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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