BT-Drucksache 17/12064

Kohleausstiegsgesetz nach Scheitern des EU-Emissionshandels

Vom 15. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12064
17. Wahlperiode 15. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Sabine Stüber,
Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, Ulla Lötzer, Dorothee Menzner, Johanna Voß
und der Fraktion DIE LINKE.

Kohleausstiegsgesetz nach Scheitern des EU-Emissionshandels

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Preis für die Berechtigung, eine Tonne des Klimakillers CO2 in die Atmo-
sphäre auszustoßen, liegt weiter im Keller. Er notiert an den Börsen seit Mona-
ten unter bzw. um die 8 Euro. Ursprünglich wurden von der Europäischen
Kommission zwischen 20 und 30 Euro prognostiziert und als notwendig für die
Lenkungswirkung des EU-Emissionshandels erachtet. Der Preisverfall hat
dramatische Folgen für Klimaschutz und öffentliche Haushalte: Etliche Klima-
schutzinvestitionen werden bei solch niedrigen CO2-Preisen unrentabel und da-
her unterlassen. Zudem erzielen die Versteigerungen der Emissionsrechte für
die öffentliche Hand deutlich niedrigere Erlöse. Gelder, die im Bundesetat
ursprünglich zur Unterstützung von Energieeffizienz und erneuerbaren Ener-
gien eingeplant waren, stehen nun nicht mehr zur Verfügung.

Für die niedrigen Preise der CO2-Zertifikate, die sog. European Union Allow-
ance (EUA), gibt es drei Gründe: Erstens wurde der EU-Emissionshandelsmarkt
mit Billig-Zertifikaten aus dem Clean Development Mechanism (CDM) über-
schwemmt. Zweitens ging während der Krise 2008/2009 die Wirtschaftsleis-
tung zurück, und damit auch der Treibhausgasausstoß. Drittens wurden seit dem
Jahr 2008 insbesondere der Industrie in vielen Fällen mehr Emissionsberechti-
gungen zugeteilt, als benötigt. In der Folge dieser Faktoren erwartet die EU-
Kommission nach Ende der Handelsperiode 2008 bis 2012 EU-weit einen Über-
schuss ungenutzter Zertifikate in Höhe von über 2 Milliarden Tonnen CO2-
Äquivalent.

Nach den Regeln des EU-Emissionshandels sind die überschüssigen Zertifikate
auf die nächste Handelsperiode 2013 bis 2020 übertragbar. Dort treffen sie auf
einen linearen Reduktionsfaktor für den Emissionshandelssektor, der das wenig
ambitionierte EU-Klimaschutzziel von minus 20 Prozent weniger Treibhausgase
bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 zur Grundlage hat. Dieses Ziel ist
bereits heute – im Jahr 2011 lagen die EU-Treibhausgasemissionen um
17,5 Prozent niedriger als im Jahr 1990 – weitgehend erreicht. Beides zusammen

wird ohne Gegenmaßnahmen zum völligen Zusammenbruch des Emissions-
handelssystems führen. Das nach Einschätzung der EU-Kommission zentrale
Klimaschutzinstrument der Europäischen Union wäre am Ende. Schon jetzt
steigen in Deutschland die CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung wieder
an. So wird hierzulande nicht nur der Einstieg in ein regeneratives Energie-
erzeugungssystem sowie der Bau notwendiger flexibler Gaskraftwerke er-
schwert und verzögert. Es werden auch die Netze mit Kohlestrom verstopft, was

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die Integration der wachsenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien be-
hindert und den Netzausbau verteuert.

Angesichts der weiteren Erderwärmung und ihrer dramatischen Folgen ist eine
solche Entwicklung inakzeptabel und muss korrigiert werden. Sollte sich der
EU-Emissionshandel als nicht reformierbar herausstellen, so muss die Bundes-
republik Deutschland eigene Wege gehen, um als größter Treibhausgasemittent
Europas zu einer schnellen Minderung der CO2-Emissionen zu kommen. Ein
adäquates Mittel dazu wäre ein Gesetz zum planmäßigen Ausstieg aus der Koh-
leverstromung, wie es Ecofys Germany GmbH in einer Studie für Greenpeace
Deutschland in den Grundzügen bereits im Mai 2012 vorschlug.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der Beratungen über die im November 2012 von der EU-
Kommission innerhalb des Kohlenstoffmarktberichtes vorgelegten Reform-
vorschläge zur dritten Handelsperiode des Europäischen Emissionshandels-
systems in Brüssel dafür einzusetzen, dass:

– die Gesamtmenge der für die dritte Handelsperiode des EU-Emissions-
handels (2013 bis 2020) zu vergebenden Emissionszertifikate um jenes
Volumen an überschüssigen Emissionsrechten gekürzt wird, welches in
der laufenden Handelsperiode (2008 bis 2012) krisenbedingt, aus oft
zweifelhaften Projekten des Clean Development Mechanism (CDM) oder
aufgrund der Überausstattung entstanden ist. Die überschüssigen CO2-
Zertifikate in Höhe von 2 Milliarden European Union Allowance (EUA)
sind nicht nur, wie von der EU-Kommission für einen Teil angedacht,
verzögert in den Markt zu bringen („backloading“), sondern endgültig
stillzulegen;

– das Minderungsziel für die EU-Treibhausgasemissionen vorbehaltlos auf
mindestens 30 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 er-
höht wird. Die EU-Kommission muss zudem Unterstützungsangebote an
jene Mitgliedstaaten machen, die durch das neue Klimaschutzziel wirt-
schaftlich besonders belastet würden, beispielsweise an Polen;

– der EU-Minderungspfad für die Emissionen der emissionshandelspflich-
tigen Anlagen verschärft wird, um das Minderungsziel in der EU von
minus 30 Prozent Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr
1990 zu erreichen und das Entstehen neuer überschüssiger Emissions-
rechte zu verhindern. Nach Berechnungen des Öko-Instituts e. V. würde
dies einen linearen Reduktionsfaktor von jährlich 3,9 Prozent ab dem
Jahr 2014 statt der gegenwärtig vorgesehenen 1,74 Prozent erforderlich
machen;

– Emissionsgutschriften aus Projekten des CDM zur Abrechnung von Min-
derungsverpflichtungen im EU-Emissionshandelssystem, die aus Vor-
haben stammen, welche nach dem Jahr 2012 begonnen wurden, nicht an-
gerechnet werden dürfen. Emissionsgutschriften aus CDM-Projekten, die
in der ersten und der laufenden zweiten Handelsperiode begonnen wurden,
sollen ebenfalls nicht verwendet werden dürfen, sofern sie aus so genann-
ten HFC-23-Industriegasprojekten oder dem Neubau von Kohlekraft-
werken stammen;

– ein regelbasiertes Eingriffsregime in den EU-Emissionshandelsmarkt ein-
gerichtet wird, welches z. B. mittels Stilllegungen von Reserven an EUA,
Preisuntergrenzen oder anderer Markteingriffe sicherstellt, dass schwer-
wiegende externe Effekte (etwa Wirtschaftskrisen, deutliche Abweichun-
gen von der prognostizierten Geschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer

Energien oder in der Erhöhung der Energieeffizienz) künftig nicht mehr

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zum Unterschreiten des CO2-Preises unter eine kritische Grenze in einer
Linie von 20 Euro je EUA im Jahr 2013 und 25 Euro im Jahr 2020 füh-
ren;

2. für den Fall, dass die unter Nummer 1 genannten Eckpunkte in der Europäi-
schen Union nicht bis April 2013 durchsetzbar sind, politisch das Scheitern
des EU-Emissionshandelssystems festzustellen und dem Deutschen Bundes-
tag bis Mai 2013 einen Gesetzentwurf über den planmäßigen Ausstieg aus
der deutschen Kohleverstromung – analog dem Atomausstiegsgesetz – vor-
zulegen, welches folgende Eckpunkte enthält:

– Der Neubau von Kohlekraftwerken und Neuaufschluss von Tagebauen
wird untersagt.

– Spätestens im Jahr 2040 wird das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland
stillgelegt.

– Ab dem Jahr 2014 wird die jährliche Menge an in Kohlekraftwerken er-
zeugtem Strom begrenzt und in den Folgejahren stetig und weitgehend
linear reduziert.

– Anhand von Effizienz-Kriterien und unter Berücksichtigung der bisheri-
gen Laufzeit werden maximale Reststrommengen für jedes bestehende
Kohlekraftwerk festgelegt.

Berlin, den 15. Januar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Europäische Union muss unverzüglich Korrekturen am Europäischen
Emissionshandelssystem vornehmen – es steht kurz vor dem Kollaps. Das laut
EU-Kommission und Bundesregierung wichtigste klimapolitische Instrument
wird durch vielfältige Art und Weise seiner umweltpolitischen Wirkung be-
raubt. Darunter ist das größte Problem die enorme Menge an überschüssigen
CO2-Emissionsberechtigungen, welche schon jetzt dazu führt, dass die Zertifi-
kate zur Ramschware verkommen. Die Preise für ein European Union Allow-
ance (EUA) liegen im Spotmarkt und im Terminmarkt für das Jahr 2013 seit
Monaten nicht – wie von der europäischen Umweltpolitik ursprünglich ange-
dacht – bei 20 bis 30 Euro, sondern lediglich bei 6 bis 9 Euro. Dabei entspricht
einem EUA eine Tonne CO2.

Der Überschuss in der EU beträgt nach Schätzungen der EU-Kommission so-
wie des Öko-Instituts e. V. gegenwärtig ungefähr 950 Millionen Tonnen CO2,
wird im Jahr 2013 eine Höhe von mehr als 2 Milliarden Tonnen CO2 erreichen
und im Jahr 2020 immer noch zwischen 1,4 und 2 Milliarden Tonnen CO2 be-
tragen. Die zusätzliche Menge im Jahr 2013 entspricht ungefähr dem nach EU-
Recht zugelassenen Emissionsvolumen des stationären Emissionshandels in
der gesamten EU für das Jahr. Die Zertifikatsschwemme hat drei Ursachen:
Erstens den andauernden Zustrom von (teilweise „faulen“) Zertifikaten über in-
ternationale Klimaschutzprojekte unter dem Clean Development Mechanism
(CDM), zweitens die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in den
Jahren 2008/2009, und drittens die EU-weite Überausstattung der energie-
intensiven Industrie mit Emissionsrechten in der laufenden Handelsperiode

2008 bis 2012.

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Der Bestand an überschüssigen Zertifikaten wird die neue Handelsperiode
2013 bis 2020 schwer belasten, denn in der laufenden Handelsperiode unge-
nutzte Emissionsrechte sind dorthin übertragbar. Die EU-Klimakommissarin
Connie Hedegaard warb deshalb mehrfach dafür, die Gesamtauktionsmenge ab
dem Jahr 2013 um das potentielle Übertragsvolumen zu kürzen. Ansonsten sei
das EU-Ziel in Gefahr, bis zum Jahr 2020 die Energieeffizienz um 20 Prozent
zu verbessern. Tatsächlich erwachsen aus geringen CO2-Preisen, wie sie aktuell
herrschen und ohne Gegenmaßnahmen auch nach dem Jahr 2013 zu erwarten
sind, kaum Anreize für Unternehmen, in Energieeinspartechnologien zu inves-
tieren. Eine Studie des Öko-Instituts e. V. von Juni 2012 kommt zu dem Ergeb-
nis, dass – strebt man EUA-Preise zwischen 20 und 30 Euro an, um Effizienz-
verbesserungen in der Wirtschaft anzureizen – mehrere Maßnahmen gleich-
zeitig ergriffen werden müssen. Es reiche erstens nicht, die überschüssigen
Zertifikate nur kurzfristig zurückzuhalten, da nur ein längerfristiges „Beiseite-
legen“ relevante Auswirkungen auf den Preis habe. Die Überschüsse seien
letztlich stillzulegen, und zwar frühestmöglich. Zweitens müsse für ein ambiti-
oniertes CO2-Preisniveau auch der CO2-Minderungspfad des EU-Emissions-
handelssektors bis zum Jahr 2020 deutlich verschärft werden. Der gegenwärtig
vorgesehene Einsparpfad beträgt ab dem Jahr 2014 jährlich minus 1,74 Prozent.
Für die höheren Einsparungen sei es zudem drittens notwendig, das bedin-
gungslose Klimaschutzziel der Europäischen Union insgesamt anzuheben, wel-
ches bislang bis zum Jahr 2020 lediglich minus 20 Prozent gegenüber dem Jahr
1990 beträgt. In den Variantenberechnungen des Öko-Instituts e. V. würde fol-
gende Konstellation zu EUA-Preisen führen, die das gegenwärtig Niveau im
Jahr 2013 um etwa 7 Euro und im Jahr 2020 um mehr als 20 Euro anheben
würde: Mindestens 1,4 Milliarden EUA müssen längerfristig zurückgehalten
und frühestmöglich stillgelegt werden; der lineare Reduktionsfaktor für den
Emissionshandelsbereich ist auf 3,9 Prozent pro Jahr zu verschärfen und das
EU-Klimaschutzziel auf minus 30 Prozent anzuheben.

Die Europäische Union ist ohne Zweifel wirtschaftlich und technisch in der
Lage, ihre Emissionen um 30 Prozent bis zum Jahr 2020 zu vermindern. Und
zwar ohne jene momentan geltende Vorbedingungen, die eine solche Anhebung
an den Abschluss einer internationalen Klimavereinbarung knüpft. Ohne eine
solche Verschärfung bleibt die EU weiterhin weit entfernt von jener klima-
politischen Vorreiterrolle, die sie regelmäßig beansprucht. Beim Beharren auf
dem alten Klimaschutzziel verspielt Europa im internationalen Rahmen erneut
Vertrauen, was vor allem die UN-Verhandlungen um einen neuen internationa-
len Klimaschutzvertrag belastet. Schließlich betrug die Minderung in der EU
im Jahr 2011 bereits 17,5 Prozent, unter Einschluss der CDM-Gutschriften so-
gar minus 21 Prozent. Demzufolge müsste die Europäische Union bis zum Jahr
2020 kein Klimaschutz mehr betreiben, würde das Ziel nicht erhöht werden.
Eine Verschärfung auf minus 30 Prozent in Verbindung mit der o. g. EUA-Still-
legung hingegen würde laut dem Öko-Institut e. V. für die Haushalte der EU-
Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2020 insgesamt rund 78 Mrd. Euro Mehrein-
nahmen an Versteigerungserlösen bedeuten, weil der Wert der EUAs durch Ver-
knappung ansteigt.

Um zu einem gemeinsamen Beschluss der Mitgliedstaaten zu gelangen, das
EU-Klimaschutzziel auf mindestens 30 Prozent Minderung anzuheben, müssen
Angebote an jene Länder gemacht werden, die durch eine solche Verschärfung
kurzfristig überproportional belastet würden. Insbesondere könnten Finanz-
und Technologiehilfen dazu beitragen, die gegenwärtige Blockade Polens in
dieser Frage zu durchbrechen. Das Land erzeugt seinen Strom zu über
80 Prozent aus Kohle.

Der größte Teil der gegenwärtigen EUA-Überschüsse geht auf das Konto eines

gigantischen Zustroms von – teilweise zweifelhaften – Emissionsgutschriften
aus Projekten des CDM, die in den Ländern des globalen Südens getätigt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12064

wurden und werden. Um einen erneuten übermäßigen Anstieg der Zertifikats-
menge zu verhindern sowie zur Wahrung der ökologischen Integrität des Euro-
päischen Emissionshandelssystems, muss der Einsatz von Zertifikaten aus
CDM-Auslandsprojekten deshalb künftig auf unproblematische Altfälle aus der
Zeit vor dem Jahr 2013 beschränkt werden. Einen relevanten Anteil der Gut-
schriften (Certified Emission Reductions – CER) fehlt es laut verschiedener
Studien an ökologischer und sozialer Integrität. Dafür spricht auch der gegen-
wärtig absurd niedrige CER-Preis von bis zu unter 1 Euro je Tonne angeblich
vermiedenen CO2. Demnach ist fraglich, ob die Emissionsgutschriften aus Aus-
landsprojekten kommen, die gegenüber dem Status quo des jeweiligen Landes
zusätzlichen Klimaschutz generiert haben. Ist dies nämlich nicht der Fall, wird
hierzulande das so genannte Cap – die CO2-Obergrenze des EU-Emissions-
handelssystems – unterlaufen. Schließlich führen solche „faulen“ CO2-Gut-
schriften, sofern sie in der EU zur Abrechnung von Verpflichtungen genutzt
werden, automatisch zu zusätzlichen Klimagasemissionen in der Europäischen
Union. In der Kritik stehen insbesondere Gutschriften aus so genannten HFC-
23-Industriegasprojekten, aus ohnehin geplanten – also nicht zusätzlichen –
Wasserkraftwerken sowie aus dem Neubau von Kohlekraftwerken.

Das Einrichten eines regelbasierten Eingriffsregimes in den EU-Emissions-
handelsmarkt in Verantwortung der EU-Kommission könnte – etwa mittels
Stilllegungen von Reserven an EUA, Preisuntergrenzen oder anderen Markt-
eingriffen – sicherstellen, dass schwerwiegende externe Effekte künftig nicht
mehr zum Unterschreiten des CO2-Preises unter eine kritische Grenze führen.
Diese Grenze sollte bei einer Linie von 15 Euro je EUA im Jahr 2013 und
25 Euro im Jahr 2020 liegen. Solche externen Effekte können Wirtschaftskrisen
oder deutliche Abweichungen von der prognostizierten Geschwindigkeit beim
Ausbau erneuerbarer Energien oder der Erhöhung der Energieeffizienz sein.
Auch ein Wegfallen eines Teils der Zertifikate-Nachfrage aus dem Flugverkehr
– sollten beispielsweise Flüge von und nach Europa für ein Jahr, wie von der
EU-Kommission angekündigt, oder gar dauerhaft aus dem EU-Emissions-
handel fallen – wäre ein solcher Effekt, der in einen spürbaren EUA-Preis-
verfall zur Folge haben würde.

Am 14. November 2012 hat die Europäische Kommission Vorschläge für ein
zeitweises Zurückhalten von Zertifikaten über 900 Millionen Tonnen CO2 für
den Zeitraum 2013 bis 2015 unterbreitet. Die Menge soll anschließend wieder
bis zum Jahr 2020 auf den Markt gebracht werden. Dieser „Backloading“-Vor-
schlag schindet allerdings lediglich Zeit und wird die niedrigen CO2-Preise
kaum beflügeln. Darum müssen die Mitgliedstaaten die weiteren Reformvor-
schläge aufgreifen, welche Klimakommissarin Connie Hedegaard am selben
Tag innerhalb des Kohlestoffmarktberichtes präsentierte. Sie enthalten unter
anderem Optionen zur Verschärfung des linearen CO2-Reduktionsfaktors inner-
halb des EU-Emissionshandelssystems ab dem Jahr 2014 über 1,74 Prozent
jährlich hinaus, zur Anhebung des gemeinschaftlichen EU-Reduktionsziels bis
zum Jahr 2020 auf 30 Prozent, zur permanenten Stilllegung von überschüssigen
Emissionsberechtigungen, zur stärkeren Limitierung oder gar Untersagung der
Nutzung von CER aus dem CDM, zur Festlegung von CO2-Preisuntergrenzen
oder von Mechanismen zur automatischen Anpassung von Zertifikatsmengen
bei Unterschreiten bestimmter Preise.

Die genannten Änderungen am EU-Emissionshandelssystem wären die letzte
Ausfahrt für den EU-Emissionshandel als marktnahes Klimaschutzinstrument
mit staatlich festgelegten Emissionsobergrenzen. Wird diese Ausfahrt erneut
verpasst, so muss die Bundesregierung politisch das Scheitern des Emissions-
handelssystems eingestehen und parallel ordnungsrechtliche Maßnahmen für
einen deutschen Kohleausstieg ergreifen. Das geeignete Mittel dafür ist ein

Kohleausstiegsgesetz. Ein solches wurde in seinen Grundzügen durch das Be-
ratungsgunternehmen Ecofys Germany GmbH in einer Studie für Greenpeace

Drucksache 17/12064 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Deutschland im Mai 2012 vorgestellt. Daran angelehnt könnten ab dem Jahr
2014 die jährlichen Strommengen aus Kohlekraftwerken begrenzt und in den
Folgejahren stetig und weitgehend linear reduziert werden. Der Neubau von
Kohlekraftwerken und Neuaufschluss von Tagebauen müsste entsprechend ver-
boten werden. Infolge eines solchen Gesetzes könnte spätestens im Jahr 2040
das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Die Rest-Strommengen
sind in diesem System an die Betreiber von Kohlekraftwerken anhand von Effi-
zienz-Benchmarks unter Berücksichtigung der bisherigen Laufzeit zu ver-
geben.

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