BT-Drucksache 17/12025

Atomhaftung in Europa

Vom 4. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12025
17. Wahlperiode 04. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Stephan Kühn, Britta Haßelmann, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Atomhaftung in Europa

Trotz diverser internationaler Abkommen – Pariser Übereinkommen, Brüsseler
Zusatzübereinkommen und Wiener Übereinkommen sowie jüngerer Revisions-
protokolle – ist in den Staaten in Europa, in denen Atomkraftwerke (AKW) be-
trieben werden, die Atomhaftung und Deckungsvorsorge noch immer sehr un-
terschiedlich geregelt. Dies betrifft sowohl die nationalen gesetzlichen Anforde-
rungen als auch die praktische Umsetzung. Beispielhaft sei hierfür auf den Ta-
gungsband „Europäisches Atomhaftungsrecht im Umbruch“ aus dem Jahr 2009
verwiesen.

Diskussionen um eine Harmonisierung der Atomhaftungsregelungen in den EU-
Mitgliedstaaten gibt es schon länger. Bislang waren sie jedoch noch nicht von
Erfolg gekrönt. Anfang Oktober 2012 kündigte EU-Kommissar für Energie
Günther Oettinger an, im Frühjahr 2013 Vorschläge über Versicherung und Haf-
tung im Nuklearbereich vorlegen zu wollen.

Soweit nicht im Einzelfall anders angegeben, beziehen sich die nachfolgenden
Fragen auf alle Staaten in Europa (auch außerhalb der EU), in denen AKW be-
trieben werden. Es wird deshalb stets um eine tabellarische Auflistung für alle
Staaten gebeten. Fragen zu „Atomhaftungsfragen“ beziehen sich implizit immer
auch auf Deckungsvorsorgefragen. Soweit im Einzelfall versehentlich nicht
explizit in der Frage formuliert, sind alle Fragen so zu verstehen, dass sie sich
auf die Kenntnis der Bundesregierung sowie die Kenntnis der von ihr beauftrag-
ten Sachverständigen, wie zum Beispiel die Gesellschaft für Anlagen- und
Reaktorsicherheit, beziehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Staaten sind Vertragsparteien des Pariser Abkommens, des Brüsseler
Zusatzabkommens und des Wiener Abkommens?

Welche Staaten haben jeweils das Gemeinsame Protokoll über die Anwen-
dung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens von

1988, das Revisionsprotokoll von 1997 zum Wiener Übereinkommen und
das Revisionsprotokoll von 2004 zum Pariser Übereinkommen nicht ratifi-
ziert?

Inwieweit sind die Angaben auf den einschlägigen Internetseiten der Organi-
sation for Economic Co-operation and Development/Nuclear Energy Agency
(OECD/NEA) bzw. der International Atomic Energy Agency (IAEA) über-
holt (bitte differenzierte Angabe)?

Drucksache 17/12025 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Aus welchen Gründen sind nach Kenntnis der Bundesregierung Frankreich,
Großbritannien, Rumänien und Belgien dem Gemeinsamen Protokoll von
1988 nicht beigetreten?

3. Aus welchen Gründen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in manchen
europäischen Staaten die o. g. Revisionsprotokolle noch nicht ratifiziert?

4. Welche Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung zwar die o. g.
Revisionsprotokolle ratifiziert, aber (noch) nicht vollständig in nationalen
Gesetzen umgesetzt (gegebenenfalls bitte mit Angabe der nationalen Ge-
setze)?

5. Wann und in welcher Form wurden in den letzten Jahren auf EU-Ebene
Atomhaftungsfragen beraten?

Welche Position hat die Bundesregierung dabei vertreten, und welche (Zwi-
schen-)Ergebnisse hatten die Beratungen?

6. Gab es Staaten, die bei diesen Beratungen dezidiert konträre Positionen zur
Bundesregierung vertraten, und falls ja, welche Staaten vertraten welche
Positionen?

7. Inwiefern war die Schweiz als Nicht-EU-Mitgliedstaat in diese Beratungen
einbezogen?

Welche anderweitigen gegebenenfalls auch bilateralen Beratungen gab es in
den letzten Jahren zwischen Deutschland und der Schweiz zu Atomhaf-
tungsfragen?

8. Welche Haftungshöchstbeträge für Personen- und Vermögensschäden gel-
ten nach Kenntnis der Bundesregierung in den jeweiligen Staaten für
nukleare Schäden (innerstaatliches Haftungsrecht und Haftung gegenüber
– Geschädigten in – anderen Staaten), und auf jeweils welcher gesetzlichen
Grundlage sowie Abkommensgrundlage?

9. In welchen Staaten haftet der Anlageninhaber nach Kenntnis der Bundes-
regierung summenmäßig unbegrenzt (so wie in Deutschland)?

10. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Staaten die Deckungs-
vorsorge/Versicherung in jeweils welcher Höhe

a) rechtlich geregelt und

b) finanztechnisch-faktisch/praktisch umgesetzt?

Welche Akteure haben dabei welche Funktionen und Pflichten?

11. Wie, in welchem Abstand und von wem wird nach Kenntnis der Bundes-
regierung in welchen Staaten die Deckungsvorsorge/Versicherung festge-
setzt?

12. In welchen Staaten steht nach Kenntnis der Bundesregierung die Deckungs-
vorsorgesumme pro Anlage und Schadensereignis zur Verfügung und in
welchen nicht (hier gegebenenfalls jeweils mit näherer Erläuterung der je-
weiligen Regelung)?

13. Welche staatlichen Freistellungsverpflichtungen gibt es nach Kenntnis der
Bundesregierung in den einzelnen Staaten, wann greifen sie, und auf jeweils
welcher gesetzlichen Grundlage beruhen sie?

Welche finanzielle Höhe gilt dabei jeweils, und gegebenenfalls welche Auf-
teilung der staatlichen Freistellungsverpflichtungen gibt es (wie zum Bei-
spiel in Deutschland die ehemalige Aufteilung zwischen Bund und betref-
fendem Bundesland gemäß § 36 des Atomgesetzes)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12025

14. Bei welchen AKW-Betriebsgesellschaften in Europa sind der Bundesregie-
rung Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge zu Mutterkonzernen
oder ähnliche haftungsrelevante Regelungen bekannt (bzw. deren Existenz),
und inwieweit sind die jeweiligen Mutterkonzerne in die Haftung und die
Verpflichtung zur Deckungsvorsorge einbezogen?

15. Würde die Bundesregierung eine EU-weite Harmonisierung der Vorschrif-
ten über Haftung und Deckungsvorsorge auf Grundlage der Kompetenz-
norm in Artikel 98 des Euratom-Vertrages unterstützen?

Was spricht aus ihrer Sicht dafür bzw. dagegen?

Berlin, den 4. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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