BT-Drucksache 17/12024

Bau des Atomkraftwerks Baltijskaja in Kaliningrad

Vom 3. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12024
17. Wahlperiode 03. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Marieluise Beck (Bremen), Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Sven-Christian Kindler, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Manuel Sarrazin, Dorothea Steiner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bau des Atomkraftwerks Baltijskaja in Kaliningrad

Derzeit wird in der russischen Exklave Kaliningrad der Atomreaktor Baltiisk 1
durch die Föderale Agentur für Atomenergie Russlands (im weiteren RosAtom)
gebaut. Der Reaktor mit einer Leistung von 1 109 Megawatt Leistung soll im
Jahr 2017 in Betrieb genommen werden (International Atomic Energy Agency
(IAEA), Stand: 3. Dezember 2012: www.iaea.org/PRIS/CountryStatistics/
ReactorDetails.aspx?current=968). In dem Artikel „Russischer Stromexporteur
lockt mit Atomstrom“ im „Handelsblatt“ vom 4. November 2011 wird auch vom
Bau eines zweiten Reaktors bis zum Jahr 2018 gesprochen, laut der Internatio-
nalen Atomenergie-Organisation (IAEO) ist dieser derzeit aber noch nicht im
Bau (Handelsblatt, 4. November 2011: www.handelsblatt.com/unternehmen/
industrie/energiemarkt-russischer-stromexporteur-lockt-mit-atomstrom/
579873 0.html und IAEA, Stand: 3. Dezember 2012: www.iaea.org/PRIS/
Country Statistics/CountryDetails.aspx?current=RU).

„Deutschland ist durch die Energiewende ein sehr interessanter Markt für uns.
Wir können helfen, die Lücke, die Deutschland durch den Atomausstieg in der
Stromproduktion bekommen wird, zu schließen“, sagte B. K., Chef des größten
russischen Stromexporteurs INTER RAO, im Zeitungsartikel des „Handels-
blatts“. Der Strom könnte theoretisch in wenigen Jahren aus dem neu gebauten
Atomkraftwerk über das angrenzende Polen direkt nach Deutschland transpor-
tiert werden, was den deutschen Atomausstieg ad absurdum führen würde.

Der Bau der Atomanlage fällt unter das Gesetz zu dem Übereinkommen über die
Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (sog.
Espoo-Konvention), bisher ist nicht bekannt, ob es in irgendeiner Form Konsul-
tationen mit der Bundesregierung gegeben hat. Russland hat die Espoo-Konven-
tion zwar unterschrieben, aber bisher nicht ratifiziert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung grundlegend das Bauvorhaben in Kalinin-

grad?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Bauvorhaben im Hinblick darauf, dass
sich bereits im Jahr 2007 und erneut im Jahr 2011 knapp 70 Prozent der
Kaliningrader Bevölkerung gegen den Bau des Atomkraftwerks (AKW) aus-

Drucksache 17/12024 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gesprochen haben (Banktrack, Stand: 28. November 2012: www.banktrack.
org/manage/ajax/ems_dodgydeals/createPDF/baltic_nuclear_power_plant_
kaliningrad)?

3. Wie weit sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Bauarbeiten am AKW
in Kaliningrad bereits fortgeschritten?

4. Erhielt die Bundesregierung im Zuge einer Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) Unterlagen durch die russische Umweltbehörde oder einer anderen
zuständigen Behörde zu dem geplanten AKW in Kaliningrad?

Wenn ja, welchen Inhalt haben diese Unterlagen, und von wem kamen sie
genau?

5. Gab es zwischen der Bundesregierung und der russischen Umweltbehörde
Rosprirodnadzor oder einer anderen zuständigen russischen Behörde Ge-
spräche oder anderweitigen Informationsaustausch zu dem AKW-Projekt in
Kaliningrad, der nicht per definitionem einer UVP zuzuordnen ist?

Wenn ja, bitte anführen, wann, zwischen wem genau, und mit welchem Inhalt.

6. Sofern es eine Konsultation gab, die nicht konkret einer UVP zuzuordnen ist,
welche genaue Form hatte der Austausch, und welcher rechtliche Gehalt ist
ihm zuzusprechen?

7. Welche Erkenntnisse zum Atomreaktor Baltiisk 1 besitzt die Bundesregie-
rung durch Informationsaustausch

a) mit ihrem Generalkonsulat in Kaliningrad,

b) mit ihren Botschaften in Russland, Litauen und Polen,

c) infolge sonstiger Kontakte, wie beispielsweise mit Firmen/Unternehmen,
Nichtregierungsorganisationen oder anderweitigen Organisationen der Zi-
vilgesellschaft in Kaliningrad, Russland, Litauen und Polen oder

d) mit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH?

Wenn ja, bitte jeweils anführen, wann, zwischen wem genau, und mit wel-
chem Inhalt.

8. Welche Erkenntnisse zum Atomreaktor Baltiisk 2 besitzt die Bundesregie-
rung durch Informationsaustausch

a) mit ihrem Generalkonsulat in Kaliningrad,

b) mit ihren Botschaften in Russland, Litauen und Polen,

c) infolge sonstiger Kontakte, wie beispielsweise mit Firmen/Unternehmen,
Nichtregierungsorganisationen oder anderweitigen Organisationen der
Zivilgesellschaft in Kaliningrad, Russland, Litauen und Polen oder

d) mit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH?

Wenn ja, bitte jeweils anführen, wann, zwischen wem genau und mit wel-
chem Inhalt.

9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu vor, dass es bei der
Planung des AKW in Kaliningrad zu Sicherheitsmängeln gekommen sein
soll – es soll weder eine Prüfung des seismischen Risikos am Standort vorge-
nommen noch ein Plan für den Umgang mit dem hochradioaktiven Abfall vor-
gelegt worden sein – (Urgewald, Stand: 17. Oktober 2012: http://urgewald.
org/presse/russische-umweltschuetzer-fordern-keine-fin)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12024

10. Wie ist die Position der Bundesregierung zu diesen Vorfällen, und was wird
sie unternehmen, damit in Kaliningrad der höchstmögliche Sicherheitsstan-
dard für Nuklearanlagen eingehalten wird?

11. Strebt die Bundesregierung eine Zusammenarbeit bei der Einhaltung für
einen höchstmöglichen Sicherheitsstandard beim Bau von Nuklearanlagen
mit den russischen Behörden an oder sieht sie keinen Handlungsbedarf?

Wenn die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sieht, bitte mit genauer
Begründung, warum nicht.

12. Welche Förderungsmöglichkeiten für deutsche und russische Unternehmen
gibt es im Bereich Stromimporte (z. B. Sicherheiten oder Bürgschaften oder
Ähnliches)?

13. Gibt es in diesem Zusammenhang Anfragen, Voranfragen oder Anträge für
eine solche Förderung seitens des Netzbetreibers 50 Hertz im Rahmen der
Gespräche mit INTER RAO?

14. Auf welchem Stand ist das Vorhaben „Interconnection Kaliningrad Region
Power System – German Power System“ für den Status „Vorhaben von ge-
meinsamem Interesse“, und wie sieht der weitere Zeitplan dazu aus (bitte
mit genauem Zeitplan)?

15. Liegt der Bundesregierung eine Anfrage, Voranfrage oder ein Antrag auf
Hermesbürgschaft von der HypoVereinsbank vor, bei dem es sich um einen
Kredit für Alstom-Turbinen für das Kaliningrader AKW handelt (Süddeut-
sche Zeitung, 27. September 2012: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hypo-
vereinsbank-und-atomprojekte-halbwertszeit-von-versprechen-1.1479982)?

16. Wie will die Bundesregierung verhindern, dass integrierte Strommärkte
Dumping bei Umwelt- und Sicherheitsstandards zur Folge haben und den
Zielen der Energiewende (Ausstieg aus der Atomkraftnutzung) nicht wider-
sprechen?

17. Würde die Bundesregierung die Durchführung einer UVP im grenzüber-
schreitenden Rahmen beim Atomkraftwerkbau in Kaliningrad begrüßen?

Wenn nein, wieso nicht (bitte mit genauer Begründung)?

18. Wird sich die Bundesregierung aktiv dafür einsetzen, dass eine UVP im
grenzüberschreitenden Rahmen beim Atomkraftwerkbau in Kaliningrad
durchgeführt wird?

19. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen zu ge-
währleisten, obwohl Russland die Espoo-Konvention bisher nicht ratifiziert
hat?

Wenn nein, wieso nicht (bitte mit genauer Begründung)?

20. Wird die Bundesregierung bilaterale Gespräche mit Russland aufnehmen,
um den Ratifikationsprozess voranzubringen?

Wenn nein, wieso nicht (bitte mit genauer Begründung)?

21. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Grundwassersitua-
tion vor Ort?

22. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund
dieser Erkenntnisse für die Geeignetheit des Standorts?

23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Pläne zum Abtransport
der gebrauchten Brennstoffe?

Drucksache 17/12024 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass der Abtransport über
Land oder über Wasser geplant ist, und ob der Abtransport über internatio-
nale Gewässer erfolgen soll?

Berlin, den 3. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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