BT-Drucksache 17/11978

Integration von schweren Drohnen in den allgemeinen zivilen Luftraum

Vom 20. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11978
17. Wahlperiode 20. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Herbert Behrens, Annette Groth, Nicole Gohlke,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Paul Schäfer (Köln), Dr. Petra Sitte, Frank Tempel,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Integration von schweren Drohnen in den allgemeinen zivilen Luftraum

Unter dem Titel „Towards a European strategy for the development of civil
applications of Remotely Piloted Aircraft Systems“ erörtert die Europäische
Kommission, wie der zivile Luftraum in der Europäischen Union für Drohnen
geöffnet werden könnte – SWD(2012) 259 final. Für Systeme bis zu einem Ab-
fluggewicht von 150 Kilogramm sind für etwaige Regelungen die 27 Mitglied-
staaten selbst verantwortlich. Für schwerere „unbemannte Luftfahrtsysteme“
(UAS) ist die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) mit Sitz in Köln
zuständig. In die Entwicklung von „Standards and Recommended Practices“ ist
zudem die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) der Vereinten Natio-
nen eingebunden. Die EASA betreibt mehrere Forschungsvorhaben zur Integra-
tion schwerer Drohnen in den zivilen Luftraum.

Mit der Initiative will die Kommission der europäischen Rüstungsindustrie, die
einen Großteil der Drohnen produziert, Wettbewerbsvorteile verschaffen. Das
Dokument bezieht sich auf den US-Präsidenten Barack Obama, der im Februar
2012 ein Gesetz zur Nutzung von schweren Drohnen ab dem Jahr 2015 im zivi-
len Luftraum unterzeichnet hat. Um mit US-Firmen konkurrieren zu können,
sollten europäische Unternehmen am erwarteten enormen Umsatzzuwachs par-
tizipieren. Laut Kommission handele es sich dabei um den am dynamischsten
wachsenden Sektor der Luftfahrtindustrie im letzten Jahrzehnt. Die Lobbyarbeit
für die europäische Drohnenindustrie geht auf ein Treffen sogenannter Stake-
holder, das die Europäische Kommission letztes Jahr in Paris organisiert hatte.
Neben EU-Institutionen waren militärische Vertreter ebenso wie Innenministe-
rien, Grenztruppen und Polizeibehörden eingeladen. Um dem Negativimage von
Drohnen zu begegnen, wurde in Paris die zukünftige Verwendung des Terminus
„Remotely Piloted Aircraft Systems“ (RPAS) beschlossen.

Das Dokument „Towards a European strategy for the development of civil
applications of Remotely Piloted Aircraft Systems“ beschreibt verschiedene An-
wendungsgebiete schwerer Drohnen für Polizeibehörden oder Grenztruppen.
Dies deckt sich mit den Äußerungen des damaligen Staatssekretärs im Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Prof. Klaus-Dieter Scheurle.
Bei dem UAS-Anwenderforum des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und

Raumfahrtindustrie am 29. März 2012 in Berlin forderte Prof. Klaus-Dieter
Scheurle, unbemannte Luftfahrtsysteme sollten „rund um die Uhr“ überall in
Deutschland verfügbar sein und ohne lange Vorbereitungszeit starten und landen
können.

Drucksache 17/11978 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Initiativen, Gesetzgebungsverfahren, Forschungsprojekten und
Verfahren zur Normung ist die EASA damit befasst, Drohnen in den zivilen
Luftraum zu integrieren?

a) Um welche Zulassungsspezifikationen, Lufttüchtigkeitskodizes, Nach-
weisverfahren oder Durchführungsbestimmungen handelt es sich dabei?

b) Welche Stellungnahmen und Empfehlungen wurden hierfür seit Beginn
der Initiativen an die Kommission oder andere Institutionen der EU ge-
richtet?

c) Inwiefern sind von den genannten Verfahren Drohnen mit Abfluggewicht
unterhalb von 150 Kilogramm erfasst?

2. Inwiefern arbeitet die EASA hinsichtlich der Integration leichter und schwe-
rer Drohnen in den zivilen Luftraum auch mit anderen Staaten und Institu-
tionen zusammen?

a) Welche Arbeitsvereinbarungen wurden hierfür in den letzten fünf Jahren
geschlossen?

b) Welche Durchführungsverfahren im Rahmen von Arbeitsvereinbarungen
wurden in den letzten fünf Jahren mit welchem Ergebnis begonnen?

c) Inwiefern bzw. in welchem Umfang hat die EASA in den letzten fünf Jah-
ren auch Empfehlungen für die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation
(ICAO) ausgesprochen?

3. Mit welchen konkreten Maßnahmen befördert die EASA die Integration
leichter und schwerer Drohnen in den zivilen Luftraum mittels der Erstellung
von Musterzulassungen, Lufttüchtigkeits- und Umweltzeugnissen, Zulassung
von Geräten zum Flugbetrieb und Zulassung von Pilotinnen und Piloten?

a) Welche Anträge sind hierfür von welchen Regierungen oder Unternehmen
in den letzten fünf Jahren gestellt worden, und wie wurden diese entschie-
den?

b) Welche Entscheidungen über Zulassungen an welche Unternehmen oder
Einrichtungen sind ergangen?

c) Welche Inspektionen in welchen EU-Mitgliedstaaten wurden hierfür vor-
genommen?

d) Inwiefern wurden auch Untersuchungen in Unternehmen durchgeführt?

4. Inwiefern hat die EASA nach Kenntnis der Bundesregierung deutlich ge-
macht, dass für eine Entscheidung über die Integration leichter und schwerer
Drohnen in den zivilen Luftraum mehr Personal für die Agentur benötigt
würde?

Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus diesen Äußerungen
gezogen?

5. Worum handelt es sich bei dem „EASA Rulemaking Programme 2012–2015“
und „EASA Rulemaking Programme 2013–16“?

6. Mit welchen Behörden der Bundesregierung arbeitet die EASA hinsichtlich
der Integration leichter und schwerer Drohnen in den zivilen Luftraum zu-
sammen?

a) Um welche konkreten Maßnahmen handelt es sich dabei?

b) Welchen Hintergrund haben die bilateralen Flugsicherheitsabkommen
zwischen der EU und den USA bzw. der EU und Kanada?
c) Inwiefern war die EASA am Zustandekommen der Abkommen beteiligt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11978

d) Inwiefern wurde dabei auch der Abschluss von Abkommen zum Aus-
tausch von Passagierdaten thematisiert?

7. Inwieweit forscht die EASA an Verfahren, das Prinzip „See and Avoid“ für
UAS umzusetzen und ihre Integration in den zivilen Luftraum dadurch zu
erleichtern?

a) Hinsichtlich welcher Projekte zur Nutzung von schwereren UAS im
zivilen Luftraum arbeitet die EASA mit deutschen Firmen zusammen?

b) Welche konkreten Aufträge wurden hierfür vergeben?

c) In welche Vorhaben der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) ist
die Bundesregierung bezüglich der Implementierung der Zulassung von
UAS in den zivilen Luftraum beteiligt?

8. Auf welche Art und Weise wird die Integration leichter und schwerer Droh-
nen in den zivilen Luftraum im „Single European Sky ATM Research“
(SESAR) erörtert und betrieben?

a) Welche Agenturen oder sonstigen Institutionen aus dem militärischen,
polizeilichen oder grenzpolizeilichen Bereich der EU, der NATO oder
anderer supranationalen Organisationen oder Staaten sind am SESAR
beteiligt?

b) Sofern die Bundesregierung über keine Listen der Teilnehmenden ver-
fügt, welche entsprechenden Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Kon-
ferenzen oder Workshops sind ihren entsandten Vertretern und Vertrete-
rinnen erinnerlich?

c) Welche entsprechenden Behörden der Bundesregierung nehmen am
SESAR teil?

d) Mit welchen Unternehmen arbeiten Behörden der Bundesregierung hier-
für zusammen?

e) An welchen Treffen nahmen welche bundesdeutschen Behörden bislang
teil?

f) Welche Vorträge oder sonstigen Beiträge wurden von den deutschen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern hierfür erbracht?

9. Welchen Hintergrund hatte die Einrichtung des „EC UAS Panel“ durch die
Europäische Kommission (Bundestagsdrucksache 17/8693)?

Welche Initiativen hat das „EC UAS Panel“ seit seiner Gründung ergriffen,
und wer nahm daran teil?

10. Worum handelt es sich bei dem „UAS Panel Process“, und wie kam dieser
zustande?

a) Wer hat zum ersten Treffen des „UAS Panel Process“ eingeladen, und
nach welchem Verfahren wurden die Eingeladenen ausgewählt?

b) Inwiefern ist die EASA am „UAS Panel Process“ beteiligt?

11. Welche Agenturen oder sonstigen Institutionen aus dem militärischen, poli-
zeilichen oder grenzpolizeilichen Bereich der EU sind am „UAS Panel
Process“ beteiligt?

a) Sofern die Bundesregierung über keine Listen der Teilnehmenden ver-
fügt, welche entsprechenden Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Kon-
ferenzen oder Workshops sind ihren entsandten Vertretern und Vertrete-
rinnen erinnerlich?

b) Welche entsprechenden Behörden der Bundesregierung nehmen am

„UAS Panel Process“ teil?

Drucksache 17/11978 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Mit welchen Unternehmen arbeiten Behörden der Bundesregierung hier-
für zusammen?

d) An welchen Treffen nahmen welche bundesdeutschen Behörden bislang
teil?

e) Welche Vorträge oder sonstigen Beiträge wurden von den deutschen
Teilnehmern und Teilnehmerinnen hierfür erbracht?

12. Welchen Output hatte der „UAS Panel Process“ hinsichtlich der Nutzung
von Drohnen für die Bereiche Grenzsicherung, Brandbekämpfung, Ver-
kehrsbeobachtung und Kommunikation?

Inwiefern wurde innerhalb des „UAS Panel Process“ erörtert, ob hierfür
auch militärische Drohnen genutzt werden können?

13. Inwiefern sind die Anstrengungen der EASA, der SESAR oder des „UAS
Panel Process“ davon geprägt, dass die USA eine Integration schwerer
Drohnen in den zivilen Luftraum bereits ab dem Jahr 2015 erlauben wollen?

14. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Konferenzen oder sonstigen Treffen
arbeiten die EASA oder die SESAR mit dem Lobbyverband „UVS Interna-
tional“ oder dessen Programm „UAVs – Concerted Actions for Required
Regulations“ oder dem nationalen Interessenverband UAV DACH zusam-
men?

15. Worin besteht die Arbeit der von der Europäischen Kommission eingerich-
teten „European Steering Group“?

a) Wer nimmt an der Gruppe mit welchen Aufgaben teil?

b) Welche Treffen haben hierzu mit welcher Tagesordnung stattgefunden?

c) Mit welchen Beiträgen nahmen welche Bundesbehörden daran teil?

16. Worin besteht die Arbeit des „EDA Joint Investment Programme“?

Wer nimmt daran mit welchen Aufgaben teil?

a) Welche Treffen haben hierzu mit welcher Tagesordnung stattgefunden?

b) Mit welchen Beiträgen nahmen welche Bundesbehörden daran teil?

17. Wie ist die Haltung der Bundesregierung hinsichtlich der Nutzung militäri-
scher Drohnen auch für polizeiliche oder grenzpolizeiliche Zwecke, zur
Handhabung der Sicherheitsarchitektur bei polizeilichen Großlagen (Gipfel-
proteste, Sportereignisse) oder im Falle von Katastrophen?

a) Welche Abstimmungen welcher Behörden bzw. sonstigen Schritte wur-
den hierzu bereits vorgenommen?

b) Welche Arbeitsgruppen befassen sich mit der Thematik, und wer nimmt
daran teil?

18. Über welche Kenntnisse aus Studien, Berichten oder Statistiken verfügt die
Bundesregierung hinsichtlich des Wachstums des Drohnensektors der Luft-
fahrtindustrie?

a) Welcher Anteil entfällt demnach auf Deutschland, andere EU-Staaten,
die USA und Israel?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht
des Europäischen Rechnungshofes, wonach innerhalb der EASA Interes-
senskonflikte herrschen (Special Report No 15/2012)?

c) Inwiefern betreffen diese Interessenskonflikte nach Einschätzung der
Bundesregierung auch die Befassung mit Drohnen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11978

d) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, den Interes-
senskonflikten zu begegnen?

e) Welche Maßnahmen wird sie diesbezüglich selbst ergreifen?

19. Inwiefern sind die International Telecommunication Union (ITU) und das
European Telecommunications Standards Institute (ETSI) nach Kenntnis
der Bundesregierung mit der Integration leichter und schwerer Drohnen in
den zivilen Luftraum befasst?

20. Inwiefern war oder ist die EASA mit Zulassungsverfahren für die von der
Bundeswehr beschafften Drohnen „EuroHawk“ befasst, auch wenn diese
dort nicht beantragt wurden?

21. Auf welche Weise sind bzw. waren Behörden, Unternehmen oder sonstige
Stellen der Bundesregierung in die Entwicklung der Tarnkappen-Drohne
„nEUROn“ sowie das Langstrecken-UAS „Talarion“ involviert?

a) Welche Verträge welcher Behörden bzw. Unternehmen wurden hierfür
geschlossen?

b) Welchen Inhalt und welches Finanzvolumen hatten die Verträge?

c) Inwiefern dient(e) die Entwicklung von „nEUROn“ und „Talarion“ nach
Kenntnis bzw. Einschätzung der Bundesregierung auch dem Zweck, die
Entwicklung neuer Kampfflugzeuge entbehrlich zu machen?

d) Inwiefern war bzw. ist die EASA mit Zulassungsverfahren für die beiden
Drohnen befasst?

22. Über wie viele und welche UAS welcher Gewichtskategorie verfügt die
Bundeswehr gegenwärtig (bitte analog zu Bundestagsdrucksache 17/8693
angeben)?

a) Wo sind die Systeme jeweils stationiert, und von wo werden sie gesteuert?

b) Wie viele dieser Drohnen befinden sich zurzeit in Deutschland?

c) Wie viele dieser Drohnen befinden sich zurzeit bei Auslandseinsätzen
(bitte Standort angeben)?

23. Inwieweit ist die Anschaffung weiterer Drohnen durch die Polizei und Bun-
deswehr vorgesehen, und für welche Aufgaben und Einsatzszenarien sollen
diese geeignet sein?

24. Wie viele UAS von Polizei, Bundeswehr oder anderen Bundesministerien
oder in Deutschland stationierten ausländischen Streitkräften sind seit
Februar 2012 havariert oder abgestürzt?

25. Welche Überlegungen existieren bei der Bundesregierung, zukünftig be-
waffnete Drohnen zu nutzen?

a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 17/6904), wonach
Drohnen „mittel- bis langfristig durch eine Bewaffnung eine offensive
Rolle“ übernehmen könnten?

b) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung, Drohnen
könnten „gezielt eskalierend“ wirken?

c) Welche Drohnen wären hierfür nach Ansicht der Bundesregierung geeig-
net?

d) Welche Streitkräfte könnten hierdurch „unterstützt“ werden (z. B. Be-
kämpfung von Zielen in der Luft, am Boden, Überwachung von Trans-

portwegen, Seekriegsführung)?

Drucksache 17/11978 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung, neu zu be-
schaffende Maschinen sollen „grundsätzlich die Möglichkeit einer spä-
teren Bewaffnung“ vorsehen?

Berlin, den 20. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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