BT-Drucksache 17/11977

Geplante EU-Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten

Vom 20. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11977
17. Wahlperiode 20. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Petra Pau, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Geplante EU-Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten

Laut Berichterstattung im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ („Auf Vorrat
gespeichert“, 50/2012, S. 15) wird auf EU-Ebene eine neue Richtlinie diskutiert,
deren Inhalt den Regelungen des Fluggastdatenabkommens mit den USA
nahezu gleichen soll. Das EU-Parlament sollte demnach noch vor Weihnachten
über den geplanten Aufbau eines Systems zur Sammlung von Fluggastdaten
(PNR = Passenger Name Record) abstimmen. Diese Abstimmung ist nun zwar
verschoben, aber natürlich nicht aufgehoben.

Die Richtlinie soll den Mitgliedstaaten vorschreiben, Fluggastdaten von Passa-
gieren, die von und nach Europa reisen, systematisch zu erfassen und ohne jeg-
lichen Verdacht, einzig und alleine aufgrund der Nutzung eines Flugzeugs, fünf
Jahre lang auf Vorrat zu speichern. Auch innereuropäische Flüge können über-
wacht werden und der komplette Datensatz soll anstatt der vorgeschlagenen
30 Tage ganze zwei Jahre ausgewertet werden. Die Daten von anderen Ver-
kehrsmitteln wie Zügen und Schiffen sollen ebenfalls ausgewertet werden.

Unter anderem sollen Name, Adresse, Reiseziel, Telefonnummer, Kreditkarten-
daten und Essensvorlieben der Fluggäste unmittelbar nach dem Abfertigungs-
vorgang an die zuständige Ermittlungsbehörde übermittelt werden. Ein PNR-
Datensatz (Fluggastdatensatz) enthält in der Summe etwa 60 Angaben aus
19 verschiedenen Kategorien. Netzaktivisten sehen darin eine Vorratsdatenspei-
cherung in der Luft und haben eine Kampagne gestartet, um die Abgeordneten
des Europäischen Parlaments auf ihre Bedenken aufmerksam zu machen. Auch
die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), der Rechtsdienst
des Rates der Europäischen Union, der Europäische Datenschutzbeauftragte, die
Artikel-29-Datenschutz-Gruppe der Europäischen Kommission und der deut-
sche Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
(BfDI), Peter Schaar, sehen massive rechtliche Bedenken bei der Auswertung
von PNR-Daten. „Alle Fluggäste sollen auf der Grundlage der Daten einer ‚Ge-
fahrenanalyse‘ unterzogen werden. Dies komme einer Rasterfahndung sehr
nahe“, so der BfDI in seiner Pressemitteilung vom 27. April 2012. Genau
genommen werden bei der PNR-Richtlinie also Vorratsdatenspeicherung und
Rasterfahndung kombiniert und es stellt sich die Frage, ob die EU mit diesem

Projekt nicht auch gegen das Urteil des BVerfG vom März 2008 in Sachen
Vorratsdatenspeicherung verstößt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie sieht der aktuelle Zeitplan zur Verabschiedung des Vorschlags über die
„Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwen-

Drucksache 17/11977 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Verhütung, Aufdeckung, Auf-
klärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und
schwerer Kriminalität“ aus, nachdem die Abstimmung im Ausschuss für bür-
gerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) am 17. Dezember
2012 verschoben wurde, und welche Gründe hatte die Verschiebung?

2. Welchen Stand hat die institutionelle Diskussion um den Vorschlag für eine
europäische Fluggastdatenregelung aktuell (bitte hier auch die unterschied-
lichen Positionen der Mitgliedstaaten darstellen)?

3. Wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich der Pläne der Europä-
ischen Kommission, und welchen Sinn sieht sie besonders in der Erfassung
innereuropäischer Reisebewegungen?

4. Welchen Stand haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Überlegungen,
die in der Vergangenheit vor allem Großbritannien ins Spiel gebracht hatte,
auch eine Erfassung der europäischen Schiffs- und Bahnreisenden zu regeln
und vorzunehmen, und welche Position hat die Bundesregierung dazu?

5. Teilt die Bundesregierung die Bedenken des BfDI, und in welcher Form ver-
tritt sie diese gegebenenfalls auf europäischer Ebene?

Wenn nein, warum nicht?

6. Haben das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium des
Innern in Bezug auf die geplante EU-Richtlinie einen gemeinsamen Stand-
punkt?

Wenn nein, worin unterscheiden sich die Positionen der beiden Bundesminis-
terien?

7. Hat die Bundesregierung an Vorabverhandlungen bezüglich der Richtlinie
teilgenommen?

Wenn ja, durch wen wurde sie wann, in welcher Art und Weise, und mit wel-
chem Ziel vertreten?

Wenn nein, hatte die Bundesregierung Kenntnis von dem Vorhaben der
Europäischen Kommission?

8. Wie schätzt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit einer solchen
Richtlinie vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum
„Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer
verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie
2006/24/EG“ ein?

Berlin, den 20. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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