BT-Drucksache 17/11961

zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Tom Koenigs, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/10791 - Entwicklungspolitische Zusammenarbeit fit machen für die Kooperation mit fragilen Staaten

Vom 20. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11961
17. Wahlperiode 20. 12. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Tom Koenigs, Thilo Hoppe,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/10791 –

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit fit machen für die Kooperation
mit fragilen Staaten

A. Problem

Fragile Staaten werden in den kommenden Jahrzehnten eine besondere Heraus-
forderung für die internationale Gemeinschaft darstellen, da rund 20 Prozent
der Weltbevölkerung, etwa 1,5 Milliarden Menschen, in Ländern mit fragiler
Staatlichkeit leben.

Auch wenn es nach wie vor keine einheitliche Definition gibt, können generell
jene Staaten als fragil angesehen werden, in denen der Staat nicht willens oder
in der Lage ist, staatliche Grundfunktionen in den Bereichen Sicherheit,
Rechtsstaatlichkeit, soziale Grundversorgung und Legitimität zu erfüllen. Die
staatlichen Institutionen zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie sehr
schwach oder vom Zerfall bedroht sind; die Bevölkerung leidet zudem unter
großer Armut, Gewalt und politischer Willkür. Es ist zu befürchten, dass in die-
sen fragilen Staaten eine dauerhafte Armut entsteht.

Die internationale Gemeinschaft hat sich in der Entwicklungszusammenarbeit
(EZ) lange auf die „Good Performers“ konzentriert und die fragilen Staaten
vernachlässigt. Viele Geber schrecken bislang vor einem nachhaltigen Engage-
ment in fragilen Staaten zurück, da sie das damit verbundene Risiko schlecht
einschätzen und zu verfolgende Interessen und Ziele in fragilen Kontexten
nicht klar identifizieren können. Aus diesem Grund haben sich mehr und mehr
fragile Staaten zu sogenannten Aid Orphans, also von der internationalen Ent-
wicklungszusammenarbeit verwaiste Staaten, entwickelt. Eine Zusammen-
arbeit findet in diesen Kontexten in der Regel auf einem zu niedrigen Niveau
über humanitäre Hilfsleistungen und regierungsferne Projekte statt. Es ist dem-

zufolge nicht weiter verwunderlich, dass bislang kein als fragil eingestuftes
oder von bewaffneten Konflikten betroffenes Land laut dem Weltentwicklungs-
bericht der Weltbank von 2011 auch nur eines der Millennium Development
Goals (MDGs) erreicht hätte oder in absehbarer Zeit erreichen würde.

Um fragiler Staatlichkeit bereits frühzeitig vorzubeugen, sind Gerechtigkeit,
die Zurechnungsfähigkeit staatlichen Handelns und die Einhaltung der Men-
schenrechte, Rechtsstaatlichkeit sowie die Förderung von sozialem und ökono-

Drucksache 17/11961 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mischem Fortschritt, die faire Verteilung von Ressourcen sowie Transparenz im
Regierungshandeln elementar. Die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Struk-
turen sowie institutionalisierter Beteiligungsprozesse, vor allem für Frauen,
spielen für die Überwindung von Fragilität und die Förderung von Demokratie
eine entscheidende Rolle. Bilaterale und besonders multilaterale Entwicklungs-
zusammenarbeit verfügen über die technischen und finanziellen Instrumente
vor allem in den Bereichen Good Governance und Armutsbekämpfung, um die
strukturellen Ursachen von fragiler Staatlichkeit wirksam und rechtzeitig zu
bekämpfen und somit präventionsorientiert vorzugehen. Eine dauerhafte Sta-
bilisierung muss jedoch von den fragilen Staaten getragen werden und von der
eigenen Bevölkerung ausgehen.

Aufgrund der komplizierten Situation in fragilen Staaten muss genauestens ab-
gewogen werden, wann, wo und wie die bilaterale EZ aktiv werden soll und
muss. Die deutsche EZ muss hier ihren gesamten Instrumentenmix verzahnen
und sowohl national als auch international eine intensive Abstimmung und
Koordination vornehmen. Hier ist strategische Geduld erforderlich, um sich
zum einen in einem langfristigen Aufbauprozess zu engagieren. Laut der Welt-
bank dauert es im Durchschnitt mehrere Jahrzehnte, bis staatliche Institutionen
nach einem Zusammenbruch wieder voll funktionstüchtig sind. Zum anderen
muss die EZ aber auch kurzfristige Erfolge für die Bevölkerung bringen, da
sich eine solche Friedensdividende insbesondere in Postkonfliktkontexten häu-
fig als elementar für den Erhalt des Friedens herausgestellt hat.

Die deutsche EZ ist vor allem im Aufbau und der Stärkung von Partnerschafts-
netzwerken vor Ort, auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, hoch an-
gesehen. Insbesondere in fragilen Staaten verfügen solche lokalen und regio-
nalen Strukturen über größere innere Stabilität als staatliche Einrichtungen. In
bestimmten Kontexten können traditionelle Gemeinschaften und zivilgesell-
schaftliche Organisationen das staatliche Vakuum zeitweise ausfüllen, eine
Reihe staatlicher Funktionen, wie Gesundheitsversorgung und Bildung, über-
nehmen und ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit garantieren.
Zivilgesellschaftliche Strukturen können sogar funktionierende Regelungen zur
Ressourcenverteilung und zur Konfliktlösung etablieren, an die es unter Einbe-
ziehung der lokalen Behörden anzuknüpfen gilt. Somit kann auch das Vertrauen
zwischen Bevölkerung und Staat verbessert bzw. neu aufgebaut werden. Eine
lebendige und starke Zivilgesellschaft ist darum eine zentrale Voraussetzung
für die Staatsbildung.

Die Weltbank sieht darüberhinaus Sicherheit, Gerechtigkeit und Arbeitsplätze
als prioritäre Handlungsfelder für die EZ in fragilen Staaten. Der Zugang zu Bil-
dung und Basisgesundheitsdiensten, Ernährung, Wasser und sanitärer Grund-
versorgung, der Menschenrechtsschutz und besonders die Anpassung an den
Klimawandel dürfen nicht vernachlässigt werden. Gerade Frauen nehmen eine
zentrale Rolle bei der Entwicklung fragiler Staaten ein; ihnen kommt entsprech-
end der Resolution 1325 in der Friedensentwicklung eine besondere Aufmerk-
samkeit zu. Dazu gehört besonders die Förderung von Traumaverarbeitung. Der
Umgang mit Traumata ist gerade bei Frauen, die in fragilen Staaten meist die
zentrale Bezugsperson von Kindern und anderen Familienmitgliedern sind, von
großer Bedeutung. Unbehandelte Erfahrungen mit Gewaltsituationen wirken
sich unmittelbar auf die familiäre Umgebung aus und können somit die Friedens-
entwicklung einer Region und eines Landes maßgeblich beeinflussen.

Fragile Staaten werden vielfach von autoritären Regimen regiert. Im Umgang
mit autoritären Regimen müssen Maßnahmen und Instrumente der EZ im Be-
reich der Staatsbildung durch Stärkung bzw. Aufbau von zentralen Institutionen
wie der Polizei oder dem Militär sensibel geprüft und abgewogen werden. Das

wichtige Handlungsprinzip des andauernden Engagements (stay engaged) und
die unmittelbare Bedrohung, die fragile Staaten für die Sicherheit der in ihrem

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11961

Umfeld lebenden Menschen bedeuten, darf dadurch jedoch nicht in Frage ge-
stellt werden.

Ziel der Entwicklungspolitik in fragilen Staaten muss es sein, zu einer entschei-
denden Verbesserung der Situation der Menschen, zu einem nachhaltigen Auf-
bau von Institutionen sowie zu einer Entwicklung von Vertrauen zwischen der
Bevölkerung und den öffentlichen Institutionen beizutragen. Dies wird zuneh-
mend zu einer der wichtigsten, aber auch schwierigsten Entwicklungsaufgaben
des 21. Jahrhunderts.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Erfüllungsaufwand

Der Antrag macht keine Angaben über entstehenden Erfüllungsaufwand.

Drucksache 17/11961 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/10791 abzulehnen.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Sibylle Pfeiffer
Berichterstatterin

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Ute Koczy
Berichterstatterin

ten künftig auch gemeinsame Evaluierungen internationalen
Engagements stärker gefördert werden. Es wird außerdem Hilfe empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
eingefordert, dass bestehende lokale und regionale Zivil-
gesellschaftsstrukturen eine noch größere Beachtung in der
Zusammenarbeit finden. Erfahrungen im Aufbau dezentra-
ler und zivilgesellschaftlicher Strukturen sollten gesondert

CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag ab-
zulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11961

Bericht der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Stefan Rebmann, Joachim Günther
(Plauen), Heike Hänsel und Ute Koczy

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/10791 in seiner 195. Sitzung am 27. September 2012 be-
raten und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Auswärtigen Ausschuss, den Innenausschuss, den Ver-
teidigungsausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die Ange-
legenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung wird im multilateralen Bereich auf-
gefordert, eine regierungsweite, auch die Wirtschaftspolitik
einbeziehende und mit den internationalen Partnern abge-
stimmte Strategie für die Zusammenarbeit mit fragilen Staa-
ten zu entwickeln. Es müsse außerdem die bi- und multilate-
rale EZ entsprechend der Peacebuilding und Statebuilding
Goals (PSGs) des International Dialogue on Peacebuilding
and Statebuilding ausgerichtet werden, die gemeinsam mit
19 fragilen Staaten erarbeitet und im Rahmen der Busan-
Erklärung 2011 verabschiedet worden seien. Diese PSGs
für fragile Staaten müssten unter Berücksichtigung der Er-
kenntnisse mit Peacebuilding-Missionen wie etwa in Sierra
Leone mit Nachdruck operationalisiert werden, wobei die
Partner in den fragilen Staaten einbezogen und die Ziele in
die entsprechende Diskussion um eine Post-2015-MDG-De-
batte eingespeist werden müssten.

Die Antragsteller fordern eine deutliche Stärkung der VN in
der Koordination, der Auswertung von Informationen und
der Verbreitung von Frühwarnmechanismen, Voranalysen,
Auswertungen und Strategieentwicklungen. Zudem werden
Aufstockungen bei den multilateralen Fonds, wie die Inter-
national Development Association (IDA) der Weltbank und
der African Development Fund (AfDF) der Afrikanischen
Entwicklungsbank, gefordert, um Mittel verschiedener Ge-
ber für fragile Staaten zu poolen, Planungssicherheit und
Langfristigkeit des Engagements zu garantieren und die
Überforderung der ohnehin schwachen staatlichen Struktu-
ren zu reduzieren. Außerdem fordert man den verstärkten
Aufbau gemeinsamer Länderbüros („Joined Development
Partner Offices“), eine intensivere Veröffentlichung von Be-
richten und Finanzierungen sowie sinnvollere Arbeitsteilun-
gen der in einem fragilen Staat aktiven Geber.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, weiterhin unabhän-
gige Evaluierungen durchzuführen und eine entsprechend
flexible Anpassung der Strategie vorzunehmen. Dabei soll-

Ort, der Strukturen und Akteure sicherzustellen, fordere
man die Optimierung der deutschen und internationalen
Strukturen sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit
mit den jeweiligen Zielgruppen vor Ort. Das neu gegründete
Institut für deutsche Entwicklungsevaluierung gGmbH
müsse für diese Anforderungen aufgestellt werden.

Im Hinblick auf die bilaterale Zusammenarbeit muss be-
dacht werden, dass die Vor-Ort-Strukturen der Durchfüh-
rungsorganisationen der Deutschen Gesellschaft für Inter-
nationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und der KfW
Bankengruppe sowie die politischen Stiftungen gestärkt
werden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (BMZ) wird gleichzeitig auf-
gefordert, in fragilen Staaten personell präsenter zu sein und
die Anzahl der WZ-Referenten und -Referentinnen in den
Botschaften konsequent zu erhöhen, um den komplexen Si-
tuationen gerecht werden zu können.

Die Bundesregierung wird nachdrücklich aufgefordert, die
Einbindung und Verbesserung der Situation von Mädchen
und Frauen mit Blick auf die positiven Effekte weiblicher
Partizipation in Entwicklungsfragen stärker als strategisches
Ziel der Zusammenarbeit mit fragilen Staaten in den Blick
zu nehmen.

Im Kontext von fragilen Staaten fordern die Antragsteller
bei Nothilfemaßnahmen sehr frühzeitig mit strukturbilden-
den Maßnahmen zu beginnen und hierfür die erforderlichen
Rahmenbedingungen in der Struktur der Haushaltstitel zu
schaffen. Der Titel „Entwicklungsorientierte Struktur- und
Übergangshilfe“ sollte dafür um 80 Mio. Euro erhöht wer-
den.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss, der Innenausschuss, der Vertei-
digungsausschuss, der Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe und der Ausschuss für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union haben den Antrag auf Druck-
sache 17/10791 am 12. Dezember 2012 beraten.

Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

Der Innenausschuss und der Verteidigungsausschuss
empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzu-
lehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
evaluiert und die entsprechende Forschung ausgebaut wer-
den. Um möglichst detailliertes Wissen der Situation vor

schen Union empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der

Drucksache 17/11961 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache 17/10791 in
seiner 70. Sitzung am 12. Dezember 2012 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und
DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält das
Thema fragile Staaten für sehr komplex, und daher bedürfe
es auch einer verstärkten Auseinandersetzung in 2013. Die
Problematik betreffe 1,5 Milliarden Menschen weltweit,
und keines der betroffenen Länder habe nur eines der
MDGs erreicht. Das Konfliktpotenzial reiche auch über die
regionalen Grenzen hinaus und fördere kriminelle Netz-
werke, wie z. B. den illegalen Rohstoff-, Drogen-, Waffen-
und Menschenhandel. Aufgrund dieser Bedrohungen müsse
man sich mit diesem defizitären Thema auseinandersetzen.
Der Antrag fordere eine Diskussion sowie die Konzeption
einer einheitlichen Definition der fragilen Staatlichkeit, um
besser mit diesen Staaten umgehen zu können. Darüber hi-
naus müsse die Entwicklung einer Strategie im multilatera-
len Rahmen sowie eine Einbeziehung der Partner vor Ort
stattfinden. Über einen multilateralen Ansatz, also über die
Stärkung der VN und der EU oder in der Zusammenarbeit
mit der Afrikanischen Union und den Ländern und Regio-
nen könne mehr erreicht werden. Insbesondere die Stärkung
der VN sei Voraussetzung dafür, dass Informationen aufge-
griffen und analysiert sowie effiziente Frühwarnmechanis-
men etabliert werden könnten. Man müsse zwingend an den
zehn Prinzipien für ein zweckmäßiges internationales Enga-
gement in fragilen Staaten und Situationen, die im Jahre
2007 erarbeitet worden seien, anknüpfen. Der Prüfbericht
der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung erwähne die Notwendigkeit, die Mittel für die
bilaterale Official Development Assistance (ODA) für Part-
nerländer in Subsahara-Afrika sowie für von Konflikten und
fragiler Staatlichkeit betroffenen Ländern zu erhöhen. Man
brauche ebenfalls einen beschäftigungsintensiven Wirtschafts-
aufbau sowie eine verstärkte Zusammenarbeit der EZ- und
Nothilfemaßnahmen mit den lokalen Organisationen. In
diesen Situationen müssten gerade Frauen besonders ge-
fördert und deren Möglichkeiten und Fähigkeiten verstärkt
berücksichtigt werden. Für ein Engagement in fragilen Staa-
ten müsse man in langfristigen Zeithorizonten denken und
könne die Probleme nicht innerhalb kurzer Zeit lösen. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimme dem eige-
nen Antrag zu.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstreicht, dass sie den An-
trag aufgrund widersprüchlicher Inhalte sowie der Tatsache,
dass viele Forderungen bereits umgesetzt würden, ablehne.
So gebe es bereits eine internationale Abstimmung, ebenso
die unabhängige Evaluierung, den Instrumentenmix, die
Unterstützung lokaler Strukturen sowie die Bemühungen
um Politikkohärenz und Personalverstärkung an Botschaf-
ten. Die Antragsteller würden eine einheitliche Definition

Fachliteratur hervorginge. Die Gründe für Fragilität und
ihre Auswirkungen seien für jeden betroffenen Staat sehr
unterschiedlich. Das Thema fragile Staaten sei ein hoch-
komplexes schwieriges Thema, und daher sei die geplante
Anhörung des AwZ dazu wichtig und richtig. Eine zentrale
Herausforderung im Umgang mit fragilen Staaten sei die
Frage, welchen Stellenwert die Konditionalisierung von
Good Governance einnehmen bzw. welche Prioritäten man
in Zukunft in der Zusammenarbeit mit fragilen Staaten set-
zen sollte. Der Antrag greife in Teilen zu kurz und in ande-
ren Teilen Dinge auf, die bereits umgesetzt worden seien;
daher lehne man ihn ab.

Die Fraktion der SPD geht darauf ein, dass der Umgang
mit und die Entwicklungszusammenarbeit in fragilen Staa-
ten sehr komplex und kompliziert sei. Deshalb sei eine An-
hörung wichtig. Laut Ausführungen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP würden bereits viele Forderungen des
Antrags umgesetzt, jedoch stellten die genannten Leitlinien,
der Beirat zur Krisenprävention und andere Aspekte ledig-
lich Ansätze dar und seien zudem bislang sehr vage. Man
verweise im Zusammenhang mit den Leitlinien auf die Ein-
schätzung der alternativen Friedensnobelpreisträgerin aus
Afghanistan, Sima Samar, die davor gewarnt habe, dass auf-
grund der Einbeziehung der örtlichen Traditionen den Taliban
zukünftig keine Frau gegenüber gesetzt werden könne. Das
müsste dann die Position des Auswärtigen Amts sein, wenn
man sich auf diese Leitlinien berufen würde. Man befür-
worte im Übrigen die Diskussion und die Erarbeitung einer
Definition, was unter einem fragilen Staat zu verstehen sei.
Der Umgang mit der Zivilgesellschaft in fragilen Staaten sei
ein weiterer wichtiger Punkt und wie diese mit einbezogen
werden könne, wie die Arbeit in fragilen Staaten evaluiert
und welche Konsequenzen daraus gezogen werden könnten.
Anders als im SPD-Strategiepapier zur zivilen Krisenprä-
vention fordere die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
einen Staatsminister. Da dieses der einzige Unterschied sei,
werde man dem Antrag zustimmen.

Die Fraktion der FDP hält das Thema, dem man sich über
verschiedene Ansatzpunkte nähern könne, ebenfalls für
komplex. Sie widerspreche allerdings der Kernaussage des
Antrags, die EZ mit fragilen Staaten müsse erst einmal in
den Fokus der Arbeit der Bundesregierung gerückt werden.
Dieses sei vielmehr schon mit verschiedenen Instrumenten,
wie den Leitlinien der Bundesregierung für kohärente Poli-
tik gegenüber fragilen Staaten, dem Ressortkreis zivile Kri-
senprävention, dem Beirat zivile Krisenprävention sowie
länderspezifischen Koordinierungsprogrammen geschehen.
Das Thema sei also bereits in den Fokus des Regierungs-
handelns gerückt. Im Antrag würden sich darüberhinaus die
Forderungen zur Wahrung der Menschenrechte einerseits
und die Kritik an der Kürzung von Budgethilfen bei
schlechter Regierungsführung andererseits widersprechen.
Man müsse sich jedoch für einen der beiden Punkte ent-
scheiden. Zusammenfassend sehe man keinen Handlungs-
bedarf und lehne den Antrag darum ab.

Die Fraktion DIE LINKE. bedauert die technische Heran-
gehensweise des Antrags. In der Ursachenanalyse von fragi-
len Staaten fehle im Antrag eine gute Analyse, wie Staaten
von außen destabilisiert würden. Die deutsche und interna-
von fragilen Staaten fordern. Dies sei angesichts der Vielfalt
der Erscheinungsformen nicht möglich, was auch aus der

tionale Außenpolitik habe durch massive Interventionen
von außen zu Destabilisierungen geführt, wie beim Krieg

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11961

gegen den Terrorismus, durch Rüstungsexporte in die Nach-
barregionen, und immer wieder würden gezielt Gruppen für
kurzweilige Einbindungsstrategien in Ländern aufgebaut,
um andere Gruppen zu bekämpfen, wie z. B. in Libyen und
Syrien. Diese politischen Probleme könne man nicht mit
technischen Lösungen wie „Pooling“ oder „Instrumenten-
mix“ beantworten. Man unterstütze einige Forderungen des
Antrags wie die Erhöhung der Übergangshilfe im BMZ-
Haushalt. Man könne allerdings in Bezug auf das Konzept
der vernetzten Sicherheit die Position des Antrags nicht
nachvollziehen. Es werde der Eindruck erweckt, dass die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Konzept sowie
der zivil-militärischen Kooperation Abstand genommen
habe. Gleichzeitig werde ein neues Konzept gefordert, wel-
ches zwar dem Primat des Zivilen Rechnung trage, zugleich
jedoch verbunden ist mit der Forderung, die Ressourcen von
Diplomatie, EZ, Polizei und Militär besser zu bündeln und
neu zu optimieren. Grundsätzlich werde also an der zivil-
militärischen Zusammenarbeit festgehalten und deshalb
lehne man den Antrag ab.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Sibylle Pfeiffer
Berichterstatterin

Stefan Rebmann
Berichterstatter

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Ute Koczy
Berichterstatterin

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