BT-Drucksache 17/11901

Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln, die durch gesundheitsschädliche Mineralölbestandteile aus der Verpackung belastet sind

Vom 13. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11901
17. Wahlperiode 13. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Kirsten Tackmann, Katrin Kunert, Caren Lay,
Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln, die durch gesundheitsschädliche
Mineralölbestandteile aus der Verpackung belastet sind

Mineralölbestandteile können in größeren Mengen von Verpackungen aus Alt-
papier in die Lebensmittel übergehen. Bestimmte in Mineralölen enthaltene
Kohlenwasserstoffe werden beim Verzehr belasteter Lebensmittel im menschli-
chen Körper angereichert. Sie gelten als krebserzeugend und können Schäden
in der Leber, den Herzklappen und den Lymphknoten verursachen. Das Kanto-
nale Labor Zürich wies in diesem Zusammenhang bereits im Jahresbericht
2009 darauf hin, dass Mineralöl mengenmäßig die weitaus größte Verunreini-
gung unseres Körpers ist. Spätestens seit Dezember 2009 ist dieser Sachverhalt
den zuständigen Behörden durch Veröffentlichung des Bundesinstituts für Risi-
kobewertung (BfR) bekannt.

Die Grenze der gesundheitlichen Unbedenklichkeit wurde bei Untersuchungen
von altpapierverpackten Lebensmitteln zum Teil um mehr als das 100-Fache
überschritten. Maßgebliche Quelle der Belastung durch Mineralölbestandteile
ist nicht der Farbaufdruck auf der Verpackung, sondern die Recyclingware
selbst. Besonders wiederverwendetes Zeitungspapier und die darin enthaltenen
Druckfarben führen nachweislich zu einer erheblichen Verunreinigung von
Verpackungsmaterial. Betroffen ist dabei die gesamte Lieferkette von der Er-
zeugung bis zum Verkaufsregal.

Gesundheitsbedenkliche Belastungen zeigen sich besonders deutlich bei Ge-
treideprodukten wie Mehl, bei Reis, Frühstücksflocken und Nudeln. Diese wer-
den oft unmittelbar in Papierverpackungen angeboten und auch in der Verar-
beitungskette in Kartonagen abgefüllt und gelagert. Hinzu kommt, dass diese
Produkte lange haltbar sind und damit über viele Monate schadstoffbelasteten
Verpackungen ausgesetzt sein können. Eine Außenfolie als Umverpackung ver-
stärkt den Effekt. Auch häufig verwendete Kunststoffbeutel aus Polyethylen
zwischen Verpackung und Lebensmittel verhindern das Eindringen der Mine-
ralölbestandteile nicht. Lediglich Barrieren aus Aluminium und dem Kunststoff
PET schützen die Esswaren wirksam.

Nach der Verordnung (EG) Nr. 2023/2006 über gute Herstellungspraxis für
Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in
Berührung zu kommen, müssen die Lebensmittelhersteller seit Juli 2008 den

Nachweis erbringen, dass das von ihnen eingesetzte Verpackungsmaterial die
Beschaffenheit des darin verpackten Lebensmittels nicht nachteilig beeinflus-
sen kann. In einer am 18. Dezember 2009 veröffentlichten amtlichen Stellung-
nahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder
und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS)
mit dem Titel „Gute Herstellungspraxis (GMP) und Konformitätserklärung für
Lebensmittelbedarfsgegenstände“ heißt es, dass nicht nur die Verpackung selbst,

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sondern auch die entsprechenden Vorprodukte und die für deren Herstellung be-
nötigten Stoffe diesen Anforderungen genügen müssen. Es wird ausgeführt,
dass als oberstes Prinzip der europäischen Gesetzgebung die Verantwortung
des Unternehmers gilt, die Konformität seines Produktes mit den gesetzlichen
Vorgaben sicherzustellen. Die Aufgabe der amtlichen Überwachung ist die
stichprobenartige Kontrolle. Der Hersteller hat zudem Unterlagen bereitzuhal-
ten, welche die Konformitätserklärung begründen. Kann der Nachweis nicht er-
bracht werden, kann ein Verkehrsverbot nach § 31 Absatz 1 des Lebensmittel-
und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) ausgesprochen werden.

Nach wie vor sind insbesondere Getreideprodukte auf dem Markt, die mit Alt-
papierverpackungen und ohne wirksame Barriere angeboten werden. Eine
wirksame gesetzliche Regelung, die eine Verwendung gesundheitsbedenklicher
Verpackungen unterbindet, steht aus. Es stellt sich die Frage, inwieweit betrof-
fene Produkte verkehrsfähig sind und ob Altpapierkartonagen derzeit über-
haupt lebensmittelrechtlichen Anforderungen genügen können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie überprüft die Bundesregierung die Einhaltung der Konformität im
Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2023/2006 in Bezug auf Papier- und Kar-
tonverpackungen, die mit Mineralölbestandteilen belastet sein können?

2. Welche Kontrollergebnisse über die Einhaltung der oben genannten Kon-
formität sind der Bundesregierung von den zuständigen Behörden in den
Ländern bekannt?

3. Wie wird sich die Bundesregierung über Kontrollergebnisse informieren,
sofern sie bisher keine Informationen dazu eingeholt hat?

4. Durch welche behördlich anerkannten Methoden bzw. Prüfverfahren er-
bringen Unternehmen derzeit den Nachweis über die Unbedenklichkeit der
Verpackungen aus Papier bzw. Karton mit Altpapieranteil in Bezug auf den
möglichen Übergang von Mineralölbestandteilen auf die Lebensmittel?

5. Welche Maßnahmen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
bensmittelsicherheit bisher ergriffen, um Verbraucherinnen und Verbrau-
cher vor dem Verzehr von Lebensmitteln, die mit Mineralölbestandteilen
belastet sein könnten, zu schützen?

6. Warum billigt die Bundesregierung weiterhin das Inverkehrbringen von
Lebensmitteln, die aufgrund von Altpapierverpackungen mit gesundheits-
bedenklichen Mineralölbestandteilen belastet sein könnten, obwohl ihr der
Sachverhalt seit nunmehr drei Jahren bekannt ist?

7. Wie werden die Verbraucherinnen und Verbraucher über die möglichen ge-
sundheitlichen Auswirkungen informiert, die von Lebensmitteln ausgehen kön-
nen, die mit Mineralölbestandteilen aus der Verpackung belastet sein können?

8. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um Mineralöle aus dem Recycling-
kreislauf für Papier und Karton zu verbannen?

9. Aus welchen Gründen wurde der Entwurf der Zweiundzwanzigsten Ver-
ordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung (Mineralölver-
ordnung), die seit dem 3. Mai 2011 vorliegt, bisher nicht umgesetzt?

10. Wie begründet die Bundesregierung die Zulässigkeit der Verkehrsfähigkeit
von Lebensmitteln, die unmittelbar in Verpackungen aus Material mit Alt-
papierbestandteil bzw. ohne nachweislich wirksame Barriere zwischen
Kartonverpackung und Lebensmittel auf dem Markt sind?

Berlin, den 13. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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