BT-Drucksache 17/11879

Dörfer vor Agrarfabriken schützen - Planungs- und Immissionsrecht verschärfen

Vom 12. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11879
17. Wahlperiode 12. 12. 2012

Antrag
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bettina Herlitzius, Dorothea Steiner,
Cornelia Behm, Harald Ebner, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Markus Tressel, Hans-Josef Fell, Dr. Anton Hofreiter,
Sven-Christian Kindler, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn,
Dr. Hermann E. Ott, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dörfer vor Agrarfabriken schützen – Planungs- und Immissionsrecht verschärfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der ländliche Raum ist durch die extrem starke Zunahme von Vorhaben zur ge-
werblichen Tierhaltung im Außenbereich in seiner Entwicklung gefährdet. Der
Außenbereich droht sich von einem primär landwirtschaftlich genutzten Raum
mit wichtigen Funktionen für Natur und Mensch nahezu flächendeckend, in
einen Standort der Intensivtierhaltung zu verwandeln.

Primäre Ursache für diese Fehlentwicklung ist eine zu großzügige Auslegung
des § 35 Absatz 1 Nummer 4 des Baugesetzbuchs (BauGB), die die gewerbliche
Massentierhaltung zu den Vorhaben rechnet, die gerade im Außenbereich privi-
legiert zulässig sind. Den heutigen Verhältnissen ist diese Auslegung nicht mehr
angemessen.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Massentierhaltungsanla-
gen wegen der von ihnen ausgehenden Wirkungen (z. B. Geruchsbelästigungen)
im Außenbereich als privilegierte Anlagen zulässig, was dazu führt, dass Ver-
waltungen und Instanzgerichte Intensivtierhaltungsanlagen regelmäßig im
Außenbereich zugelassen haben und noch zulassen. So „entscheidet“ letztend-
lich nur der Bauantrag des Antragstellers, wo eine Massentierhaltungsanlage im
Gemeindegebiet entstehen soll und die betroffene Gemeinde ist dadurch ge-
zwungen, ihr Einvernehmen zu erteilen.

Vorhandene baurechtliche Instrumente, die zur Steuerung von Intensivtierhal-
tungsanlagen herangezogen werden können, sind aufwändig und unzureichend.

Auf der einen Seite sind die Kommunen überfordert, weil die Umsetzung dieser
Instrumente ein umfangreiches städtebauliches Konzept mit hohen Planungs-

kosten und einem hohen Personalaufwand erfordert. Das können sich die meis-
ten betroffenen Kommunen nicht leisten.

Auf der anderen Seite fehlt es den Kommunen an Instrumenten, das Wachstum
von Tierhaltungsanlagen auf dem Gemeindegebiet zu begrenzen, um eine wei-
tere Verschlechterung zu verhindern, wenn eine bestimmte Viehdichte über-
schritten wird.

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Neben der Problematik, die sich aus § 35 Absatz 1 Nummer 4 BauGB ergibt,
führt die bestehende Definition der Landwirtschaft des § 201 BauGB zu einer
weiteren Aufweichung zu Gunsten der Intensivtierhaltung, weil mehr als
50 Prozent des Futters auf der eigenen Betriebsfläche zwar potentiell erzeugt
werden soll, aber nicht verfüttert werden muss. So geht die ökologisch sinnvolle
Verbindung zwischen Futteranbau und Verfütterung verloren, da das Futter auf
dem Weltmarkt beschafft wird, was in den Anbauländern zusätzlich zu nega-
tiven Effekten führt.

Der Brandschutz für Tierhaltungsanlagen ist in den Bauordnungen der Länder
unzureichend geregelt, weil konkretisierende technische Regelungen fehlen. Im
Falle eines Brandes ist dafür zu sorgen, dass die Nutztiere orientiert an ihrem
natürlichem Verhalten, gerettet werden können, ohne die Feuerwehrleute zu
gefährden.

Das Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrecht-
lichen Genehmigungsverfahren sorgte im Jahr 2007 auch bei der immissions-
schutzrechtlichen Genehmigung von Tierhaltungsanlagen für weitreichende for-
melle und materielle Änderungen mit nachteiligen Folgen für Umwelt und
Bürgerechte.

So sind die Schwellenwerte der Spalten 1 und 2 des Anhangs der 4. BImSchV
(4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Ver-
ordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen), die ein förmliches und ein ein-
faches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren auslösen, viel zu
hoch. Das Gleiche gilt für die Schwellenwerte der Anlage 1 des Umweltverträg-
lichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG), die den Antragsteller dazu verpflichten eine
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen.

Die Bürgerinnen und Bürger dürfen sich also nicht wundern, wenn es geübte
Praxis von Investoren ist, das förmliche Genehmigungsverfahren zu umgehen,
indem sie ihre Anlage knapp unter dem gültigen Schwellenwert (39 900 Mast-
geflügelplätze statt 40 000) beantragen. Die gleiche Praxis wird auch angewen-
det, um die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen zu umgehen.

Kommt es dennoch zum förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmi-
gungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, darf die Genehmigungsbehörde
auf einen Erörterungstermin, der eigentlich der Befriedung dienen soll, verzich-
ten. Das kann besonders nachteilig wirken, wenn es im laufenden Verfahren zwi-
schen Genehmigungsbehörde und Antragsteller zu strategischen Partnerschaf-
ten kommt, um Flexibilitäts- und Zeitgewinne zu erzielen.

Ursache ist ebenfalls das Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von im-
missionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren aus dem Jahr 2007. Statt die
Partizipationsrechte zu beschneiden, ist eine zweite und frühzeitige Stufe zur
effektiven Partizipation der Öffentlichkeit notwendig. Dazu ist die Bundesrepu-
blik Deutschland laut Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der Europäischen
Union und der Århus-Konvention ohnehin verpflichtet.

Auch auf dem Gebiet des Immissionsschutzes gibt es viele unzureichende Re-
gelungen, die einen erhöhten Überprüfungsbedarf und zahlreiche Änderungen
erfordern.

Die VDI-Richtlinien (Richtlinien des Vereins der Deutschen Ingenieure) sind
Regeln und Entscheidungshilfen, die sich der VDI selbst auferlegt hat und damit
den Anspruch erhebt, den jeweiligen Stand der Technik abzubilden. Die VDI-
Richtlinien sollen den Staat von Detailregelungen entlasten. Die Entwicklung
von VDI-Richtlinien ist zum Teil intransparent, weil die Mitglieder in den ent-
sprechenden Entscheidungsgremien (VDI-Richtlinien-Ausschüsse oder VDI-
Kommission zur Reinhaltung der Luft) oft nicht veröffentlicht werden. Die

sogenannte freiwillige Selbstkontrolle wird häufig von Experten durchgeführt,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11879

die sich aus Industrie und Anlagenbetreibern zusammensetzen. Interessenkonf-
likte sind also vorprogrammiert.

Zahlreiche VDI-Richtlinien wie z. B. VDI 4250 (Bioaerosole und biologische
Agenzien – Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen –
Wirkungen mikrobieller Luftverunreinigungen auf den Menschen) sind nicht
rechtsverbindlich, das heißt sie sind in Genehmigungsverfahren nicht zwingend
anzuwenden. Trotzdem werden sie in Genehmigungsverfahren und in Verwal-
tungsgerichtsverfahren als Erkenntnisgrundlage verwendet, was Gutachter
quasi zur Anwendung zwingt, weil es sich um allgemein anerkannte technische
Regelwerke handelt. Das ist ein Widerspruch, der sich nur durch mehr Verbind-
lichkeit mittels einer normenkonkretisierenden, behördenverbindlichen Verwal-
tungsvorschrift beseitigen lässt. Mehr Verbindlichkeit führt zur Planungssicher-
heit und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und bei entsprechend
strengen Vorgaben zu einer Verringerung der Immissionsbelastung.

Die Landwirtschaft war im Jahr 2010 für insgesamt 95 Prozent der Ammoniak-
emissionen verantwortlich. Die Ammoniakemissionen aus der Intensivtierhal-
tung werden für etwa zwei Drittel der Stickstoffdepositionen und etwa ein Drit-
tel der Säuredepositionen verantwortlich gemacht. Daraus folgt, dass die
Intensivtierhaltung zu einem erheblichen Teil zur Eutrophierung beiträgt. Da die
Eutrophierung zu den bedeutendsten Ursachen für den Verlust nährstoffarmer
Standorte zählt und somit für den Artenrückgang verantwortlich ist, sind auch
diese negativen Entwicklungen ursächlich den Intensivtierhaltungsanlagen an-
zulasten. Der Eintrag von Ammonium führt aufgrund der versauernden Wirkung
zu einem zusätzlichen Säureeintrag und beschleunigt den natürlichen Prozess
der Versauerung, wodurch Ökosysteme und angrenzende Gewässer negativ be-
einträchtigt werden.

20 bis 70 Prozent der Feinstaubbelastung PM10 aus sekundären Quellen gehen
auf das Konto der Landwirtschaft. Durch Umwandlungsprozesse der gasförmi-
gen Vorläufersubstanz Ammoniak entstehen auf dem Weg der Transmission in
der Atmosphäre Feinstäube aus Ammoniumsalzen.

Zusammen mit der Tatsache, dass bundesweit nur 1 Prozent der deutschen Ge-
flügel- und Schweinehaltungsbetriebe über eine Abgasreinigungsanlage ver-
fügen, sind das Belege dafür, dass die Abstandsregelung und die damit in Ver-
bindung stehende Irrelevanzregel der Technischen Anleitung zur Reinhaltung
der Luft (TA Luft) unzureichend ist.

Zusätzlich fehlen Regelungen zum Schutz von Böden und Ökosystemen sowohl
in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung als auch in der TA Luft,
woraus eine Verschärfung der Emissionsanforderungen im Hinblick auf Stick-
oxide und Ammoniak abzuleiten ist. In vielen Gebieten Deutschlands werden
die Depositions- und Konzentrationsschwellen (critical loads und critical levels)
für diese Stoffe überschritten.

Zusammen mit Ammoniak und 149 weiteren geruchsintensiven Stoffgemischen
führt die Massentierhaltung in der Nachbarschaft zu Wohnstandorten häufig zu
erheblichen Geruchsbelästigungen. Zusätzlich führen die Geruchsbelästigungen
zu Wertverlusten vorhandener öffentlicher und privater Immobilien, die weder
behördlich erfasst noch in angemessener Weise finanziell ausglichen werden.
Für Anlagenbetreiber hingegen wirkt es sich finanziell positiv aus, wenn man-
gels fehlender Regelungsstrenge keine Abgasreinigungsanlage errichtet werden
muss.

Eine diesbezügliche Regelungslücke in der TA Luft wird unzureichend durch
länderspezifische Regelungen, wie die Geruchsrichtlinie (GIRL) gefüllt, die
weitgehend unverbindlich ist. In der GIRL werden Hedonik und Geruchsinten-

sität unzureichend berücksichtigt, was von Verwaltungsgerichten in der Vergan-
genheit regelmäßig angemahnt wurde. Die GIRL beruht auf dem sogenannten

Drucksache 17/11879 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Geruchsstunden-Konzept. Das ist nicht nur wegen der fehlenden Hedonik und
Geruchsintensität zu bemängeln, sondern auch wegen der Vorrangklausel des
§ 5 Absatz 1 Satz 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO), für die die Land-
wirtschaft in Dorfgebieten nach GIRL einen um 5 Prozent höheren Immissions-
wert als in anderen Gebieten mit Wohnnutzungen zulässt. Im Außenbereich, wo
ebenfalls Wohnstandorte existieren, sind sogar Werte zulässig, die um 15 Pro-
zent höher sind als in einem Wohngebiet.

Die üblichen Gerüche, die von bäuerlichen Betrieben ausgehen, beziehen sich
auf die systemrelevante Standortwahl dieser Betriebe. Es wird bemängelt, dass
die flächenungebundene Landwirtschaft ebenfalls einen Vorrang genießt. Dieser
ist aber unbegründet, weil Massentierhaltungsanlagen auch in Gewerbe- oder
Industriegebieten produzieren könnten, da sie Futtermittel verwenden, die auf
dem Weltmarkt beschafft werden und somit die Notwendigkeit der Produktion
von Futtermitteln im ländlichen Raum entfällt. Hinzu kommt, dass die Höhe der
Tierlebendmasse bzw. die Anzahl von Nutztieren in Intensivtierhaltungsanlagen
entsprechend groß ist, was die Höhe des Geruchstoffstromes mitbestimmt.

Ein weiteres Problem stellen Bioaerosole dar, die aus biologisch aktiven, luftge-
tragenen Aerosolen bestehen und Bakterien, Viren und Pilze sowie Endotoxine
beinhalten und sich an Stäuben aus dem Stall anlagern, die über die Abluft von
Intensivtierhaltungsanlagen in die Umwelt gelangen. Zahlreiche Studien bele-
gen Risiken für Menschen, die in der Nähe von Tierhaltungsanlagen wohnen,
was insbesondere für Regionen mit hohen Viehdichten gilt.

Die NILS-Studie (Atemwegsgesundheit und Allergiestatus bei jungen Erwach-
senen in ländlichen Regionen Niedersachsens – Niedersächsische Lungenstu-
die), um nur eine Studie zu nennen, gibt an, dass Keime aus Tierhaltungsanlagen
über 500 m und deutlich weiter verfrachtet werden können. In 477 m Entfernung
wurden etwa 4 000 KBE (Koloniebildende Einheit = Gesamtkeimzahl) pro
Kubikmeter Staphylokokken aus Masthühnerställen gefunden, wobei die Exis-
tenz von Staphylococcus aureus in der Luft nicht ausgeschlossen werden
konnte. Die gemessenen Werte liegen um mehr als das Vierfache über den bak-
teriellen Hintergrundkonzentrationen unbelasteter ländlicher Regionen, die mit
500 bis 1 200 KBE pro Kubikmeter angegeben werden.

Trotz des Problems fehlender Dosis-Wirkungs-Beziehungen für gesundheits-
relevante Bioaerosole, die eine Grundlage für die Festlegung von Immissions-
grenzwerten oder Vorsorgewerte darstellen, bleibt ein Risiko bestehen, dass es
aus Gründen der Vorsorge zu minimieren gilt. Die VDI-Richtlinie 4250 bietet
ausreichende Ansätze, die Risiken zu analysieren und die Folgen für Anwohner
zu minimieren.

Die Risiken werden noch dadurch erhöht, dass mit der bisherigen Rechtslage Ri-
sikogruppen, wie z. B. Asthmatiker und Personen mit geringerer körperlicher
Widerstandkraft bei der Abwehr von Gesundheitsgefahren außen vor bleiben.
Sie erhalten keinen gesonderten, vorsorgenden Schutz, weil sich die Zulässig-
keit von Umweltbelastungen stets am „verständigen Durchschnittsmenschen“
orientieren und individuelle Empfindlichkeiten keine Rolle spielen. Die Weltge-
sundheitsorganisation (WHO) hält dagegen die Berücksichtigung der Sicherhei-
ten empfindlicher Personengruppen für notwendig.

Von Risikogruppen kann nicht grundsätzlich erwartet werden, dass sie ihren bis-
herigen Wohnstandort verlassen, um Risiken durch neue Intensivtierhaltungen
aus dem Weg zu gehen. Ihr Wohnstandort muss zumindest in Relation zu neu ge-
planten Tierhaltungsanlagen Bestandsschutz genießen.

Ein weiteres Problem ist, dass betroffene Nachbarn von Intensivtierhaltungsan-
lagen in Gerichtsverfahren eine Verletzung der Vorsorgepflicht nicht geltend

machen können, wenn sie gerichtlich feststellen wollen, ob eine Abgasreini-
gungsanlage dem Stand der Technik entspricht. Als Ersatz für fehlende Grenz-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11879

werte werden normalerweise Vorsorgewerte herangezogen. Diese fehlen für
Bioaerosole, mangels Dosis-Wirkung-Beziehungen.

Diese Missstände bei der Genehmigung von Tierhaltungsanlagen müssen be-
hoben werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) einen Gesetzentwurf vorzulegen,

1. nach dem nur Intensivtierhaltungsanlagen, die keine förmliche Genehmi-
gung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) benötigen, die
Privilegierung nach § 35 BauGB behalten;

2. der Städten und Gemeinden zur Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen
ermöglicht, für neu beantragte Tierhaltungsanlagen ein Bauverbot erlassen
zu können, wenn bereits eine Tierdichte von zwei Großvieheinheiten pro
Hektar auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche erreicht oder überschrit-
ten wird;

3. der das Ziel verfolgt, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Tierhaltung
nach § 201 BauGB so zu definieren, dass nicht nur das Futter überwiegend
(also über 50 Prozent) auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören-
den, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt, sondern auch tatsächlich
zur Verfütterung im Betrieb verwendet werden muss;

4. der Genehmigungsbehörden wieder verpflichtet, in förmlichen Genehmi-
gungsverfahren grundsätzlich eine Erörterung durchzuführen;

5. der im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich
eine zweistufige Öffentlichkeitsbeteiligung festlegt, wobei die erste Stufe
der Öffentlichkeitsbeteiligung frühzeitig erfolgen soll, wenn die Vorhabens-
konzeption noch effektive Veränderungsmöglichkeiten zulässt;

6. der die aus Tierplatzzahlen bestehenden Schwellenwerte des Anhangs der
4. BImSchV, die die Durchführung eines förmlichen oder vereinfachten
Genehmigungsverfahrens auslösen und die bestehenden Schwellenwerte
der Anlage 1 UVPG, die über die Durchführung einer UVP entscheiden,
jeweils um 50 Prozent gegenüber der jeweils bestehenden Regelung redu-
ziert;

7. der Immissionsgrenzwerte für Stickoxide und Ammoniak beinhaltet, die
zum Schutz von Böden vor Versauerung und Eutrophierung eine maximal
zulässige Deposition auf einer bestimmten Fläche festlegen, da in 4.4.1 TA
Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft), Tabelle 3 nur Immis-
sionswerte zum Schutz der Vegetation und Ökosysteme enthalten sind;

8. der die GIRL der Länder für Tierhaltungsanlagen in eine bundeseinheitliche
Verordnung umwandelt oder in die Technische Anleitung zur Reinhaltung
der Luft integriert und bei der Bewertung landwirtschaftlicher Geruchsbe-
lastungen dafür sorgt, dass die Hedonik und Geruchsintensität angemessen
berücksichtigt wird;

9. der die Vorrangklausel des § 5 Absatz 1 Satz 2 BauNVO (Dorfgebiete) nur
noch für landwirtschaftliche Betriebe gelten lässt, die die Vorgaben des
§ 201 BauGB erfüllen und forstwirtschaftliche Betriebe und Gartenbaube-
triebe davon ausnimmt;

10. der dafür sorgt, dass die Vorsorge gegenüber potenziell schädlichen Um-
weltwirkungen im Hinblick auf Bioaerosole zukünftig an die lufthygieni-
schen Bedürfnisse von Risikogruppen, anstatt ausschließlich an den soge-

nannten Durchschnittsmenschen, ausgerichtet werden;

Drucksache 17/11879 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

11. der für Intensivtierhaltungsanlagen, die eine Genehmigung nach dem
BImSchG benötigen, eine bundesweite Verpflichtung zur Untersuchung der
Ausbreitung von Bioaerosolen nach der VDI 4250 und den damit in Ver-
bindung stehenden VDI-Richtlinien verbindlich vorschreibt;

12. der weiterhin vorschreibt, dass, wenn diese Untersuchung nach VDI 4250
eine Erhöhung der Bioaerosol-Konzentration im Vergleich zur Hinter-
grundkonzentration ergibt, Maßnahmen zur Emissionsminderung vorzu-
nehmen sind. Dabei soll berücksichtigt werden, dass das dieser Regelung zu
Grunde liegende Verschlechterungsverbot auch dadurch eingehalten wer-
den kann, wenn bestehende Intensivtierhaltungsanlagen Emissionsminde-
rungsmaßnahmen ergreifen;

13. der die Klagerechte für Nachbarn von Intensivtierhaltungsanlagen bezüglich
der Vorsorgepflicht verbessert, damit Nachbarn von Intensivtierhaltungsan-
lagen gerichtlich feststellen können, ob Abgasreinigungsanlagen dem Stand
der Technik entsprechen;

b) zu prüfen und darüber einen Bericht vorzulegen,

14. wie die Brandschutzvorschriften verstärkt in Genehmigungsverfahren ge-
prüft und besser an die Erfordernisse der Tierhaltung angepasst sowie
gemeinsam mit den Bundesländern vereinheitlicht werden können;

15. in welcher Weise alle übrigen VDI-Richtlinien, die sich auf die Genehmi-
gung von Tierhaltungsanlagen beziehen, mit Hilfe eines Gesetzes oder
durch Integration in die Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft
zusammengeführt werden können, um sie rechtsverbindlich werden zu las-
sen und dabei notwendige Verbesserungen für den Umweltschutz erzielen;

16. wie geregelt werden kann, dass die Einzelfallprüfung nach 4.8 TA Luft für
Ammoniak und Stickstoff nach bundeseinheitlichen Regelungen zu erfol-
gen hat, um zukünftig einheitliche und vergleichbare Methoden für Einzel-
fallprüfungen gewährleiten zu können;

17. auf welche Art und Weise zur Ermittlung der Umwelterheblichkeit (Ermitt-
lung ammoniakempfindlicher Pflanzen oder Ökosysteme) zukünftig generell
ein Gutachten zur Ermittlung empfindlicher Flora und Fauna vorgeschrieben
werden kann, um genauere und vergleichbare Untersuchungsergebnisse zu
erhalten;

18. ob zukünftig die Hintergrundbelastung mit Ammoniak, zumindest in Re-
gionen mit zwei Großvieheinheiten pro Hektar, grundsätzlich mittels eines
Messverfahrens zu ermitteln ist, um aussagefähige Belastungswerte zu er-
halten (um die Ammoniak-Gesamtbelastung ermitteln zu können, wird so-
wohl die Zusatzbelastung durch die geplante Anlage als auch die Vor- bzw.
Hintergrundbelastung im Umfeld der Anlage benötigt);

19. wie hoch der Beitrag der Ammoniakdeposition ist, der durch die irrelevante
Zusatzbelastung und der damit zusammenhängenden Abstandsregelung
nach Anhang 1 TA Luft verursacht wird und ob der derzeit gültige Wert für
die irrelevante Zusatzbelastung reduziert werden muss, um die Stickstoff-
und Säuredeposition aus Intensivtierhaltungsanlagen künftig zu reduzieren;

20. ob zukünftig Ammoniakemissionen, die bei der Ausbringung von Gülle
und Trockenkot im Umfeld der Anlagen freigesetzt werden, zu den anlagen-
spezifischen Emissionen der verursachenden Intensivtierhaltungsanlage als
Zusatzbelastung addiert werden müssen, um die Stickstoff- und Säure-
deposition, die mit Intensivtierhaltungsanlagen im Zusammenhang stehen,
künftig zu reduzieren;

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21. ob die Regelung bezüglich des Bagatellmassenstroms (4.6.1.1 TA Luft und
Tabelle 7 – Staub) in Bezug auf Tierhaltungsanlagen verschärft werden
muss;

22. ob die Irrelevanzregel nach 4.6.2.1 TA Luft (Feinstaub) für Tierhaltungsan-
lagen verschärft werden muss, indem der Grenzwert für die irrelevante Zu-
satzbelastung reduziert wird, oder eine Frist verlangt wird, innerhalb derer
nachträgliche Sanierungsmaßnahmen einzuleiten sind und ob die Irrele-
vanzregel mit dem europäischen Luftreinhalterecht vereinbar ist;

23. ob zur Ermittlung der Feinstaub-Vorbelastung insbesondere in Tierhal-
tungsregionen zukünftig grundsätzlich Messungen durchgeführt werden
sollen, um die Belastungssituation vor Ort besser einschätzen zu können;

24. ob und wie die Geruchsbelästigungen, die durch die Ausbringung von Gülle
oder Trockenkot im Umfeld von Intensivtierhaltungsanlagen zu Gerüchen
führen und die der Genehmigung nach dem BImSchG bedürfen, als be-
triebsbezogene Zusatzbelastung zu berücksichtigen sind;

25. wie Belästigungen, die von Gerüchen ausgehen und ursächlich zu einer
Wertminderung öffentlicher und privater Immobilien führen, durch einen
finanziellen Ausgleich ausgeglichen werden können, den der Betreiber ei-
ner Intensivtierhaltungsanlage, die eine Genehmigung nach dem BImSchG
benötigt, nach dem Verursacherprinzip zu zahlen hat.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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