BT-Drucksache 17/11790

Vorgehen der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten in mehreren europäischen Ländern und Konsequenzen für Deutschland

Vom 5. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11790
17. Wahlperiode 05. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Heidrun Dittrich, Annette Groth,
Andrej Hunko, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Vorgehen der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten in mehreren
europäischen Ländern und Konsequenzen für Deutschland

Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise und der aus ihr entstandenen Eurokrise
haben die Regierungen der EU-Staaten massive einseitige Kürzungsprogramme
durchgesetzt, welche die ärmeren Bevölkerungsschichten besonders empfindlich
treffen. Gleichzeitig mehren sich in vielen Ländern die Proteste der Betroffenen.

In einem unter dem Titel „Policing Demonstrations in the European Union“
erstellten Report hat Amnesty International festgehalten, dass die Polizei in
mehreren europäischen Ländern (zumindest in Griechenland, Rumänien und
Spanien) mit Gewalt gegen diese Demonstrantinnen und Demonstranten vor-
geht.

Zu den berichteten polizeilichen Übergriffen zählen unter anderem unverhältnis-
mäßige Gewaltanwendung, Missbrauch so genannter weniger tödlicher Waffen
(z. B. chemische Reizstoffe, Blendschockgranaten, Gummigeschosse), Ver-
weigerung des Zugangs zu medizinischer Behandlung und willkürliche Fest-
nahmen. Oftmals verlaufe die juristische Untersuchung der Vorfälle weder
effektiv noch unparteiisch. Amnesty International weist darauf hin, dass sich die
Polizei an internationales Recht halten müsse.

So seien etwa in Madrid Menschen, die friedvoll ihre Hände hochgehalten hat-
ten, mit Schlagstöcken geschlagen worden, in Bukarest sei ein wehrlos auf dem
Boden liegender Demonstrant von einem Polizeibeamten geschlagen, in Athen
ein Journalist mit einer Granate dauerhaft nahezu taub geschossen worden. Die
Berichte decken sich mit den Beobachtungen der Fragesteller, die eine Zu-
nahme von Polizeigewalt seit Beginn der Krise und der damit einhergehenden
Austeritätspolitik feststellen. Zudem wird das Demonstrationsrecht in mehreren
Ländern mit neuen Gesetzen eingeschränkt („Wir brauchen ein System, das den
Demonstranten Angst macht“, Süddeutsche Zeitung, 21. April 2012).

Aus Sicht der Fragesteller muss diese Entwicklung von der Bundesregierung
sowohl auf EU- als auch bilateraler Ebene thematisiert werden. Bei der polizei-
lichen Zusammenarbeit mit den im Amnesty-International-Bericht genannten
Ländern muss ausgeschlossen werden, dass sich die Bundesregierung indirekt

an Menschenrechtsverletzungen in anderen europäischen Ländern beteiligt.

Die Bundesregierung trägt aus Sicht der Fragesteller Mitverantwortung für die
polizeiliche Repression, mit der Proteste gegen die Austeritätspolitik bekämpft
werden, da sie selbst diese gegenüber den betroffenen Ländern vehement ein-
fordert.

Drucksache 17/11790 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, den Report von Amnesty Inter-
national auf EU-Ebene zu thematisieren, welche inhaltliche Stoßrichtung
verfolgt sie dabei, und welche konkreten Maßnahmen will sie zu welchem
Zeitpunkt ergreifen?

2. Inwiefern will die Bundesregierung den Report von Amnesty International
zum Anlass nehmen, um sich mit den Regierungen Griechenlands, Rumä-
niens und Spaniens in Verbindung zu setzen und von diesen eine Stellung-
nahme zu den Vorwürfen zu erlangen?

Sollten solche Stellungnahmen bereits vorliegen, was sind ihre wesentlichen
Inhalte?

3. Welche über den Report von Amnesty International hinausgehenden Kennt-
nisse hat die Bundesregierung zu unverhältnismäßigem polizeilichem Vor-
gehen in EU-Staaten, und welche Anstrengungen unternimmt sie, um ggf.
weitere Informationen einzuholen?

4. Inwiefern stellt die Bundesregierung Überlegungen an und zu welchen
Schlussfolgerungen ist sie dabei gekommen, ob die Proteste gegen die EU-
Austeritätspolitik auch ein Auslöser für ähnliche Proteste in Deutschland
sein können?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der bisherigen
polizeilichen Zusammenarbeit mit Griechenland, Rumänien und Spanien,
und welche Defizite und Probleme erkennt sie dabei?

6. Welche Konsequenzen für die polizeiliche Zusammenarbeit mit Griechen-
land, Rumänien und Spanien zieht die Bundesregierung?

7. Welche polizeiliche Ausbildungshilfe (inklusive Seminare, Einsatzbeobach-
tungen, Schulungen, Hospitationen, Übungen usw., auch Maßnahmen be-
rücksichtigend, die als EU-Projekte oder im Rahmen von Europol statt-
fanden) haben deutsche Polizeibehörden nach Kenntnis der Bundesregierung
seit 2002 den griechischen, rumänischen und spanischen Polizeibehörden ge-
leistet (bitte angeben, mit welchen Kräften bzw. Organisationseinheiten je-
weils zusammengearbeitet wurde und was Inhalt der Ausbildungshilfe war
und soweit möglich auch Angaben zu Länderpolizeien machen)?

Wie war bzw. ist der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien darin eingebun-
den?

8. Bei welchen Gelegenheiten haben deutsche Sicherheitsbehörden nach
Kenntnis der Bundesregierung seit 2002 mit griechischen, rumänischen und
spanischen Sicherheitsbehörden (bitte angeben, mit wem genau) die polizei-
liche Bewältigung von Großlagen besprochen bzw. geübt (bitte ggf. Themen
und Tagesordnungen von Besprechungen, Konferenzen usw. sowie etwaige
Übungsszenarien angeben)?

9. Welche Ausstattungshilfe wurde den griechischen, rumänischen und spani-
schen Polizeibehörden nach Kenntnis der Bundesregierung vonseiten deut-
scher Sicherheitsbehörden seit 2001 geleistet (bitte jeweils konkreten Emp-
fänger sowie Art und Umfang der Ausstattungshilfe angeben)?

Welche Computerprogramme wurden überlassen (bitte mit Erläuterungen zu
Zweck und Anwendungsbereich und bitte jeweils auch den Kenntnisstand
der Bundesregierung zu Hilfen seitens der Länder angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11790

10. Welche (angesichts fehlender Meldepflicht auch partielle) Kenntnis hat die
Bundesregierung über Exporte von Tränengas oder anderen Reizmitteln,
Wasserwerfern, Schlagstöcken und anderen sogenannten weniger tödlichen
Waffen sowie Handfesseln, passiver Bewaffnung und anderer polizei-
typischer Ausstattung aus Deutschland an griechische, rumänische und
spanische Sicherheitsbehörden seit 2001 (bitte soweit möglich Angaben zu
Art und Umfang sowie konkreten Empfängern der Lieferungen machen)?

11. Welche Gespräche zur Vorbereitung polizeilicher Ausbildungs- sowie Aus-
stattungshilfe an welche griechischen, rumänischen und spanischen Polizei-
behörden laufen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung mit deutschen
Sicherheitsbehörden, und welche Angaben kann die Bundesregierung zur
dabei in Aussicht genommenen Ausbildungs- sowie Ausstattungshilfe ma-
chen?

12. Welche Kontakte unterhalten deutsche Sicherheitsbehörden nach Kenntnis
der Bundesregierung zur Antiterroreinheit Hellenic Police Counter Ter-
rorism Crime Division, und welche Themen werden dabei behandelt?

a) Mit welchen weiteren griechischen Spezialeinheiten unterhalten deutsche
Sicherheitsbehörden Kontakte, und welche Themen werden mit diesen
behandelt?

b) Welche Kontakte unterhalten deutsche Sicherheitsbehörden nach Kenntnis
der Bundesregierung zur Pan-Hellenic Federation of Police Personnel?

c) Welche Kontakte unterhalten sie nach Kenntnis der Bundesregierung
zum Attika General Police Directorate?

d) Inwieweit und mit welchen konkreten Behörden stehen oder standen
welche deutschen Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung mit der Target Group Santa Claus im Austausch, und welche An-
gaben kann die Bundesregierung zur Zielsetzung der griechischen Re-
gierung sowie Europol im Zusammenhang mit der Target Group Santa
Claus machen?

13. Welche Kontakte unterhalten welche deutschen Sicherheitsbehörden nach
Kenntnis der Bundesregierung zu welchen rumänischen und spanischen
Sondereinheiten, was sind die jeweiligen besonderen Aufgaben dieser Ein-
heiten, und welche Themen werden bei den Kontakten erörtert?

14. Mit welcher griechischen, rumänischen sowie spanischen Stelle arbeiten
deutsche Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung hin-
sichtlich der Anordnung und Durchführung verdeckter Ermittlungen zu-
sammen?

Waren deutsche verdeckte Ermittler seit 2001 in Griechenland, Rumänien
oder Spanien nach Kenntnis der Bundesregierung eingesetzt, und wenn ja,
welche Angaben kann die Bundesregierung hierzu machen?

Berlin, den 5. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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