BT-Drucksache 17/11777

Rechtsruck der Deutschen Burschenschaft

Vom 30. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11777
17. Wahlperiode 30. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Nicole Gohlke, Dr. Lukrezia
Jochimsen, Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsruck der Deutschen Burschenschaft

Auf einem außerordentlichen Burschentag der Deutschen Burschenschaft (DB)
am 24. November 2012 in Stuttgart setzte sich laut Medienberichten der
rechtsextreme Flügel gegenüber den sich als national-liberal verstehenden
Mitgliedsbünden durch. „Die Trennlinie verläuft wohl zwischen Verfassungs-
treuen und Verfassungsfeinden“, heißt es in „SPIEGEL ONLINE“ (www.
spiegel.de/unispiegel/studium/weshalb-rechtsextremismus-in-burschenschaften-
aufmerksamkeit-verdient-a-869194.html).

So scheiterte ein Antrag der gemäßigteren Burschenschaften, die Mitgliedschaft
in verfassungsfeindlichen Vereinigungen als unvereinbar mit dem Wirken in
einer Burschenschaft anzusehen. „Ein Kompromissvorschlag fand die Mehrheit:
Demnach gilt die Unvereinbarkeit für „nationalsozialistische“ Vereinigungen –
nicht aber für die vielen rechtsextremen Vereinigungen, die ebenfalls im Ver-
fassungsschutzbericht auftauchen“, so „SPIEGEL ONLINE“ (www.spiegel.de/
unispiegel/studium/sonder-burschentag-in-stuttgart-die-rechtsextremen-
triumphieren-a-869149.html). Ausschlussanträge gegen extrem rechte Bur-
schenschaften wie die im Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2011 aufgrund
ihrer Verbindungen zur rechtsextremen Szene genannte Münchner Burschen-
schaft Danubia, die für einen Ariernachweis als Mitgliedschaftskriterium eintre-
tenden Raczeks zu Bonn und die Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen,
der mehrere Politiker der NPD angehören, scheiterten bzw. wurden gar nicht erst
zur Abstimmung zugelassen.

Den Vorsitz des aus zurzeit noch über 100 Mitgliedsbünden mit 10 000 Mit-
gliedern bestehenden Dachverbandes von Burschenschaften in Deutschland und
Österreich führt im Geschäftsjahr 2013 die Wiener akademische Burschenschaft
Teutonia. Die Wiener Teutonia stellt zudem den Pressereferenten der DB, Walter
Tributsch. Die der völkisch ausgerichteten „Burschenschaftlichen Gemein-
schaft“ angehörende Wiener Teutonia hatte in den 90er-Jahren Kontakte zur
österreichischen Neonazi-Szene und gilt als eine der rechtesten Burschenschaf-
ten überhaupt (neues deutschland vom 26. November 2012). Auf ihrer Face-
bookseite bekennt sie sich offen zur Pflege von „völkischem Wesen“. Im Januar

2012 hetzte die Wiener Teutonia mit einem antisemitischen Flugblatt im
Stürmerstil gegen den ehemaligen Präsidenten der Wiener Israelitischen Kultus-
gemeinde, Ariel Muzicant (www.stopptdierechten.at/2012/01/31/burschenschaft-
teutonia-ein-braunes-nest/).

Die Wiener Teutonia rühmt sich ihres Ehrenmitgliedes Georg Heinrich Ritter
von Schönerer (1841 bis 1922), der als Wegbereiter des Antisemitismus in

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Österreich zum Inspirator des jungen Adolf Hitler wurde. Zuletzt ehrte die
Wiener Teutonia den deutschnationalen Antisemiten anlässlich seines
170. Geburtstages am 19. November 2012 mit einer Schönererkneipe (www.
facebook.com/events/433172106734426/).

Zwar wurde der aufgrund rechtsextremer Äußerungen umstrittene bisherige
„Schriftführer“ der Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“, Norbert
Weidner, von seinem Posten abgelöst. Doch sein Nachfolger Michael Paulwitz
gehört der „Heidelberger Burschenschaft Normannia“ an, die ebenfalls zur Bur-
schenschaftlichen Gemeinschaft zählt. Pressereferent Walter Tributsch erklärte
zudem, die Abwahl von Norbert Weidner sei zu 80 Prozent aus formalen und
nicht inhaltlichen Gründen erfolgt.

Michael Schmidt, Sprecher der aus national-liberalen Bünden innerhalb der DB
gebildeten Initiative Burschenschaftliche Zukunft hält den Austritt von bis zu
20 gemäßigten Burschenschaften in der nächsten Zeit für möglich. „Wenn sie
unter einer Spaltung die Aufteilung in zwei gleich große Hälften verstehen, dann
kommt es sicher nicht dazu“, erklärte Michael Schmidt gegenüber „SPIEGEL
ONLINE“, „Aber eine Aufteilung im Verhältnis 80 zu 20 ist durchaus realis-
tisch“ (www.spiegel.de/unispiegel/studium/sonder-burschentag-in-stuttgart-die-
rechtsextremen-triumphieren-a-869149.html).

Viele Burschenschaften könnten sich ihre Wohnheime nicht mehr leisten, wenn
diese nicht als gemeinnützig anerkannt sind. Durch diese Gemeinnützigkeit der
rechtlich eigenständigen, aber oft mit den Verbindungshäusern identischen
Wohnheime, werden auch rechtsextreme Burschenschaften staatlich subven-
tioniert. Im Jahr 2007 wurde allerdings der Burschenschaft Dresdensia-Rugia
Gießen von der Finanzbehörde die Gemeinnützigkeit für den Hausbauverein mit
der Begründung entzogen, dass rechte Redner nicht dem allgemeinen Wohl
dienen (www.publikative.org/2007/10/25/hessen-burschenschaftsbank-soll-
gemeinnutzigkeit-aberkannt-werden/).

Eben jene Verbindung, aus deren Reihen mehrere NPD-Politiker stammen,
rühmt sich in ihren der „Frankfurter Rundschau“ vorliegenden Mitteilungsblät-
tern, „verschiedene Maßnahmen haben dazu geführt, dass nach 2006 der Verfas-
sungsschutz seine Berichterstattung über uns eingestellt hat“, darunter „häufige
Fühlungnahmen“. Allerdings seien „die Ergebnisse des in Wiesbaden geführten
Gespräches mit dem Verfassungsschutz nicht vertieft“ worden, obwohl der zu-
ständige Sachbearbeiter zum Ziel erklärt habe, „einen endgültigen Deckel auf die
Sache zu machen“ (www.fr-online.de/politik/studentenverbindung- zu-rechts-
fuer-burschenschafter,1472596,20950820.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bleibt die Bundesregierung nach dem Stuttgarter Burschentreffen vom
24. November 2012 bei ihrer bisherigen Einschätzung, die Deutsche Bur-
schenschaft sei eine „demokratische Studentenorganisation“?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung beim Sondertreffen der Deutschen Bur-
schenschaft in Stuttgart einen von den Medien wahrgenommenen „Triumph“
rechtsextremer Burschenschaften gegenüber national-liberalen Bünden?

3. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Ablehnung eines Unvereinbar-
keitsantrags der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft mit verfassungs-
feindlichen Vereinigungen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestre-
bungen der DB?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11777

4. Inwieweit sieht die Bundesregierung im Scheitern von Ausschlussanträgen
gegen die vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtete „Münchner
Burschenschaft Danubia“ sowie die gleichfalls extrem rechte „Breslauer
Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ und der „Burschenschaft Dresden-
sia-Rugia zu Gießen“ Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebun-
gen der DB?

5. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Wahl von Michael Paulwitz,
einem Mitglied der Heidelberger Burschenschaft Normannia, zum Schrift-
führer der Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“ Anhaltspunkte
für verfassungsfeindliche Bestrebungen der DB?

6. Welche verfassungsschutzrelevanten Informationen hat die Bundesregie-
rung über die Heidelberger Burschenschaft Normannia und ihre Beziehun-
gen zu Rechtsextremisten?

7. Inwieweit sieht die Bundesregierung in der Übernahme des Vorsitzes für
das Geschäftsjahr 2013 und des Postens des Pressereferenten durch die der
völkischen „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ angehörende „Wiener
akademische Burschenschaft Teutonia“ Anhaltspunkte für verfassungs-
feindliche Bestrebungen innerhalb der DB?

8. Welche verfassungsschutzrelevanten Informationen hat die Bundesregie-
rung über die Wiener akademische Burschenschaft Teutonia und ihre mög-
lichen Verbindungen zu Rechtsextremisten in Deutschland?

9. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Einschätzung der
„Teutonia“ durch die österreichischen Behörden?

Inwiefern versucht die Bundesregierung, im Dialog mit den zuständigen
österreichischen Behörden weitere Informationen zu erlangen?

10. Welche rechtsextremen Tendenzen innerhalb der Burschenschaftlichen Ge-
meinschaft sind der Bundesregierung bekannt?

11. Inwieweit bemüht sich die Bundesregierung, über das Gemeinsame Extre-
mismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) (bzw. in der Vergangen-
heit das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus) Infor-
mationen über rechtsextreme Vorkommnisse im Zusammenhang mit Bur-
schenschaften zu erhalten, und welche Informationen sind ihr diesbezüglich
bekannt geworden?

12. Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle aus der Gegenwart oder Vergan-
genheit bekannt, in denen das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die
Landesämter für Verfassungsschutz vonseiten der Bundesregierung oder
einer Landesregierung aus politischer Rücksichtnahme angewiesen wurden,
Burschenschaften nicht in Verfassungsschutzberichten aufzuführen?

13. Warum wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Burschenschaft Dres-
densia-Rugia zu Gießen, aus deren Reihe eine Reihe von NPD-Politikern
stammen, nach 2007 nicht mehr im hessischen Verfassungsschutzbericht
aufgeführt?

Inwiefern werden die im GETZ vertretenen Bundessicherheitsbehörden
diese Thematik ansprechen?

14. Inwieweit ist der Bundesregierung bewusst, dass rechtsextreme Burschen-
schaften durch die Gemeinnützigkeit ihrer Studentenwohnheime staatlich
subventioniert werden?

a) Inwieweit hält die Bundesregierung den Status der Gemeinnützigkeit bei
Wohnheimen von Burschenschaften für gerechtfertigt, die lediglich
männlichen, deutschen Studenten ohne Migrationshintergrund offenste-

hen und bei Austritt aus der Verbindung geräumt werden müssen?

Drucksache 17/11777 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Inwieweit hält die Bundesregierung den Status der Gemeinnützigkeit bei
Wohnheimen von Burschenschaften für gerechtfertigt, die in ihren
Räumlichkeiten Veranstaltungen mit von den Verfassungsschutzämtern
als rechtsextrem eingestuften Referenten durchführen?

c) Inwiefern befürwortet die Bundesregierung eine Überprüfung aller Mit-
gliedsbünde der DB danach, ob sie die Kriterien der Gemeinnützigkeit
wirklich erfüllen, und welche Initiativen will sie (beispielsweise über die
Innenministerkonferenz oder das GETZ) dazu unternehmen?

Berlin, den 30. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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