BT-Drucksache 17/11667

Haltungsbedingungen für Puten verbessern

Vom 28. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11667
17. Wahlperiode 28. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bärbel
Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Markus Tressel, Hans-Josef
Fell, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Sven-Christian Kindler, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Haltungsbedingungen für Puten verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für die Putenhaltung gibt es in Deutschland keine tierartspezifischen Rechtsvor-
gaben. In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind für andere landwirt-
schaftliche Nutztiere Regelungen enthalten, nicht jedoch für die etwa elf Mil-
lionen jährlich in Deutschland gemästeten Puten. Zwar gibt es seit 1999 eine
Selbstverpflichtung der Geflügelverbände, die „Bundeseinheitlichen Eckwerte
für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Jungmasthühnern (Broiler,
Masthähnchen) und Mastputen“; deren Einhaltung ist jedoch freiwillig. Diese
schlagen unter anderem eine maximale Besatzdichte von 45 Kilogramm bei
Hennen und 50 Kilogramm bei Hähnen je Quadratmeter vor (unter Einhaltung
bestimmter Zusatzanforderungen werden auch 52 Kilogramm bei Hennen sowie
58 Kilogramm bei Hähnen akzeptiert). In der Realität werden diese Eckwerte je-
doch häufig erheblich überschritten. Doch selbst bei Einhaltung dieser Vorgaben
drängen sich in der Mastendphase fast drei Tiere mit einem Gewicht von je
20 Kilogramm auf einem Quadratmeter Stall. Gegen Ende der Mastzeit können
die Tiere häufig nur noch schwer laufen und liegen meist auf der feuchten und
verkoteten Einstreu. Damit sind Fußballenerkrankungen und Brustblasen an der
Tagesordnung. Zudem leiden die Tiere durch ihr hohes Gewicht an Gelenkpro-
blemen. Diese seit langem bekannten Missstände müssen – sowohl im Interesse
der Tiere als auch der Verbraucherinnen und Verbraucher – endlich behoben
werden. Das haben auch die Geflügelverbände erkannt und fordern inzwischen
verbindliche Haltungsvorgaben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. mit einem unabhängigen Gutachten überprüfen zu lassen, ob bestimmte Ras-
sen oder Zuchtlinien, wie zum Beispiel B.U.T. Big 6, die Kriterien einer

Qualzucht erfüllen und somit im Sinne des Tierschutzgesetzes verboten wer-
den müssen,

2. eine Haltungsverordnung für Puten vorzulegen, die verbindliche Vorgaben
für eine art- und bedürfnisangemessene Haltung macht sowohl hinsichtlich
Besatzdichte, Auslauf, Futter, Beschaffenheit und Erneuerungsintervallen
der Einstreu, Einrichtung und Beschäftigungsmaterial, Belüftung und Be-

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leuchtung des Stalls, Evakuierung im Brandfall als auch Festlegungen trifft
zur Herdenobergrenze und zur Einrichtung von Quarantäneabteilen für
kranke Tiere,

3. in dieser Haltungsverordnung einen Betreuungsschlüssel festzulegen, der ge-
währleistet, dass die Tiere so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass krankhafte
Veränderungen bei einzelnen Tieren umgehend erkannt werden und eine Ein-
zeltierbehandlung bei Erkrankungen möglich ist,

4. Schmerzmittelgaben an Puten statistisch zu erfassen, auszuwerten und daraus
gegebenenfalls gesetzliche Konsequenzen zu ziehen,

5. ein Monitoringsystem zu installieren, mit dem am Schlachthof und im Stall
tierbezogene Indikatoren wie Brustblasen, Fußballenläsionen und Morta-
litätsraten erfasst werden,

6. Grenzwerte dieser Indikatoren zu etablieren, deren Überschreiten nachprüf-
bar zu Sanktionen führt.

Berlin, den 27. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Missstände in der Putenhaltung sind seit langem bekannt und ausreichend doku-
mentiert. Zuletzt belegte die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegebene umfangreiche Studie der
Universität Leipzig „Indikatoren einer tiergerechten Mastputenhaltung“ anhand
von Untersuchungen in 24 Betrieben, dass in der Putenhaltung vieles im Argen
liegt. Demnach leiden fast 100 Prozent der Tiere unter Fußballenerkrankungen
mit verschieden starker Ausprägung.

Zudem hat etwa ein Drittel der Hähne schmerzhafte Brusthautentzündungen.
Die Studie nennt als Grund das hohe Körpergewicht der Tiere sowie die feuchte,
verkotete Einstreu. Da das Verteilen von Einstreu vor allem gegen Ende der
Mastzeit aufgrund der Enge kaum mehr möglich ist, waren in Teilen der unter-
suchten Ställe phasenweise „so gut wie keine Einstreumaterialien mehr identifi-
zierbar“.

Die Studie zeigte auch, dass die ohnehin hohe Besatzdichte, die in den Bundes-
einheitlichen Eckwerten empfohlen wird, nicht selten deutlich überschritten
wird. Doch stellen die Autoren klar, dass auch die Einhaltung der Eckwerte nicht
ausreicht, um eine tiergerechte Haltung zu gewährleisten.

Auch die Auswirkungen der Hochleistungszucht auf die Tiergesundheit sind
hinreichend belegt. Das schnelle Wachstum und das hohe Gewicht der Tiere be-
stimmter Rassen und Zuchtlinien steht in einem deutlichen Zusammenhang mit
Bein- und Gelenkschäden, mit Brustblasen sowie mit Herz-Kreislauf-Proble-
men. Das steht im Widerspruch zum Tierschutzgesetz, das es verbietet, Tiere zu
züchten, bei denen die Genetik zu Schmerzen, Schäden oder Leiden führt. Den-
noch werden in der Putenmast zum allergrößten Teil Hochleistungstiere verwen-
det.

Es besteht kein Zweifel, dass freiwillige Eckwerte nicht ausreichen, um dem
Tierschutz in der Putenzucht und -haltung ausreichende Geltung zu verschaffen.

Wir brauchen verbindliche Regelungen in Form eines eigenen Abschnitts in der
Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Diese Vorgaben müssen alle Bereiche

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der Haltung umfassen und ihre Umsetzung muss ausreichend kontrolliert wer-
den. Darüber hinaus muss ein Betreuungsschlüssel festgelegt werden, der garan-
tiert, dass alle Tiere ausreichende Betreuung erfahren. Gegenwärtig wird in den
„Faustzahlen für die Landwirtschaft“ des Kuratoriums für Technik und Bau-
wesen in der Landwirtschaft von etwa zehn Minuten pro Tierplatz und Jahr aus-
gegangen. Dies bedeutet, dass eine einzelne Pute in ihrem zirka 20-wöchigen
Leben etwa vier Minuten Aufmerksamkeit erhält – unangemessen wenig.

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