BT-Drucksache 17/1164

Mit grüner Elektromobilität das postfossile Zeitalter

Vom 24. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1164
17. Wahlperiode 24. 03. 2010

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell,
Fritz Kuhn, Lisa Paus, Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Daniela Wagner,
Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mit grüner Elektromobilität ins postfossile Zeitalter

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zwei Rahmenbedingungen sind entscheidend für die zukünftige Mobilität. Zum
einen die Endlichkeit der fossilen Kraftstoffe und zum anderen die Begrenzung
der globalen Erderwärmung auf 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen
Zeit. Letzteres bedeutet, das Deutschland seine CO2-Emissionen gemäß den
Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bis 2050 gegen-
über 1990 um 80 bis 95 Prozent reduzieren muss. Dies heißt nicht weniger, als
eine nahezu komplett kohlenstofffreie Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwi-
ckeln. Das postfossile Zeitalter wird sich nicht über Nacht einstellen. Aber je
länger es dauert, den Verkehr auf der Basis regenerativer Energien neu zu orga-
nisieren, desto schwerer werden die Anpassungsprozesse in der Zukunft.

Grüne Elektromobilität in ihren vielfältigen Formen, vom Elektrofahrrad (Ped-
elec) über Elektroroller, die schon heute teilweise elektrifizierte Eisenbahn, bis
zu Plug-In-Hybriden (Hybridautos mit Steckdosenanschluss), reinen Elektro-
autos und -transportern, muss daher in einer umfassenden und konsistenten
Strategie entwickelt werden. Dies ist nicht allein Aufgabe der Politik im Zusam-
menspiel mit der Industrie, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In
der im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität angekündigten „Nationa-
len Plattform Elektromobilität“ müssen daher auch Umwelt- und Verbraucher-
schutzverbände und Gewerkschaften vertreten sein.

Bei Elektromobilität geht es nicht nur um den Austausch des Antriebs, sondern
auch um die Veränderung bisheriger Verkehrsstrukturen. Die Strategie für die
Entwicklung der Elektromobilität muss in ein intermodales Konzept zukünftiger
Verkehrs- und Transportsysteme eingebunden werden. Insbesondere für Bal-

lungsräume bietet die Umstellung auf Elektromobilität auch die Chance zur
Entwicklung integrierte Mobilitätsdienstleistungen mit neuen Formen der ge-
meinschaftlichen Nutzung von Verkehrsmitteln wie Car Sharing oder (Elektro-)
Mieträdern. Optimal vernetzte (intermodale) öffentliche Angebote mit einem
quantitativ, aber vor allem auch qualitativ ausgebauten Angebot von Bussen und
Bahnen, in denen die Autonutzung eine Option aber kein Zwang ist, können in
Deutschland entwickelt werden. Wenn sich Autohersteller zu Mobilitätsdienst-

Drucksache 17/1164 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

leistern weiterentwickeln, können solche integrierten Angebote Schule in den
Megastädten dieser Welt machen. Als öffentliche Angebote schaffen sie Mobi-
lität für alle, nicht nur für Autobesitzerinnen und -besitzer. Der Kulturwandel zu
einer neuen urbanen Mobilität mit einer „Generation ohne Golf“, für die „Nut-
zen statt Besitzen“ im Vordergrund steht, ist dabei schon im vollen Gange.

Plug-In-Hybride, die 20 bis 50 Kilometer rein elektrisch fahren können, darüber
hinaus mit dem Verbrennungsmotor aber Reichweiten von 500 Kilometern und
mehr leisten, bieten die Möglichkeit, rasch CO2-Emissionen zu senken und
erneuerbaren Strom in den Straßenverkehr einzuführen. Sie sind daher im
besonderen Maße für ländliche Räume geeignet, um z. B. rein elektrisch bis zum
nächsten Bahnhalt zu fahren und die Fahrzeuge dann auf einem Park&Ride-
Parkplatz wieder aufzuladen. Diese Fahrzeugkategorie, die es ermöglicht,
90 Prozent aller Fahrten elektrisch zu fahren ohne ein Reichweitenproblem wie
reine Elektroautos zu haben, sollte daher in die Förderstrategie mit aufgenom-
men werden, ebenso wie sichere und umweltschonende konventionelle Fahr-
zeuge, die unter 60 g/km CO2 bleiben.

Bei der Entwicklung von Plug-In-Hybriden und Elektroautos ist die deutsche
Autoindustrie bisher auf das Knowhow aus Asien (z. B. Sharp, Sanyo, LG,
Samsung, BYD) und den USA (Tesla Motors, AC Propulsion) angewiesen, ins-
besondere im Bereich der Batterietechnik. Alle deutschen Hersteller haben Ko-
operationen mit japanischen, koreanischen und chinesischen Batterieherstellern
geschlossen. Ein Großteil der Wertschöpfung von Elektrofahrzeugen liegt in
diesem Bereich. Gelingt es nicht, mit einer massiven Anstrengung im Bereich
von Forschung und Entwicklung wieder Anschluss an die Weltspitze in der
Speichertechnologie und der Leistungselektronik zu gewinnen, wird dieser Teil
der Wertschöpfung dauerhaft im Ausland verbleiben und den Automobilstand-
ort Deutschland gefährden.

Bei der Forschung im Bereich der Elektromobilität, insbesondere bei der Spei-
chertechnologie und der Leistungselektronik, hinkt Deutschland den Spitzen-
reitern weit hinterher. Der Forschungs- und Entwicklungsrückstand im Bereich
Elektromobilität wird nicht kurzfristig aufzuholen sein. Nötig ist eine langfristig
angelegte Förderstrategie. Diese Förderstrategie muss besonderes Gewicht auf
die systematische Koordination aller politischen Ebenen – einschließlich der
europäischen – legen. Gleichzeitig müssen die Kooperationen zwischen Unter-
nehmen im Bereich der vorwettbewerblichen Grundlagenforschung gestärkt
und auf eine technologische Anpassungsfähigkeit und Flexibilität geachtet wer-
den. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einbeziehung kleiner und mittlerer
Unternehmen.

In einer Strategie für Elektromobilität sind daher vor allem folgende Themen an-
zugehen:

● weitere Entwicklung der technologischen Komponenten für die Elektro-
mobilität, insbesondere in den Bereichen Speicher, Leistungselektronik und
Hybridantriebe;

● Einbettung von Elektromobilität in intermodale Mobilitätskonzepte in Bal-
lungsräumen hin zu einer neuen urbanen Mobilität;

● Verknüpfung von Elektromobilität mit erneuerbaren Energien zur Netz-
stabilisierung als Teil der Energiewende;

● industrie- und wirtschaftspolitische Weichenstellungen, damit die Wert-
schöpfung für Elektromobilität in Deutschland bleibt;

● Neuausrichtung der Förderstrategie der Bundesregierung für Elektromobi-
lität, insbesondere die Schaffung direkter Marktanreize für den Erwerb von

Elektrofahrzeugen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1164

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat gezeigt, wie in Deutschland inner-
halb von zehn Jahren ein Markt für Zukunftsindustrien geschaffen werden kann.
Die Branche der erneuerbaren Energien hat viele international führende deut-
sche Unternehmen hervorgebracht und 280 000 Arbeitsplätze in Deutschland
geschaffen. Wir stehen heute vor der Entscheidung, ob wir diesen Erfolg bei der
Elektromobilität wiederholen wollen und die deutsche Automobilindustrie da-
bei führend positionieren, oder ob wir zuschauen, wie andere Staaten diesen
Zukunftsmarkt für sich besetzen.

Die fünf wichtigsten Maßnahmenpakete zur Förderung der Elektromobilität, die
insgesamt 5 Mrd. Euro für die nächsten zehn Jahre umfassen sollen, sind:

1. Ein Marktanreizprogramm ab dem 1. Januar 2011 mit anfangs 5 000 Euro
Barprämie, die alle zwei Jahre abgesenkt wird, für Fahrzeuge, die weniger als
60 g CO2/km (Zwei-Liter-Auto) ausstoßen und damit halb so viel Klimagase
emittieren, wie der ab 2015 geltende Durchschnittsgrenzwert von 120 g/km.
Diese Förderung soll Teil einer reformierten Kfz-Steuer mit einem aufkom-
mensneutralen Bonus-Malus-System werden, so dass keine Mindereinnah-
men für den Haushalt entstehen.

2. Die vorhandenen laufenden Programme zur Forschung und Entwicklung von
Stromspeichern, Elektro- und Hybridantrieben und im gesamten weiteren
Bereich der Elektromobilität werden massiv aufgestockt, um innerhalb der
nächsten zehn Jahre den Rückstand gegenüber anderen Forschungsstand-
orten zu überwinden. Die Förderinstrumente sollen dabei so gestaltet werden,
dass vor allem auch die Innovationskraft der mittelständisch geprägten Indus-
trie durch Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen
so stimuliert wird, dass aus dem technologischen Rückstand ein Vorsprung
wird.

3. Die Netzintegration der Elektromobilität zum Ausgleich unsteter Ein-
speisung erneuerbarer Energien soll durch Demonstrationsvorhaben und die
Gewährung des noch im EEG zu verankernden Stetigkeitsbonus unterstützt
werden.

4. Die Markteinführung neuer Mobilitätsdienstleistungen für eine neue urbane
Mobilität mit den Bestandteilen öffentliche Elektroautos im Car Sharing,
öffentliche Mieträder und Umstellung der Energieversorgung des öffent-
lichen Verkehrs auf erneuerbare Energien wird insgesamt mit 500 Mio. Euro
über fünf Jahre unterstützt.

5. Im Ordnungsrecht werden die Voraussetzungen und Benutzervorteile für
reine Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride geschaffen, u. a. durch die
Schaffung einer blauen Plakette für die Befahrung von Umweltzonen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Die Bundesregierung ergreift folgende fiskalische Fördermaßnahmen:

a) Ab dem 1. Januar 2011 wird die Anschaffung von Fahrzeugen mit einem
CO2-Ausstoß von weniger als 60 g/km im Rahmen der Kfz-Steuer mit
5 000 Euro gefördert, sofern die Motorleistung 80 Kilowatt nicht über-
schreitet. Der Fördersatz wird zweijährig je nach Verkaufszahlen ange-
passt und bis zum 31. Dezember 2019 auf null zurückgefahren.

b) Die KfW Bankengruppe stellt zinsverbilligte Kredite für den Erwerb von
Fahrzeugen mit weniger als 60 g/km CO2 zur Verfügung bis zu einer
Darlehenshöhe von 30 000 Euro pro Fahrzeug.

c) Fahrstrom aus erneuerbaren Energien für Elektrofahrzeuge, der ins Netz

zurückgespeist wird, soll vom geplanten Stetigkeitsbonus nach dem Er-
neuerbare-Energien-Gesetz profitieren, wenn Elektrofahrzeuge wie vir-

Drucksache 17/1164 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tuelle Kombi-Kraftwerke für eine Harmonisierung von Ökostromeinspei-
sung und Verbrauch sorgen.

d) Die Markteinführung von integrierten Mobilitätsdienstleistungen in Bal-
lungsräumen wird von der öffentlichen Hand mit 500 Mio. Euro über fünf
Jahre angeschoben. Der Bund legt dazu ein Förderprogramm „100 Städte
mit einem klimaneutralen ÖPNV“ auf und verstärkt die bestehenden
Aktivitäten in diesem Bereich. Außerdem wird in einem Bund-Länder-
Programm eine Anschubfinanzierung für den Aufbau von Car Sharing mit
Elektroautos gewährt und die Förderung im Bereich der öffentlichen
Mieträder verstärkt.

e) Öffentliche Fördermittel für den Bau von Park&Ride-Anlagen werden nur
noch mit der Auflage gewährt, dass eine bestimmte Anzahl der Parkplätze
mit einer Stromladestation ausgestattet wird.

f) Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 60 g/km sollten da-
bei bis zum 31. Dezember 2015 von der Versteuerung des geldwerten
Vorteils bei der Privatnutzung von Dienstwagen komplett befreit werden.
Die Dienstwagenbesteuerung wird insgesamt am CO2-Ausstoß orien-
tiert. 500 Mio. Euro pro Jahr aus den resultierenden Mehreinnahmen
werden für zehn Jahre zur Finanzierung aller öffentlichen Investitionen
zur Förderung der Elektromobilität verwendet.

2. Die Bundesregierung setzt sich folgende Ziele:

a) Als Leitmarkt für Elektromobilität setzt sich die Bundesregierung das Ziel,
dass im Jahr 2020 mindestens zwei Millionen Elektrofahrzeuge in
Deutschland zugelassen sind und erklärt Elektromobilität mit zusätzlich
erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien zu einem strategischen Ziel
ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, um langfristig Treibhausgase einzusparen,
die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren, einen zentralen Zukunftsmarkt zu
erschließen und bezahlbare Mobilität für alle zu ermöglichen. Das Ausbau-
ziel für die erneuerbaren Energien bis 2020 wird entsprechend erhöht.

b) Die Bundesregierung richtet unverzüglich die im Nationalen Entwick-
lungsplan Elektromobilität angekündigte „Nationale Plattform Elektro-
mobilität“ ein, deren Aufgabe es ist, unter Beachtung der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Aspekte eigenständig Empfehlungen zu erar-
beiten, ein Monitoring aufzubauen und Fortschrittsberichte zur Ziel-
erreichung zu erstellen. In diese sind auf Arbeits- und Entscheidungsebene
nicht nur Vertreter aus der Industrie, sondern auch aus Wissenschaft,
Gewerkschaften und Verbänden, insbesondere den Umwelt- und Verbrau-
cherschutzverbänden wie auch aus Ländern und Kommunen einzube-
ziehen.

c) Die Bundesregierung unternimmt alle notwendigen Schritte, um die
Bundes-, Länder- und Gemeindepolitik in Bezug auf die Förderung der
Elektromobilität systematisch zu koordinieren. Sie setzt sich dafür ein,
eine gemeinsame europäische Förderstrategie zu entwickeln.

d) Der Bund verpflichtet sich im Rahmen der öffentlichen Beschaffung für
alle Bundesbehörden einen Pioniermarkt für Plug-In-Hybride und Elek-
troautos zu schaffen. In der Ausschreibung von Fahrzeugflotten im Auf-
trag des Bundes, z. B. die zivilen Fahrzeuge der Bundeswehr, werden ein
steigender prozentualer Anteil von Plug-In-Hybriden und Elektrofahr-
zeugen und die Bereitstellung einer entsprechenden Ladeinfrastruktur
vorgeschrieben. Der Bund startet zudem eine Initiative mit Ländern und
Kommunen für eine bevorzugte öffentliche Beschaffung von Plug-In-

Hybriden und Elektroautos.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1164

e) Der Bahnstrom für Eisenbahnen in Deutschland soll schrittweise bis 2030
auf 100 Prozent erneuerbaren Strom umgestellt werden.

3. Die Bundesregierung bringt folgende ordnungsrechtliche Maßnahmen auf
den Weg:

a) Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene für CO2-Grenz-
werte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ein, die dem zu erwartenden
Stand der Technik in den Jahren nach 2015 Rechnung tragen. Für leichte
Nutzfahrzeuge ist daher ein CO2-Grenzwert von höchstens 160 g/km ab
2015 und höchstens 135 g/km ab 2020 und für Pkw von höchstens 80 g/km
ab 2020 ohne Ausnahmen anzustreben.

b) Für den bis Juni 2010 zu meldenden Aktionsplan erneuerbare Energien
auf der Basis der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen
Union vom 26. Juni 2009 sollte für das 10-Prozent-Ziel des Endenergie-
verbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien ein Wert ge-
nannt werden, der mindestens einem Ökostromanteil von 40 Prozent bei
der Bahn und von zwei Millionen zugelassenen und mit Ökostrom betrie-
benen Elektrofahrzeugen entspricht.

c) Jedes Elektrofahrzeug wird mit einem intelligenten Stromzähler (Smart
Meter) ausgestattet. Dafür werden die notwendigen Voraussetzungen in
der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung geschaffen und gleichzeitig ein
UN-ECE-weiter Standard angestrebt.

d) Öffentliche Stellplätze an Ladestationen werden in der Straßenverkehrs-
ordnung als Sonderflächen für Elektrofahrzeuge aufgenommen. Dabei
wird auch die Möglichkeit geschaffen, Sperren gegen Falschparker zu
installieren.

e) Die Bundesregierung setzt sich in allen zuständigen Gremien für eine
Standardisierung von Stromanschlüssen für Elektrofahrzeuge, standardi-
sierte Kommunikationsschnittstellen zwischen Fahrzeug und Ladestation
und einheitliche Standards für Abrechnungssysteme ein mit dem Ziel,
dafür UN-ECE-weite Standards zu schaffen.

f) Die Bundesregierung setzt ordnungsrechtlich durch, dass Strom von allen
Anbietern, insbesondere auch von Ökostromanbietern, zu allen öffent-
lichen Ladestationen durchgeleitet wird und das dafür faire und trans-
parente Netzentgelte, die von der Netzagentur reguliert werden, verlangt
werden. Ausgenommen von dieser Pflicht sind netzautarke Ladestationen,
die mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden.

g) In die Feinstaubverordnung wird eine blaue Null-Emissions-Plakette zur
Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen aufgenommen um für Kommunen
die rechtliche Möglichkeit zu schaffen, für Fahrzeuge mit dieser blauen
Plakette Parkgebühren zu ermäßigen oder zu erlassen. In der Straßenver-
kehrsordnung wird ein Verkehrsschild für Parkplätze eingeführt, die für
Fahrzeuge mit blauer Plakette reserviert sind.

h) Es werden Verordnungen zu erlassen, die es Kommunen und regionalen
Gebietskörperschaften ermöglichen, in ökologisch besonders sensiblen
Gebieten, wie beispielsweise in Naturtourismusregionen oder National-
parks, nach dem Vorbild von Helgoland und Zermatt in der Schweiz nur
noch Elektrofahrzeuge einfahren zu lassen.

i) Die Zulassungsvorschriften Fahrzeuge sind an Elektrofahrzeuge an-
zupassen, so dass sie eine eigenständige Zulassungskategorie werden.
Zudem werden die Mitarbeiter der Zulassungsbehörden zu den Besonder-

heiten von Plug-In- und Elektrofahrzeugen geschult und die Software
daran angepasst.

Drucksache 17/1164 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

j) Neue Motorroller werden ab 1. Januar 2015 nur noch ohne Verbrennungs-
motoren zugelassen. Ab dem 1. Januar 2020 gilt ein Verbot für Motor-
roller mit 2-Takt-Verbrennungsmotor, ab dem 1. Januar 2025 für Motor-
roller mit 4-Takt-Verbrennungsmotor.

k) Es sind Recyclingquoten für Batterien vorzuschreiben, die geeignet sind,
die wertvollen Rohstoffe wie Lithium weitestgehend wiederzuverwenden.

4. Die Bundesregierung verstärkt die Forschungs- und Entwicklungsförderung
in folgenden Bereichen:

a) Die Bundesregierung legt ein sozialwissenschaftliches und interdiszipli-
näres Programm zur Erforschung der Akzeptanz neuer elektromobiler
Technologien und Dienstleistungen sowie zur Begleitung der Umsetzung
neuer Mobilitätskonzepte vor und sorgt dafür, dass die Erfahrungen und
Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Strategie einfließen.

b) Die vorhandenen laufenden Programme zur Forschung und Entwicklung
von Stromspeichern, Elektro- und Hybridantrieben werden massiv aufge-
stockt. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei ein Programm für die
Entwicklung der nächsten Generation von Hochleistungsspeichern und
der Hochleistungselektronik (Programm: Anwendbare nächste Genera-
tion von Energiespeichern und Leistungselektronik in Automobilen,
ANGELA).

c) Für die Entwicklung einer intelligenten Netzeinspeisung (gesteuerte La-
dung) von unregelmäßigem Strom aus erneuerbaren Energien in Über-
schusszeiten und die Rückeinspeisung ins Netz (Vehicle-To-Grid), um
Spitzenlasten auszugleichen, stellt die Bundesregierung in den nächsten
fünf Jahren zusätzlich 100 Mio. Euro für Demonstrationsprojekte zur Ver-
fügung.

d) Die Bundesregierung schreibt ein Modellvorhaben für eine anspruchs-
volle städtebauliche Integration von Ladestationen für Elektromobilität im
öffentlichen Raum aus.

e) Die Bundesregierung sorgt für die stärkere Einbindung der Hochschulen
in die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, um insbesondere die
Ausbildung des benötigten qualifizierten Nachwuchses sicherzustellen.

f) Die Bundesregierung schreibt einen Forschungspreis aus, vergleichbar
dem X-Prize, für ein in Deutschland entwickeltes Leitpatent, dass eine
neue Speichergeneration von Batterien hervorbringt, die eine Energie-
dichte von 200 Wh/kg hat und nach 5 000 Be- und Entladungsvorgängen
und fünf Jahren noch 80 Prozent ihrer Kapazität aufweist.

g) Für schwere Nutzfahrzeuge, Schienenfahrzeuge mit Dieseltraktion wird
die Bundesregierung ein Forschungsprogramm für die Entwicklung von
Plug-In-Hybriden einrichten.

Berlin, den 23. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung
In den Wachstumsmärkten findet eine rasch nachholende Motorisierung statt.
Im Krisenjahr 2009 wurden allein in China 13,64 Millionen Fahrzeuge verkauft.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/1164

Das entspricht einem Zuwachs von 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Pro-
gnose für dieses Jahr liegt bei 14,9 Millionen Fahrzeugen und schon in zwei Jah-
ren könnten in China mehr als 20 Millionen Fahrzeuge pro Jahr neu zugelassen
werden. Der jährliche Zuwachs Chinas entspräche dann der Hälfte des Pkw-
Fahrzeugbestands in Deutschland. In Indien waren in der Hauptstadt New Delhi
bis Ende 2008 mehr als 11 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Im Jahr 2030 wird
Indien nach China und den USA der drittgrößte Automobilmarkt weltweit sein.

Bis 2030 wird eine Verdopplung des weltweiten Kraftfahrzeugbestands prog-
nostiziert. Selbst wenn es gelänge, den Verbrauch von konventionellen Fahrzeu-
gen mit Verbrennungsmotoren in den nächsten 20 Jahren zu halbieren, würde die
weltweite Abhängigkeit vom Öl nicht abnehmen und das Zwei-Grad-Ziel ver-
fehlt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind nach den Berechnungen des
IPCC die CO2-Emissionen in den Industriestaaten um 80 bis 95 Prozent bis 2050
gegenüber 1990 zu reduzieren. Je länger wirkungsvolle Maßnahmen zur Sen-
kung der Treibhausgasemissionen ausbleiben, desto höher wird die Minderungs-
verpflichtung (minus 95 Prozent) für Deutschland und andere Industriestaaten
ausfallen. Explodierende Ölpreise infolge einer Verknappung nach Überschrei-
ten des Fördermaximums (Peak Oil) würden den Anstieg des Fahrzeugbestands
allenfalls verlangsamen und Druck auf die Erschließung bisher unwirtschaftli-
cher Ölressourcen, einschließlich jeder Form von Biokraftstoffen und der Ver-
flüssigung von Kohle und Gas ausüben. Die Abhängigkeit vom Öl wird nicht be-
endet werden durch das Ende des Öls, sondern durch alternative Energiequellen,
die Öl dauerhaft, klimaschonend und sicher ersetzen können.

Alternative Antriebe

Biomasse für Kraftstoffe steht in einer Nutzungskonkurrenz zur Erzeugung von
Nahrungs- und Futtermitteln. Sie sollte langfristig im Verkehrssektor daher vor
allem dort eingesetzt werden, wo keine technologischen Alternativen verfügbar
sind, also z. B. im Flugverkehr. Außerdem wird sie in nicht zu ferner Zukunft
die erdölbasierte Grundstoffchemie ersetzen müssen. Die effizienteste Nutzung
der Biomasse liegt in der Kraft-Wärme-Kopplung. Der damit gewonnene Strom
kann dann für elektrische Antriebe genutzt werden. Für Plug-In- Hybride bieten
nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe aber auch für das Auto eine erdölfreie Zu-
kunftsperspektive.

Der elektrische Antrieb mit Strom ist die beste Möglichkeit, erneuerbare Ener-
gien für die Mobilität zu nutzen und CO2-Emissionen zu senken. Elektro-
mobilität kann auf unterschiedliche Stromerzeugungsquellen zurückgreifen.
Wird der Strom z. B. in Braunkohlekraftwerken gewonnen, ist die Klimabilanz
schlechter als bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Strom aus Atomkraft-
werken für Elektroautos führt zu mehr radioaktiven Abfällen, zahllosen Sicher-
heitsrisiken und verstopft – wie auch der Kohlestrom – die Netze für Strom aus
erneuerbaren Energien. Elektromobilität ist daher nur sinnvoll in der Kombi-
nation mit Strom aus zusätzlichen erneuerbaren Energien. Eine Million Elektro-
fahrzeuge erzeugen dabei nur einen zusätzlichen Strombedarf von 0,3 Prozent
des deutschen Strombedarfs. Das kann durch eine Anhebung des Stromziels
erreicht werden. Zusätzlich sollte die finanzielle Förderung des Staates für den
Kauf von Elektrofahrzeugen an Ökostromnutzung gekoppelt werden. Eine voll-
ständige Umstellung aller Pkw auf einen Antrieb durch erneuerbare Energien
würde einen Mehrbedarf von 12 Prozent Strom bedeuten, dem aber die Ein-
sparung von rund 45 Mrd. Litern fossilen und biogenen Kraftstoffen gegenüber-
stände.

Ob sich in den nächsten Jahren der Strom-Batterie-Antrieb oder der Wasserstoff-
Brennstoffzellen-Antrieb durchsetzen wird oder ob beide nebeneinander existie-
ren werden ist noch nicht entschieden. Im Vergleich ist die Batteriespeicherung

aber um den Faktor 3 bis 4 effizienter als die Erzeugung von Wasserstoff aus

Drucksache 17/1164 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Strom. Dies gilt selbstverständlich auch für regenerativ erzeugten Strom. Nach
einer IFEU-Studie (IFEU: Institut für Energie- und Umweltforschung Heidel-
berg GmbH) für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit ist der Gesamtwirkungsgrad des Strom-Batterie-Antriebs mit rund 70
Prozent wesentlich günstiger als der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb, der
auf einen Wirkungsgrad von 20 bis 25 Prozent kommt und damit kaum besser
liegt als moderne Verbrennungsmotoren.

Ein weiterer Nachteil des Wasserstoffs ist der dafür notwendige Systemwechsel
bei der Infrastruktur. Während Elektrofahrzeuge an jeder Steckdose aufgeladen
werden können, müsste für die Versorgung mit Wasserstoff eine eigene Infra-
struktur aufgebaut werden. Da bis 2015 nur Kleinserien von einigen Herstellern
gebaut werden und es auch noch nicht klar ist, ob die Kostendegression bei der
Brennstoffzelle so verlaufen wird, dass Brennstoffzellenfahrzeuge zu konkur-
renzfähigen Preisen angeboten werden können, werden batterieelektrische Fahr-
zeuge, von denen die ersten schon in diesem Jahr als Serienfahrzeuge auf den
Markt kommen, einen Vorsprung haben.

Eine Reichweitenproblematik stellt sich zudem nur für reine batterieelektrische
Fahrzeuge, nicht aber für Plug-In-Hybride. Die Frage, ob es sich Hersteller
dauerhaft leisten werden, die Entwicklung beider Antriebsarten parallel zu ver-
folgen, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Ford hat Anfang 2009 die
Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Brennstoffzelle mit Daimler beendet
und seinen 50-prozentigen Anteil an dem Gemeinschaftsunternehmen an
Daimler verkauft, um sich voll auf die Entwicklung batterieelektrischer
Antriebe zu konzentrieren. BMW hat sich aus der Entwicklung eines Verbren-
nungsmotors mit Wasserstoff jedenfalls schon zurückgezogen und konzentriert
sich auf den batterieelektrischen Antrieb.

Umfassende Elektrifizierung aller motorisierten Antriebe vorantreiben

Unter Elektromobilität sind alle Verkehrsmittel mit Elektroantrieb zu fassen. So
werden Eisenbahnen heute schon überwiegend elektrisch angetrieben. Eine wei-
tere Elektrifizierung vieler Strecken ist dringend geboten. Zur Elektromobilität
zählen auch elektrifizierte Zweiräder, vom Elektroroller über E-Bikes bis zu so
genannten Pedelecs, also Fahrrädern mit Elektrohilfsantrieb. Auch bei Sport-
booten und leichten Fahrgastschiffen kommen die ersten Elektroantriebe zum
Einsatz. Sogar mit kleinen Flugzeugen gibt es die ersten Versuche. In O-Bus-
Systemen und Transportern für die Innenstadtbelieferung liegen weitere Poten-
ziale für den Einsatz von Elektromobilität.

Die größte technologische Herausforderung liegt aber zweifellos in der Umstel-
lung des Automobilantriebs von der vergleichsweise ineffizienten Verbrennung
fossiler Kraftstoffe auf den elektrischen Antrieb. Unter der Voraussetzung, dass
diese Fahrzeuge mit zusätzlichen erneuerbaren Energien betrieben werden, liegt
hier langfristig auch das größte klimapolitische Potenzial zur Senkung der CO2-
Emissionen aus dem Verkehr. Das gilt nicht nur für reine Elektrofahrzeuge,
sondern vor allem auch für Hybridautos, die an der Steckdose aufgeladen wer-
den können (Plug-In-Hybrid, Range Extender) und mit Reichweiten von bis zu
50 Kilometer mehr als 80 Prozent aller täglichen Fahrten rein elektrisch fahren
können. Die Potenziale des Verbrennungsmotors können weiterentwickelt und
genutzt werden, bis die Batterietechnik sich so weit entwickelt hat, dass Ener-
giedichte und Kosten hohe rein elektrische Reichweiten ohne Verbrennungsmo-
tor im Massenmarkt erlauben. Dieser Fahrzeugtyp als Parallel- oder leistungs-
verzweigter Hybrid (z. B. Toyota Prius) oder als Range Extender (z. B. Opel
Ampera) ermöglicht eine evolutionäre Technikentwicklung und wird damit ei-
nes der wichtigsten Pkw-Marktsegmente der Zukunft werden. Der Hybrid-
antrieb, den Toyota und Honda schon in der dritten Generation mittlerweile auch

im Kompaktwagensegment einsetzen, ist dabei die Basistechnologie, die es zu

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/1164

beherrschen gilt, und nicht etwa eine Brückentechnologie, wie von Vertretern
der deutschen Autoindustrie immer wieder fälschlich behauptet wird.

Bis Plug-In-Hybride und reine Elektroautos in der Zulassungsstatistik Autos mit
Verbrennungsmotor überholen, werden allerdings noch viele Jahre vergehen.
Für die Erreichung der Klimaziele in 2020 haben sie daher fast keine Bedeutung.
Die weitere Senkung der CO2-Emissionen konventioneller Fahrzeuge bleibt
daher auf mittlere Sicht der weitaus bedeutsamste Beitrag zum Klimaschutz.
Entscheidend hierfür sind ambitionierte CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte
Nutzfahrzeuge. Optimierungen von Verbrennungsmotoren und des gesamten
Antriebsstrangs können zudem auch in Hybridautos eingesetzt werden. Darüber
hinaus werden alle anderen Innovationen im Automobilbau auch für Elektro-
autos benötigt. Dazu zählen vor allem die Leichtbauweise und die Senkung des
Luft- und des Rollwiderstands. Auch die Weiterentwicklung der passiven und
vor allem der aktiven Fahrzeugsicherheit ist weitgehend unabhängig von der
Antriebsart. Allerdings stellen Batterien oder Wasserstofftanks neue An-
forderungen an die Fahrzeugsicherheit.

Elektrofahrzeuge lösen keine Verkehrsprobleme wie Stau, Flächenverbrauch
oder Naturzerschneidung. Und auch der Verkehrslärm geht nur bis zu einer
Geschwindigkeit zurück, ab der das Rollgeräusch den Schallpegel bestimmt. Es
bleibt daher die vorrangige Aufgabe einer integrierten und nachhaltigen Mobi-
litätspolitik, unnötige Transporte zu vermeiden und Auto- und Lkw-Verkehr auf
umweltfreundliche Verkehrsmittel zu verlagern. Die ökologischste Mobilitäts-
und Transportform über längere Distanzen bleiben Busse und Bahnen – erst
recht dann, wenn sie ihrerseits vollständig auf Elektroantrieb mit 100 Prozent er-
neuerbaren Energien umgestellt haben.

Neue urbane Mobilität

Elektroautos werden von zwei Seiten in den Markt eingeführt werden. Zum ei-
nen als hochpreisige Luxusfahrzeuge, wie der Tesla Roadster – das erste Serien-
elektroauto der Welt, das man heute schon kaufen kann – und zum anderen als
Fahrzeuge zwischen dem Mini- und dem Kompaktsegment, die überwiegend für
den Verkehr in Ballungsräumen konzipiert werden. Vorreiter sind hier Mitsu-
bishi mit dem iMIEV, der wie die baugleichen Peugeot iOn und Citroen C Zero
ab diesem Jahr auch in Europa verkauft werden wird. Das erste serienmäßige
Fünfsitzerelektroauto im Kompaktklassenformat ist der Nissan Leaf, der ab
Herbst 2010 ebenfalls schon zu kaufen sein wird. Ebenfalls schon auf dem eu-
ropäischen Markt ist der Think aus Norwegen. Seit vielen Jahren werden zudem
Elektroleichtmobile in Deutschland hergestellt und vertrieben (City El, Twike).
Die großen deutschen Automobilhersteller haben für die Jahre 2011 bis 2013
ebenfalls den Serienstart von Elektroautos angekündigt, beginnend mit dem
E- Smart und der A-Klasse, einem E-Up von Volkswagen, dem ein E-Golf folgen
soll. Der Entwicklungsvorstand des Volkswagenkonzerns, Dr. Ulrich Hacken-
berg, scheint aber vom Erfolg dieser Fahrzeuge nicht überzeugt zu sein. Für das
Jahr 2020 rechnet er nur mit einem Marktanteil von 1,5 bis zwei Prozent bei den
Neuverkäufen. BMW will ein neuartiges Elektrofahrzeug für Metropolen entwi-
ckeln (Megacity Vehicle), das in Leipzig gebaut werden soll.

Elektroautos werden in den ersten Jahren vor allem in Flotten wie z. B. dem Car
Sharing oder auch als Transporter für die Innenstadtbelieferung attraktiv sein.
Zudem werden sie interessant sein für Personen, die einen eigenen Stellplatz mit
einer gesicherten Stromversorgung haben. Im Idealfall können Eigenheimbesit-
zer sogar den Strom mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach selbst erzeugen
und damit ihr Auto laden.

Für Ballungsräume sollte bei der Einführung von Elektroautos vor allem auf Car

Sharing gesetzt werden. Denn Car-Sharing-Kunden sind Vorreiter bei der kom-
binierten Nutzung aller verfügbaren Verkehrsmittel. Für die Kurzstreckenmobi-

Drucksache 17/1164 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lität, etwa den Samstagseinkauf, können Elektroautos genutzt werden, auf län-
geren Strecken die Bahn oder konventionelle Autos. Kommunen sollten daher
endlich die Möglichkeit erhalten, öffentliche Car-Sharing-Stellplätze auszuwei-
sen, die mit einer Ladestation ausgestattet und gegen Falschparker geschützt
sind. Jedes Car-Sharing-Fahrzeug ersetzt dabei vier bis acht Privatfahrzeuge und
schafft damit Platz in den Innenstädten.

Ein weiterer Baustein dieser neuen urbanen Mobilität sind Mietradsysteme, in
die auch Pedelecs und Elektroroller integriert werden können. Paris schickt sich
an, Vorreiter für diese neue urbane Mobilität zu werden. Schon seit 2007 sind
20 000 öffentliche Fahrräder (Vélib) an festen Stationen in ganz Paris verteilt.
Das System wurde ein riesiger Erfolg mit mehr als 50 Millionen Nutzungen
in zwei Jahren. Dieses System wird ab September 2011 um öffentliche Elektro-
autos (Autolib’) erweitert. An 1 000 Stationen sollen dann 3 000 Elektroautos
im Car Sharing bereitstehen.

In den meisten chinesischen Großstädten gibt es heute keine Zweiräder mit
Verbrennungsmotoren mehr. Alle Krafträder werden inzwischen elektrisch an-
getrieben. Die von oben verordnete Umstellung der chinesischen Städte hat
innerhalb von einem halben Jahrzehnt einen neuen Industriezweig hervorgeru-
fen, wo heute jährlich einige zehn Millionen elektrische Zweiräder mit
leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien produziert werden.

Der französische Hersteller Peugeot will sich zum Mobilitätsdienstleister wei-
terentwickeln. Das Projekt „Mu by Peugeot“, das noch in der ersten Jahreshälfte
2010 auch in Berlin starten soll, bietet einen Service, bei dem mit einer Prepaid-
Karte Fahrräder, Scooter, Pkw und Transporter gemietet werden können. Eine
Integration öffentlicher Verkehrsmittel in ein solches Angebot steht allerdings
noch aus.

Mit Call a Bike der Deutschen Bahn AG und dem Projekt car2go von Daimler
in Ulm (allerdings noch mit Diesel-Smarts) sind auch in Deutschland erste An-
sätze für eine neue urbane Mobilität erkennbar. Es fehlt aber bisher die Bereit-
schaft – wie in Paris oder demnächst auch in London – ein Angebot für Groß-
städte auszurollen, das eine hohe Verfügbarkeit und damit eine echte
Alternative zum Privatauto garantiert.

Der öffentliche Verkehr muss dabei massiv ausgebaut und auf regenerative En-
ergiequellen umgestellt werden. Die Freiburger Straßenbahnen und die Hambur-
ger S-Bahn sind bereits komplett auf Ökostrom umgestellt worden. Und Busse
sind ebenfalls für klimaneutrale Antriebe, z. B. mit Brennstoffzellen, geeignet.
Der Bund sollte daher ein Programm „100 Städte mit einem klimaneutralen
ÖPNV“ auflegen, das die Umstellung des öffentlichen Verkehrs auf 100 Prozent
erneuerbare Energien zum Ziel hat.

In einem nächsten Schritt müssen alle Mobilitätsangebote so miteinander ver-
knüpft werden, dass diese neue Mobilitätsdienstleistung aus einer Hand mit ei-
ner Abrechnung angeboten wird. Smartphones werden dabei zur interaktiven
Benutzeroberfläche, mit der die aktuelle Verfügbarkeit aller Mobilitätsoptionen
jederzeit geprüft werden kann. „Nutzen statt besitzen“ könnte zum Leitmotiv für
die heranwachsende „Generation ohne Golf“ werden.

Eine neue urbane Mobilität erreicht dabei mehrere Ziele. Sie ist leise und emis-
sionsfrei und verbessert damit die Wohn- und die Aufenthaltsqualität in Städten.
Sie senkt die CO2-Emissionen und trägt damit zum Klimaschutz bei. Und sie
bietet „Mobilität für alle“ und hält damit auch Geringverdiener mobil, die sich
bei stark steigenden Ölpreisen kein Privatauto mehr leisten können. Und letzt-
lich hat ein solches Mobilitätskonzept auch das Zeug, zum Exportschlager zu
werden, wobei man derzeit befürchten muss, dass China in dieser Frage schon

weiter ist als Deutschland.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/1164

Förderstrategie für Elektromobilität neu ausrichten

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP fordert: „In Modellregionen
werden wir zukunftsweisende, ganzheitliche Verkehrskonzepte (Mobility on
Demand) erproben“, in die auch ländliche Räume einbezogen werden sollen.
Was mit „Mobility on Demand“ gemeint sein soll, bleibt bisher Geheimnis der
Koalitionäre. Zudem sind die geforderten Modellregionen von der Vorgänger-
regierung unter Beteiligung der CDU/CSU längst eingerichtet worden, auch in
ländlichen Räumen.

Während die Bundesregierung Modellregionen fördert nach dem Prinzip „Stu-
dieren geht über Probieren“, machen sich andere Länder an die Markteinfüh-
rung. Alle bedeutenden Automobilmärkte der Welt haben Marktanreizpro-
gramme oder Kaufprämien für Elektroautos beschlossen. In den USA wird der
Kauf eines Plug-In-Hybrids oder Elektroautos mit 7 500 US-Dollar Steuergut-
schrift gefördert, in China beträgt der Kaufzuschuss umgerechnet 6 700 Euro. In
Japan beläuft sich die Förderung auf bis zu 40 Prozent des Neuwagenpreises und
kann 11 400 Euro erreichen. Allein in Europa haben 17 Staaten beschlossen, die
Kostennachteile des Elektrofahrzeugs durch finanzielle Anreize entweder beim
Kauf oder während der Laufzeit ganz oder teilweise auszugleichen. Spitzenrei-
ter in Europa ist das kleine Dänemark, wo durch den Wegfall der Zulassungs-
steuer auf Elektroautos teilweise mehr als 20 000 Euro Förderung entstehen
können. In Großbritannien wird – mit einer Ankündigung schon aus dem Jahr
2009 – ab dem 1. Januar 2011 ein Förderprogramm mit 5 000 Pfund eingeführt.
Der größte Markt für Elektroautos heute ist die Stadt London, da die Citymaut
von acht Pfund pro Tag für diese Fahrzeuge nicht erhoben wird. In Frankreich
werden alle Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 60 g/km mit
5 000 Euro im Rahmen einer Bonus-Malus-Regelung bei der Kfz-Steuer geför-
dert.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist bisher die einzige Partei, die ein Markt-
anreizprogramm für Elektrofahrzeuge fordert. Mittlerweile mehren sich die
Stimmen in Deutschland, die einen solchen Kaufzuschuss unterstützen, so
zuletzt die Vorstandschefs von Daimler, Dr. Dieter Zetsche, und BMW,
Dr. Norbert Reithofer. Eine europäisch einheitliche Förderung, die Dr. Dieter
Zetsche angeregt hat, wäre zwar wünschenswert, ist aber kurzfristig wohl kaum
realisierbar. Denn bis alle Mitgliedstaaten sich auf eine einheitliche Förderung
geeinigt hätten, würde die Marktverzerrung durch die unterschiedlichen Förder-
kulissen in Europa bestehen bleiben. Ohne ein deutsches Marktanreizprogramm
wird sich der Markt für Plug-In-Hybride und Elektroautos außerhalb Deutsch-
lands entwickeln. Die Einführung eines solchen Marktanreizprogramms nach
französischem Vorbild im Rahmen der Umgestaltung der Kfz-Steuer zum
1. Januar 2011 ist daher dringend geboten.

Das Marktanreizprogramm ist Teil einer reformierten Kfz-Steuer, die aufkom-
menneutral nach einem Bonus-Malus-System umgestellt wird. Fahrzeuge mit
einem besonders hohen CO2-Ausstoß, wie z. B. SUVs finanzieren dabei die
Förderung von Fahrzeugen mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 60 g/km
(Zwei-Liter-Autos). Diese Förderung wird als Barprämie beim Kauf eines Fahr-
zeugs gewährt.

Die Barprämie beträgt in der ersten Förderperiode 5 000 Euro und liegt damit im
Mittelfeld dessen, was andere Länder zahlen. Die Prämie wird nach dem Modell
der Einspeisevergütung für regenerativen Strom degressiv ausgestaltet sein mit
jährlich sinkenden Zuschüssen. Die Festlegung der Degressionsrate könnte da-
bei von der Anzahl der geförderten Fahrzeuge abhängig gemacht werden. Bei ei-
ner schnelleren Marktdurchdringung sinkt die Förderung im Folgejahr stärker,
bei weniger Verkäufen als geplant, sinkt die Förderung weniger stark oder kann

sogar angehoben werden. Die Förderung wird zudem auf Fahrzeuge mit einer
Leistung bis 80 Kilowatt beschränkt, um z. B. Elektrosportwagen von der

Drucksache 17/1164 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Förderung auszuschließen. Durch die Verpflichtung auf mindestens die Euro-5-
Norm und einen hohen Standard bei der Verkehrssicherheit (mindestens vier
Sterne beim Euro-NCAP-Crashtest) soll gewährleistet werden, dass unsichere
und bei den übrigen Luftschadstoffen schlechte Fahrzeuge mit Verbrennungs-
motor von der Förderung profitieren.

Im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität heißt es: „Der zusätzliche Be-
darf an elektrischer Energie in diesem Sektor ist durch Strom aus erneuerbaren
Energien zu decken.“ In der Folge haben sowohl die Bundeskanzlerin, der Bun-
despräsident als auch der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung, Dr. Peter Ramsauer, erklärt, dass Elektromobilität mit erneuerbaren Ener-
gien zusammengehen muss. Allerdings ist die Regierung bisher ein Konzept
schuldig geblieben, wie diese Verknüpfung garantiert werden kann. Auch die
Autoindustrie und die Elektrizitätswirtschaft haben noch kein Modell vorgelegt,
mit dem das Angebot an erneuerbaren Energien zur Deckung der zusätzlichen
Nachfrage ausgeweitet wird. Bis das im nationalen Entwicklungsplan festge-
legte Ziel mit nachprüfbaren Maßnahmen unterlegt ist, soll die Barprämie daher
an den Nachweis von Ökostrom gekoppelt werden, um auszuschließen, dass
Kohle- und Atomstromfahrzeuge gefördert werden.

Für die Entwicklung der nächsten Generation von Hochleistungsspeichern und
der Hochleistungselektronik (Programm: Anwendbare nächste Generation von
Energiespeichern und Leistungselektronik in Automobilen, ANGELA) soll der
Bund ein Programm auflegen, mit dem Forschungs-Cluster in der Forschung
und Entwicklung aufgebaut und innovative Unternehmen unterstützt werden.
Im Zentrum der Förderung muss ein Förderprogramm für die Grundlagen-
forschung in Kooperation zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und
Unternehmen stehen. Daneben muss die anwendungsorientierte Forschung und
die steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen tre-
ten.

Zudem wird ein dem X-Prize vergleichbarer Forschungspreis in Höhe von 100
Mio. Euro für ein in Deutschland entwickeltes Leitpatent ausgelobt, das eine
neue Speichergeneration von Batterien hervorbringt, die eine Energiedichte von
200 Wh/kg hat und nach 5 000 Be- und Entladungsvorgängen und fünf Jahren
noch 80 Prozent ihrer Kapazität aufweist. Die Gegenfinanzierung für dieses Pro-
gramm soll durch eine CO2-basierte Reform der Dienstwagenbesteuerung
erfolgen.

Elektromobilität als Baustein der Energiewende

Der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Ausbau von Strom aus
Windkraft und Fotovoltaik, stellt neue Anforderungen an die Energieversor-
gungsstruktur. Hohe Anteile erneuerbarer Energien mit unsteter Einspeisung
müssen über den Ausbau eines europäischen Netzverbunds und über die Schaf-
fung zusätzlicher Speichermöglichkeiten ausgeglichen werden. Die Speiche-
rung von regenerativem Strom in Elektroautos kann damit zu einem wichtigen
Baustein der Energiewende werden.

Die Batterien können in Zeiten eines Überangebots von Wind- und Sonnenstrom
gesteuert geladen werden. In einem zweiten Schritt könnte Strom aus den Bat-
terien rückeingespeist werden, wenn die Nachfrage besonders groß ist (Vehicle-
to-Grid). Dabei entscheidet letztendlich immer der Autobesitzer darüber, wel-
cher Ladestand der Batterien nicht unterschritten werden soll. Dezentrale Ener-
giespeicher in Autos könnten also im Verbund mit erneuerbaren Energien als
virtuelle Kombikraftwerke Regelstrom bereitstellen.

Voraussetzung für eine Kopplung von erneuerbaren Energien und Elektromobi-
lität sind intelligente Stromzähler (smart meter) in den Fahrzeugen und eine Ver-

bindung mit dem Stromnetz zu möglichst allen Zeiten, in denen das Fahrzeug

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/1164

steht. Nur wenn die Intelligenz für die Netzeinspeisung im Fahrzeug liegt, kön-
nen auch Autos berücksichtigt werden, die ihren Strom über eine normale Steck-
dose ohne intelligenten Stromzähler erhalten.

Industriepolitische Weichenstellung

Ob die deutsche Autoindustrie tatsächlich ernsthaft auf Elektromobilität setzt
oder die vielen Ankündigungen nur Marketing sind, wie bei dem schon vor Jah-
ren verkündeten Durchbruch bei Brennstoffzellenfahrzeugen, lässt sich noch
nicht abschließend beantworten. Der Aufbruch in die elektromobile Zukunft hat
aber bereits begonnen, so dass die Frage nur noch lautet, ob die deutschen Her-
steller auf den fahrenden Zug noch aufspringen. Japanische Unternehmen wie
Toyota, Honda und Nissan haben beim Thema Hybridantriebe oder reine Elek-
troantriebe schon einen Marktvorsprung. Und mit Renault setzt auch ein euro-
päischer Wettbewerber auf die elektromobile Karte. Dieser Hersteller ist eine
Kooperation mit der Firma Betterplace Inc. eingegangen, die ab 2011 in Israel
und Dänemark in großem Stil Elektroautos auf den Markt bringen will. Der Clou
am Konzept von Betterplace Inc. sind Batteriewechselstationen, die das Reich-
weitenproblem auch für reine batterieelektrische Autos lösen sollen. Die Idee ist
offensichtlich so überzeugend, dass das Unternehmen jüngst 350 Mio. US-
Dollar zusätzliches Wagniskapital einwerben konnte.

Während wir in Deutschland bisher allein auf Modellversuche und Forschung
setzen und für eine Abwrackprämie zehnmal mehr ausgeben als für die Elektro-
mobilität (500 Mio. Euro), haben andere Länder die industriepolitische Impli-
kation eines Paradigmenwechsels bei den automobilen Antrieben erkannt und
fördern die Industrie und die Markteinführung von Elektromobilität mit hohen
Milliardenbeiträgen.

So unterstützt das amerikanische Energieministerium die Forschung im Bereich
elektromobiler Antriebe und Speichertechnologien in den nächsten fünf Jahren
mit 2,4 Mrd. US-Dollar. Darüber hinaus unterstützt die Obama-Regierung den
Produktionsaufbau von Elektrofahrzeugen mit Milliarden US-Dollar. So erhielt
z. B. der japanische Hersteller Nissan ein Darlehen in Höhe von 1,4 Mrd. US-
Dollar für den Umbau eines Werkes im US-Bundesstaat Tennessee für die Pro-
duktion des Elektroautos Nissan Leaf mit einer geplanten Jahresproduktion von
150 000 Einheiten und den Aufbau einer neuen Fabrik für Lithium-Ionen-Akkus
mit der geplanten Herstellung von 200 000 Einheiten jährlich. Darüber hinaus
gibt es ein Steuernachlass in Höhe von 7 500 Dollar für Plug-In-Hybride und
Elektroautos.

In China investiert der Staat massiv in den Aufbau einer international konkur-
renzfähigen Automobilindustrie. Der chinesische Staat strebt an, eine erfolgrei-
che Strategie aus dem Mobilfunkmarkt und dem Windkraftanlagen- und Foto-
voltaikmarkt zu kopieren. Der riesige Binnenmarkt wird genutzt, um eine
Marktmacht einheimischer Hersteller aufzubauen und dann auf dem internatio-
nalen Markt zu expandieren. Der chinesische Handymarkt wird mittlerweile von
chinesischen Herstellern dominiert. Gleiches gilt für neue Windkraftanlagen
und Fotovoltaikanlagen. Dabei können einige Hersteller auf ihre Erfahrung in
der Zellfertigung von Lithium-Ionen-Batterien bauen.

So ist das Unternehmen BYD, der zweitgrößte Lithium-Ionen-Zellen-Hersteller
der Welt, an dem der amerikanische Investor Warren Buffet beteiligt ist, seit
2009 mit dem ersten Plug-In-Hybrid der Welt, dem F3 DM (Golfklasse), für
rund 15 000 Euro in China auf dem Markt. Die Markteinführung in Europa und
den USA soll dieses Jahr folgen. 2011 will BYD mit dem Elektroauto E6
(Segment untere Mittelklasse) mit einer Reichweite von 330 Kilometern auf den
europäischen Markt kommen, das 30 000 Euro kosten soll. Das Absatzziel von

BYD bis 2015 liegt bei jährlich 1,5 Millionen Plug-In-Hybrid- und Elektrofahr-
zeugen.

Drucksache 17/1164 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Know-how von BYD ist mittlerweile so gefragt, dass die Daimler AG am
1. März 2010 mit BYD eine Absichtserklärung für eine umfassende technolo-
gische Partnerschaft unterzeichnet hat, um ein Elektrofahrzeug für den chine-
sischen Markt zu entwickeln, das im Rahmen einer gemeinsamen Marke vertrie-
ben werden soll. Volkswagen hat mit BYD bereits Anfang 2009 ein Abkommen
geschlossen und plant offensichtlich ebenfalls den Aufbau einer Elektroautopro-
duktion in China mit der Zulieferung der Batterien von BYD. Dies sind Belege
dafür, dass die jahrelange Zurückhaltung der deutschen Automobilindustrie
diese ins Hintertreffen brachte und nun mit viel Geld fernöstliches Know-how
einkaufen muss.

Leitmarkt Elektromobilität

Die Bundesregierung hat Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität aus-
gerufen und das Ziel ausgegeben, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die
Straße zu bringen. Das entspricht zwei Prozent der Gesamtflotte. Im August
2009 wurde ein Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität beschlossen. Im
Rahmen des Konjunkturpakets II wurden 500 Mio. Euro für Elektromobilität
bereitgestellt, davon ein kleinerer Teil (115 Mio. Euro) für acht Modellregionen
in Deutschland und der überwiegende Teil für Energie- und Verkehrsforschung
insbesondere im Bereich der Speichertechnologieforschung. Um die konkur-
rierenden Ressortinteressen der beteiligten vier Ministerien Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF), Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit (BMU), Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS) und Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-
nologie (BMWi) unter einen Hut zu bekommen, werden sogar Wasserstofftank-
stellen und die Projekte für Biokraftstoffe aus diesem Topf unterstützt, was mit
batterieelektrischer Elektromobilität schlicht gar nichts zu tun hat. Anfang 2010
wurde schließlich eine Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität
(GGEMO) gegründet, deren Sitz beim BMWi ist, deren Leiter aber aus dem
BMVBS kommt, um den fein austarierten Ministerien-Proporz zu erhalten.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Forschung und
Innovation (EFI) kommt in ihrem aktuellen Jahresgutachten 2010, das am
24. Februar 2010 an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesfor-
schungsministerin Dr. Annette Schavan überreicht wurde, zu dem Urteil: „Ein
Leitmarkt für die Elektromobilität ist derzeit in Deutschland nicht zu identifizie-
ren“. Eher sei dies in chinesischen Ballungszentren zu erkennen. Und weiter:
„Deutschland ist derzeit in der besonders wichtigen Schlüsseltechnologie der
Fahrzeugbatterien und auch im Bereich der fahrzeugbezogenen Leistungselekt-
ronik schlecht aufgestellt […]. Hier sind große Anstrengungen erforderlich, um
den Anschluss an die technisch führenden Nationen zu finden.“ Gemeint sind
damit China, Japan und Korea, die den weltweiten Batteriemarkt dominieren
und – ausweislich des EFI-Gutachtens bei den Patentanmeldungen für Hochleis-
tungsbatterien und - elektronik weit vor Deutschland liegen. Die Forschung in
Deutschland solle sich daher vor allem auf Batterien der nächsten Generation
konzentrieren, um Wertschöpfung in Deutschland zu halten. Zudem wird ein
staatliches Markteinführungsprogramm gefordert, um schnell hohe Stückzahlen
zu realisieren, die zu einer deutlichen Kostenreduktion führen.

Dass Deutschland bei der Batteriefertigung und vor allem auch bei der -for-
schung – der Schlüsselkompetenz für die Elektromobilität – einen Rückstand
auf asiatische Länder aufweist, muss ein Weckruf für die Bundesregierung sein.
Wie der Sputnik-Schock in den USA zum Apollo-Programm für die bemannte
Mondfahrt führte, braucht es heute eine milliardenschwere koordinierte Offen-
sive, um den Automobilstandort Deutschland fit für die Zukunft zu machen.

Die Elektromobilitätskonferenz am 3. Mai 2010 bei Bundeskanzlerin Dr. Angela

Merkel muss der Auftakt für ein ehrgeiziges Programm werden, mit dem Ziel,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/1164

Deutschland zum leistungsfähigsten Anbieter von Elektromobilität zu machen.
Dr. Angela Merkel muss Elektromobilität endlich zur Chefsache machen. Das
Thema ist zu wichtig, um es den Bundesministern Rainer Brüderle und Dr. Peter
Ramsauer zu überlassen.

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