BT-Drucksache 17/11487

Rassistische Gewalt von Polizei und Neonazis in Griechenland und die Rolle der Europäischen Union

Vom 9. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11487
17. Wahlperiode 09. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Petra Pau, Alexander Ulrich,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Rassistische Gewalt von Polizei und Neonazis in Griechenland
und die Rolle der Europäischen Union

Am 25. Oktober 2012 hat Amnesty International (AI) den Bericht „Europe:
Policing demonstrations in the European Union“ zu Polizeigewalt in Spanien,
Griechenland und Rumänien vorgelegt. Deutlich wird, wie das austeritäre Eu-
ropa eine autoritäre Formierung seiner Polizeibehörden befördert. Die Organi-
sation stellt eine signifikante Zunahme des Einsatzes von Tränengas und Gum-
migeschossen fest. Ein weiterer Bericht von AI zur Repression der griechischen
Regierung unter dem Titel „Police violence in Greece – Not just ‚isolated
incidents‘“ weist systematische Misshandlungen durch die Polizei nach und
kritisiert die Straflosigkeit. Die Gewalt der Behörden sei demnach „exzessiv“,
Festnahmen erfolgten „willkürlich“. Auch ein Mitarbeiter von AI wurde derart
auf eine Wache verschleppt und misshandelt.

Die Polizeigewalt richtet sich nicht nur gegen Demonstrantinnen und Demons-
tranten, die gegen von der „Troika“ diktierte „Austeritätspolitik“ auf die Straße
gehen. Vor allem Migrantinnen und Migranten werden durch die Regierung mit
landesweiten Razzien drangsaliert. Die am 4. August 2012, dem Jahrestag des
Metaxas-Regimes in Athen und der Evros-Region begonnene „Operation
Xenios Zeus“ (Gott der Gastfreundschaft) ist bis zum Jahresende verlängert
worden. Allein in der ersten Woche wurden 1 500 Unerwünschte inhaftiert,
neuere Zahlen sprechen von insgesamt 48 402 Aufgegriffenen, 3 668 Verhafte-
ten und 383 Hausdurchsuchungen (www.ekathimerini.com, 6. November
2012). 1 311 Frauen wurden unter dem Vorwurf der Prostitution festgenom-
men, obwohl viele von ihnen Papiere nachweisen konnten. Die Polizei geht
dabei nach rassistischen Kriterien vor. Vermeintliche Ausländerinnen und Aus-
länder werden nach ihrem äußeren Erscheinungsbild angehalten. Die meisten
Inhaftierten wurden in einem der vier provisorisch eröffneten Flüchtlingshaft-
lager Amygdaleza, Komotini, Xanthi, Kornithos und Drama eingesperrt.

Die Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit dem Druck der EU auf Grie-
chenland, die irreguläre Migration zu bekämpfen. Hierzu hatten die deutsche
und französische Regierung mehrere Initiativen gestartet, um das Schengen-

Regelwerk neu zu gestalten. Mit anderen Innenministern veröffentlichten beide
Länder „Gemeinsame Antworten auf aktuelle Herausforderungen in besonders
stark von sekundärer Migration betroffenen Mitgliedstaaten“. In Anspielung auf
Griechenland wurde gemaßregelt, dass Regierungen ihren „Haushalt ordentlich
führen“ müssten. Ansonsten dürfen andere Länder mit der Wiedereinführung
von Kontrollen der EU-Binnengrenzen reagieren. Die Innenminister Deutsch-
lands und Frankreichs schrieben an den dänischen EU-Ratsvorsitz, um ihre

Drucksache 17/11487 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Forderung nach einer möglichen temporären Aussetzung des Schengen-Abkom-
mens zu untermauern. Die Regierung in Kopenhagen veröffentlichte daraufhin
das Papier „EU-Aktion gegen den Migrationsdruck – Eine strategische Ant-
wort“. Die deutsch-französischen Initiativen befördern einen wachsenden Ras-
sismus, der von der Partei „Goldene Morgenröte“ in regelrechte Pogrome kana-
lisiert wird. Videos zeigen, wie Migranteninnen und Migranten von Faschisten
ebenso wie von der Polizei schikaniert, verprügelt und verletzt werden. Das Pro-
jekt „Welcome to EU“ berichtet im Internet täglich über ähnliche Vorfälle. Elf
im Gefängnis Igoumenitsa inhaftierte Migrantinnen bzw. Migranten mussten
demnach ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem sie von Beamtinnen
bzw. Beamten mehrfach gegen die Gitterstäbe gestoßen wurden (http://infomo-
bile.w2eu.net, 24. Oktober 2012). Das „Racist Violence Recording Network“
hat deshalb das zuständige Ministerium für Öffentliche Ordnung aufgerufen, die
Attacken zu verurteilen und zu verfolgen. Dem Netzwerk gehört AI ebenso an
wie das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR),
Human Rights League und Ärzte ohne Grenzen. Andere Dienste der Vereinten
Nationen bestätigen die rassistischen Misshandlungen ausländisch aussehender
Einwohnerinnen und Einwohner Griechenlands durch Polizisten und Mitglie-
der der „Goldenen Morgendämmerung“ (www.irinnews.org/Report/96518/
MIGRATION-Fear-and-loathing-on-the-streets-of-Athens).

AI kritisiert die Unwilligkeit der Polizei, rassistische Attacken zu verfolgen.
Stattdessen werden die Opfer eingeschüchtert und Anzeigen verschleppt. In
einem Fall befahl ein Polizist einem Migranten im Gewahrsam, drei Mitgefan-
gene zu verprügeln. AI nimmt auch Bezug auf folterähnliche Misshandlungen
von linken Demonstranteninnen und Demonstranten auf Polizeistationen. Poli-
zisten hätten sie geschlagen, nackt gefilmt und ihre Haut verbrannt. Der Bericht
wird von der britischen Tageszeitung „Guardian“ und anderen Medien bestätigt
(Guardian, 9. Oktober 2012). Gleichlautende Vorwürfe erheben Demonstran-
tinnen und Demonstranten, die gegen den Bau einer Goldmine bei Chalkidiki
protestierten. Die Rede ist von einer neuen Dimension von Polizeigewalt. Wie
in Diktaturen werden Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder ohne Grund
auf Polizeiwachen verschleppt und dort mehrere Stunden gedemütigt, bedroht
und misshandelt.

Mehr als die Hälfte aller Polizeiangehörigen haben laut der Tageszeitung „To
Vima“ im Mai 2012 die Partei „Goldene Morgenröte“ gewählt, die Zahlen bei
Angehörigen von Spezialeinheiten seien sogar noch höher (ANSAmed, 12. Mai
2012). Dem „Guardian“ erklärt ein Polizeioffizier, dass die Partei „Goldene
Morgenröte“ die Sicherheitsbehörden regelrecht „unterwandert“ hätte und dies
dem Verfassungsschutz bekannt sei, dieser aber nichts unternehme, da die rech-
ten Schläger womöglich gegen linke Demonstranten nützlich sein könnten
(Guardian, 26. Oktober 2012). In mehreren Fällen wurden überdies Personen,
die wegen Beschwerden gegenüber Migrantinnen und Migranten bei der Poli-
zei vorstellig wurden, von dieser an die Partei „Goldene Morgenröte“ verwie-
sen, damit diese sich ihrer Probleme annehmen können (Guardian,
28. September 2012).

Der Rat der Europäischen Union macht die Bekämpfung unerwünschter Migra-
tion in Griechenland zur Chefsache. Zum deshalb erstarkenden Faschismus ha-
ben sich der Rat oder die Kommission bislang mit keinem Wort geäußert. Auch
zu den rassistischen Übergriffen von Polizisten schweigt die EU. Stattdessen
erklärt der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso, die
Entscheidung ob eine Partei als „Neonazi-Partei“ eingestuft würde, müsse je-
weils auf nationaler Ebene getroffen werden (http://euobserver.com/tickers/
116177). So wird die EU nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller
zum Komplizen der erstarkenden faschistischen „Goldene Morgenröte“.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11487

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Hintergrund hatte die Initiative der Bundesregierung sowie Öster-
reichs, Belgiens, Frankreichs, der Niederlanden, Schwedens und Großbri-
tanniens zur Postulierung der „Gemeinsame[n] Antworten auf aktuelle Her-
ausforderungen in besonders stark von sekundärer Migration betroffenen
Mitgliedstaaten“ bezüglich Griechenland?

a) Inwieweit sollte der Brief der Innenminister Deutschlands und Frank-
reichs an den dänischen EU-Ratsvorsitz diesbezüglich den Druck auf die
griechische Regierung erhöhen?

b) Inwiefern war die Bundesregierung zuvor über die Veröffentlichung der
„EU-Aktion gegen den Migrationsdruck – Eine strategische Antwort“
durch die dänische Regierung informiert?

c) Ist die Bundesregierung wie die Fragestellerinnen und Fragesteller der
Ansicht, dass die beschriebenen, auf Ebene der EU lancierten Maßnah-
men geeignet sind, die rassistische Stimmung gegenüber Migrantinnen
und Migranten in Griechenland zu schüren und damit letztlich das Erstar-
ken der faschistischen Partei „Goldene Morgenröte“ gefördert zu haben?

2. Inwieweit war der Bundesregierung die „Operation Xenios Zeus“ vor deren
Beginn bekannt?

a) Inwieweit steht die „Operation Xenios Zeus“ nach Kenntnis der Bundes-
regierung im Zusammenhang mit Lageberichten der Europäischen Agentur
für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX),
wonach im Sommer 2012 immer mehr Migrantinnen und Migranten in das
Land eingereist seien (www.frontex.europa.eu/news/situational-update-
migratory-situation-at-the-greek-turkish-border-HATx N9)?

b) Wo werden die Festgenommenen der „Operation Xenios Zeus“ nach
Kenntnis der Bundesregierung inhaftiert, und was ist der Bundesregie-
rung, etwa aus den Berichten der EU-Kommissarin für Inneres Cecilia
Malmström oder Berichten von Angehörigen nationaler Parlamente, über
die Haftbedingungen sowie den Zugang zum Asylverfahren in den An-
stalten bekannt?

c) Ist dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen bzw. der Bun-
desregierung bekannt, wie viele der 3 668 Migrantinnen und Migranten,
die im Rahmen der „Operation Xenios Zeus“ in Abschiebehaftanstalten
verbracht wurden, nach den Grundsätzen der Genfer Konvention nicht
abgeschoben werden können, weil sie aus Ländern, in denen Krieg ge-
führt wird (z. B. Afghanistan), oder weil sie aus Staaten mit bürgerkriegs-
ähnlichen Zuständen wie Somalia oder dem Sudan stammen bzw. sie aus
Ländern kommen, die keine abgeschobenen Flüchtlinge mehr aufnehmen
(z. B. dem Irak)?

d) Wie beurteilt die Bundesregierung die Razzien im Kontext des griechi-
schen „Nationalen Aktionsplan[s] zur Asylreform und zur Migrationsbe-
wältigung“ hinsichtlich einer verschärften Bekämpfung nicht erwünsch-
ter Migration?

3. Auf welche Art und Weise war die Bundesregierung über das Zustandekom-
men des griechischen „Nationalen Aktionsplans zur Asylreform und zur Mi-
grationsbewältigung“ informiert?

a) Inwieweit hat die Bundesregierung hierzu gegenüber der Regierung in
Athen oder in Arbeitsgruppen auf EU-Ebene Stellungnahmen abgegeben
oder sich anderweitig positioniert?

Drucksache 17/11487 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Wie hat die Bundesregierung die Aufstellung des „Nationalen Aktions-
plans“ sowie dessen Umsetzung bei den Treffen der Innen- und Justiz-
minister der Europäischen Union und in den zuständigen Ratsarbeits-
gruppen kommentiert?

4. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur jüngsten Stellungnahme
Griechenlands, der Kommission, FRONTEX und das Europäische Unter-
stützungsbüro für Asylfragen (EASO) zur Umsetzung des „Nationalen Ak-
tionsplan zur Asylreform und zur Migrationsbewältigung“ (Ratsdokument
15358/12 vom 23. Oktober 2012)?

a) Welchen weiteren „Reformbedarf“ sieht die Bundesregierung im „Natio-
nalen Aktionsplan zur Asylreform und zur Migrationsbewältigung“ bei
der Wirksamkeit von Grenzkontrollen, einer anderen „Rückführungspoli-
tik“ und der schnelleren Abschiebung von Migrantinnen und Migranten?

b) Welchem Zweck soll die Einrichtung eines „National Coordination
Centre“ dienen, und inwiefern ist dessen spätere Einbindung in das
Grenzüberwachungssystem EUROSUR geplant?

5. Wie hat die Bundesregierung den „Nationalen Aktionsplan zur Asylreform
und zur Migrationsbewältigung“ auf der letzten Sitzung der EU-Innenminis-
ter am 25. Oktober 2012 in Luxemburg kommentiert?

Was war der inhaltliche Kern des Vortrags und eine etwaige Kritik der EU-
Kommissarin für Inneres Cecilia Malmström über ihren Besuch griechischer
Haftanstalten am 8. Oktober 2012?

6. Mit welchem Hintergrund wird Griechenland dazu aufgerufen, verstärkt Fi-
nanzierungshilfen der EU zu den Themen Migration und Asyl abzufordern
(EU-Kommission, MEMO/12/807)?

a) Welcher Verwendungszweck ist nach Ansicht der Bundesregierung für
den Bereich Asyl verstärkt nachzufragen?

b) Welcher Verwendungszweck ist nach Ansicht der Bundesregierung für
den Bereich Migration verstärkt nachzufragen?

7. Inwieweit soll Griechenland nach Ansicht der Bundesregierung weiter ange-
halten werden, seine Grenzüberwachung auszubauen?

a) Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung hierzu für geeignet?

b) Gehören der Bau eines Grenzzauns zur Türkei (tinyurl.com/bg9wmro)
und die Errichtung einer als „Panzergrabens“ deklarierten Sperre durch
das Militär (http://tinyurl.com/as5jdfj) zu den von der Bundesregierung
als geeignet angesehene Maßnahmen?

Wenn nein, warum nicht?

8. Inwieweit beobachtet die Bundesregierung die Aktivitäten der faschisti-
schen Partei „Goldene Morgenröte“?

a) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über homophobe und antise-
mitische Tendenzen und Vorfälle, wie sie etwa das Magazin „Searchlight“
auf seiner Webseite berichtet (1. November 2012) und zugleich Gegen-
maßnahmen von in Griechenland lebenden Jüdinnen und Juden aufzählt?

b) Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob die Partei „Goldene Mor-
genröte“ Kontakte zu deutschen oder sonstigen ausländischen faschisti-
schen Gruppen unterhält oder diese sucht?

c) Von welchen Treffen, Konferenzen oder gemeinsamen Aktivitäten hat die
Bundesregierung Kenntnis, und welche anderen Teilnehmenden sind ihr

bekannt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11487

9. Inwieweit wurden die Aktivitäten griechischer Neonazis nach Kenntnis der
Bundesregierung auf Ebene der EU und ihrer Institutionen thematisiert?

a) Teilt die Bundesregierung die Einordnung der Partei „Goldene Morgen-
röte“ durch die Fragestellerinnen und Fragesteller als faschistische
„Neonazi-Partei“?

Wenn nein, wie würde sie diese dann klassifizieren?

b) Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung, um faschistischen Par-
teien auf EU-Ebene zu begegnen?

c) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Forderung des Kommissions-
präsidenten, eine Einstufung als „Neonazi-Partei“ müsse auf nationaler
Ebene erfolgen?

10. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass ihre gemein-
sam mit Frankreich über die EU initiierte Politik gegenüber Griechenland
im Bereich Migration und Austerität das Erstarken faschistischer Tenden-
zen in dem Sinne mindestens begünstigt, wenn nicht sogar hervorruft, wie
es der Wirtschaftsredakteur Paul Mason auf „BBC News“ als „Griechische
Parallele zu Weimar“ beschreibt (26. Oktober 2012)?

11. Wie hat die Bundesregierung die Äußerung des griechischen Ministerpräsi-
denten Antonis Samaras aufgenommen oder gegenüber der griechischen
Regierung kommentiert, „der Aufstieg einer rechtsextremistischen, man
könnte sagen faschistischen, Neonazi-Partei“ erinnere an die Weimarer Re-
publik (Handelsblatt Online, 5. Oktober 2012)?

a) Wie kommentiert die Bundesregierung in dieser Hinsicht, dass mehr als
die Hälfte aller Polizeiangehörigen laut der Tageszeitung „To Vima“ im
Mai 2012 die Partei „Goldene Morgenröte“ gewählt haben, und die
Zahlen bei Angehörigen von Spezialeinheiten sogar noch höher liegen
(ANSAmed, 12. Mai 2012)?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem darüber
hinausgehenden Bericht des „Guardian“, wonach ein Polizeioffizier
angibt, dass die Partei „Goldene Morgenröte“ die Sicherheitsbehörden
regelrecht „unterwandert“ hätte und dies dem Verfassungsschutz bekannt
sei, dieser aber nichts unternehme, da die rechten Schläger womöglich
gegen linke Demonstranten nützlich sein könnten (Guardian, 26. Okto-
ber 2012)?

c) Inwieweit haben sich Institutionen der Bundesrepublik Deutschland mit
Berichten befasst, wonach in mehreren Fällen Personen, die wegen Be-
schwerden gegenüber Migrantinnen und Migranten bei der griechischen
Polizei vorstellig wurden, von dieser an die Partei „Goldene Morgen-
röte“ verwiesen wurden, damit diese sich ihrer Probleme annehmen kön-
nen (Guardian, 28. September 2012)?

d) Inwieweit sind die Äußerungen des griechischen Ministerpräsidenten,
der Zeitung „To Vima“ sowie des „Guardian“ geeignet, die Zusammen-
arbeit Deutschlands mit der griechischen Polizei grundsätzlich zu über-
denken und einzustellen?

12. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis der Berichte „Europe: Poli-
cing demonstrations in the European Union“ und „POLICE VIOLENCE
IN GREECE – Not just ‘isolated incidents’“ von AI?

a) Teilt die Bundesregierung die darin geäußerte Besorgnis bezüglich bru-
taler und unverhältnismäßiger Polizeiübergriffe gegenüber Migrantin-
nen und Migranten, Journalistinnen und Journalisten sowie politischen

Aktivistinnen und Aktivisten?

Drucksache 17/11487 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Teilt die Bundesregierung die Ansicht von AI, wonach die Straffreiheit
nach Polizeiübergriffen besorgniserregend ist?

c) Inwieweit ist die Bundesregierung über die von AI zitierte Aussage ei-
nes Opfers der DELTA-Spezialeinheit zur Bekämpfung von Versamm-
lungen besorgt, der die Straflosigkeit von Vergehen seiner Kollegen be-
stätigt („I would like to see the police officers responsible for the attack
punished even though I do not believe that justice will be done“;
Angeliki Koutsoubou, protester injured by a DELTA force officer in
December 2009)?

d) Inwieweit ist die Bundesregierung über Berichte zunehmender Miss-
handlungen von Migrantinnen und Migranten in Gefängnissen, Ab-
schiebelagern oder bei polizeilichen Razzien besorgt?

13. Auf welche Weise und mit welchen Maßnahmen arbeitet die Bundesregie-
rung auf bilateraler Ebene mit Griechenland in den letzten fünf Jahren im
Bereich Justiz und Inneres zusammen?

14. Inwieweit haben sich die deutsche Botschaft oder andere diplomatische
Stellen der Bundesregierung mit den von AI beschriebenen Phänomenen
befasst, und welche Schritte wurden diesbezüglich unternommen?

a) Inwieweit sieht die Bundesregierung nach ihren Beobachtungen das
Recht auf freie Meinungsäußerung oder Versammlung in Griechenland
beeinträchtigt?

b) Inwieweit bestätigen die Beobachtungen der Bundesregierung die von
AI dokumentierte Zunahme willkürlicher Verhaftungen, die Verbrin-
gung auf Polizeidienststellen und dortige Misshandlung von Betroffe-
nen?

15. Inwieweit hält es die Bundesregierung hinsichtlich ihrer weiteren Zusam-
menarbeit mit griechischen Polizeibehörden für ausreichend, wenn die
griechische Regierung zur Verhinderung der oben beschriebenen Vorfälle
eine Anlaufstelle gegen Diskriminierung einrichtet?

16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Ausrüstung der griechi-
schen Polizei?

a) Inwieweit teilt die Bundesregierung eine Einschätzung von AI, wonach
es sich bei Wasserwerfern, Gummigeschossen, Gaskartuschen und Pfef-
ferspray nicht um „nicht tödliche“, sondern vielmehr um „weniger tödli-
che“ Waffen handelt?

b) Inwiefern teilt die Bunderegierung die Forderung von AI an Regierun-
gen, einen Monitoring-Mechanismus einzusetzen, der überprüft, ob
diese Kampfstoffe einer zuvor zu erlassenden Richtlinie für ihre Ver-
wendung genügen?

17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die (Neu-)Strukturierung
der griechischen Polizei, ihrer Einheiten, Spezialeinheiten und Grenz-
schutztruppen (bitte die Einheiten stichwortartig auflisten)?

a) Wem unterstehen die Polizeikräfte nach Kenntnis der Bundesregierung
jeweils?

b) Inwieweit ist die Bundesregierung über den Aufbau der Spezialeinhei-
ten YAT und DELTA informiert, und welchem Zweck dienen diese dem-
nach?

c) Inwiefern hat die Bundesregierung in der Vergangenheit mit der Bereit-
schaftspolizei MAT zusammengearbeitet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11487

18. Inwieweit und mit welchem Inhalt stand oder steht die Bundesregierung
hinsichtlich der Zuspitzung polizeilicher Auseinandersetzungen in Grie-
chenland im Zuge der „Austeritätspolitik“ mit welchen griechischen Be-
hörden seit 2008 in Kontakt?

a) Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit griechische Behörden
hierzu auf europäischer Ebene um Auskünfte, Treffen oder sonstige
über die reguläre polizeiliche Zusammenarbeit hinausgehende Aktivitä-
ten nachgesucht hat?

b) Inwieweit spielte diesbezüglich auch die Tötung von Alexis
Grigoropoulos durch einen Polizisten eine Rolle (Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/9756)?

19. An welchen gemeinsamen Übungen auf Ebene der EU sowie ihrer Mitglied-
staaten hat Griechenland nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten
fünf Jahren teilgenommen (auch von Spezialeinheiten, wie ATLAS)?

Inwieweit und mit welchen konkreten Einheiten war Griechenland an den
„Krisensimulationsübungen“ „European Union Police Services Training“
bzw. „European Union Police Force Training“ und, soweit der Bundes-
regierung bekannt, ähnlichen Maßnahmen beteiligt?

20. Welchen neuen Stand kann die Bundesregierung zu Verhandlungen zwi-
schen Bulgarien, Griechenland und der Türkei über die Einrichtung einer
„trilateralen Kontaktdienststelle im bulgarisch-griechisch-türkischen
Grenzraum“ mitteilen (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche
Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 17/9678)?

a) Inwieweit hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung den Ent-
wurf eines Abkommens bereits kommentiert?

b) Ist der Bundesregierung aus den zuständigen Ratsarbeitsgruppen mitt-
lerweile bekannt, inwieweit die Agenturen FRONTEX oder Europol daran
beteiligt werden sollen, oder ob es mit diesen entsprechende Gespräche
gegeben hat?

21. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesrepublik Deutschland dafür ein-
treten, dass, wie auch von AI gefordert, die griechische Polizei bzw. der
griechische Grenzschutz

a) alle notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung exzessiver Gewalt oder
Menschenrechtsverletzungen durch Polizeiangehörige bei Razzien ge-
gen Migrantinnen und Migranten, Demonstrationen oder allgemeinen
Festnahmen ergreifen,

b) alle ratifizierten Bestimmungen zur Einhaltung der Menschenrechte so-
wie Richtlinien zur Polizeiarbeit einhalten, insbesondere den „Code of
Conduct for Law Enforcement Officials“ und die „Basic Principles on
the Use of Force and Firearms“ der Vereinten Nationen,

c) sicherstellen, dass jede Anwendung exzessiver Gewalt und Menschen-
rechtsverletzungen sofort, gründlich, objektiv und wirkungsvoll unter-
sucht werden,

d) dafür Sorge tragen, dass jene Polizisten, die unverhältnismäßige Gewalt
einsetzten, disziplinarisch und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen
werden,

e) Betroffene polizeilicher Misshandlungen entschädigen,

f) die Ausbildung ihrer Angehörigen derart überprüfen, dass diese zur Ein-
haltung der oben genannten Grundsätze angehalten werden?

Drucksache 17/11487 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass
die Pressefreiheit in Griechenland zunehmend Einschränkungen unterliegt,
wie es die britische Tageszeitung „Guardian“ berichtete (29. Oktober 2012)
und „Reporter ohne Grenzen“ unter dem Titel „Media Freedom in the Eu-
ropean Union“ am 6. November 2012 im Ausschuss für bürgerliche Frei-
heiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments vortrug?

a) Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus Berichten, und welche Maß-
nahmen hat sie diesbezüglich ergriffen bzw. wird sie ergreifen?

b) Inwieweit verfolgen Institutionen der Bundesregierung die Suspendie-
rung der Moderatorin Marilena Katsimi und des Moderators Kostas
Arvanitis durch das griechische Staatsfernsehen, nachdem diese im Zu-
sammenhang mit Berichten über Polizeifolter an Antifaschistinnen und
Antifaschisten die Frage nach einem Rücktritt des zuständigen Bürger-
schutzministers gestellt hatten (eurotopics, 30. Oktober 2012), ob schon
die Strafbarkeit der Misshandlungen durch den Untersuchungsrichter
K. Protonotarios in einem Bericht vom 17. Oktober 2012 (Protokoll-
Nr. 2182) bestätigt wird (Griechenland-Blog, 31. Oktober 2012)?

23. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass Grie-
chenland nach Kenntnis der Fragesteller jenen Flüchtlingen, die einen
Asylantrag stellen konnten, nach der Genfer Konvention vorgesehene Hil-
fen (z. B. Wohnung und Verpflegung) verwehrt?

a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, wonach
der faktische Zwang zum Leben auf der Straße bzw. der Ghettoisierung
das Entstehen der „Goldenen Morgenröte“ begünstigt hat?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung den Zugang von Flüchtlingen zum
Asylsystem vor allem unter dem Aspekt, dass ihnen nach Kenntnis der
Fragesteller der Zutritt zur Antragsstelle in der Petrou-Ralli-Straße in
Athen praktisch verwehrt ist, da nur wenige Personen täglich Zutritt er-
halten?

c) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Gewährung von
Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Somalia bzw. dessen Ver-
letzung, und wie beurteilt sie deren Situation in Griechenland?

24. Inwiefern ist das aus Sicht der Fragesteller marode Asylsystem in Grie-
chenland geeignet, die Dublin-II-Regelung grundsätzlich zu überdenken
und sich stattdessen für eine Verteilungsregelung wie zwischen den deut-
schen Bundesländern einzusetzen?

a) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis über den Hintergrund der
Änderung bezüglich der Haftzeiten für abzuschiebende Migrantinnen
und Migranten ohne Papiere, die jetzt auf eineinhalb Jahre verlängert
wurde?

b) Inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, den Stopp
von Abschiebung nach Griechenland für das kommende Jahr zu verlän-
gern?

Berlin, den 9. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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