BT-Drucksache 17/11454

Maßnahmen zur Stützung des europäischen Emissionshandels

Vom 9. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11454
17. Wahlperiode 09. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Sven-Christian Kindler,
Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Maßnahmen zur Stützung des europäischen Emissionshandels

Das Leitinstrument des europäischen Klimaschutzes, der Emissionshandel,
steht derzeit massiv unter Druck. Bedingt durch eine Überausstattung mit
Emissionszertifikaten, u. a. durch das Krisenjahr 2009, eine insgesamt wenig
ambitionierte EU-Emissionsobergrenze und eine Schwemme von Zertifikaten
aus Drittstaaten (CDM-Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern) ist
der Zertifikatepreis von ursprünglich erwarteten 17 bis 20 Euro pro Tonne
emittiertes CO2 jetzt langfristig unterhalb von 8 Euro pro Tonne gesunken.

Es ist davon auszugehen, dass es bereits Anfang 2012 einen Überschuss von
ca. 950 Millionen Zertifikaten auf dem Emissionshandelsmarkt gegeben hat.
Die Schätzungen über die weitere Entwicklung variieren, eine Studie des Öko-
institutes im Auftrag des World Wide Fund for Nature hat unlängst festgestellt,
dass im Jahr 2013 sogar mit einem Überschuss von zwei Milliarden Zertifi-
katen zu rechnen ist.

Die Europäische Kommission will dieses Problem nun mit konkreten Maß-
nahmen angehen und voraussichtlich Mitte November 2012 einen Bericht mit
Vorschlägen zu Stärkung und Stützung des europäischen Emissionshandels
vorlegen. Bei diesen nun anstehenden Beratungen über geeignete Maßnahmen
zur Stützung des europäischen Emissionshandels kann die Bundesregierung
ihre Position nutzen, um den Klimaschutz auf europäischer Ebene voranzubrin-
gen und damit auch die Grundlage für einen national erfolgreichen Klima-
schutz schaffen. Doch bei vielen wichtigen Entscheidungen, die auf EU-Ebene
im Bereich der Energie- und Klimapolitik in der Vergangenheit anstanden, war
die Bundesregierung aus Sicht der Fragesteller leider nicht oder überhaupt erst
sehr spät positioniert, so dass die Verhandlungen meist schon weit fortgeschrit-
ten waren und die Einflussnahme entsprechend beschränkt war.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung im Zertifikatepreis des Emissionshandels auch
einen Ansatz zur Internalisierung externer Kosten, d. h. als einen Ansatz,

durch den die vom Klimawandel verursachten Schäden zumindest teilweise
den Verursachern angelastet werden?

2. Welches Preisniveau für CO2-Zertifikate sollte nach Auffassung der Bundes-
regierung mittel- und langfristig im europäischen Emissionshandelssystem
erreicht werden, um externe Kosten zu internalisieren und um notwendige
Investitionen in den Klimaschutz anzureizen?

Drucksache 17/11454 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Ist nach Auffassung der Bundesregierung ein funktionierender europäischer
Emissionshandel mit einem wirksamen Preissignal im nationalen deutschen
Interesse?

4. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die notwendigen Investitionen
in Klimaschutz und Energiewende auch ohne bzw. mit geringeren Mitteln
aus dem Emissionshandel getätigt werden können, und welche Konsequen-
zen zieht die Bundesregierung aus ihrer Einschätzung?

5. Hält es die Bundesregierung für erforderlich, Maßnahmen zur Stützung des
europäischen Emissionshandels zu ergreifen, und wenn ja, welche?

6. Teilt die Bundesregierung grundsätzlich die Einschätzung, dass Maßnah-
men zur Stützung des europäischen Emissionshandels auch zeitnah ange-
gangen werden müssen?

7. Mit welcher Entwicklung der Zertifikatepreise rechnet die Bundesregie-
rung, sollte es nicht gelingen, stützende Maßnahmen auf den Weg zu
bringen, und wenn es bei der bereits vorhandenen Überausstattung von
950 Millionen Emissionszertifikaten bis 2020 bleiben würde und – wie be-
reits prognostiziert – zukünftig weitere hinzukommen würden?

8. Welche Auswirkungen hätte ein solches Szenario, insbesondere für die
Entwicklung der Einnahmen und der weiteren Finanzplanung beim Ener-
gie- und Klimafonds, aus dem wichtige Klimaschutzprojekte finanziert
werden, und was ist in diesem Zusammenhang das besondere Interesse der
Bundesregierung?

9. Welche Auswirkung hätte die derzeitige Überausstattung des europäischen
Emissionshandels mit Emissionszertifikaten auch auf die Zeit nach 2020,
wenn die dritte Handelsperiode ausläuft und sich eine weitere vierte
anschließen wird?

10. Falls der Bundesregierung Kalkulationen solcher Szenarien nicht vorlie-
gen, mit welcher Begründung verzichtet sie darauf, oder hat bisher darauf
verzichtet?

11. Seit wann beschäftigt sich die Bundesregierung mit dem Problem drastisch
fallender Zertifikatepreise, und welche Vorschläge zur Stützung und Stär-
kung des europäischen Emissionshandelssystems hat die Bundesregierung
bislang selbst erarbeitet?

12. Welche ihrer eigenen Vorschläge speist die Bundesregierung ggf. in den
aktuell laufenden Diskussionsprozess in Brüssel ein?

13. Gibt es inzwischen eine Position der Bundesregierung zum aktuellen Vor-
schlag der Europäischen Kommission vom 25. Juli 2012, im Rahmen der
turnusmäßigen Versteigerungen, vorübergehend Zertifikate aus dem Markt
zu nehmen, um diese dann später ab 2015 wieder in den Markt zu bringen,
um den CO2-Preis zumindest kurzfristig zu stabilisieren (sog. back-
loading), nachdem die Bunderegierung in der Fragestunde am 24. Oktober
2012 dazu noch nicht positioniert war?

14. Falls noch immer keine Position vorliegt, bis wann will sich die Bundes-
regierung spätestens in dieser Frage positionieren, um in europäischen Be-
ratungen nationale deutsche Interessen für den Klimaschutz in dieser Frage
in Brüssel zu vertreten?

15. Welche Punkte werden zurzeit im europäischen Klimaausschuss diskutiert,
und wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesen Themen?

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16. Bewertet die Bundesregierung eine Anhebung des europäischen Klimaziels
auf 30 Prozent als Maßnahme zur Stützung und Stärkung des europäischen
Emissionshandels, und bis wann sollte eine solche Anhebung spätestens
erfolgen?

17. Sieht die Bundesregierung in einer endgültigen Stilllegung von Zertifikaten
eine Möglichkeit zur Stabilisierung des CO2-Preises, und wenn ja, in wel-
cher Höhe müsste eine solche nach Auffassung der Bundesregierung erfol-
gen?

18. Sieht die Bundesregierung in einer frühzeitigen Revision des linearen
Reduktionsfaktors für die Zeit nach 2020 eine Möglichkeit zur Stützung
und Stärkung des europäischen Emissionshandels, und wie müsste der
Reduktionsfaktor nach Auffassung der Bundesregierung dann angepasst
werden, um die notwendige Wirkung zu entfalten?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, zusätzliche Emissions-
sektoren in den Emissionshandel einzubeziehen, die weniger stark ökono-
mischen Schwankungen unterliegen, und welche Sektoren müssten dies
nach Auffassung der Bundesregierung sein, um den europäischen Emissions-
handel zu stärken und zu stützen?

20. Sieht die Bundesregierung in einer Limitierung der Möglichkeit zur
Nutzung von zertifizierten Emissionsreduktionen eine Möglichkeit zur
Stärkung und Stützung des europäischen Emissionshandels, und in welcher
Größenordnung müsste eine solche Limitierung nach Auffassung der Bun-
desregierung erfolgen?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Einführung von Preisuntergrenzen
oder von Preis-Managementsystemen als ein Mittel, den europäischen
Emissionshandel zu stärken und zu stützen, und wie müssten solche Instru-
mente nach Auffassung der Bundesregierung ausgestaltet werden, um die
notwendige Wirksamkeit zu entfalten?

22. Wird die Bundesregierung einen der zuvor genannten Vorschläge aktiv in
Brüssel einbringen oder unterstützen, und wenn ja, welchen und in welcher
Form?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen auf die internationale
Klimapolitik und die kommende UNFCCC-Klimakonferenz (UNFCCC =
United Nations Framework Convention on Climate Change) in Doha und
die dort anstehenden wichtigen Entscheidungen, wenn es der EU als bishe-
rigem Vorreiter in der Klimapolitik nicht gelingt, die aktuellen Probleme
beim Emissionshandel entschlossen zu lösen?

Berlin, den 9. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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