BT-Drucksache 17/11442

Entwicklung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen von Fußballveranstaltungen

Vom 8. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11442
17. Wahlperiode 08. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,
Ralph Lenkert, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen
von Fußballveranstaltungen

Seit einigen Monaten steht das Thema Gewalt im Rahmen von Fußballspielen
vermehrt im Fokus der Öffentlichkeit. Medienberichte und regelmäßige Äuße-
rungen von Innenpolitikern und Fußballfunktionären lassen den Eindruck ent-
stehen, es gäbe eine Zunahme von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rah-
men von Fußballveranstaltungen. Sowohl von Fanverbänden als auch von
Vereinsseite wird moniert, dass zum einen die zugrunde liegende Annahme
eines Anstiegs von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nicht belegt sei und
zum anderen, dass die medial verbreiteten Aussagen und Lösungsvorschläge
von Innenpolitikern und Fußballfunktionären einseitig auf repressive Maßnah-
men abzielen, den Dialog mit Fangruppierungen verhindern und nicht zu einer
sachlichen Diskussion mit dem Ziel einer nachhaltigen Verbesserung der Sicher-
heitslage in den Stadien beitragen. Tatsächlich waren zu den letzten Gipfeln und
Runden Tischen zum Thema Sicherheit keine Fanvertreter, sondern bestenfalls
Vertreter von Fanprojekten, also Einrichtungen die in den Fanszenen Sozial-
arbeit betreiben, eingeladen.

Beispielhaft für die völlige Ablehnung eines Dialogs mit Fangruppierungen war
die Drohung des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, Ende
Mai 2012, im Vorfeld der Innenministerkonferenz in Göhren-Lebbin, die Steh-
plätze in Fußballstadien abzuschaffen, sollte die Situation in den Stadien sich
nicht verbessern. Ob es zu den Verboten käme, läge „jetzt in der Hand der Fans
selber“, so der Bundesinnenminister (dpa vom 31. Mai 2012). Zwei Wochen
vorher hatte er gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt, die Vereine „müs-
sen ihren Fans klar machen, […] dass es die Fan-Privilegien für Ultras und
andere nicht mehr geben wird, wenn dort nicht endlich Ruhe und Ordnung
einkehrt.“ Diese Ausführungen des Bundesinnenministers, von oben herab Re-
geln festzulegen, die von Fans einzuhalten seien, ist beim Deutschen Fußball-
Bund e. V. (DFB) und der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) nicht nur als
Rechtfertigungsgrund, sondern offenbar auch als druckvolle Aufforderung ver-
standen worden, dies möglichst schnell und ohne Einbeziehung aller Beteiligten

zu tun. So konstatierte der DFB-Präsident, Wolfgang Niersbach, nach der Konfe-
renz der Länderinnenminister mit den Präsidenten von DFL und DFB am 23. Juli
2012: „Über einige Dinge kann man einfach nicht mehr verhandeln, denn der
Druck ist da“ (www.zdf.de vom 23. Juli 2012).

Angesichts der Mischung aus den vor und nach geschlossenen Sitzungen geäu-
ßerten Verlautbarungen und Forderungen stellt sich die Frage, welchen Einfluss
die Innenminister von Bund und Ländern auf die Verbände nehmen, welche

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politische Intention dahinter steht und auf welcher Rechtsgrundlage sowie auf
welcher Faktenlage die Innenminister handeln.

Ein Ergebnis des politischen Drucks ist das Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“
der DFL, das offiziell „Information und Diskussion über weitere Schritte zur
Umsetzung der Ergebnisse der Sicherheitskonferenz in Berlin und der Innenmi-
nisterkonferenz“ heißt und mittlerweile von verschiedenen Bundesligavereinen
abgelehnt wird. Die in dem Papier präsentierten Vorschläge zum Umgang mit
Gewalt und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen von Fußballspielen bezeichnet
der 1. FC Union Berlin in seiner Stellungnahme als inakzeptabel und kritisiert
die Schaffung einer „privaten Ersatzjustiz“ (Positionierung des Präsidiums und
der aktiven Fanszene des 1. FC Union Berlin e. V. zum Konzeptpapier „Sicheres
Stadionerlebnis“, S. 6). Union Berlin und der FC St. Pauli kritisieren die dem
Papier zugrunde liegende Annahme, dass die Gewalt im Umfeld von Fußball-
ereignissen zugenommen habe. Der FC St. Pauli moniert in seiner auf der Ver-
einshomepage veröffentlichten Stellungnahme „dass der vielfach unterstellte
Anstieg von Gewalttaten im Fußball empirisch bislang unbelegt geblieben ist
und damit die vorgeschlagenen Maßnahmen als unverhältnismäßig, unangemes-
sen und in Teilen unzweckmäßig zu bewerten sind.“

Fanvertreter kritisieren seit geraumer Zeit, dass die Fanseite bei den Treffen von
DFL, DFB und Innenministern nicht gehört wurde. Die Fanhilfe Hannover
wertet in einer Positionierung zum DFL-Papier auf ihrer Homepage (fanhilfe-
hannover.blogspot.de) das „Vorgehen seitens der DFL als einen Angriff auf die
derzeit bestehende Fankultur.“ Der 1. FC Union Berlin e. V. bezeichnet in seiner
Stellungnahme „die nach wie vor fanvertreterfreie Besetzung von Verbandsgre-
mien sowie der Kommission Sicherheit [als] ein weiteres Indiz dafür, dass DFB/
DFL den selbst immer wieder hervorgehobenen Dialog tatsächlich nicht ernst zu
nehmen scheinen“ (Positionierung des Präsidiums und der aktiven Fanszene des
1. FC Union Berlin e. V. zum Konzeptpapier „Sicheres Stadionerlebnis“, S. 2)
und führt weiter aus: „Ein Mehr an Sanktionen anstelle von Prävention und Di-
alog bestraft nicht nur die Falschen mit, sondern sorgt für einen weiteren, unbe-
dingt zu vermeidenden, Bruch zwischen Verband, Verein und Fans. Eine pro-
blembewusste Deeskalationsstrategie ist die derzeitige Verbandspolitik in
keinem Fall, sie verschärft problematische Tendenzen sogar noch.“ Deutliche
Kritik hat auch der VfL Wolfsburg geäußert. Der Verein erklärte in seiner Stel-
lungnahme zum Papier „Sicheres Stadionerlebnis“, er halte „große inhaltliche
Teile für rechtlich bedenklich, unverhältnismäßig, praxisfern und damit nicht
zielführend. Wird das Konzept in dieser Form und ohne Dialog mit den Fan-
gruppen beschlossen, befürchten wir einen unbedingt zu vermeidenden Anstieg
von Gewalt sowie ein stark vermehrtes Abbrennen von Pyrotechnik in den Bun-
desliga-Stadien“ und macht damit indirekt den von der DFL und vom Bundesin-
nenminister forcierten Kurs der Repression verantwortlich für eine Eskalation
des Konflikts.

Auch der Kriminologe Prof. Dr. Thomas Feltes, ehemaliges Mitglied im wissen-
schaftlichen Beirat der DFL zum Thema Sicherheit und Zuschauerverhalten,
sieht ein erhebliches Defizit bei den Fußballverbänden und -vereinen im Um-
gang mit Fangruppen. Seiner in einem Interview geäußerten Ansicht nach habe
„der DFB die Chance nicht genutzt, in der Sommerpause das Gespräch mit den
Fans zu führen“, um eine weitere Eskalation bei den Themen Pyrotechnik und
Gewalt zu verhindern („Feltes: Es drohen Eskalationen bei Pyrotechnik und
Gewalt“, sportbild.bild.de vom 12. September 2012). Nach dem Interview
wurde er von der DFL aus dem Beirat entfernt, weil er, laut dem DFL-Direktor
Spielbetrieb, Andreas Nagel, die „dringend notwendige Deeskalation massiv er-
schwert“ habe („Zu kritisch? DFL feuert Gewalt-Experten“, sportbild.bild.de
vom 18. September 2012).

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In dem Interview hatte der Kriminologe unter anderem auf die Frage, ob erst
Fans bei Ausschreitungen oder durch Pyrotechnik ums Leben kommen müssten,
„bevor die Fußball-Verantwortlichen aufwachen“ ausgeführt, seine große Angst
wäre es „dass irgendwann ein Fan im Stadion ernsthaft zu Schaden kommt, z. B.
indem er bei einer Panik zu Tode gedrückt wird, wie dies bei der ‚Loveparade‘
geschehen ist oder über eine Brüstung stürzt, wie dies 2009 in Aachen passierte.
Eine solche Panik kann auch durch Pfefferspray oder einen Polizeieinsatz aus-
gelöst werden.“ Unterstützt wird diese Aussage von den Ereignissen um das
Bundesligaspiel zwischen Hannover 96 und Bayern München am 23. Oktober
2011, in dessen Vorfeld ein massives Polizeiaufgebot im 96-Fanblock auf der
Suche nach Pyrotechnik Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt hatte. Bei
dem Einsatz, von dem laut „SPIEGEL-ONLINE“ („Draufhauen statt Dialog“,
SPIEGEL-ONLINE vom 1. November 2011) Kinder, Jugendliche und Erwach-
sene betroffen waren, wurden 36 Menschen verletzt, Leuchtraketen wurden hin-
gegen nicht gefunden. In der Antwort auf die mündliche Anfrage der Landtags-
abgeordneten Christa Reichwaldt und Pia-Beate Zimmermann (Sitzung des
Niedersächsischen Landtages am 11. November 2011, Fragestunde Nr. 34) führt
der niedersächsischen Innenminister, Uwe Schünemann, aus, in der Folge des
Polizeieinsatzes vom 23. Oktober 2011 „entstand in Teilbereichen [des Fan-
blocks, die Fragesteller] eine Wellenbewegung von Störern und Einsatzkräften
in Richtung der Balustrade, so dass die vor dieser stehenden Einsatzkräfte und
die vor den Polizeikräften stehenden Zuschauer in die Gefahr eines Absturzes
gerieten. Eine Person konnte nur durch den beherzten Zugriff eines Polizei-
beamten vor dem Herabstürzen bewahrt werden. Die Distanz vom oberen Rand
der Balustrade bis zum Erdboden bzw. Unterrang beträgt ca. 4,10 Meter. In die-
ser Situation kamen polizeiliche Zwangsmittel, u. a. der Reizstoff Capsaicin,
zum Einsatz, um die dargestellten Straftaten zu beenden und den drohenden Ab-
sturz von Personen zu verhindern.“ Trotz dieser Vorkommnisse und der offen-
sichtlichen Zielverfehlung des Einsatzes, der laut niedersächsischem Innen-
minister erforderlich war, „um die durch die Verwendung von Pyrotechnik
drohenden Gefahren zu verhindern“ (ebd.), aber eben diese nicht zu Tage
brachte, kommt er zum Schluss, die „Art und Intensität der durch den Einsatz
beeinträchtigten Rechtsgüter“ hätten „in einem angemessenen Verhältnis zu den
durch das Störerverhalten gefährdeten Rechtsgütern“ gestanden.

Der Polizeieinsatz in Hannover zeigt, dass alleine anhand der Verletztenzahlen
bei Fußballspielen keine Aussage über das Gewaltpotential auf Fanseite getrof-
fen werden kann. Es stellt sich also die Frage, ob der Bundesregierung Zahlen
vorliegen, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stehen, wenn der Bundes-
innenminister Dr. Hans-Peter Friedrich, wie vor dem Sicherheitsgipfel im Juli
2012 sagte: „Wir alle können unsere Augen nicht vor der zunehmenden Gewalt
in und um die Stadien herum verschließen.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aufgrund welcher Datenlage geht die Bundesregierung von „zunehmender
Gewalt in und um die Stadien herum“ aus?

2. Welche empirischen Daten liegen der Bundesregierung zur Entwicklung der
Gewalt gegen Personen im Umfeld von Fußballspielen vor, von wem werden
sie nach welchem System erhoben, und welchen genauen Untersuchungs-
gegenstand verfolgt die Erhebung?

3. Wenn der Bundesregierung keine empirischen Daten vorliegen, welcher
Quellen bedient sie sich zum Zwecke der Einschätzung der Sicherheitslage
im Umfeld von Fußballspielen?

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4. Hat die Bundesregierung detaillierte Kenntnisse über die Entwicklung von
Gewaltdelikten im Zusammenhang mit Fußballspielen in dem Zeitraum von
2002 bis heute, und wenn ja (bitte nach Ligen und Jahren aufschlüsseln),

a) wie viele Zivilpersonen wurden wegen Körperverletzungen angezeigt, und
wie viele davon wurden nach Kenntnis der Bundesregierung verurteilt,

b) wie viele Polizeibeamte wurden im Rahmen von Einsätzen bei Fußball-
spielen und auf dem Anreiseweg wegen Körperverletzungen angezeigt,
und wie viele davon wurden nach Kenntnis der Bundesregierung ver-
urteilt,

c) wie viele Personen wurden wegen aktiven Widerstands gegen die Staats-
gewalt angezeigt, und wie viele davon wurden nach Kenntnis der Bundes-
regierung verurteilt,

d) in wie vielen Fällen bestand eine Wechselwirkung zwischen einer Anzeige
wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung oder Belei-
digung auf der einen Seite und einer Anzeige wegen Körperverletzung im
Amt bzw. der Forderung einer Auskunft über den Namen von Polizeibeam-
ten auf der anderen,

e) wie viele dieser Gewaltdelikte sind dem Bereich der „Politisch motivierten
Kriminalität-rechts“ zuzuordnen?

5. Wie viele Fälle von Verletzungen durch den nicht genehmigten Einsatz von
Pyrotechnik in Bundesligastadien sind der Bundesregierung aus den letzten
zehn Jahren bekannt (bitte nach Jahren, sowie leicht, schwer und schwerst
verletzten Personen auflisten)?

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der in der Frage 4 er-
fragten Gewaltdelikte sich direkt im Stadion bzw. im befriedeten Bereich,
sich am Veranstaltungsort und sich auf der An- und Abreise ereignet haben,
und wenn nein, wie stellt sich die Sicherheitslage nach Einschätzung der
Bundesregierung in- und außerhalb der Stadien im Verhältnis dar?

7. Ist es der Bundesregierung, wenn sie zu den in den Fragen 4 bis 6 abgefragten
Daten keine oder unvollständige Informationen besitzt, ein Anliegen, diese
Datenlage zu verbessern, z. B. anhand einer differenzierteren Ausgestaltung
von Schlüsselzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik, um sich ein fundier-
tes Bild des Phänomens Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen
machen zu können, und wenn ja, welche Maßnahmen wird sie hierzu konkret
ergreifen?

8. Ist die alleinstehende Zahl der Anzeigen oder eingeleiteten Strafverfahren für
die Bundesregierung, in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der tatsächlich
wegen Körperverletzungen verurteilten Personen erheblich von der Anzahl
der Anzeigen und der von der Polizei an die Staatsanwaltschaft übergebenen
Fälle abweicht, ausreichend, um die Entwicklung von Körperverletzungs-
delikten im Rahmen von Fußballspielen zu bewerten?

9. Liegen der Bundesregierung detailliertere Angaben zu im Zusammenhang
mit Fußballspielen verletzten Personen vor, als in der Kurzfassung des Jah-
resberichts 2010/2011 der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)
gemacht werden?

Wenn ja,

a) ist der Bundesregierung bekannt und kann sie darüber Auskunft geben, an
welchem Ort, in welcher Schwere, durch wessen Einwirkung oder durch
welche Umstände die im Jahresbericht der ZIS angegebenen 243 Polizei-
beamten verletzt wurden (bitte nach Austragungsorten, Schwere der Ver-

letzung, Einwirkung oder Umstände auflisten),

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11442

b) ist der Bundesregierung bekannt und kann sie darüber Auskunft geben,
an welchem Ort, in welcher Schwere, durch wessen Einwirkung oder
durch welche Umstände die im Jahresbericht der ZIS angegebenen 259
„Störer“ verletzt wurden (bitte nach Austragungsorten, Schwere der Ver-
letzung, Einwirkung oder Umstände auflisten),

c) ist der Bundesregierung bekannt und kann sie darüber Auskunft geben,
an welchem Ort, in welcher Schwere, durch wessen Einwirkung oder
durch welche Umstände die im Jahresbericht der ZIS angegebenen 344
„Unbeteiligten“ verletzt wurden (bitte nach Austragungsorten, Schwere
der Verletzung, Einwirkung oder Umstände auflisten)?

10. Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass sie bereits Ende 2011
keine Auskunft über die Umstände von Verletzungen geben konnte
(vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Gewalt beim
Fußball“ der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8051), es
für die Beurteilung der Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen für ver-
zichtbar, die Gründe oder Täterschaften bei Verletzungen zu kennen?
a) Ist es ein Anliegen der Bundesregierung, diese Datenlage zu verbessern?
b) Wenn ja (zu Frage 10a), welche Maßnahmen hat sie bereits konkret

ergriffen bzw. wird sie zukünftig ergreifen?

11. Welche konkreten Forderungen hat die Bundesregierung auf welchen Tref-
fen mit Vertretern der DFL und/oder des DFB im Zusammenhang mit der
Sicherheit bei Fußballspielen an die Fußballverbände und Vereine gestellt,
und welche Forderungen der Innenminister der Länder hat sie auf welchen
Treffen unterstützt?

12. Welche informellen, nicht dokumentierten Treffen und Gespräche hat es
zwischen Vertretern des Bundesministeriums des Innern und/oder nach
Kenntnis der Bundesregierung der Innenministerien der Länder sowie Ver-
tretern des DFB oder der DFL gegeben, wann fanden diese statt, mit wel-
cher Beteiligung, aus welchem Anlass und mit welchem Ergebnis?

13. Inwieweit hat die Bundesregierung durch den Bundesinnenminister oder
seine Vertreter an der Entscheidungsfindung der Innenministerkonferenz
(IMK) in Göhren-Lebbin vom 31. Mai und 1. Juni 2012 an Forderungen an
die Fußballverbände und Vereine mitgewirkt?

14. Teilt sie die auf der IMK in Göhren-Lebbin abgestimmten Forderungen in
Gänze, und wenn nicht, welche Punkte erachtet die Bundesregierung aus
welchem Grund als problematisch?

15. Ist der Bundesregierung bekannt, welche „Dinge“ DFB-Präsident Wolfgang
Niersbach mit den Innenministern aufgrund des Drucks „einfach nicht mehr
verhandeln“ konnte, und gibt es Punkte, deren Diskussion mit den Verbän-
den die Bundesregierung von vornherein ablehnt?

Wenn ja, welche sind diese, und aus welchem Grund sieht die Bundesregie-
rung zu diesen Punkten keinen Beratungsbedarf?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, welche konkreten „rechtlichen und opera-
tiven Möglichkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit“ die Länder für den
Fall in Betracht ziehen (Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen
Beschlüsse der 195. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister
und -senatoren der Länder, Nummer 6), dass ihre Forderungen nicht umge-
setzt werden?
a) Wenn ja, welche sind diese?
b) Wenn nein, mit welchen Konsequenzen müssen die Vereine und Ver-

bände nach Ansicht der Bundesregierung rechnen, wenn sie den Auffor-

derungen der IMK und des Bundesinnenministers nicht Folge leisten?

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17. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage könnten nach Auffassung der Bundes-
regierung den Verbänden und Vereinen die Kosten für polizeiliche Maßnah-
men außerhalb der Stadien bzw. des befriedeten Bereichs auferlegt werden?

18. Spiegeln sich im Papier „Sicheres Stadionerlebnis“ der DFL die Forderun-
gen der Bundesregierung und/oder der Innenministerkonferenz vollständig
wider?

Wenn nein,
a) welche Forderungen wurden nicht erfüllt,
b) welche in dem Papier aufgeführten Punkte erachtet die Bundesregierung

als rechtlich unzulässig oder kritisch?

19. Hält die Bundesregierung dieses Papier für geeignet, „Ruhe und Ordnung“
in den Stadien herzustellen, wie es der Bundesinnenminister von den Verei-
nen und Verbänden verlangt hat?

20. Hat der Bundesinnenminister, Dr. Hans-Peter Friedrich, nicht nur gegenüber
der Presse, wie im Vorfeld der Innenministerkonferenz in Göhren-Lebbin,
sondern auch gegenüber Vertretern der Fußballverbände und -vereine mit
einer Abschaffung der Stehplätze gedroht, und wenn ja, wann und in wel-
cher Form?

21. Auf welcher existierenden gesetzlichen Grundlage kann seitens der Bun-
desregierung ein Verbot von Stehplätzen umgesetzt werden, und entspräche
ein Stehplatzverbot, gemessen an der heutigen Sicherheitslage in den Sta-
dien, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

22. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen oder Forschungsergebnisse
liegen der Bundesregierung zu den Auswirkungen eines Stehplatzverbots
auf die Sicherheitslage in Austragungsorten vor?

23. Welche konkreten Konzepte und Szenarien hat die Bundesregierung gege-
benenfalls in Zusammenarbeit mit den Ländern entwickelt, um gegebenen-
falls ein Stehplatzverbot in den Bundesligastadien durchzusetzen?

24. Wäre ein Stehplatzverbot nach Auffassung der Bundesregierung mit den
derzeit bei Bundesligaspielen verfügbaren Einsatzkräften polizeilich durch-
setzbar, und stünde der Zweck dieser Maßnahme, wie die Abwehr einer
abstrakten Gefahr, in einem vertretbaren Verhältnis zur konkreten Gefahr
durch einen Polizeieinsatz mit Zwangsmitteln?

25. Wie positioniert sich die Bundesregierung grundsätzlich zu dem Problem,
dass jede politisch beschlossene repressive Maßnahme von Einsatzkräften
der Polizei durchgesetzt werden muss, die an Spieltagen schon jetzt sehr
hohe Einsatzzeiten zu verzeichnen haben?

26. Sind der Bundesregierung die Vorkommnisse des Polizeieinsatzes beim
Bundesligaspiel des Hannoverschen Sportvereins von 1896 gegen den
FC Bayern München vom 23. Oktober 2011 bekannt, und hat sie Kenntnis
über andere vergleichbare Einsätze der Polizei oder von privaten Sicher-
heitskräften in Bundesligastadien, bei denen eine erhebliche Anzahl unbe-
teiligter Zuschauer verletzt wurden (bitte auflisten)?

27. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Kriminologen und ehemali-
gen Mitglieds im wissenschaftlichen Beirat der DFL zum Thema Sicherheit
und Zuschauerverhalten, Prof. Dr. Thomas Feltes, dass Pfefferspray und
Polizeieinsätze in Stadien tödliche Paniken auslösen könnten und hier
Handlungsbedarf bestünde?

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28. Wie oft wurden seit dem Jahr 2005 im Zuständigkeitsbereich der Bundes-
polizei zur Trennung von Fangruppen an Tunneln oder Gleisunterführun-
gen von Bahnhöfen errichtete Polizeiabsperrungen oder -ketten durchbro-
chen (bitte auflisten)?
a) Wie oft kam es dabei zu Paniken oder panikartigen Zuständen?
b) Wie viele Fans und wie viele Polizeibeamte wurden dabei verletzt (bitte

nach Schwere der Verletzung aufschlüsseln)?

29. Haben Vertreter des Bundesinnenministeriums oder der Sicherheitsbehör-
den des Bundes im Zusammenhang mit dem am 12. September 2012
erschienenen Interview der Zeitschrift „SportBild“ mit Prof. Dr. Thomas
Feltes mit der DFL Kontakt aufgenommen, und wenn ja, zu welchem
Zweck?

30. Welche konkreten Vorschläge zu nichtrepressiven Maßnahmen zur Verbes-
serung der Sicherheit in Fußballstadien hat die Bundesregierung in Sitzun-
gen der Innenminister, bei Gesprächen, Gipfeln oder Treffen mit den Fuß-
ballverbänden und -vereinen vorgebracht?

31. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung zukünftig ergreifen oder
unterstützen, um in der derzeitigen Konfliktsituation die Attraktivität des
Fußballs, die maßgeblich von einem positiven Zusammenspiel von Ver-
einen, Spielern, passiven sowie aktiven Fans wie den Ultras und anderen
organisierten Fans abhängt, zu erhalten?

32. Welche in der Anhörung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages
am 8. Februar 2012 gemachten Vorschläge der Vereins- und Fanvertreter
hat sich die Bundesregierung zu eigen gemacht und umgesetzt oder in
Gipfeltreffen eingebracht?

33. Wird die Bundesregierung ihre Teilnahme an zukünftigen Gipfeltreffen
zum Thema Sicherheit in Stadien unter die Bedingung stellen, dass dort
Vertreter von Fanverbänden zu einer gleichberechtigten Teilnahme einge-
laden sind bzw. dies auf von ihr selbst organisierten Treffen gewährleisten?

34. Ist es der Bundesregierung bekannt, dass es einen Unterschied zwischen
Fanverbänden, also Zusammenschlüssen von Fußballfans, und Fanprojek-
ten, die im Wesentlichen Angebote der Sozialarbeit für Fußballfans bereit-
stellen, gibt, und wenn ja, seit wann?

Berlin, den 8. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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