BT-Drucksache 17/11408

Umsetzung der Tabakrahmenkonvention

Vom 5. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11408
17. Wahlperiode 05. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Jutta Krellmann, Petra Pau,
Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Tabakrahmenkonvention

Erfreulicherweise nimmt die Zahl der Raucherinnen und Raucher seit Jahren
ab. Trotzdem ist der Tabakkonsum weiterhin die häufigste vermeidbare Todes-
ursache in den Industrieländern (Pressemitteilung BZgA, 30. Mai 2012).
Tabakkonsum verursacht weiterhin viel gesundheitliches Leid und großen ge-
sellschaftlichen Schaden. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben
jährlich etwa 6 Millionen Menschen weltweit an den Folgen von Tabakrauch. In
Deutschland sind jährlich etwa 120 000 Todesfälle (ca. 13 Prozent) auf das
Rauchen zurückzuführen (Stellungnahme der Deutschen Hauptstelle für Sucht-
fragen e. V. zum Nichtraucherschutzgesetz Nordrhein-Westfalen vom 23. Sep-
tember 2012). Die gesellschaftlichen Kosten werden mit mindestens 34 Mrd.
Euro beziffert (ebenda).

Mit Unterzeichung der WHO-Tabakrahmenkonvention (WHO Framework
Convention on Tobacco) im Jahr 2003 (Inkrafttreten 2005) verpflichtete sich
auch Deutschland, Maßnahmen zur Eingrenzung der tabakbedingten gesund-
heitlichen und gesellschaftlichen Schäden einzuleiten. In ihrer Nationalen
Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik 2012 stellt die Drogenbeauftragte der
Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, fest, dass die eingegangenen Verpflich-
tungen zur Reduzierung des Tabakkonsums in der nationalen Gesetzgebung be-
reits umgesetzt worden seien (Seite 70).

Laut Vertragstext verpflichtete sich Deutschland verbindlich, innerhalb von fünf
Jahren nach Inkrafttreten „ein umfassendes Verbot aller Formen von Tabak-
werbung, Förderung des Tabakverkaufs und Tabaksponsoring“ zu erlassen, falls
nicht grundrechtliche Bedenken bestehen. Bis heute ist in Deutschland die Pla-
katwerbung für Tabakprodukte erlaubt.

Ausgehend von den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom
22. Januar 1997 und vom 30. Juli 2008 stellt die Bundesregierung selbst fest,
dass sie verfassungsrechtlich nicht gehindert wird, dem „Gesundheitsschutz ge-
genüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufs-
freiheit der Unternehmen und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang

einzuräumen“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2036). Dort legt die Bundes-
regierung auch dar, dass die Leitlinien, die zur Umsetzung der Konvention er-
arbeitet wurden, den „Goldstandard“ darstellten, aber rechtlich nicht bindend
seien. Welchen Grund sie hat, vom „Goldstandard“ abzuweichen, sagt sie leider
nicht.

Drucksache 17/11408 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Zu welchen Maßnahmen hat sich Deutschland mit der Unterzeichnung der
Tabakrahmenkonvention verpflichtet (bitte die wichtigsten Maßnahmen auf-
listen und jeweils die Umsetzungsfrist angeben)?

2. Braucht es nach Ansicht der Bundesregierung prinzipiell eine Begründung,
um von den Leitlinien zur Tabakrahmenkonvention abzuweichen, die auch
nach Angaben der Bundesregierung den „Goldstandard“ darstellen?

3. Welche Parteispenden sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-
ten zehn Jahren von der Tabakindustrie geflossen (bitte Unternehmen bzw.
Verband, empfangende Partei, Datum und Höhe der Spenden angeben)?

4. Welche Vorschriften gibt es laut Konvention oder deren Leitlinien zu Lobby-
aktivitäten sowie Spenden an Parteien oder gemeinnützige Organisationen
durch die Tabakindustrie?

Inwiefern sind diese Vorgaben nach Ansicht der Bundesregierung um-
gesetzt?

5. Welche Formen von Tabakmarketing werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung in Deutschland momentan praktiziert?

6. Stimmt die Bundesregierung zu, dass auch die offene Auslage von Tabak-
produkten in Verkaufsstellen als „Förderung des Tabakverkaufs“ anzusehen
ist?

a) Falls ja, warum ist die offene Auslage von Tabakprodukten in Verkaufs-
stellen immer noch erlaubt?

b) Falls nein, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Auslageverbot, das z. B. in Norwegen, Island, Finnland und Groß-
britannien beschlossen wurde, weil es dort als notwendige Konsequenz
aus der Tabakrahmenkonvention angesehen wurde?

c) Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Änderung
der Auslagebestimmungen im europäischen Recht einsetzen?

7. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Werbeausgaben der
Tabakindustrie?

a) Wie haben sich die Ausgaben der Tabakindustrie für Marketing in
Deutschland in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Art des
Marketings aufschlüsseln)?

b) Sind sie insbesondere gesunken, nachdem der Vertragstext bzw. die Um-
setzungsgesetze in Kraft traten?

Falls nein, führt die Bundesregierung dies auf die unvollständige Um-
setzung der Tabakrahmenkonvention zurück?

c) Welches Ausweichverhalten hat die Bundesregierung nach dem Verbot
verschiedener Werbemaßnahmen festgestellt, und wie hat sie wiederum
gegengesteuert?

8. Ist Promotion für Tabakprodukte nach dem Vertragstext verboten?

Falls ja, warum findet Promotion zur Verkaufsförderung von Tabakproduk-
ten weiterhin statt?

Falls nein, ist Promotion nach Ansicht der Bundesregierung also keine
„Handlung mit dem Ziel, […] ein Tabakerzeugnis […] zu fördern“ (vgl. Ver-
tragstext)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11408

9. Ist Außenwerbung (z. B. Plakatwerbung) nach dem Vertragstext verboten?

a) Falls ja, warum findet Außenwerbung für Tabakerzeugnisse weiterhin
statt?

b) Falls nein, ist Außenwerbung für Tabakerzeugnisse nach Ansicht der
Bundesregierung also keine „Handlung mit dem Ziel, […] ein Tabak-
erzeugnis […] zu fördern“ (vgl. Vertragstext)?

10. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung Selbstverpflichtungserklä-
rungen der Tabakindustrie zur Begrenzung der Tabakwerbung bei?

a) Ist es überhaupt möglich, per Selbstverpflichtungserklärung die Tabak-
rahmenkonvention zu erfüllen?

b) Sieht die Bundesregierung die in der Tabakrahmenkonvention ver-
einbarten Ziele zur Außenwerbung in ihrer Zielsetzung umgesetzt?

c) Hat die Selbstverpflichtung der Tabakindustrie irgendeinen Einfluss auf
die Entscheidungen der Bundesregierung?

11. Welche Neuregelungen für die Tabakwerbung werden nach Kenntnis der
Bundesregierung in Verbindung mit der Novellierung der EU-Tabakricht-
linien diskutiert (bitte jeweils die bekannten Unterstützerländer angeben)?

a) Für welche Regelungen wird sich die Bundesregierung im Europäischen
Rat einsetzen, und welche möchte sie möglichst verhindern?

b) Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem Vorschlag der
Kommission zu rechnen?

12. Welche Änderungen im EU-Recht zur Regelung der Tabakwerbung gab es
bislang?

a) Welche Positionen nahm jeweils die von CDU, CSU und SPD getragene
(2005 bis 2009), die von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
tragene (1998 bis 2005) und die von CDU, CSU und FDP getragene
Bundesregierung (bis 1998) ein?

b) Ist es insbesondere richtig, dass die von SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN getragene Bundesregierung gegen einen Vorschlag der Kom-
mission gemeinsam mit der Tabakindustrie vor dem Europäischen Ge-
richtshof (EuGH) geklagt hat (vgl. Urteil des EuGH vom Oktober 2000)?

Wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorgehen aus heutiger Sicht?

13. Welche Bundesressorts forderten oder fordern ein Verbot der Plakatwer-
bung, und welche Ressorts waren bzw. sind dagegen (vgl. Brief von der Ge-
schäftsstelle der Bundesdrogenbeauftragten, www.youtube.com/watch?v=
mGEchFL3f60&feature=plcp)?

a) Welche Begründungen werden insbesondere gegen ein Verbot der
Außenwerbung angeführt?

b) Wann ist mit einer Einigung innerhalb der Bundesregierung zu rechnen?

c) Hält es die Bundesregierung tatsächlich für sinnvoll, „vor allem auch auf
Prävention“ zu setzen, „um Kinder und Jugendliche gegenüber den Ein-
flüssen der Tabakwerbung zu stärken“, statt diese gemäß Vertragstext zu
verbieten (vgl. ebenda)?

Drucksache 17/11408 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
14. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung bezüglich der Packungs-
gestaltung von Tabakprodukten?

a) Was hält die Bundesregierung insbesondere von der Einführung standar-
disierter Zigarettenverpackungen, die laut Krebsforschungszentrum
„Eine Chance für die Tabakprävention“ sind und zum Beispiel in Aus-
tralien bereits eingeführt wurden?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage
der Firma Philip Morris, dass bei vermehrten Werbebeschränkungen die
Packung selbst zum Werbeträger werden müsse (nach Deutsches Krebs-
forschungszentrum Heidelberg, Standardisierte Verpackungen für Tabak-
produkte: Eine Chance für die Tabakprävention, 2010)?

15. Wann hat die Bundesregierung den in Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe e der
Konvention vereinbarten Bericht zur Umsetzung der Werbebeschränkun-
gen zuletzt abgegeben, welchen Inhalt hatte er und wo ist er öffentlich zu-
gänglich?

16. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Darstellung des Rauchens
in Film und Fernsehen für das Rauchverhalten insbesondere von Jugend-
lichen bei?

a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bzw. die Bundesdrogen-
beauftragte unternommen, um die Darstellung des Rauchens in Film und
Fernsehen zu beeinflussen?

b) Welche Unterschiede sieht die Bundesregierung dabei zwischen priva-
ten und öffentlich-rechtlichen Produktionen?

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur finanziellen Unter-
stützung von Filmproduktionen durch die Tabakindustrie im In- und
Ausland?

Berlin, den 5. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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