BT-Drucksache 17/11380

Ökologische Baustoffe - Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit reduzieren

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11380
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter,
Dr. Hermann E. Ott, Stephan Kühn, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Harald
Ebner, Hans-Josef Fell, Kai Gehring, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver
Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Lisa
Paus, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Beate Walter-Rosenheimer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ökologische Baustoffe – Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit
reduzieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, den Energieverbrauch sowie die CO2-
Emmissionen zu senken und die Abhängigkeit von Erdölimporten zu reduzie-
ren, ist die Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz sowie der Nach-
haltigkeit im Gebäudebestand ein wichtiger Baustein. In Bezug auf die Moder-
nisierung der Wärmeversorgung von Gebäuden sind immerhin erste Schritte
eingeleitet. Alternative Baustoffe haben aber trotz des großen Substitutions-
potenzials nur wenig Eingang in die Aktionsprogramme zur Gebäudesanierung
gefunden und selbst im Neubau sind sie nur die Ausnahme.

Ein Großteil der in Deutschland benötigten energetischen und nichtmetallischen
mineralischen Rohstoffe wird im Land gewonnen. Mengenmäßig sind Bau-
sande und -kiese mit etwa 239 Millionen Tonnen die wichtigsten mineralischen
Rohstoffe, auf die knapp ein Drittel der heimischen Rohstoffproduktion entfällt.
Die Entnahme von Rohstoffen beeinflusst die Umwelt negativ: Unter anderem
durch Veränderungen der Landschaft, Abholzung der Vegetation für Tagebaue,
Absenken der Grundwasserspiegel, die Belastung des Grundwassers mit Metal-
len oder durch Versauerung sowie durch das Risiko von Bergschäden.

Die von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Marktanreizprogramme
für ökologische Baustoffe wurden von den nachfolgenden Bundesregierungen
nicht weitergeführt. Die Laufzeit der Programme war zu kurz, um wesentliche
dauerhafte Preissenkungen der Produkte zu erreichen. Diese konnten gegenüber
den Produkten aus der steuerbefreiten stofflichen Nutzung von Erdöl keine ge-
steigerte Konkurrenzfähigkeit entwickeln, obwohl die im Neubau und der ener-
getischen Gebäudesanierung üblicherweise verwendeten Baustoffe hinsichtlich

Energieverbrauch, CO2-Emissionen, Haltbarkeit, Schadstofffreiheit und Re-
cyclingfähigkeit vielfach mangelhaft sind. Temporäres Bauen und somit leicht
recyclebare Materialien werden eine immer größere Rolle spielen, das Ideal
„bauen für die Ewigkeit“ ist überholt.

Obwohl die konventionellen organisch-synthetischen Dämmstoffe über die
Steuerbefreiung für die stoffliche Nutzung von Erdöl bereits einen Marktvorteil
haben, sind ökologisch nachhaltige Baustoffe in der Fördersystematik der KfW

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Bankengruppe mit Dämmstoffen auf petrochemischer Basis gleichgestellt. Un-
ter anderem wegen dieses Marktvorteils und den daraus resultierenden niedri-
gen Preisen der petrochemischen Materialien werden Dämmstoffe aus ökolo-
gisch nachhaltigen Materialien weniger verbaut. Schaut man auf die Zahlen der
CO2-Gebäudesanierungsprogramme der KfW Bankengruppe, so wurden seit
2006 im Neubau und in der energetischen Sanierung 2,4 Millionen Wohnungen
finanziert, ca. 4,6 Millionen Tonnen CO2 eingespart und 320 000 Arbeitsplätze
geschaffen oder gesichert. Für die Verwendung ökologischer Baustoffe gäbe es
bei Betrachtung dieser Zahlen somit ein erhebliches Potenzial.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Subventionierung petrochemischer Kunststoffe und CO2-intensiver Bau-
stoffe abzubauen, indem:

a) die Steuerbefreiung für die stoffliche Nutzung von Erdöl abgeschafft wird;

b) Energie- und Stromsteuersubventionen für die energieintensive Her-
stellung von Baustoffen wie Zement und Keramik nur gewährt werden,
wenn die Produktion sonst nachweislich von der Verlegung ins weniger
stark regulierte Ausland bedroht wäre und keine gleichwertigen Alterna-
tivbaustoffe mit besserer Umweltbilanz bereitstehen;

c) das Bergrecht grundlegend reformiert wird und Förderabgaben in Höhe
von mindestens 10 Prozent konsequent auch auf nicht erneuerbare Bau-
stoffe wie Kies und Sand erhoben werden;

2. den Einsatz ökologischer Baustoffe im Neubau und bei energetischer Sanie-
rung zu fördern, indem:

a) ein Modellprogramm für ökologische Baustoffe mit einem Programm-
volumen in Höhe von 20 Mio. Euro initiiert wird;

b) bei den Programmen der KfW Bankengruppe für Neubau und Sanierung
den Einsatz ökologischer Baumaterialien stärker unterstützt werden, bei-
spielsweise in Form eines Standards Effizienzhaus Nature+ der KfW
Bankengruppe;

c) geprüft wird inwieweit bei der Förderung der nachträglichen Kerndäm-
mung bei zweischaligem Mauerwerk durch die Programme der KfW
Bankengruppe die Anforderung der Wärmeleitfähigkeit um die Anforde-
rung einer nachgewiesenen Luftdichtheit der inneren Schale zu ergänzen
ist;

d) Standards für den Energieverbrauch von Baustoffen eingeführt werden,
die den gesamten Lebenszyklus der Baustoffe, inklusive Herstellung und
Entsorgung, berücksichtigen;

e) bei Energieausweisen für Gebäude eine Nachhaltigkeitsbewertung Be-
trachtung des Energieverbrauchs im mit Lebenszyklusbetrachtung der
Gebäude, und damit auch bei Herstellung und Abbruch der Gebäude
sowie durch die Herstellung und Entsorgung der Baustoffe, ergänzt wird;

f) ökologische Baustoffe in Brandschutzkategorien gegenüber konventionel-
len Baustoffen nicht benachteiligt werden;

g) die Entwicklung einer einheitlichen Zertifizierung von ökologischen Bau-
stoffen und einer einheitlichen Zertifizierung von Gebäuden unterstützt
wird;

3. die Forschung im Bereich ökologischer Baustoffe zu stärken, indem:

der Aspekt Wohngesundheit und Schadstoffemissionen im Wohnbereich im

Rahmen der Ressortforschung stärker berücksichtigt wird und verstärkt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11380

Maßnahmen zur Reduktion von Schadstoffemissionen im Wohnbereich ent-
wickelt werden;

4. den Anbau nachwachsender Baustoffe bodenschonend zu gestalten, indem:

der vorsorgende Bodenschutz als Anforderung für den Anbau von nach-
wachsenden Rohstoffen rechtlich verankert und die gute fachliche Praxis um
Vorgaben zum bodenschonenden Anbau nachwachsender Rohstoffe, wie
beispielsweise mindestens dreigliedrige Fruchtfolge, Sortenvielfalt, Bevor-
zugung von Kulturen mit geringem Nährstoffbedarf und extensiven Bewirt-
schaftungssystemen, ergänzt wird.

Berlin, den 6. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Deutschland hat sich international verpflichtet, seinen Beitrag zu leisten, um
den Anstieg der globalen Temperatur um mehr als 2 Grad zu verhindern. Dies
bedeutet, dass der Ausstoß von Klimagasen hierzulande um mindestens
40 Prozent bis 2020 und um 95 Prozent bis 2050 gesenkt werden muss. In den
Bestandsgebäuden werden 40 Prozent der Endenergie für Wärme und Kühlung
verbraucht und fast 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland
verursacht. Der Gebäudebereich spielt für das Erreichen der Klima- und
Energieeinsparziele eine zentrale Rolle. Mit den Klimazielen gehen Fragen der
Versorgungssicherheit einher. Das Gros der fossilen Energierohstoffe wird aus
außereuropäischen Ländern importiert und es wird immer teurer. Deutschland
lag in 2008 mit einem Erdölverbrauch von 118,1 Millionen Tonnen an sechster
Stelle der zehn Länder mit dem weltweit größten Erdölverbrauch. Die deutsche
Wirtschaft zahlte im Jahr 2010 allein für ihre Ölimporte 41,6 Mrd. Euro.

Zu Nummer 1

Die Steuerbefreiung für die stoffliche Nutzung von Erdöl stellt eine Markt-
verzerrung zu Gunsten umwelt- und klimaschädlicher sowie energieaufwendi-
ger Produkte dar. Die steuerliche Gleichstellung würde einen deutlichen öko-
nomischen Anreiz zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe setzten. Die Markt-
verzerrung ist zu beseitigen, die Steuerbefreiung ist abzuschaffen.

Die Zahlung einer bereits im bestehenden Bergrecht angelegten Förderabgabe
muss in Deutschland der Regel- und nicht der Ausnahmefall sein und mindes-
tens 10 Prozent des Rohstoffwerts betragen. Die konsequente Erhebung einer
Förderabgabe schafft Anreize für Ressourceneffizienz, gerade bei dem bisher
nicht erfassten Abbau von Massenrohstoffen der Bauindustrie wie Kies, Sand
und Gesteine. Die Verpflichtung zur Zahlung wollen wir auf alle hierzulande
geförderten Bodenschätze ausdehnen. Sie sollte nur in begründeten Ausnahme-
fällen und zeitlich eng befristet erlassen werden und weiterhin den Ländern zu-
gute kommen. Wir wollen Unternehmen, die nachweislich besonders energie-
intensiv sind und in intensivem internationalen Wettbewerb stehen, weiterhin
Erleichterungen bei den Energiesteuern oder bei den Umlagen für erneuerbare
Energien gewähren, um eine CO2-bedingte Verlagerung von Unternehmen zu
vermeiden. Allerdings müssen diese Subventionen zukünftig an den im Einzel-
fall nachgewiesenen Härten bemessen und an konkrete Effizienzverpflichtun-

gen geknüpft werden, damit nicht Verschwendung und technologischer Still-
stand subventioniert werden.

Drucksache 17/11380 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Zu Numer 2

Das Modellprogramm für ökologische Baustoffe soll die Absatzzahlen dieser
Produkte im Neubau und bei energetischer Sanierung erhöhen und so die Ab-
hängigkeit Deutschlands von Erdölimporten weiter zu reduzieren. Ergänzend
werden die Gebäudesanierungsprogramme der KfW Bankengruppe verstärkt
auf ökologische Baustoffe ausgerichtet. Das Konzept zum Effizienzhaus
Nature+ könnte ähnlich des Minergie-Modells aus der Schweiz ausgestaltet
werden. Das Minergie-Modell funktioniert wie folgt: Weist ein Gebäude neben
niedrigen Energieverbrauchswerten auch noch ein gesundes Raumklima auf, so
darf es als Minergie-ECO bezeichnet werden. Die Einführung von Standards
für den Energieverbrauch von Baustoffen macht den Energieverbrauch sowie
die Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Bauprodukten transparenter und
verbraucherfreundlicher.

Zu Nummer 3

Viele der im Neubau und der energetischen Gebäudesanierung herkömmlich
verwendeten Baustoffe erfüllen nur mangelhaft die Anforderungen an das
Nachhaltigkeitsprinzip hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Schadstofffreiheit und
Recyclingfähigkeit. Die Grundlagenforschung in diesem Bereich der ökologi-
schen Baustoffe und Bauweisen muss daher dringend intensiviert werden, bei-
spielweise mit einem Forschungsprogramm Bauen mit Holz. Zum Instrumenta-
rium einer nachhaltigen Ressourcenpolitik gehören auch Ressourcensteuern
und -abgaben. Negative gesellschaftliche Umweltauswirkungen, die durch den
Abbau von Rohstoffen entstehen, können durch Steuern und Abgaben interna-
lisiert werden. Nötig ist deshalb ein Forschungsprogramm, das konkrete
Möglichkeiten in den Einstieg der Rohstoffbesteuerung aufzeigt.

Zu Nummer 4

Auch beim Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung oder Baustoffproduk-
tion darf der Bodenschutz nicht in den Hintergrund rücken. Insbesondere der
regional konzentrierte, oft mehrjährige Anbau von Monokulturen hat massive
negative Auswirkungen auf die Böden. Monokulturen wirken erosionsfördernd,
da aufgrund der Pflanzungszyklen die Bodenoberfläche über einen signifikanten
Zeitraum ungeschützt bleibt. Zudem verschlechtern sich die Bodenfruchtbarkeit
und die Humusbilanz. Daher müssen verstärkt Anreize geschaffen werden,
um eine drei- bis viergliedrige Fruchtfolge sicherzustellen. Insbesondere die
Vergütungssysteme und die einzelnen kombinierbaren Boni im Rahmen des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes sind entsprechend umzugestalten. Beim Anbau
von nachwachsenden Rohstoffen muss immer auch der vorsorgende Boden-
schutz im Blick sein. Ihr Anbau darf nicht zu einer Zunahme der Belastung von
Böden und Wasser führen.

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