BT-Drucksache 17/11375

Verkehrsträgerübergreifende Fahrgastrechte stärken

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11375
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Markus Tressel, Markus Kurth, Stephan
Kühn, Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms, Kerstin Andreae,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Kai Gehring, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verkehrsträgerübergreifende Fahrgastrechte stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vom Effizienzvorteil des öffentlichen Verkehrs profitieren Verbraucher und
Umwelt gleichermaßen. Öffentliche Verkehrsmittel konzessionierter Leistungs-
träger bieten Mobilität für alle, also auch für Kinder, Ältere, mobilitätseinge-
schränkte Personen und Menschen mit geringem Einkommen. Zudem bedeuten
öffentliche Verkehrsmittel weniger Energieverbrauch, weniger Emissionen und
weniger Umweltfolgekosten.

Umso wichtiger ist es, den öffentlichen Verkehr auf konzessionierten Linien oder
Routen durch zuverlässige Angebote, umfassende Beratung und guten Service
attraktiver zu gestalten. Ein wichtiger Schritt sind dabei verbindliche, leicht ver-
ständliche Fahrgastrechte. Gestärkte Fahrgastrechte müssen dazu führen, dass
auf Verspätungen rechtzeitig aufmerksam gemacht wird, entstandene Schäden
in vollem Umfang ersetzt werden, Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung ge-
stellt und verbraucherfreundliche und barrierefreie Informationspflichten zu
Reiseverbindungen, Fahrplänen, voraussichtlichen Störungen und Verspätun-
gen vorgeschrieben werden. Fahrgäste dürfen nicht länger mit Minimalstan-
dards abgespeist werden.

Doch genau das ist der Fall. Grund dafür ist die Segmentierung nach Verkehrs-
mitteln, die mit den deutschen Regelungen im Bereich Fahrgastrecht vorgenom-
men wird. Es gibt mehr als ein halbes Dutzend verschiedene Rechtsakte, die die
Rechte für Reisende regeln und gleichzeitig den Unternehmen Planungssicher-
heit in Bezug auf mögliche Ansprüche von Reisenden geben sollen. Durch die
Ungleichbehandlung der verschiedenen Verkehrsträger werden bestehende
Wettbewerbsverzerrungen verschärft. Gerade vor dem Hintergrund der weiteren
Liberalisierung des Verkehrsmarktes ist eine solche künstliche Verzerrung zwi-
schen konkurrierenden Verkehrsmitteln jedoch nicht akzeptabel.
Auch verbindliche Rechte von Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind
verkehrsträgerübergreifend nicht gegeben. So hat die Bundesregierung in ihrem
Gesetzentwurf zur Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes keine Vor-
kehrungen getroffen, den Fernbuslinienverkehr barrierefrei zu gestalten. Das
widerspricht klar den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.

Drucksache 17/11375 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Von entscheidender Bedeutung ist es deshalb, Gleichbehandlung, Nichtdis-
kriminierung und Barrierefreiheit zwingend vorzuschreiben. Wir brauchen ver-
kehrsübergreifende Regelungen, die das Verbraucherschutzniveau für Kunden
des öffentlichen Verkehrs bestimmen und gleichzeitig den Unternehmen Pla-
nungssicherheit in Bezug auf mögliche Ansprüche von Kunden geben.

Verbraucherrechte müssen aber auch durchgesetzt werden können. Sowohl für
Unternehmen als auch für Reisende hat sich das Verfahren der außergericht-
lichen Streitbeilegung bei Bahnreisen bewährt. Umso wichtiger ist es, dieses
Angebot für alle Verkehrskunden bereitzustellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• in den Fahrgastrechten (einschließlich Eisenbahn-Verkehrsordnung – EVO –
und Personenbeförderungsgesetz – PBefG) zu verankern, dass alle für die
Fahrt notwendigen Informationen (Reisedaten, Fahrplanabweichungen, An-
schlussmöglichkeiten, Kosten und Sparangebote) durch die Unternehmen für
jeden Kunden klar und verständlich zugänglich gemacht und gestaltet werden
müssen, unabhängig davon, ob die Fahrkarte über den Schalter, den Automa-
ten oder das Internet erworben wird;

• in den Fahrgastrechten eine allgemeine Informationspflicht der Verkehrs-
unternehmen zu verankern, so dass Kunden bei Kauf eines Tickets über ihre
Rechte und Pflichten im Hinblick auf Entschädigung und Ausgleich bei
Nichtantritt der Reise, Verspätungen oder Umbuchungsmöglichkeiten sowie
Serviceleistungen leicht verständlich informiert werden;

• sicherzustellen, dass Verkehrskunden, die auf mehrere aneinander anschlie-
ßende öffentliche Verkehre angewiesen sind, eine direkte Abfertigung
ermöglicht wird, indem einheitliche Regelungen für Fahrplanauskünfte,
Ticketberatung und -erwerb eingeführt werden;

• Verbraucherrechte in allen öffentlichen Verkehrsmitteln ab dem ersten Kilo-
meter durchzusetzen;

• die diskriminierungsfreie Beförderung von mobilitätseingeschränkten Per-
sonen für alle öffentlichen Verkehrsmittel zwingend vorzuschreiben;

• Entschädigungsansprüche ab 30 Minuten Verspätung einzuräumen, um ein
verkehrsträgerübergreifend gleiches Schutzniveau für alle Fahrgäste zu er-
reichen;

• die Rechte der Reisenden durch eine verbindliche Mitarbeit der Verkehrs-
unternehmen an den verkehrsträgerübergreifenden und unabhängigen
Schlichtungsstellen zu stärken;

• Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes als einfachere und verbraucher-
freundliche Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung, insbesondere bei Annullie-
rung, Überbuchung oder Verspätung von Flugzeugen, Fernbussen oder Bah-
nen, zuzulassen;

• die Akzeptanz des Reiserechts durch eine verbindliche und stärkere Einbin-
dung von Verbraucher- und Behindertenverbänden zu verbessern;

• zu prüfen, wie gewährleistet werden kann, dass der Anspruch auf Schadens-
ersatz den tatsächlich entstandenen (Folge-)Schaden umfasst;

• die Zahl der mit Verspätung und nicht beförderten Personen über den § 17 des
Verkehrsstatistikgesetzes hinaus zur Überprüfung der Rechtsdurchsetzung zu
erfassen und zu evaluieren;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11375

• auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass die bestehenden Fahrgastverordnun-
gen im Sinne der Anforderungen eines modernen Reiserechts und zum ver-
besserten Schutz der Verbraucher stetig angepasst werden.

Berlin, den 6. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Einheitliche Fahrgastrechte dienen der Qualitätssicherung im gesamten Ver-
kehrswesen. Darüber hinaus geben sie Fahrgästen klare und einfach durchsetz-
bare Rechtsansprüche gegenüber den Unternehmen. Denn genau daran mangelt
es in Deutschland. Zwar gibt es verschiedene Rechtsakte, die die Rechte von
Reisenden regeln. Doch da diese jeweils nur einen Teil der Reise- bzw. Fahr-
kette und oft nur die Nutzung eines Verkehrsmittels betreffen, sind Rechts-
ansprüche, die den ganzen Fahrweg betreffen, nicht durchzusetzen. Außerdem
ist festzustellen, dass nur wenige Fahrgäste ihre Rechte überhaupt kennen.
Schließlich sind die Rechte von Fahrgästen in Deutschland nur schwer durch-
setzbar, weil es kein einheitliches Schlichtungswesen gibt und Ansprüche nur
unzureichend rechtlich geltend gemacht werden können.

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