BT-Drucksache 17/11328

Verbot des Fracking in Deutschland

Vom 6. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11328
17. Wahlperiode 06. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Johanna Voß, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-
Schröter, Werner Dreibus, Harald Koch, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner, Ingrid
Remmers, Michael Schlecht, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot des Fracking in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland wurden zahlreiche Erlaubnisse zur Aufsuchung sogenannter
unkonventioneller Erdgas- und Erdölvorkommen vergeben. Weitere sind be-
antragt. Unternehmen erhoffen sich große Gewinne durch die Ausbeutung
dieser Ressourcen. Diese Gasvorkommen – Kohleflözgas, Schiefergas und
Tight Gas – sind im Gegensatz zu konventionellem Erdgas im Gestein ein-
geschlossen. Um das im Gestein gebundene Erdgas zu fördern, wird das auf-
wändige Verfahren des Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, angewandt. Beim
Fracking wird eine mit giftigen Chemikalien versetzte Flüssigkeit mit hohem
Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen und
künstliche Risse zu schaffen.

Die Fördermethode des Fracking ist mit zahlreichen negativen Auswirkungen
und Risiken für Mensch und Umwelt verbunden. Dass „die Gefährdung der
oberflächennahen Wasservorkommen“ nicht sicher ausgeschlossen werden
kann, wurde jüngst in den vom Umweltbundesamt („Umweltauswirkungen von
Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionel-
len Lagerstätten“) und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen („Fracking in
unkonventionellen Lagerstätten in NRW“) in Auftrag gegebenen Studien erneut
deutlich.

Risiken und negative Auswirkungen sind insbesondere

– die Verunreinigung des Trinkwassers durch Chemikalien, Methan oder
Lagerstättenwasser. Diese können durch Unfälle an der Oberfläche, natür-
liche oder künstlich geschaffene Wegsamkeiten im Untergrund sowie un-
dichte Bohrlochabdichtungen und Zementummantelungen in das Grundwas-
ser gelangen. Insbesondere die Zementummantelungen sind aufgrund des
hohen Drucks starken Belastungen ausgesetzt;

– der bei der Förderung anfallende Flowback aus Lagerstättenwasser und

Frac-Flüssigkeit, welcher neben Chemikalien des Frack-Vorgangs häufig
unter anderem radioaktive Isotope, Quecksilber und Benzol enthält. Die Ent-
sorgung ist ungeklärt und unfallträchtig;

– die Gefahr von durch Fracking oder die Verpressung von Lagerstättenwasser
in sogenannte Versenkbohrungen ausgelöste Beben;

Drucksache 17/11328 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– ein im Vergleich zur Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten
deutlich höherer Flächenbedarf;

– eine hohe Lärm- und Luftbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner;

– ein hohes Verkehrsaufkommen, insbesondere während des Frack-Vorgangs;

– die miserable Klimabilanz von Erdgas aus gefrackten unkonventionellen
Lagerstätten, welche schlechter als die von Erdgas aus konventionellen
Lagerstätten ist.

Weltweit protestieren betroffene Bürgerinnen und Bürger gegen die Anwen-
dung von Fracking. Zahlreiche Staaten, darunter die Niederlande, Bulgarien,
Großbritannien und Frankreich, haben Fracking daher (teils befristet) verboten.
Zuletzt wurde Mitte September 2012 das Verbot von dem französischen Präsi-
denten François Hollande nach einer Überprüfung erneut bekräftigt.

Auch in Deutschland stößt die Anwendung des Fracking auf großen Wider-
stand. In vielen Regionen Deutschlands sind Bürgerinnen und Bürger beunru-
higt. Zahlreiche Gemeinden haben sich teils einstimmig gegen Fracking aus-
gesprochen (z. B. Braunschweig, Lüneburg, Wolfenbüttel). In Nordrhein-West-
falen gilt eine Art Moratorium – dort werden Anträge vom Bergamt nicht ge-
nehmigt.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es diesbezüglich jedoch keinen einheit-
lichen Umgang mit Fracking und den damit verbundenen Risiken. Die Regie-
rungsparteien kündigen seit über einem Jahr eine gesetzliche Regelung an – leg-
ten bislang jedoch keinen Vorschlag vor. Bürger und Gemeinden brauchen
jedoch endlich Rechtssicherheit. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzesentwurf für ein Verbot des Fracking vorzulegen. Darin soll
auch geregelt werden, dass die Unternehmen, denen eine Aufsuchungs-
erlaubnis für Schiefergas- oder Schieferölvorkommen erteilt wurde, inner-
halb von sechs Monaten einen Nachweis zu erbringen haben, dass eine För-
derung auch ohne Fracking oder vergleichbar gefährliche Techniken mög-
lich ist. Sollte ein solcher Nachweis nicht oder nicht zufriedenstellend erfol-
gen, ist die Aufsuchungserlaubnis zu widerrufen;

2. die Unternehmen zur vollständigen Offenlegung der bisherigen Frac-Vor-
gänge in Deutschland inklusive der eingesetzten Stoffe, deren Identität
(chemische Zusammensetzung), toxikologischer Bewertung und der ein-
gesetzten Mengen, zu verpflichten und diese Daten den zuständigen Be-
hörden sowie in geeigneter Form der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen;

3. eine umweltgerechte Entsorgung des Flowbacks aus den bereits gefrackten
Bohrungen sicherzustellen und die Verpressung in sogenannte Disposal-
bohrungen zu untersagen;

4. innerhalb der Europäischen Union die Initiative für ein EU-weites Fracking-
Verbot zu ergreifen;

5. für die Aufnahme des Fracking in die Anlage 1 der Espoo- Konvention ein-
zutreten und hierfür die Initiative zu ergreifen, um grenzüberschreitende
Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Fördermaßnahmen mit Fracking in
Grenznähe sicherzustellen.

Berlin, den 6. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11328

Begründung

Zahlreiche Studien belegen inzwischen die hohen Risiken und negativen
Umweltbelastungen durch Fracking. Zuletzt wurden diese Risiken in den Gut-
achten, die im Auftrag des Umweltbundesamtes und der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen erstellt wurden, deutlich gemacht.

Aufgrund dieser hohen Risiken ist die Voraussetzung, Fracks zu genehmigen,
nicht gegeben. Um Rechtssicherheit für die betroffenen Bürger und Regionen
zu erreichen bleibt aktuell nur ein Verbot des Fracking in der Öl- und Gasförde-
rung. Ein Moratorium bietet keine Rechtssicherheit. Ein zeitlich begrenztes
Verbot läuft einfach aus, während die Aufhebung eines unbefristeten Verbotes
eine öffentliche Diskussion und einen bewussten Entscheidungsprozess erfor-
dert. Ein Verbot lediglich des Frackings mit giftigen Chemikalien, wasser- und
gesundheitsgefährdenden Stoffen berücksichtigt nicht die auch jenseits der An-
wendung dieser Chemikalien bestehenden beträchtlichen Risiken, beispiels-
weise aufgrund des diffundierenden Methans, des hochbelasteten Lagerstätten-
wassers, der Langzeitintegrität der Bohrlochabdichtungen und Zementierungen
sowie induzierter seismischer Erschütterungen. Nach heutigem Kenntnisstand
ist ein vollständiges Verbot die einzig sinnvolle Lösung.

Wenn eine Förderung im Schiefergas nur mit Anwendung der Fracking-Tech-
nologie möglich ist, so sollte die Aufsuchungserlaubnis widerrufen werden.

Im Einzelnen

Zu Nummer 2

Bislang ist von vielen bisherigen Fracs in Deutschland die Zusammensetzung
der Frac-Fluide nicht bekannt. Auch bei den Frac-Fluiden, über die Informatio-
nen vorliegen, ist eine eindeutige Identifizierung der eingesetzten Stoffe oft
nicht möglich, da die beteiligten Unternehmen genauere Angaben unter Ver-
weis auf Betriebsgeheimnisse verweigern. Dieser Punkt wird auch in den jüngs-
ten Gutachten kritisiert, da auf der bisherigen Datenbasis keine umfassende Be-
urteilung möglich ist.

Zu Nummer 3

Die Verpressung des Flowbacks in sogenannte Disposalbohrungen ist mit um-
fangreichen Langzeitrisiken verbunden und sollte daher untersagt werden.

Zu den Nummern 4 und 5

Gewässer machen nicht an den Grenzen halt – Gewässerverunreinigungen
ebenfalls nicht. Daher wäre ein Verbot des Frackings in der Europäischen
Union die beste Variante. In jedem Fall sollte jedoch sichergestellt werden, dass
grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen stattfinden, wenn in
Grenznähe Frack-Vorgänge geplant werden.

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