BT-Drucksache 17/11281

Äußerungen des Bundesministers des Innern über untergetauchte Neonazis

Vom 30. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11281
17. Wahlperiode 30. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel, Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Äußerungen des Bundesministers des Innern über untergetauchte Neonazis

In einem Interview mit der „WELT am SONNTAG“ vom 21. Oktober 2012 hat
der Bundesminister des Innern geäußert, es würden zum Stand Mitte September
2012 110 Neonazis mit Haftbefehl gesucht.

Die Fraktion DIE LINKE. hatte sich zuletzt mit der Kleinen Anfrage „Gemein-
sames Abwehrzentrum Rechtsextremismus“ (GAR) nach solchen Haftbefehlen
erkundigt. In der Antwort zu Frage 24 auf Bundestagsdrucksache 17/10585
führte die Bundesregierung aus, zum Stand 30. Juni 2012 seien 118 Neonazis
flüchtig. Außerdem teilte die Bundesregierung mit, Bund und Länder hätten sich
darauf verständigt, „eine anlassunabhängige Fortschreibung dieser Liste künftig
regelmäßig zu Jahresbeginn und Jahresmitte vorzunehmen.“ Da die letzte Fort-
schreibung zum 30. Juni 2012 vorgenommen worden war, ergibt sich die Frage,
woher der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, einen aktuali-
sierten Stand zu Mitte September 2012 bezogen hat. Zudem möchten die Frage-
steller geklärt haben, wie sich die genannte Zahl zusammensetzt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele der noch zum 4. Januar 2012 zur Fahndung ausgeschriebenen
160 Neonazis waren nach Kenntnis der Bundesregierung zum Stichtag
30. Juni 2012 festgenommen worden, und in wie vielen Fällen wurden die
Haftbefehle wegen Verjährung oder aus (welchen) anderen Gründen aufge-
hoben?

2. Wie viele unvollstreckt gebliebene Haftbefehle waren nach Kenntnis der
Bundesregierung in der Zeit vom 4. Januar 2012 bis 30. Juni 2012 hinzuge-
kommen, und welche Delikte liegen diesen Haftbefehlen jeweils zugrunde
(bitte für jeden Einzelfall angeben und eine etwaige Einstufung als politisch
motivierte Kriminalität – PMK – von Tat und Täter vermerken)?

3. Wie kommt es, dass das Bundesministerium des Innern auf Bundestags-
drucksache 17/10585 mitteilt, es würde lediglich zu Jahresbeginn und Jahres-
mitte eine Zusammenstellung der Anzahl der zum Stichtag zur Fahndung
ausgeschriebenen Neonazis geben, der Bundesminister des Innern aber
gleichwohl einen Zwischenstand zu Mitte September 2012 angeben kann?
Ist zwischenzeitlich eine außerplanmäßige Überprüfung erfolgt, und wenn ja,
warum, und wenn nein, woher resultieren dann die vom Bundesminister des
Innern genannten Zahlen?

Drucksache 17/11281 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Wie viele jener Haftbefehle, die zum Stand 30. Juni 2012 offen waren, sind
nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile vollstreckt bzw. haben
sich erledigt (bitte nach Festnahme und Aufhebung aufgliedern), und wie
viele neue, nicht vollstreckte bzw. nicht vollstreckbare Haftbefehle kamen
seither hinzu (diese bitte nach zugrunde liegenden Delikten aufgliedern)?

5. Welche Angaben kann die Bundesregierung zu der Frage machen, welchen
Fortgang die Strafverfahren nach der Festnahme der gesuchten Neonazis
nehmen?

6. Schließt sich die Bundesregierung der Ansicht des Bundesministers des In-
nern an, es gelte die Kommunikation mit der Justiz zu verbessern, um zu er-
fahren, „was mit Angeklagten und Verdächtigen nach Prozessen passiert“,
und wenn ja, welche konkreten Initiativen beabsichtigt sie hierzu?

7. Mit welchen Fahndungsmethoden und welcher Intensität wird nach Kennt-
nis der Bundesregierung nach den abgetauchten Neonazis gefahndet, und
welche Kriterien werden hierbei zugrunde gelegt?

8. Welche Rolle spielt das GAR bei der Fahndung nach den untergetauchten
Neonazis, und welche Arbeitsgruppen und Foren sind in welcher zahlen-
und behördenmäßigen Zusammensetzung für dieses Thema zuständig?

9. Welche Arbeitsgruppen oder Foren des GAR arbeiten derzeit mit welcher
Themen- und Aufgabenstellung an der Aufarbeitung des Nationalsozialisti-
schen Untergrunds (NSU) und aktuellen Bewertungen des Risikos durch
den Rechtsextremismus?

10. Welche Einschätzungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei den
Sicherheitsbehörden über die Motive des Untertauchens, und inwiefern
wird befürchtet, dass es sich um ein gezieltes Abtauchen zum Zwecke kon-
spirativer Tätigkeiten und der Vorbereitung politisch motivierter Straftaten
handelt, und welche Maßnahmen wurden von wem unternommen, um Klar-
heit über Motive und Ziele des Abtauchens zu bekommen?

11. Welche Einschätzungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei den
Sicherheitsbehörden über die Gefährlichkeit der untergetauchten Neonazis,
auch jener, die gegenwärtig wegen nicht als PMK eingestufter Taten sowie
nicht wegen Gewalttaten gesucht werden?

Welche Kenntnisse liegen darüber vor, inwiefern die Gesuchten als gewalt-
bereit gelten, in militanten Kameradschaftsszenen oder anderen gewaltbe-
reiten Gruppierungen tätig sind bzw. bis zu ihrem Untertauchen waren (bitte
soweit möglich konkrete Zahlenangaben machen)?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers des Innern,
es seien keine „Nachahmer, die wahllos Leute erschießen und davon nichts
verlautbaren“, zu erwarten, und wenn ja, auf welchen Erkenntnissen grün-
det diese Erwartung, wenn nein, inwiefern sind aus ihrer Sicht Nachahmer
des NSU zu befürchten?

13. Aufgrund welcher Erkenntnisse geht der Bundesminister des Innern davon
aus, dass die NSU-Terroristen ihre Opfer erstens wahllos erschossen haben
und zweitens nichts darüber verlautbaren ließen, und teilt die Bundesregie-
rung diese Definition von „Nachahmer“?

Berlin, den 30. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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