BT-Drucksache 17/11231

Bürgerschaftliches Engagement von Seniorinnen und Senioren

Vom 25. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11231
17. Wahlperiode 25. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidrun Dittrich, Harald Koch, Diana Golze,
Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Yvonne Ploetz, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion der DIE LINKE.

Bürgerschaftliches Engagement von Seniorinnen und Senioren

2012 ist das Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den
Generationen, das unter anderem auch für mehr Engagement von Seiten der
Seniorinnen und Senioren werben möchte. Mit dem Sechsten Altenbericht und
dem Achten Familienbericht werden der Bundesregierung Vorschläge unter-
breitet, mit denen das bürgerschaftliche Engagement von Seniorinnen und
Senioren weiter ausgebaut werden könnte und wie man Seniorinnen und Senio-
ren für bürgerschaftliches Engagement gewinnen könnte. Zudem ist nun der
Erste Engagementbericht der Bundesregierung veröffentlicht worden (Bundes-
tagsdrucksache 17/10580), der sich ab Seite 14 auch mit dem Engagement älte-
rer Menschen beschäftigt.

In den letzten Jahren haben sich viele neue Engagementmöglichkeiten für Se-
niorinnen und Senioren entwickelt, diese reichen von Au-pair-Strukturen bis zu
ehrenamtlichen Pflegetätigkeiten.

Auch der Bundesfreiwilligendienst gehört dazu. Er wurde als Ersatz für den
Zivildienst geschaffen, welcher nach der Aussetzung der Wehrpflicht als primä-
rer Ersatzdienst wegfiel, und ist auch für Menschen über 27 Jahre geöffnet wor-
den. Mit dieser Altersöffnung wird eine Möglichkeit geschaffen, dass ältere
Menschen ihre Minirenten und Erwerbslose die zu geringen Sozialleistungen
mit einem Freiwilligendienst aufbessern können. Der Bundesfreiwilligendienst
hat sich von einem Ersatzdienst zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhält-
nis auf freiwilliger Basis entwickelt. Durch die Schaffung dieses Dienstes soll
das Loch im sozialen System schnell und möglichst kostenneutral gestopft wer-
den.1

Inzwischen liegt auch ein Gesetzentwurf aus dem Bundesrat vor, der den be-
reits ausgelaufenen Freiwilligendienst aller Generationen als weitere Säule in
den Bundesfreiwilligendienst aufnehmen möchte, um somit noch mehr Senio-
rinnen und Senioren für das Ehrenamt bzw. den Bundesfreiwilligendienst zu
gewinnen. Ebenso sollen familiäre Hilfsleistungen, z. B. Kinderbetreuung, wei-
ter in den Engagementbereich überführt werden, anstatt die öffentliche Infra-

struktur zu stärken und auszubauen.

Die „Bundesseniorenministerin“ Dr. Kristina Schröder selbst spricht von einem
„Schatz“, der gehoben werden muss, um den demografischen Wandel abzufan-

1 Verleiche die Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesfreiwilligengesetzes von Prof. Dr. Mechtild
Seithe (Ausschussdrucksache 17(13)82c).

Drucksache 17/11231 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gen.2 Tatsächlich betreibt die Bundesregierung aber Sozialabbau und zieht da-
mit den Staat aus dem Sozialbereich zurück.3

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „aktives Altern“, und
wie möchte sie es fördern und unterstützen?

2. Erhebt die Bundesregierung eine Statistik darüber, wie viele Seniorinnen
und Senioren sich ehrenamtlich engagieren?

Falls nein, warum nicht, und für wann ist eine solche Statistik angedacht?

3. In welchen Bereichen engagieren sich Seniorinnen und Senioren nach
Kenntnis der Bundesregierung (bitte in absoluten Zahlen, nach Altersgrup-
pen [ab 55. Lebensjahr], Geschlecht, Ort, Art der Tätigkeit, Name des Ver-
bandes/des Trägers etc. aufschlüsseln)?

4. Wie viele Seniorinnen und Senioren machen einen Freiwilligendienst (bitte
nach Dienst, Alter, Geschlecht, Ort und Tätigkeitsbereich aufschlüsseln)?

5. Wie viele dieser Freiwilligen arbeiten jeweils in den verschiedenen Verei-
nen, Verbänden und Organisationen (u. a. AWO, Deutsches Rotes Kreuz
e. V., Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V.,
Deutscher Caritasverband e. V., die einzelnen Mitgliedsorganisationen des
Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband e. V.)?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Bildungsab-
schlüsse, über die Einkommenssituationen und den Erwerbsstatus (arbeits-
los, selbstständig usw.) der Menschen ab 55 Jahren, die sich ehrenamtlich
engagieren (bitte in Altersgruppen ab 55 Jahren aufschlüsseln)?

7. Seit wann erhebt die Bundesregierung die Daten über den Erwerbsstatus
der ehrenamtlich und bürgerschaftlich engagierten Menschen, bzw. wann
plant die Bundesregierung, diese Daten zu erheben (bitte begründen)?

8. Wie viele Stunden engagieren sich Menschen ab 55 Jahren nach Kenntnis
der Bundesregierung bürgerschaftlich und ehrenamtlich pro Jahr (bitte
nach Altersgruppen ab 55 Jahren, Ort, Geschlecht, Art der Tätigkeit, insge-
samt und im Durchschnitt aufschlüsseln)?

9. Wie sehen bezüglich der investierten Stunden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung die Veränderungen (mehr oder weniger Stunden) zu den vergange-
nen Jahrzehnten (bis 1990) aus (bitte in Fünfjahresschritten aufschlüsseln)?

a) Welche Veränderungen sind seit dem Jahr 2000 feststellbar (bitte be-
gründen)?

b) Wie erklärt sich die Bundesregierung die beobachteten Entwicklungen,
und welche Schlüsse zieht sie daraus?

10. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der volkswirtschaftliche
Beitrag (in Euro und in Prozent des Bruttoinlandsprodukts/Bruttosozialpro-
dukts) des bürgerschaftlichen Engagements und speziell der Beitrag von
Menschen ab 55 Jahren?

2 Vergleiche die Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Kristina
Schröder vom 11. Mai 2012 im Deutschen Bundestag.
3 Vergleiche die Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesfreiwilligengesetzes von Prof. Dr. Mechtild
Seithe (Ausschussdrucksache 17(13)82c).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11231

11. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil des bürger-
schaftlichen Engagements von Menschen ab 55 Jahren an der Gesamt-
arbeitszeit in Bezug auf die Gesamtarbeitszeit der Gesamtbevölkerung und
der Gesamtarbeitszeit der Bevölkerung ab 55 Jahren (bitte für Gesamt-
deutschland und die einzelnen Bundesländer, absolut und prozentual sowie
ab dem Jahr 2000 pro Jahr aufschlüsseln)?

12. Wie hat sich das bürgerschaftliche Engagement von über 55-Jährigen (Eh-
renamt und Freiwilligendienste bitte einzeln aufschlüsseln) nach Kenntnis
der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 sowohl in Arbeitsstunden, der Art
der Tätigkeit und in der Anzahl der Aktiven entwickelt (bitte nach Jahren
in absoluten Zahlen aufschlüsseln)?

13. Wie gestaltet sich die Altersstruktur im Bundesfreiwilligendienst ab 55 Jah-
ren (bitte jedes Lebensjahr einzeln ausführen)?

14. Wie gestaltet sich die Bildungsstruktur im Bundesfreiwilligendienst ab
55 Jahren?

Wie viele ältere Menschen nehmen wo, über welchen Zeitraum, an wel-
chen Bildungsveranstaltungen teil?

15. Wie wird sich die Zahl der sich engagierenden Bundesfreiwilligendienst-
leistenden ab 55 Jahren, nach Annahme der Bundesregierung, weiter ent-
wickeln?

Welche Entwicklung strebt die Bundesregierung an, und welche Maßnah-
men unternimmt sie in diesem Sinne?

16. In welchen Bereichen sind die Bundesfreiwilligendienstleistenden von
55 Jahren bis 65 Jahren eingesetzt (bitte nach absoluten und relativen Zah-
len, Orten – in Städten über und unter 100 000 Einwohnern, Geschlecht,
Alter, Einsatzbereichen in der sozialen Arbeit wie Altenpflege, Unterstüt-
zung der Menschen mit Behinderung, Kinder- und Jugendhilfe etc. auf-
schlüsseln)?

17. In welchen Bereichen sind die Bundesfreiwilligendienstleistenden ab 65 Jah-
ren eingesetzt (bitte in absoluten Zahlen, Art der Tätigkeit, Name des Ver-
bandes/des Trägers etc. aufschlüsseln)?

18. Aus welcher Erwerbssituation haben sich nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Bundesfreiwilligendienstleistenden ab 55 Jahren angemeldet?

Wie wird diese ermittelt, oder warum erhebt die Bundesregierung diese
Daten nicht?

19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Motivation der
Bundesfreiwilligendienstleistenden ab 55 Jahren, sich im Bundesfreiwilli-
gendienst zu engagieren?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die indirekte Vermittlung von Bundes-
freiwilligendienststellen über die Bundesagentur für Arbeit/Jobcenter?

Wie reagiert die Bundesregierung auf Schilderungen nach einem „sanften
Druck“, dass Erwerbslose und gerade Ältere einen solchen Dienst aufneh-
men sollen?

21. In welcher Form sieht die Bundesregierung das Freiwilligenprinzip verletzt
(bitte begründen)?

Drucksache 17/11231 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

22. Tragen der Bundesfreiwilligendienst und auch generelles bürgerschaftli-
ches Engagement älterer Menschen dazu bei, dass diese – sofern ge-
wünscht – den „Sprung“ auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen?

Wie viele ältere Menschen schaffen diesen Sprung, in welchen Bereichen
arbeiten sie dann, und eignen sich Bundesfreiwilligendienst oder eine sons-
tige freiwillige Tätigkeit am ehesten (welche?), diesen Sprung zu schaffen
(bitte begründen und aufschlüsseln)?

23. Welche Meinung hat die Bundesregierung zu dem neuen Engagementsek-
tor von Leihgroßeltern?

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang der Arbeit
der dort engagierten Seniorinnen und Senioren?

24. Welche Meinung vertritt die Bundesregierung zu den Au-pair-Dienstleis-
tern für ältere Au-pairs, z. B. „Granny Au-pair“?

25. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang und die
Art der Arbeit der dort engagierten Seniorinnen und Senioren?

26. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Stunden
in der Kinderbetreuung durch Leihomas und -opas eingespart werden, und
wie hoch der finanzielle Effekt dieser Einsparung ist?

Strebt die Bundesregierung eine Ausweitung an?

Wenn ja, in welchem Ausmaß und mit welcher Begründung (bitte jeweils
begründen)?

27. Wie hoch ist nach Auffassung der Bundesregierung der wirtschaftliche
Wert der Kinderbetreuung durch die Großeltern?

Wie viele Stunden betreuen Großeltern ihre Enkel nach Kenntnis der Bun-
desregierung im Durchschnitt, und wie viele Stunden sind es insgesamt?

28. Wie hoch ist nach Auffassung der Bundesregierung der wirtschaftliche Wert
der Kinderbetreuung durch Leihomas und -opas (bitte begründen)?

Wie viele Stunden werden Kleinkinder nach Kenntnis der Bundesregierung
von Leihomas und -opas betreut (bitte nach Geschlecht, Bundesland etc.
aufschlüsseln)?

29. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Seniorinnen und
Senioren sich in nachbarschaftlichen Vereinen engagieren und welche Auf-
gaben diese Seniorinnen und Senioren übernehmen?

Wenn ja, welche konkret?

30. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Seniorinnen und Senioren sich
in der Pflege engagieren und warum sie sich dort engagieren?

31. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie groß der Anteil
der bürgerschaftlich engagierten älteren Migrantinnen und Migranten ab
55 Jahren ist?

32. In welchen Bereichen engagieren sich nach Kenntnis der Bundesregierung
Migrantinnen und Migranten ab 55 Jahren (bitte genau aufschlüsseln)?

33. Hat die Bundesregierung vor, das Engagement von Migrantinnen und Mig-
ranten ab 55 Jahren besonders zu fördern, und wenn ja, wie und warum?

Welche Zielvorstellung hat die Bundesregierung diesbezüglich in fünf Jah-
ren?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11231

34. Plant die Bundesregierung, ein Seniorenmitwirkungsgesetz zu verabschie-
den, und wenn ja, mit welchen Inhalten?

35. Sieht die Bundesregierung ein solches Gesetz als sinnvoll an (bitte begrün-
den), um darin neben der Mitwirkung von Senioren beim bürgerschaftli-
chen Engagement auch konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten z. B. im Ge-
setzgebungsprozess im Bund oder bei kommunalen und länderspezifischen
Entscheidungen festzuschreiben?

36. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
z. B. aus dem Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz, und sieht sie darin
Regelungen, die auf Bundesebene übernommen werden sollen?

Sieht die Bundesregierung ein solches Gesetz als gute Ergänzung zu Rege-
lungen, die das bürgerschaftliche Engagement von Senioren stärken sollen,
an (bitte begründen)?

Berlin, den 25. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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