BT-Drucksache 17/11131

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/10786 - Für einen wirksamen Schutz und die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der Europäischen Union und in Deutschland b) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Dr. Frithjof Schmidt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/10638 - Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen

Vom 22. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11131
17. Wahlperiode 22. 10. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/10786 –

Für einen wirksamen Schutz und die Aufnahme syrischer Flüchtlinge
in der Europäischen Union und in Deutschland

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Dr. Frithjof Schmidt, Volker
Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/10638 –

Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen

A. Problem

Beide antragstellenden Fraktionen verweisen darauf, dass bereits zehntausende
Menschen vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflohen seien. Die Anrainerstaaten
kämen angesichts des anhaltenden Ansturms an ihre Grenzen. Angesichts dieser
dramatischen Situation soll die Bundesregierung mit den Anträgen insbesondere
aufgefordert werden, die Anrainerstaaten bei Flüchtlingsaufnahme und -versor-
gung zu unterstützen, syrische Flüchtlinge – auch aus den Anrainerstaaten – in
Deutschland aufzunehmen, die Einreise eingeladener syrischer Staatsangehöri-
ger, vor allem Familienangehöriger, nach Deutschland zu erleichtern, das
deutsch-syrische Rücknahmeabkommen zu kündigen und im Rat der EU für
einen vollständigen Abschiebestopp nach Syrien in allen Mitgliedstaaten der EU
zu werben. Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. müsse sich die Bundes-
regierung darüber hinaus gegenüber den Bundesländern für eine humanitäre
Bleiberechtsregelung für geduldete Personen aus Syrien einsetzen, sicherstellen,
dass Überstellungen von syrischen Asylsuchenden in andere EU-Mitgliedstaa-
ten im Rahmen der Dublin-II-Verordnung unterbleiben sowie dafür Sorge tra-
gen, dass Regelungen geschaffen werden, um den weiteren Studienaufenthalt
hier lebender syrischer Studierender zu sichern.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/10786 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE

Drucksache 17/11131 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der SPD.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/10638 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11131

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/10786 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 17/10638 abzulehnen.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

Drucksache 17/11131 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Ulla Jelpke und Wolfgang Wieland

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/10786 wurde in der 195.
Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. September
2012 an den Innenausschuss federführend sowie an den
Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung
überwiesen. Der Antrag auf Drucksache 17/10638 wurde
in der 192. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Sep-
tember 2012 an den Innenausschuss federführend sowie an
den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe, den Ausschuss für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung und den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mit-
beratung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 65. Sitzung am
17. Oktober 2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 67. Sitzung am 17. Oktober 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 73. Sitzung am 17. Oktober 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 64. Sitzung am
26. September 2012 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 66. Sitzung am 26. September 2012
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
empfohlen.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 65. Sitzung am 26. September
2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 72. Sitzung am 26. September 2012
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
empfohlen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Anträge in seiner 81. Sitzung am
17. Oktober 2012 abschließend beraten.

Als Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Innenausschuss
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf
Drucksache 17/10786 abzulehnen.

Den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
auf Drucksache 17/10638 empfiehlt der Innenausschuss
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU betont, vorrangiger Wunsch
vieler Flüchtlinge aus Syrien sei es an sich, sicher und fried-
lich in ihrem Heimatland Syrien zu leben und nicht in
Europa. Daher sei es richtig, zunächst vor Ort Hilfe zu leis-
ten. Zudem habe der UNHCR bislang nicht zu einer Flücht-
lingsaufnahme aufgerufen. Wenn es eine gemeinsame euro-
päische Aktion gebe, werde sich auch Deutschland daran be-
teiligen. Ein Alleingang in dieser Frage sei nicht sinnvoll.
Ohnehin habe Deutschland bereits eine große Zahl von Asyl-
bewerbern aus Syrien aufgenommen und leiste damit einen
wesentlichen Hilfsbeitrag. Zudem habe man 25 Mio. Euro
Soforthilfe bereitgestellt. Die Bundesregierung müsse die
Lage weiterhin intensiv beobachten. Wenngleich im Augen-
blick eine Flüchtlingsaufnahme noch nicht anstehe, könne
sich dies bei gemeinsamen, abgestimmten Initiativen von
UNHCR und EU auch ändern. Ein Resettlement komme aber
vor allem für Menschen in Betracht, für die es in der Heimat
keine Perspektive mehr gebe.

Die Fraktion der SPD stellt die Eilbedürftigkeit des Anlie-
gens heraus: In der Türkei hielten sich bereits 90 000 Flücht-
linge auf, bei 100 000 wolle das Land die Grenzen schließen.
Dies könne dramatische Folgen für die Situation in Grie-
chenland haben. 60 000 Flüchtlinge seien im Libanon,
20 000 im Irak und viele weitere in Jordanien. Bezüglich
einer Aufnahme in Deutschland seien drei Gruppen zu diffe-
renzieren: Zum einen Flüchtlinge aus anderen Ländern wie
dem Irak oder Somalia, die ursprünglich nach Syrien ge-
flohen seien. Für diese biete sich ein Resettlement an. Zum
anderen Familienangehörige von in Deutschland lebenden
Syrern. Hier sei eine großzügige Familienzusammenführung
nötig. Schließlich aus politischen Gründen geflohene Men-
schen, die lieber in den Nachbarländern verblieben, um ge-
gebenenfalls schnell nach Syrien zurückkehren zu können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11131

Für diese komme ein längerfristiger Aufenthalt in Europa
eher nicht in Betracht. Wenngleich ein EU-weites Vorgehen
gut wäre, müsse Deutschland manchmal auch vorangehen.
Der Ausschuss könne hier ein Zeichen setzen. Die Fraktion
der SPD jedenfalls werde dem Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.

Die Fraktion der FDP betont ihren Willen, die Menschen in
den Flüchtlingslagern zu schützen. Dies seien in der Tat nicht
nur Syrer, sondern Menschen verschiedenster Nationalitäten.
Die Fraktion vertraue der Bundesregierung, dass diese mit
der nötigen Sensibilität die Lage vor Ort beobachte. Man
respektiere den Wunsch vieler Flüchtlinge, nahe der Heimat
zu bleiben und Unterstützung zunächst vor Ort zu erhalten.
Es müsse auch klar sein, dass ansonsten gegebenenfalls Fak-
ten geschaffen würden, die dem Regime Assad gelegen kä-
men. Bislang sei auch noch keine Aufforderung des UNHCR
ergangen. Für die Fraktion der FDP müsse bei einer even-
tuellen Aufnahme in Deutschland die individuelle Schutzbe-
dürftigkeit der Flüchtlinge im Vordergrund stehen. Es dürfe
keinen Automatismus aufgrund der Religionszugehörigkeit
geben. Religiöse Verfolgung sei ein wichtiger Grund für die
Schutzbedürftigkeit, aber nicht der einzige. Der ganze Kom-
plex erfordere ein abgestimmtes Vorgehen von UN oder EU.

Die Fraktion DIE LINKE. erinnert daran, dass viele Innen-
minister der Länder die Bundesregierung aufgefordert hät-
ten, Hilfe zu leisten und Flüchtlinge aufzunehmen. Unlängst
habe auch die türkische Regierung um Unterstützung ge-
beten, da man dort mit der Flüchtlingsaufnahme völlig über-

fordert sei. Die Situation sei so dramatisch, dass es nicht
damit getan sei, Flüchtlinge außerhalb Syriens zu sammeln.
Die Flüchtlinge müssten hier in Europa aufgenommen wer-
den. Wenn die Türkei die Grenzen schließe, würden sich die
Flüchtlinge andere Wege suchen, um – etwa über das Mittel-
meer – nach Griechenland zu gelangen. Beim Untergang
eines Bootes habe es hier bereits 61 Tote gegeben. Zudem sei
klar, dass sich dann die Lage in Griechenland weiter ver-
schärfen werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, nötig
sei, die Anrainerstaaten zu entlasten, in deren überquellen-
den Flüchtlingslagern unerträgliche Zustände herrschten. Es
sei zu begrüßen, wenn auch Koalitionspolitiker die grund-
sätzliche Bereitschaft Deutschlands zur Flüchtlingsauf-
nahme betonten; kritisch sehe man allerdings die damit ver-
bundene Prämisse, die Probleme seien zunächst vor Ort zu
regeln. Angesichts der dramatischen Situation sei es falsch,
lediglich andere Länder in einer Handlungspflicht zu sehen
und selbst nur Pakete zu schicken. Zudem könne man Men-
schen nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten zwingen,
Leid zu ertragen. Auch einige Landesinnenminister hätten
Aufnahmebereitschaft signalisiert, zugleich aber ein bundes-
einheitliches Vorgehen angemahnt. Der Winter stehe bevor
und ein Handeln sei daher dringlich. Großzügigkeit in der
Aufnahmefrage stünde der Bundesrepublik Deutschland gut
an. Einige der kleinen, konkreten Maßnahmen aus den Anträ-
gen – Familiennachzug, Unterstützung von Studierenden –
könne die Bundesregierung auch sofort umsetzen.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

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