BT-Drucksache 17/1113

Auswirkungen der US-Terrorlisten für EU-Bürger

Vom 18. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1113
17. Wahlperiode 18. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen,
Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Koch, Petra Pau, Jens Petermann, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der US-Terrorlisten für EU-Bürger

US-Regierungsbehörden führen verschiedene Listen mit Namen von Terrorver-
dächtigen und als terroristisch eingestuften Organisationen (im folgenden Ter-
rorlisten). Die Listung kann Maßnahmen – angefangen von einer besonderen Si-
cherheitsüberprüfung bei der Einreise in die USA über die Visumsverweigerung
bis zur Einziehung von Vermögenswerten in den USA – mit sich bringen. Das
US-Außenministerium unterhält eine Liste ausländischer terroristischer Organi-
sationen, eine weitere solche Liste wird vom US-Finanzministerium geführt.
Die Terrorist Identities Datamart Environment (TIDE) der Bundespolizei FBI
(Federal Bureau of Investigation) im National Security Branch Analysis Center
(NSAC) in der Nähe von Washington listet die Namen von über 400 000 Ver-
dächtigen bei insgesamt einer Million Einträgen. Täglich wird die Liste nach
Angaben des FBI um 1 600 Einträge ergänzt. Weniger als 5 Prozent der Geliste-
ten sind US-Bürger oder legal in den USA lebende Ausländer (Washington Post,
1. November 2009). Unter Verantwortung der Transportation Security Adminis-
tration (TSA) als Teil des Departement of Homeland Security wird eine
„No-Fly“-Liste geführt, die nach FBI-Angaben 9 Prozent der in der zentralen
Datei gelisteten Personen umfasst sowie eine „electee“-Liste von Passagieren,
die sich besonderer Sicherheitsüberprüfungen vor Flügen unterziehen müssen.

Mehrfach waren EU-Bürger in den letzten Monaten von US-Einreise- oder
Überflugsverboten aufgrund ihrer Listung auf US-Terrorlisten betroffen. Am
19. August 2009 verweigerten US-Behörden einer von Paris nach Mexiko flie-
genden Passagiermaschine der Air France die Benutzung des US-amerikani-
schen Luftraums, weil sich der Name des darin reisenden Beraters der Links-
fraktion im Europaparlament GUE/NGL (European United Left/Nordic Green
Left – European Parlamentary Group), Paul-Emile Dupret, auf einer US-Terror-
liste befindet (www.sueddeutsche.de/reise/331/485754/text/).

Im September 2009 verweigerten die US-Behörden dem Verleger Karl Dietrich
Wolff aus Frankfurt am Main die Einreise. Sein bis 2010 gültiges Zehn-Jahres-
Visum sei angeblich schon 2003 widerrufen worden. Nach mehrstündigem Ver-
hör auf dem John-F.-Kennedy-Airport in New York musste er zurück nach Frank-
furt fliegen. Wolff war als ehemaliges Mitglied des SDS (Sozialistischer Deut-

scher Studentenbund), Studentenführer und Mitbegründer des „Black Panther
Solidaritätskomitees“ in Frankfurt am Main vom Vassar College als „historischer
Zeuge“ auf eine vom Deutschen Historischen Institut in Washington mit veran-
stalteten Konferenz über Bürgerrechte eingeladen (www.sueddeutsche.de/kultur/
726/489116/text/).

Drucksache 17/1113 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit der Begründung, sein Name stehe auf der No-Fly-Liste, wurde dem
Autor des Münsteraner Unrast-Verlages Gabriel Kuhn im Januar 2010 das
Visum für eine von März bis Mai 2010 terminierte Lesereise in die USA verwei-
gert. Kuhn ist Verfasser mehrerer Bücher über die linke Bewegung in den USA
(http://unrastwildcat.blogsport.de/2010/01/29/unrast-autor-wird-einreise-in-die-
usa-verweigert/).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Terrorlisten der US-Behörden sind der Bundesregierung bekannt
(bitte einzeln auflisten, um welche Listen es sich handelt, seit wann diese
bestehen, welche Daten sie umfassen und welche Behörden sie führen)?

2. Wie, von welchen Stellen und nach welchen Kriterien werden diese Listen
nach Kenntnis der Bundesregierung erstellt (bitte für jede Liste einzeln
nennen)?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung das System der US-Terrorlisten unter
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten?

4. Inwieweit haben deutsche Behörden Zugang zu den Daten der US-Terror-
listen?

5. Wie häufig haben deutsche Behörden bei US-Behörden seit 2001 (incl.) jähr-
lich um die Übermittlung von Daten aus den US-Terrorlisten ersucht?

a) Um welche deutschen Behörden (bitte Abteilung/Dienststelle angeben)
handelt es sich dabei?

b) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte das Ersuchen?

c) Welche Art von Daten wurde dabei angefordert?

d) Wie häufig wurde diesen Ersuchen stattgegeben bzw. wie häufig wurden
sie abgelehnt und mit welcher Begründung?

6. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen zu anderen Zwecken
weitergegebene Daten von US-Behörden in die Terrorlisten aufgenommen
wurden, und was unternimmt die Bundesregierung bei solchen bekannt ge-
wordenen datenschutzrechtlichen Verstößen durch US-Behörden?

7. Inwieweit tragen deutsche Behörden zur Erstellung der US-Terrorlisten bei?

Wie häufig haben US-Behörden bei deutschen Behörden seit 2001 (incl.)
jährlich um die Übermittlung von Daten aus den Dateibeständen ersucht, und
wie häufig wurde diesen Ersuchen stattgegeben (bitte die Rechtsgrundlage
angeben):

e) des BKA (Bundeskriminalamt),

f) der Bundespolizei,

g) des BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz),

h) des MAD (Militärischer Abschirmdienst),

i) des BND (Bundesnachrichtendienst)?

8. Welche Staaten gehören zu den von vom Leiter des Terrorist Screening
Centers, Leonard Boyle, in einer Anhörung 2007 genannten sechs alliierten
Staaten, mit denen Vereinbarungen zum Informationsaustausch getroffen
wurden, und ist die Bundesrepublik Deutschland einer dieser Staaten?

9. Für wie viele EU-Bürger existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Ein-
tragungen in den US-Terrorlisten, und wie viele davon sind Bundesbürger?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1113

10. Welche Auswirkungen kann die Auflistung auf den US-Terrorlisten nach
Kenntnis der Bundesregierung für EU-Bürger haben (bitte für jede bekannte
Liste einzeln aufführen)?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verweigerung der Überfluggenehmi-
gung für einen Air-France-Flug über US-Luftraum aufgrund des darin flie-
genden Passagiers Paul-Emile Dupret, dessen Name auf einer US-Terror-
liste genannt wird.

12. Was unternimmt die Bundesregierung, damit ein solches Vorkommnis wie
im Falle Dupret nicht auch Bundesbürgern passiert?

13. Welche Möglichkeiten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für Bun-
desbürger, herauszufinden, ob sie auf einer US-Terrorliste stehen?

14. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Bundesbürger nach Kenntnis der
Bundesregierung, um gegen seine Auflistung auf einer US-Terrorliste vor-
zugehen?

15. Inwieweit sieht die Bundesregierung in den US-Terrorlisten eine Einschrän-
kung der Grundrechte von Bundesbürgern?

Berlin, den 18. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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