BT-Drucksache 17/11068

Beteiligung deutscher Polizeien am EU-Projekt "iCOP" zur Entwicklung von Mustererkennung und Filtertechnologie für Tauschbörsen

Vom 16. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11068
17. Wahlperiode 16. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Ulla Jelpke,
Thomas Nord, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Alexander Ulrich und der Fraktion
DIE LINKE.

Beteiligung deutscher Polizeien am EU-Projekt „iCOP“ zur Entwicklung von
Mustererkennung und Filtertechnologie für Tauschbörsen

Bundes- und Landespolizeien nutzen Soft- und Hardware zur Mustererkennung
und Filterung von Bildern und Videos in polizeilichen Datenbeständen (Ant-
wort auf die Schriftliche Frage 15 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundes-
tagsdrucksache 17/8102). Eine Anwendung der Firma Cognitec Systems GmbH
wird etwa zum „Vergleich von Bildern mit dem digitalen Lichtbildbestand
des polizeilichen Informationssystems INPOL“ eingesetzt. Software der Firma
DotNetFabrik dient der „Computergestützte[n] Bildersuche bzw. Bildverglei-
che[n] im Bereich der Kriminalpolizeilichen Zentralstelle für Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen“. Ein ähnliches
System bekam das Bundeskriminalamt (BKA) angeblich „von Interpol zur
Verfügung gestellt“, um damit die von Interpol eingerichtete „Bilddatenbank
Kinderpornographie“ zu prozessieren. Mit ähnlichen Funktionalitäten nimmt
eine Software der Firma DigitEV GmbH einen „Vergleich von Videodateien
kinderpornographischen Inhalts“ vor. Die Software soll helfen, Inhalte zu filtern
und doppelte Dateien zu löschen.

Deutsche Polizeibehörden sowie das Fraunhofer-Institut „Deutsches Forschungs-
zentrum für Künstliche Intelligenz GmbH“ (DFKI) sind überdies an EU-Vorha-
ben beteiligt, die im Rahmen des Programms „Safer Internet“ gefördert werden.
Mit „Identifying and Catching Originators in P2P Networks“ (iCOP) wird eine
automatisierte Mustererkennung analysierter Bilder und Filtertechnologien für
Tauschbörsen im Internet entwickelt. Auch Interpol und die EU-Polizeiagentur
Europol sind an „iCOP“ beteiligt. Das DFKI arbeitete zuvor bereits im Pro-
gramm „Forensic Image and Video Examination“ (FIVES) mit. FIVES sollte
unter anderem eine Verhaltens- oder Trendanalyse durch die statistische Aus-
wertung von Daten entwickeln. An iCOP und FIVES waren bzw. sind Polizei-
behörden (etwa das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen) als anvisierte
„Endnutzer“ sowie zum Testen der entwickelten Umgebungen beteiligt.

In welchem Umfang derartige Anwendungen bereits genutzt werden, ist nicht
bekannt. Auch auf welche Datenquellen zugegriffen wird, ist unklar. Zu Kosten

für Beschaffung, Lizenz und Wartung existieren keine belastbaren Angaben.
Es kann angenommen werden, dass die Häufigkeit der Nutzung zunimmt. Die
„Bekämpfung von Kinderpornografie“ muss immer wieder als Argument zur
verstärkten Überwachung des Internets herhalten. Derart werden weitgehende
Filtertechnologien gefordert oder die automatisierte Mustererkennung in der
Strafverfolgung eingeführt. Möglich ist aber, dass die zur Bekämpfung von

Drucksache 17/11068 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bildern mit kinderpornografischem Inhalt entwickelte Soft- und Hardware
perspektivisch auch in anderen Kriminalitätsbereichen eingesetzt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Soft- und Hardware nutzen Bundes- und (soweit der Bundesregie-
rung aus der gemeinsamen Zusammenarbeit bekannt) Landesbehörden zur
Mustererkennung und Filterung von Bildern und Videos in polizeilichen
Datenbeständen?

a) Welche Soft- und Hardware wurde hierfür 2012 (auch zu Testzwecken)
beschafft?

b) Inwiefern stehen Bundesbehörden hierfür im Austausch mit Landes-
behörden?

c) In welchen Gremien oder gemeinsamen Arbeitsgruppen wurden dies-
bezügliche Anwendungen oder Forschungsvorhaben bereits thematisiert?

d) Inwiefern verarbeiten diese Anwendungen auch Audio-Daten?

2. Seit wann nutzen welche Behörden Software der Firma Cognitec zum
„Vergleich von Bildern mit dem digitalen Lichtbildbestand des polizei-
lichen Informationssystems INPOL“ (Bundestagsdrucksache 17/8102)?

a) Welche Kosten für Beschaffung, Lizenz und Wartung sind seitdem an-
gefallen?

b) In welchen Fällen kommt die Software zum Einsatz?

c) Auf welche Datenquellen wird dabei zugegriffen?

d) In wie vielen Ermittlungen ist die Software bislang genutzt worden, und
welche Ergebnisse wurden damit erzielt?

e) Inwieweit hat die Häufigkeit des Einsatzes der Software in den letzten
drei Jahren zugenommen?

f) Welche anderen Identifizierungsverfahren werden vor dem Einsatz der
Software genutzt?

3. Seit wann nutzen welche Behörden Software der Firma DotNetFabrik zur
„Computergestützte[n] Bildersuche bzw. Bildvergleiche im Bereich der
Kriminalpolizeilichen Zentralstelle für Straftaten gegen die sexuelle Selbst-
bestimmung von Kindern und Jugendlichen“ (Bundestagsdrucksache 17/
8102)?

a) Welche Kosten für Beschaffung, Lizenz und Wartung sind seitdem an-
gefallen?

b) In welchen Fällen kommt die Software zum Einsatz?

c) Auf welche Datenquellen wird dabei zugegriffen?

d) In wie vielen Ermittlungen ist die Software bislang genutzt worden, und
welche Ergebnisse wurden damit erzielt?

e) Inwieweit hat die Häufigkeit des Einsatzes der Software in den letzten
drei Jahren zugenommen?

f) Welche anderen Identifizierungsverfahren werden vor dem Einsatz der
Software genutzt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11068

4. Welche „von Interpol zur Verfügung gestellte Software im Zusammenhang
mit der von Interpol eingerichteten Bilddatenbank Kinderpornographie“
wird vom BKA (Bundestagsdrucksache 17/8102) genutzt?

a) Wann und zu welchem Anlass wurde die Software überlassen?

b) Über welche Funktionalitäten verfügt die Software?

c) Auf welche Datenquellen wird dabei zugegriffen?

5. Seit wann nutzen welche Behörden Software der Firma DigitEV GmbH zum
„Vergleich von Videodateien kinderpornographischen Inhalts“ (Bundestags-
drucksache 17/8102)?

a) Welche Kosten für Beschaffung, Lizenz und Wartung sind seitdem an-
gefallen?

b) In welchen Fällen kommt die Software zum Einsatz?

c) Auf welche Datenquellen wird dabei zugegriffen?

d) In wie vielen Ermittlungen ist die Software bislang genutzt worden, und
welche Ergebnisse wurden damit erzielt?

e) Inwieweit hat die Häufigkeit des Einsatzes der Software in den letzten
drei Jahren zugenommen?

f) Welche anderen Identifizierungsverfahren werden vor dem Einsatz der
Software genutzt?

6. Inwieweit existieren bei Bundesbehörden Überlegungen, Trojaner auf
Mobiltelefonen einzusetzen, die heimlich die Kamera aktivieren und Auf-
nahmen machen (siehe Futurezone, 30. September 2012)?

Wäre der Einsatz einer entsprechenden Anwendung, wie sie in einer
Forschungsarbeit des „US Naval Surface Warfare Center“ präsentiert wurde,
in Deutschland zulässig?

7. An welchen Forschungsprojekten sind die Bundespolizei oder das Bundes-
kriminalamt (BKA) auf nationaler Ebene oder auf Ebene der EU beteiligt,
innerhalb derer potentielle Sicherheitsrisiken durch die automatisierte Aus-
wertung von Video- und Audiodaten in Echtzeit oder nachträglich/retrograd
automatisiert ausgewertet werden?

a) Um welche Projekte handelt es sich, und worin besteht die deutsche Be-
teiligung?

b) In welchen Kriminalitätsbereichen können die Anwendungen nach Ein-
schätzung der beteiligten Polizeien womöglich genutzt werden?

c) Inwieweit sollen Anwendungen entwickelt werden, die auch eine com-
putergestützte Personenverfolgung in Echtzeit bewerkstelligt?

8. Inwieweit ist die European Financial Coalition (EFC) mit dem Aufspüren
verdächtiger Transaktionen hinsichtlich des Handels mit Bildern kinder-
pornografischen Inhalts befasst?

a) Welche Rolle spielt das Europäische Polizeiamt (Europol) in diesem Zu-
sammenhang?

b) Welche weiteren Behörden, Firmen, Dienstleister oder sonstigen Organi-
sationen sind Teil der EFC?

c) Inwieweit sind deutsche Behörden in die Arbeit der EFC involviert?

9. Worin besteht der „Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter“, der unter
anderem mit dem Europol entwickelt wurde?

Drucksache 17/11068 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

10. Was ist die Aufgabe des Projekts „Circamp“, und mit welchem Personal,
welcher Zielsetzung und welchen Aufgaben nehmen deutsche Behörden
daran teil?

11. Mit welchem Personal und welcher Zielsetzung ist die Bundesregierung an
der „Global Alliance against Child Sexual Abuse Online“ beteiligt?

a) Inwieweit trifft es zu, dass die „Global Alliance against Child Sexual
Abuse Online“ letztlich aus einer Verabredung innerhalb der „EU-US
Working Group on Cyber-security and Cybercrime“ hervorgeht?

b) Welche Behörden, Institute oder Firmen sind an der „Global Alliance
against Child Sexual Abuse Online“ bislang beteiligt, bzw. welche
weitere Beteiligung ist anvisiert?

12. Mit welchem Personal und welcher Zielsetzung wird die Bundesregierung
an der „Virtual Global Taskforce Conference 2012“ im Dezember 2012 in
Abu Dhabi teilnehmen?

13. Worin besteht die Zielsetzung des von der EU im Rahmen des Programms
„Safer Internet“ geförderten Projekts „iCOP“?

a) Aus welchen Mitteln wird das Vorhaben gefördert?

b) Worin besteht nach Ansicht der Bundesregierung der Bedarf nach inner-
halb von „iCOP“ entwickelten Anwendungen?

c) Inwieweit werden innerhalb von „iCOP“ Filtertechnologien oder Ver-
fahren der Mustererkennung entwickelt oder genutzt?

d) Welche Daten bzw. Datenströme sollen derart gefiltert oder prozessiert
werden?

14. Welche Mittel stehen für das Programm „Safer Internet“ zur Verfügung,
wofür wurden diese bereits ausgegeben, und welche weitere Verwendung
ist geplant?

15. Welche Treffen von „iCOP“ haben unter deutscher Beteiligung stattgefun-
den, und welche Tagesordnung ist der Bundesregierung hierzu bekannt?

a) Welche deutschen Behörden oder Institutionen sind mit welchen Abtei-
lungen unter wessen Leitung an „iCOP“ beteiligt?

b) Welche Beiträge wurden von diesen bereits erbracht?

c) Worin besteht nach Kenntnis der Bundesregierung der Beitrag des
Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz GmbH
(DFKI)?

d) Inwiefern steht das DFKI mit Behörden des Bundesministeriums des
Innern im Austausch zur Entwicklung oder Nutzung von forensischer
Software zur automatisierten Suche nach Videomaterial mit pornografi-
schem Inhalt?

16. Welche weiteren Behörden, Firmen oder sonstigen Stellen welcher Länder
sind mit welchen Aufgaben an „iCOP“ beteiligt, und welche Beiträge wur-
den hierfür bereits erbracht?

Worin besteht die Mitarbeit beteiligter nationaler und supranationaler
Polizeiorganisationen in „iCOP“, und welche Beiträge wurden hierfür
bereits erbracht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11068

17. Inwieweit soll innerhalb von „iCOP“ auch eine Verhaltens- oder Trend-
analyse entwickelt werden, und welche Diskussionen oder Arbeiten sind
hierzu bereits erfolgt?

a) Wie werden derart automatisiert gefundene Zusammenhänge nach
jetzigem Stand innerhalb von „iCOP“ weiter prozessiert?

b) Nach welchen Verfahren werden gefundene Materialien weiter klassifi-
ziert?

c) Inwieweit kommen hierfür Verfahren der Mustererkennung zum Einsatz
bzw. wurden vorgeschlagen?

d) Welche Firmen haben hierfür Anwendungen beigesteuert oder bei deren
Entwicklung geholfen?

18. Worin bestand die Zielsetzung des von der EU im Rahmen des Programms
„Safer Internet plus“ geförderten Projekts FIVES?

a) Mit welchen Mitteln wurde das Vorhaben gefördert?

b) Worin bestand nach Ansicht der Bundesregierung der Bedarf nach in-
nerhalb von „FIVES“ entwickelten Anwendungen?

c) Inwieweit wurden innerhalb von „FIVES“ Filtertechnologien oder Ver-
fahren der Mustererkennung entwickelt oder genutzt?

d) Welche Daten bzw. Datenströme sollen derart gefiltert oder prozessiert
werden?

19. Welche Treffen von „FIVES“ haben unter deutscher Beteiligung statt-
gefunden, und welche Tagesordnung ist der Bundesregierung hierzu be-
kannt?

a) Welche deutschen Behörden oder Institutionen waren an „FIVES“ be-
teiligt?

b) Welche Beiträge wurden von diesen erbracht?

c) Worin besteht nach Kenntnis der Bundesregierung der Beitrag des DFKI?

d) Inwieweit waren oder sind Bundesbehörden innerhalb von „FIVES“
bzw. anderen Vorhaben an Forschungen zur Nutzung von „Internet lin-
guistic profiling“ (ILP) zur Strafverfolgung beteiligt?

20. Welche weiteren Behörden, Firmen oder sonstigen Stellen welcher Länder
waren mit welchen Aufgaben an „FIVES“ beteiligt, und welche Beiträge
wurden hierfür erbracht?

a) Worin besteht die Mitarbeit beteiligter nationaler und supranationaler
Polizeiorganisationen in „FIVES“, und welche Beiträge wurden hierfür
erbracht?

b) Welche weiteren Behörden oder sonstige Stellen waren bei „FIVES“ als
„Berater“ oder „Endnutzer“ geführt, und welche Beiträge erbrachten
diese hierfür?

Drucksache 17/11068 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

21. Inwieweit wurde innerhalb von „FIVES“ auch eine Verhaltens- oder Trend-
analyse entwickelt?

a) Wie wurden derart automatisiert gefundene Zusammenhänge innerhalb
der Arbeiten von „FIVES“ weiter prozessiert?

b) Inwieweit kamen innerhalb von „FIVES“ Verfahren der Muster-
erkennung zum Einsatz bzw. wurden vorgeschlagen?

c) Welche Firmen haben hierfür Anwendungen beigesteuert oder bei deren
Entwicklung geholfen?

Berlin, den 16. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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