BT-Drucksache 17/11064

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10037, 17/10123, 17/11046 - Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen (Wissenschaftsfreiheitsgesetz - WissFG)

Vom 17. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11064
17. Wahlperiode 17. 10. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, Herbert Behrens,
Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10037, 17/10123, 17/11046 –

Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen
Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen
(Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Gesetz zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen
außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen wird der Verantwortung des
Bundes für eine nachhaltige Steuerung und Gestaltung der deutschen For-
schungslandschaft nicht gerecht. Die öffentliche Hand zieht sich aus der Detail-
steuerung der Forschungseinrichtungen zurück, ohne die entstehende Verant-
wortungslücke durch ein transparentes und effizientes System der Ziel- und
Leistungsgestaltung zu füllen. Die innere Demokratisierung der Institute und
Einrichtungen wird durch die Deregulierung ebenso wenig vorangebracht wie
ein konstruktiver Dialog der Wissenschaft mit der Gesellschaft über die For-
schungsfragen von morgen. Die Bundesregierung versäumt es, dem Prozess der
Überwindung historischer Grenzen zwischen außeruniversitärer und universitä-
rer Forschung Rahmen und Ziel zu setzen.

Das grundgesetzlich geschützte Gut der Wissenschaftsfreiheit wird durch das
Gesetz nicht befördert. So sieht der Entwurf nicht mehr Selbständigkeit für die
große Gruppe angestellter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Mittel-
bau- und Nachwuchsbereich vor. Diese sind zu mehr als drei Vierteln auf be-
fristeten Stellen mit zumeist geringer wissenschaftlicher Eigenständigkeit und
unklarer Berufsperspektive beschäftigt. Der ersatzlose Wegfall von Stellen-
plänen birgt die Gefahr des weiteren Abbaus unbefristeter, selbständiger Ar-
beitsmöglichkeiten für Forscherinnen und Forscher zugunsten von Haushalts-
flexibilität.
Wissenschaftsfreiheit bleibt auf diese Weise ein Privileg weniger leitender
Professorinnen und Professoren. Vor allem für diese Gruppe sollen durch das
Gesetz die Gehälter aus privaten und ausländischen Drittmitteln über das im
öffentlichen Dienst erreichbare Niveau gesteigert werden dürfen. Diese Mög-
lichkeit wird jedoch Personalgruppen verwehrt, die als technisches oder admi-
nistratives Personal für moderne, kollektive Forschungsprozesse unerlässlich

Drucksache 17/11064 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sind. Zudem benachteiligt eine solche Regelung weniger marktnahe For-
schungsfelder wie die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften.

Das Gesetz trägt weder zu einer nachhaltigen Personalentwicklung und -struk-
tur noch zur Absicherung der wissenschaftlichen Qualifikationswege und Be-
rufschancen in der Forschung etwas bei. Neben Quotenregelungen wäre „Gute
Arbeit“ auch ein entscheidender Hebel zur Verbesserung der Gleichstellung
von Frauen in der Forschung. Die Bundesregierung hat mit diesem Gesetz trotz
eines Auftrages durch den Deutschen Bundestag eine wichtige Chance ver-
passt, die prekäre Situation von nichtbeamteten Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftlern zu verbessern und die Attraktivität des Berufsfeldes zu steigern.

Ein Bundesgesetz für die außeruniversitäre Forschung darf nicht bei kleinteili-
gen Deregulierungsschritten stehen bleiben. Es muss

• die Anforderungen der Gesellschaft an die Wissenschaft definieren und die
Freiheit der Forschung absichern,

• Profile und nachhaltige Steuerungs- sowie Finanzierungsinstrumente für die
verschiedenen Forschungsorganisationen beschreiben, um die notwendige
Planungssicherheit für die Wissenschaftseinrichtungen zu gewährleisten,

• Regeln für die innere Struktur der Einrichtungen, etwa für eine bessere Mit-
bestimmung und Partizipation in der Forschung, aufstellen,

• politische Anreize für die Weiterentwicklung von Forschung und Wissen-
schaft, beispielsweise im Personal- und Gleichstellungsbereich oder im Wis-
senstransfer, setzen und

• einen Weg für einen kooperativen Wissenschaftsföderalismus vorbereiten,
indem mit den Ländern einvernehmliche Lösungen für eine Überwindung
der Versäulung des deutschen Wissenschaftssystems gesetzlich eingerahmt
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

gemeinsam mit den Ländern in einen Dialog über die Zukunft der außeruniver-
sitären Wissenschaftslandschaft und im Ergebnis den Entwurf eines Bundesge-
setzes für die außeruniversitäre Forschung vorzulegen.

Berlin, den 16. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die außeruniversitäre Forschung hat in den vergangenen Jahren durch starke
Mittelaufwüchse im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation und des
Drittmittelbooms, aber auch durch die strukturelle Schwäche der Hochschulen
stark an Bedeutung im Wissenschaftssystem gewonnen. Die Institute und
Akademien verausgabten im Jahr 2010 bereits 14,8 Prozent des gesamten Bud-
gets für Forschung und Entwicklung (FuE), während die Hochschulen nur noch
18 Prozent Deutschlands beitrugen. Diese Schlüsselrolle wird durch die poli-
tisch forcierte Aufhebung der Grenzen zwischen außeruniversitärer Forschung
und den Hochschulen etwa im Rahmen der Exzellenzinitiative oder der Deut-
schen Zentren für Gesundheitsforschung verstärkt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11064

Der Bundesrechnungshof hat die Schaffung eines adäquaten Controllings sowie
transparente, effektive Steuerungsprozesse angemahnt und in diesem Zusam-
menhang vor weiteren Liberalisierungsschritten insbesondere bei Gehältern,
Selbstbewirtschaftungsmitteln und Beteiligung von Forschungseinrichtungen
an Unternehmen gewarnt. Die bisherige Steuerung der Forschungsorganisatio-
nen auf untergesetzlicher Ebene und durch das intransparente Zusammenspiel
von Ministerialverwaltung und Forschungsmanagement ist nicht mehr zeit-
gemäß und bleibt weit hinter entsprechenden Regel- und Steuerungsinstrumen-
ten im Hochschulbereich auf Länderebene zurück.

Derzeit wird die Neugestaltung des Wissenschafts- und Bildungsföderalismus
nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative, des Hochschulpaktes sowie des
Paktes für Forschung und Innovation diskutiert. Die Schaffung eines gesetz-
lichen Rahmens für die außeruniversitäre Forschung sollte Teil dieser Diskus-
sion werden.

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