BT-Drucksache 17/11043

Das System der Verwertungsgesellschaften grundlegend modernisieren

Vom 17. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11043
17. Wahlperiode 17. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Herbert Behrens,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Petra Pau, Ingrid Remmers, Kathrin Senger-Schäfer,
Raju Sharma, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Das System der Verwertungsgesellschaften grundlegend modernisieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die deutschen Verwertungsgesellschaften geraten zunehmend in die Kritik
einer über Fachgrenzen hinausgehenden breiteren Öffentlichkeit. Jüngst führte
die von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Ver-
vielfältigungsrechte (GEMA) im Bundesanzeiger – zunächst mit Datum vom
13. April 2011, sodann erneut und verändert mit Datum vom 3. August 2012 –
veröffentlichte Tarifreform für Musikveranstalter zu einer Welle des Protests, in
der sich zahlreiche Clubbesucherinnen und Clubbesucher mit den Veranstaltern
solidarisierten. Letztere sehen enorme Gebührenerhöhungen auf sich zukom-
men und befürchten in vielen Fällen den Ruin von Musikkneipen, Clubs und
Diskotheken. Offensichtlich sind mit der Tarifreform in vielen Fällen erhebli-
che Gebührenerhöhungen zu erwarten. Die GEMA hingegen sieht in der Reform
eine notwendige „Tariflinearisierung“, die, ohne dies anhand empirischer Zahlen
zu belegen, kleinere Veranstalter besserstelle und generell eine vereinfachte,
nachvollziehbarere und gerechtere Lizenzierung ermögliche. Doch sind auch die
Veranstalter von Vereins- und Straßenfesten, Bällen, Partys, Silvester- sowie
Tanzveranstaltungen von der Reform betroffen. Erschwerend kommt ferner hinzu,
dass auch die GESELLSCHAFT ZUR VERWERTUNG VON LEISTUNGS-
SCHUTZRECHTEN mbH (GVL), die die Rechte der ausübenden Künstlerin-
nen und Künstler, Musikerinnen und Musiker, Sängerinnen und Sänger sowie
Tonträgerhersteller vertritt, eine Verfünffachung ihrer urheberrechtlichen Ge-
bühren fordert. Der GVL-Tarif wird als Zuschlag auf den GEMA-Tarif erhoben
und ist streitig vor dem Oberlandesgericht München. Eine von der Schiedsstelle
vorgeschlagene Erhöhung des Tarifs um 50 Prozent auf dann 30 Prozent des
GEMA-Tarifes wurde von den Streitparteien nicht akzeptiert.

Der Konflikt um die GEMA-Tarife allerdings ist nur ein Symptom einer zu
konstatierenden Krise des Systems der Verwertungsgesellschaften. Von vielen
Wahrnehmungsberechtigten werden die Verteilungspläne und die Modalitäten
der Beschlussfassung innerhalb der Verwertungsgesellschaften selbst als in-

transparent empfunden. Gerätehersteller kritisieren, dass sie nicht differenziert
genug über die nach Produktgruppen und Tarifen differierenden Gesamteinnah-
men aus der Pauschalvergütung für Festplatten, USB-Sticks, Mobiltelefone
u. v. m. sowie damit verbundene administrative Kosten informiert werden. So-
wohl bei den Einnahmen als auch bei der Verteilung der Gelder mangelt es
offenbar an Klarheit. Auf der Einnahmenseite liegt ein wesentlicher Grund für
diese Intransparenz darin begründet, dass die Zentralstelle für private Überspie-

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lungsrechte (ZPÜ), die als zentrale Inkassostelle von insgesamt acht Verwer-
tungsgesellschaften fungiert, weder Zahlen noch Geschäftsberichte veröffent-
licht. Obwohl sie sämtliche Vergütungsansprüche gegenüber den Geräteherstel-
lern und -importeuren und gegenüber den Leermedienherstellern und -impor-
teuren geltend macht und das Aufkommen an die Verwertungsgesellschaften
weiterleitet, veröffentlicht sie keine eigenen Geschäftsberichte oder ähnliche
Dokumente, aus denen ihre Einnahme- und Verteilungspraxis direkt hervor-
geht. Als Gesellschaft von Verwertungsgesellschaften wird sie in der Praxis als
eine Abteilung der GEMA geführt. Die Entwicklung des Vergütungsaufkom-
mens kann daher nur über die Geschäftsberichte der einzelnen Verwertungsge-
sellschaften nachvollzogen werden, was mühsam und aufwändig ist. Es fehlt in
diesen Berichten zumeist auch an plausiblen Erklärungen für häufig vorkom-
mende starke Schwankungen im Vergütungsaufkommen. Mutmaßlich sind
diese auf gerichtliche Auseinandersetzungen infolge der Einführung des neuen
Vergütungssystems Anfang 2008 zurückzuführen. Da seither die Vergütungen
nicht mehr gesetzlich festgelegt werden, sondern sich deren Höhe danach be-
misst, „in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich
für Vervielfältigungen“ (§ 54a Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes) im Rahmen
der Privatkopie genutzt werden, kommt es immer wieder zu gerichtlichen Aus-
einandersetzungen. Infolgedessen sind Zahlungen häufig über Jahre hinweg
blockiert; zugleich kommt es zu unregelmäßigen Nachzahlungen. Wie sich das
Vergütungsaufkommen für bestimmte Geräte oder Leermedien entwickelt, ist
aufgrund der restriktiven Informationspolitik der ZPÜ praktisch nicht nachvoll-
ziehbar.

Insbesondere die GEMA ist aufgrund der Intransparenz ihrer Ausschüttungen
in der Vergangenheit mehrfach stark kritisiert worden. Besonders das soge-
nannte PRO-Verfahren, bei dem Gelder entsprechend der Meldung von Live-
Auftritten im Einzugsbereich verschiedener GEMA-Bezirksdirektionen gemel-
det werden, gilt als undurchsichtig und manipulationsanfällig. Zwar beschloss
die Verwertungsgesellschaft auf ihrer Mitgliederversammlung im Juni 2012,
auf das Hochrechnungsverfahren PRO in Zukunft zu verzichten. Doch ist unge-
wiss, ob künftig insbesondere selbstaufführende Urheberinnen und Urheber aus
dem semiprofessionellen Bereich, bei dem bis zu 90 Prozent der von den Ver-
anstaltern für die Urheberinnen und Urheber an die GEMA abgeführten
Lizenzvergütungen bei der Ausschüttung nicht an diese zurückfließen, besser-
gestellt werden. Die GEMA, aber auch die als nicht adäquat betrachtete Staats-
aufsicht über die Verwertungsgesellschaften durch das Deutsche Patent- und
Markenamt (DPMA) ist Gegenstand zahlreicher Eingaben und Petitionen an
den Deutschen Bundestag. Kritisiert wird ferner die undemokratische Binnen-
struktur der GEMA. Sie unterscheidet zwischen ordentlichen, außerordentli-
chen und angeschlossenen Mitgliedern. Bei den Ausschüttungen der Verwer-
tungsgesellschaft zeigt sich entsprechend die Tendenz, dass die verhältnismä-
ßig kleine Gruppe der ordentlichen Mitglieder einen immer größeren Anteil der
Ausschüttungen erhält, während auf die außerordentlichen und angeschlosse-
nen Mitglieder immer weniger Geld entfällt. Im Falle sinkender Einnahmen
zeichnet sich eine ähnliche Tendenz ab: Ordentliche Mitglieder müssen dann
bei der Ausschüttung weit geringere Einbußen hinnehmen als außerordentliche
und angeschlossene (Arbeit 2.0: Urheberrecht und kreatives Schaffen in der di-
gitalen Welt. Eine Untersuchung zur urheberrechtlichen Erwerbsarbeit in fünf
Schlüsselbranchen. Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin.
Projektleitung: Wolfgang Coy, Volker Grassmuck. Berlin 2009, S. 69/70).
Durch die geringere Repräsentanz der außerordentlichen und angeschlossenen
Mitglieder in den Gremien der GEMA sind diese beiden Gruppen auch struktu-
rell gegenüber den ordentlichen Mitgliedern benachteiligt.
Eklatante Demokratiedefizite in der Binnenstruktur sind kein Spezifikum der
GEMA. Sie bestehen in einer Vielzahl der Verwertungsgesellschaften. Exemp-

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larisch ebenso zu benennen ist die Verwertungsgesellschaft der Film- und Fern-
sehproduzenten (VFF) mbH. Sie ist als GmbH organisiert und vertritt die
Rechte der Auftragsproduzenten sowie der öffentlich-rechtlichen und privaten
Rundfunkanstalten einschließlich von deren Tochterfirmen. Ein Großteil der
Wahrnehmungsberechtigten allerdings lässt sich nicht freiwillig von der Ver-
wertungsgesellschaft vertreten, sondern wird durch die sogenannte VFF-Klau-
sel der Fernsehanstalten vertraglich verpflichtet, die Rechte von der VFF wahr-
nehmen zu lassen. In den Gremien dominieren die Sender und ihre großen Pro-
duktionsfirmen. Der Einfluss der kleineren und mittleren Produzenten auf Ent-
scheidungen der Gesellschafterversammlung sowie die Wahl des Beirats ist
verschwindend gering. „Faktisch werden mehr als 90 Prozent der Wahrneh-
mungsberechtigten von der Mitwirkung ausgeschlossen“ (Enquete-Kommis-
sion „Kultur in Deutschland“, Stellungnahme von Prof. Dr. Thomas Hoeren,
Kommissionsdrucksache 16/240, S. 8), mit entsprechenden Folgewirkungen im
Hinblick auf Benachteiligungen bei der Erlösverteilung. Nach Auffassung der
Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) wurde den Auftragsproduzen-
ten auf diese Weise ein Anteil von 7,5 Mio. Euro an den Ausschüttungen für
das Jahr 2011 vorenthalten. Mit Urteil vom 8. August 2012 hat das Landgericht
Leipzig (Az.: 05 O 3921/09) dieser Praxis nun eine Absage erteilt. Die VFF-
Klausel, beschied das Gericht, beeinträchtige die Entscheidungsfreiheit des
Produzenten über die Auswahl der Verwertungsgesellschaft und unterlaufe die
ausschließlich für Urheberinnen und Urheber sowie Filmherstellerinnen und
Filmhersteller vorgesehenen gesetzlichen Vergütungsansprüche.

Auch die Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) praktiziert ungleiche
Mitbestimmungsmöglichkeiten in ihren Organen und nicht durchgängig will-
kürfreie Ausschüttungen an die in ihr organisierten Kategorien von Berechtig-
ten. Sie unterscheidet zwischen Mitgliedern im vereinsrechtlichen Sinne, die
zugleich Wahrnehmungsberechtigte sind, Wahrnehmungsberechtigten und Be-
zugsberechtigten. Letztere seien – so die Verwertungsgesellschaft apodiktisch –
am Vereinsleben nicht interessiert (Schlussbericht der Enquete-Kommission
„Kultur in Deutschland“, Bundestagsdrucksache 16/7000, S. 237). Zuletzt be-
schied das Landgericht München I, dass die VG WORT mit ihren Verteilungs-
plänen „gegen das in § 7 UrhWG (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz) nieder-
gelegte Willkürverbot“ verstößt und „der Abzug eines Verlegeranteils und die
Ausschüttungen an Berufsvereinigungen gemäß § 12 der Verteilungspläne Wis-
senschaft zu Unrecht erfolgten“ (Az.: 7 O 28640/11). Das Urteil, das Auswir-
kungen auch auf die Verteilungspraxis anderer Verwertungsgesellschaften ha-
ben kann, hat zudem erneut deutlich gemacht, dass das DPMA seine Funktion
als Aufsichtsbehörde über die Verwertungsgesellschaften nicht wirksam erfüllt.
Eine rühmliche Ausnahme hingegen bildet die VG BILD-KUNST. Dort ist,
ohne jedwede Beschränkungen nach Dauer der Mitgliedschaft oder Höhe der
erhaltenen Beträge, jeder Urheber zugleich Mitglied. Über alle wesentlichen
Fragen entscheiden die Mitglieder mit gleichem Stimmgewicht – zusätzlich mit
der Möglichkeit, das Stimmrecht auf andere Mitglieder oder eine Berufsorgani-
sation zu übertragen.

Das System der kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutz-
rechten sieht sich darüber hinaus unter den Bedingungen der Digitalisierung
und damit einhergehenden neuen Formen von Produktion, Distribution und
Marketing urheberrechtlicher Werke einer veränderten Umwelt ausgesetzt. Ins-
besondere Nachwuchsurheberinnen und Nachwuchsurheber, die sich über das
Internet selbst vermarkten wollen, um dort Interessenten für ihre Musik zu fin-
den, kritisieren, dass die Regelungen der GEMA auf den traditionellen Musik-
markt zugeschnitten sind und sie in ihrer Entwicklung behindern. Neue Mög-
lichkeiten, die den Interessen moderner Urheberinnen und Urheber in Form von

verbesserten kostenfreien Streaming-Angeboten und durch die Zulassung von
nichtkommerziellen Creative-Commons-Lizenzen gerecht werden, werden von

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der GEMA behindert. Zudem gilt auch für nichtkommerzielle Werke die soge-
nannte GEMA-Vermutung.

Auch in der modernen Informationsgesellschaft bleibt die kollektive Wahrneh-
mung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten unentbehrlich. Ver-
wertungsgesellschaften ziehen im Namen der Werkschaffenden Tantiemen ein,
setzen ihre Rechte durch und sichern so deren Existenzgrundlage. Ohne sie hät-
ten die Kreativen zumindest keinen unmittelbaren Zugang zu den Nutzungsin-
teressenten und häufig keine Kenntnis von gesetzlich zulässigen Nutzungsvor-
gängen. In der Realität allerdings erweist sich das System der Verwertungsge-
sellschaften als zunehmend innovations- und nachhaltig demokratieresistent.
Es bedarf dringender Reform.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unverzüglich eine Novellierung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes
vorzulegen und Verwertungsgesellschaften grundlegende demokratische
Binnenstrukturen verpflichtend vorzuschreiben, indem

– die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb durch Aufnahme aller Berechtigten
als Mitglieder sowie die Bildung von Aufsichtsrat, Ausschüssen und Gre-
mien in allgemeinen und gleichen Wahlen durch die Berechtigten erteilt,
versagt oder widerrufen werden,

– zusätzlich die Ausübung von Rechten durch die Berechtigten auch auf
elektronischem Wege sowie die Übertragung des Stimmrechts auf andere
Berechtigte oder eine Berufsorganisation ermöglicht werden,

– ab einem 10 Prozent erreichenden Stimmenanteil Minderheitenrechte zur
Überprüfung der Vereinbarkeit des Geschäftsbetriebs mit dem gesetz-
lichen Wahrnehmungsauftrag vorzusehen sind;

2. die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften nach dem Urheberrechts-
wahrnehmungsgesetz bei einer Regulierungsbehörde des Bundes anzusie-
deln, diese mit den erforderlichen personellen Ressourcen auszustatten und
ihr verbindlich vorzuschreiben, sich nicht auf eine Evidenzkontrolle zu be-
schränken, sondern auch im Einzelfall zu kontrollieren, dass die Verwer-
tungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß
nachkommen;

3. den Inhalt der Aufsicht nach dem Urheberechtswahrnehmungsgesetz so zu
erweitern, dass eine Überprüfung und Billigung der Tarife vor deren Auf-
stellung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch die Aufsichtsbe-
hörde erfolgen, und dieses Verfahren auch auf die Tarife für Geräte und
Speichermedien anzuwenden;

4. den Inhalt der Aufsicht nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz so zu
erweitern, dass die Verwertungsgesellschaften bei ihren Ausschüttungen
nicht gegen das Treuhandgebot und den Willkürgrundsatz verstoßen können
und die gesetzlichen Vergütungsansprüche, die nach dem Recht der Euro-
päischen Union unverzichtbar sind, den originären Rechteinhaberinnen und
Rechteinhabern zugewiesen werden;

5. im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz für Verwertungsgesellschaften sowie
deren Tochtergesellschaften und Zusammenschlüsse verbindliche Transpa-
renzpflichten vorzuschreiben, so dass die einzelnen Rechteinhaber mindes-
tens einmal jährlich in elektronischer Form über die an sie entrichteten
Beträge und etwaigen Abzüge informiert werden, so dass sie gegenüber
Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern sowie Nutzerinnen und Nutzern in
elektronischer Form ihr genaues Repertoire sowie ihre Regelungen in Bezug

auf Gebühren, Abzüge und Tarife offenlegen und in geeigneter Form alle für
ihre Organisation und Tätigkeit unerlässlichen Informationen bereitstellen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11043

6. im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz verbindlich festzuschreiben, dass die
Möglichkeit, Rechte für nichtgewerbliche Zwecke selbst wahrzunehmen,
durch die Verwertungsgesellschaften nicht ausgeschlossen werden darf;

7. im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz festzuschreiben, dass eine regel-
mäßige, unabhängige Überprüfung des wahrgenommenen Repertoires ein-
zelner Verwertungsgesellschaften in Form von repräsentativen Stichproben
nach Genres erfolgt und die sogenannte GEMA-Vermutung dann zur An-
wendung gelangt, wenn mehr als 95 Prozent der Werke eines Genres durch
eine Verwertungsgesellschaft vermarktet werden und diese damit ein Ver-
wertungsmonopol für sich in Anspruch nehmen kann, während im Falle der
Aufführung von Mischrepertoires Lizenzabrechnungen an die unterschied-
lichen Wahrnehmungsberechtigten zeitnah erfolgen sollen.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Bislang ist die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft
nicht an die Gewährleistung grundlegender demokratischer Binnenstrukturen
auf Basis von allgemeinen und gleichen Wahlen geknüpft. § 2 UrhWG normiert
die formellen Voraussetzungen der Erlaubniserteilung im Wesentlichen auf das
Vorliegen einer Satzung. Entsprechend besteht nach den §§ 3 und 4 UrhWG
weder ein Grund den Geschäftsbetrieb zu versagen noch diesen zu widerrufen,
sollten Verwertungsgesellschaften in ihren Satzungsbestimmungen lediglich
einen abgestuften Mitbestimmungseinfluss der Berechtigten vorsehen. In § 6
Absatz 2 UrhWG wird zudem ausdrücklich zwischen Berechtigten, die die Ver-
wertungsgesellschaft nicht als Mitglieder aufnimmt, und Mitgliedern unter-
schieden.

Konkret besteht eine Unterscheidung von verschiedenen Kategorien von Be-
rechtigten und Mitgliedern in der überwiegenden Zahl der Verwertungsgesell-
schaften. Die GEMA beispielsweise differenziert in ihrer Satzung zwischen
ordentlichen, außerordentlichen und angeschlossenen Mitgliedern, wobei nur
ordentliche Mitglieder ein uneingeschränktes Stimmrecht besitzen sowie außer-
ordentliche und angeschlossene Mitglieder einander gleichgestellt sind. Dem-
nach verfügen alle 3 414 ordentlichen Mitglieder über Stimmrecht in der Mit-
gliederversammlung, während die 6 435 außerordentlichen und 54 929 ange-
schlossenen Mitglieder (Stand: 31. Dezember 2010) seit Juni 2011 von 64 De-
legierten (zuvor 34) vertreten werden. In der Mitgliederversammlung besitzen
zudem nur die ordentlichen Mitglieder das aktive und passive Wahlrecht. Den
Delegierten ist letzteres verwehrt, sie sind daher nicht wählbar. Der Mitglieder-
versammlung wiederum obliegt die Wahl des Aufsichtsrats sowie der in die Zu-
ständigkeit der Mitgliederversammlung fallenden Ausschüsse und Kommis-
sionen. Zudem entscheidet sie über Änderungen der Satzung, des Berechti-
gungsvertrages und des Verteilungsplanes. De facto sind die außerordentlichen
und angeschlossenen Mitglieder von einer Mitbestimmung über den Geschäfts-
betrieb ausgeschlossen und in jenen Gremien, die über Tarife und Verteilung
entscheiden, nicht vertreten. Entsprechend erhalten 3 414 ordentliche Mitglie-

der zwei Drittel und 61 364 außerordentliche und angeschlossene Mitglieder
weniger als ein Drittel der Ausschüttungen. Im Jahr 2010 etwa gingen

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64,23 Prozent der Ausschüttungen an GEMA-Wahrnehmungsberechtigte an
ordentliche Mitglieder, 4,84 Prozent an außerordentliche Mitglieder, 24,11 Pro-
zent an angeschlossene Mitglieder und 6,82 Prozent an Rechtsnachfolger. Auch
können laut Satzung in der Regel nur ordentliche Mitglieder und deren Hinter-
bliebene einmalige oder wiederkehrende Leistungen aus der GEMA-Sozial-
kasse erhalten, obgleich diese Leistungen durch die Solidargemeinschaft aller
GEMA-Wahrnehmungsberechtigten ermöglicht wird (alle Angaben nach:
GEMA Jahrbuch 2011/2012).

Als der Deutsche Bundestag 1965 das UrhWG verabschiedete, fand er diese
vordemokratischen Zustände allerdings bereits vor. Zur Ausgestaltung des Ge-
setzes dienten die bestehenden Verwertungsgesellschaften GEMA und VG
WORT als Vorbild. Der Gesetzgeber knüpfte das Recht zur Einflussnahme der
Wahrnehmungsberechtigten ausdrücklich, wenngleich abstrakt, an die Bedeu-
tung der Rechte, die die Berechtigten in eine Verwertungsgesellschaft einbrin-
gen. Müssten allen Berechtigten die vollen Mitgliedschaftsrechte gewährt wer-
den, hieß es seinerzeit in der Begründung des Gesetzentwurfs, würden diese die
kleine Zahl der Mitglieder, die das wirtschaftliche Fundament einer Verwer-
tungsgesellschaft bildeten, majorisieren (Amtliche Begründung, Bundestags-
drucksache IV/271, S. 16). Das war damals so grundfalsch wie heute. Es ent-
spricht in Logik und Demokratieauslassung den Bedingungen des Dreiklassen-
wahlrechts in Preußen, dessen Grundlage das Aufkommen der direkten Staats-
steuern und ein entsprechend abgestuftes Stimmengewicht nach Steuerleistung
bildeten, und verweist insofern auf Zustände aus den historischen Anfängen der
Verwertungsgesellschaften als Tantiemenbewegung im ausgehenden 19. Jahr-
hundert.

Die VG BILD-KUNST hingegen belegt, dass grundlegende demokratische
Binnenstrukturen mit der Funktion und Aufgabenstellung von Verwertungsge-
sellschaften vereinbar sind. Dort ist, ohne jedwede Beschränkungen nach
Dauer der Mitgliedschaft oder Höhe der erhaltenen Beträge, jeder Urheber zu-
gleich Mitglied. Über alle wesentlichen Fragen entscheiden die Mitglieder mit
gleichem Stimmgewicht – zusätzlich mit der Möglichkeit, das Stimmrecht auf
andere Mitglieder oder eine Berufsorganisation zu übertragen. Einlassungen,
eine Verwertungsgesellschaft mit 65 000 gleichberechtigten Mitgliedern sei
weder handlungsfähig noch organisierbar, sind nicht stichhaltig. Wiederum be-
legt die VG BILD-KUNST mit im Jahr 2011 50 931 Mitgliedern (VG BILD-
KUNST, Geschäftsbericht 2011, S. 5) das Gegenteil. Darüber hinaus bestehen
einerseits im Digitalzeitalter elektronische Partizipations- und Abstimmungs-
möglichkeiten und ist andererseits auch eine Stimmrechtsübertragung auf an-
dere Mitglieder oder eine Berufsorganisation möglich.

Schließlich sind ab einem 10 Prozent erreichenden Stimmenanteil Minderheits-
rechte zur Überprüfung der Vereinbarkeit des Geschäftsbetriebs mit dem ge-
setzlichen Wahrnehmungsauftrag vorzusehen. Sollten beispielsweise mindes-
tens 10 Prozent der Wahrnehmungsberechtigten verlangen, dass der Vertei-
lungsplan, die Satzung oder Gremienentscheidungen der Verwertungsgesell-
schaft auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere
mit dem Treuhandgrundsatz, überprüft werden müssen, so ist eine solche Prü-
fung durch die Aufsichtsbehörde durchzuführen.

Zu Nummer 2

Die staatliche Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften gründet auf einer
Monopol- und Treuhandstellung. Aufgrund ihrer Monopolstellung besteht eine
Machtfülle, die sowohl im Innenverhältnis zum Wahrnehmungsberechtigten als
auch im Außenverhältnis zum Nutzer missbraucht werden kann. Ihre Treu-

handstellung gebietet ferner, dass sie mit den ihnen zur Wahrnehmung übertra-
genen Rechten ordnungsgemäß verfahren und die mit der Wahrnehmung dieser

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11043

Rechte erzielten Einnahmen gerecht verteilen (Enquete-Kommission „Kultur in
Deutschland“, Stellungnahme des DPMA, Der Präsident, Kommissionsdruck-
sache 16/244, S. 2). Aufsichtsbehörde über die Verwertungsgesellschaften ist
nach § 18 Absatz 1 UrhWG das DPMA. Dieses ist eine dem Bundesministe-
rium der Justiz nachgeordnete Bundesbehörde. Allerdings zieht sich das
DPMA auf die Auffassung zurück, es habe lediglich eine abstrakte Prüfungs-
pflicht, nicht aber eine Eingriffsverpflichtung in konkreten Einzelfällen. Eine
Überprüfung etwa der Höhe von Vergütungsforderungen erfordere eine Viel-
zahl von Tatsachenfeststellungen, die vom DPMA als Aufsichtsbehörde nicht
getroffen werden könne (ebd., S. 3). Insofern nimmt das DPMA in der Praxis
keine Detailkontrolle, sondern lediglich eine Evidenzkontrolle vor.

Der Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ kommt ange-
sichts dieser Beschränkungen zu dem negativen Urteil, dass eine wirksame
staatliche Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften durch das DPMA nicht
gegeben ist, und empfiehlt der Bundesregierung, diese bei einer Regulierungs-
behörde des Bundes anzusiedeln. Eine solche Behörde sei „anzuhalten, sich
nicht auf eine Evidenzkontrolle zu beschränken, sondern auch im Einzelfall zu
kontrollieren, dass die Verwertungsgesellschaften ihren gesetzlichen Verpflich-
tungen ordnungsgemäß nachkommen.“ Darüber hinaus sei sie mit den erforder-
lichen personellen Ressourcen auszustatten (Schlussbericht der Enquete-Kom-
mission „Kultur in Deutschland“, Bundestagsdrucksache 16/7000, S. 285). Die
Bundesregierung ist dieser Empfehlung bislang nicht nachgekommen. Zwar
wurde mit Wirkung zum 1. Juni 2010 eine eigene Abteilung „Staatsaufsicht
über die Verwertungsgesellschaften“ – zunächst bestehend aus den zwei Refe-
raten „Staatsaufsicht I (Angelegenheit der Nutzer)“ und „Staatsaufsicht II
(Angelegenheit der Berechtigten/Urheber)“ mit jeweils vier juristischen Mit-
arbeitern (einem Referatsleiter und drei Referenten), unterstützt durch Verwal-
tungsmitarbeiter, sowie zum 1. Januar 2011 ergänzt um ein weiteres Referat
„Staatsaufsicht III (Zulassungs- und Widerrufsverfahren sowie Grundsatzan-
gelegenheiten)“ – im DPMA geschaffen. Doch gewährt die damit einhergegan-
gene leichte Erhöhung in der Personalausstattung in Anbetracht von derzeit
zwölf zu beaufsichtigenden Verwertungsgesellschaften mit insgesamt
1,43 Mrd. Euro erwirtschafteten Erträgen im Jahr 2010 (DPMA-Jahresbericht
2011, S. 40) und aufgrund der benannten grundlegenden strukturellen Mängel
weiterhin keine wirksame staatliche Aufsicht durch das DPMA.

Zu Nummer 3

Nach § 13 Absatz 1 und 2 UrhWG haben die Verwertungsgesellschaften Tarife
über die jeweils geforderten Vergütungen aufzustellen und diese im Bundesan-
zeiger zu veröffentlichen. Im Falle von Geräten und Speichermedien haben sie
davon abweichend, und insofern Gesamtvertragsverhandlungen scheitern, vor
Tarifveröffentlichung nach § 13a Absatz 1 UrhWG eine empirische Untersu-
chung über die maßgebliche Nutzung dieser Geräte und Speichermedien einzu-
holen und zu veröffentlichen. In der Praxis führt die Tarifgestaltung zur Lizen-
zierung von öffentlichen Musikwiedergaben, von Sendungen, von Tonträger-,
Bildtonträger- und Multimediaträgernutzungen sowie von Onlinenutzungen
immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Dies auch, weil bislang nicht explizit
vorgesehen ist, dass die Aufsichtsbehörde Tarife vor deren Aufstellung und
Veröffentlichung im Bundesanzeiger überprüft und billigt. Eine unabhängige
Vorabprüfung der Tarife, die mit einem hohen Grad der Objektivierbarkeit in
Hinsicht auf ihre Angemessenheit erfolgte, brächte mehr Rechtssicherheit – die
Tarife gewännen an Akzeptanz. Eine solche Ex-ante-Regulierung ist bei Beste-
hen von Monopolstellungen nichts Ungewöhnliches. Der grundsätzliche An-
satz zur Regulierung des ehemaligen Monopolunternehmens mit weiterhin

dominanter Marktmachtstellung, die Deutsche Telekom AG, geht beispiels-
weise über eine bloße Ex-post-Missbrauchsaufsicht hinaus. Verwertungsgesell-

Drucksache 17/11043 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schaften wären durch eine größere Akzeptanz der Tarife zudem davor gefeit,
dass sie in Ermangelung einer Hinterlegungspflicht für Gerätehersteller ihre
Ansprüche bei einer Insolvenz der Vergütungsschuldner nicht mehr realisieren
können. Umgekehrt wären Nutzer, für die – wie im Falle der von GEMA-Tarif-
erhöhungen betroffenen Musikveranstalter – nach § 11 Absatz 2 UrhWG eine
Hinterlegungspflicht strittiger Tarifbetragsanteile besteht, vor negativen Aus-
wirkungen von unangemessen hohen Tarifen vor deren etwaiger späterer Kor-
rektur geschützt. Solche können sich insbesondere aus der zeitlichen Differenz
zwischen Inkrafttreten eines Tarifs durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger
und etwaigem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle nach § 14a Absatz 2 UrhWG
ergeben.

Zu Nummer 4

Sofern Urheberinnen und Urheber ihre Rechte mit Abschluss eines Wahrneh-
mungsvertrags einer Verwertungsgesellschaft eingeräumt haben, ist es unzuläs-
sig, von den auf diese Rechte entfallenden Ausschüttungen Abzüge zugunsten
Dritter vorzunehmen, die selbst keine Rechte in die Verwertungsgesellschaft
einbringen. Davon wird in der Praxis derzeit jedoch oft abgewichen, was die
Verwertungsgesellschaften teils mit dem Erfordernis einer Pauschalisierung aus
Gründen vereinfachter Verwaltung, teils mit der kulturellen Bedeutung von
Werkmittlern begründen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Umverteilung
contra legem und nicht zuletzt um einen Verstoß der Verwertungsgesellschaften
gegen das Treuhandgebot. Das DPMA hat hier über Jahre hinweg seine Auf-
sichtspflicht nicht wirksam erfüllt.

Ausdrücklich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 8. Februar 2012 dar-
gelegt (C-277/10), dass gesetzliche Vergütungsansprüche, die eine Kompensa-
tion für im Rahmen von Schrankenbestimmungen erlaubte Nutzungshandlun-
gen darstellen, unverzichtbar sind, da durch diese der Anspruch auf eine ange-
messene Vergütung für die Nutzung erfüllt werde. Aus Artikel 5 Absatz 2
Buchstabe b der Richtline 2001/29 ergebe sich, so führt der EuGH aus, „dass in
den Mitgliedstaaten, die sich für die Einführung der Privatkopieausnahme ent-
schieden haben, die betroffenen Rechtsinhaber im Gegenzug die Zahlung eines
gerechten Ausgleichs erhalten müssen. Aus der betreffenden Formulierung
folgt, dass der Unionsgesetzgeber nicht zulassen wollte, dass die Betroffenen
auf den Erhalt dieses Ausgleichs verzichten können.“ Da die Einschränkung
des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers/der Urheberin eng
ausgelegt werden müsse, sei es unzulässig, diese auf die Vergütungsansprüche
zu erstrecken. Es sei konzeptionell widersinnig, den Mitgliedstaaten die Auf-
erlegung eines Ausgleichs abzuverlangen, zugleich jedoch einen Verzicht der
originären Rechteinhaber auf diesen Ausgleich zu ermöglichen. Aufgrund ihrer
Unabtretbarkeit (Unveräußerlichkeit) müssen also die gesetzlichen Vergütun-
gen in vollem Umfang an die Urheber ausgeschüttet werden. Folglich ent-
spricht die Praxis, nicht nur von jenen Geldern, die Verwertungsgesellschaften
aufgrund von treuhänderisch wahrgenommenen Rechten einziehen, sondern
auch von den aufgrund von gesetzlichen Schrankenbestimmungen gezahlten
Abgaben Abzüge zugunsten anderer als der originären Rechteinhaber vorzu-
nehmen, nicht den europarechtlichen Vorschriften.

Dessen ungeachtet sind Verleger und andere Verwerter selbstverständlich wei-
ter an Zahlungen der Verwertungsgesellschaften zu beteiligen, sofern sie über
originäre Rechte verfügen, mit deren Wahrnehmung sie die Verwertungsgesell-
schaft beauftragt haben.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/11043

Zu Nummer 5

Nach § 13a Absatz 2 UrhWG müssen Verwertungsgesellschaften bislang ledig-
lich „ihre Partner aus Gesamtverträgen über ihre Einnahmen aus der Pauschal-
vergütung und deren Verwendung nach Empfängergruppen“ unterrichten.
Darüber hinausgehende Transparenzpflichten bestehen nicht. Während die
meisten Verwertungsgesellschaften mittels Internetauftritt über Satzung, Vertei-
lungsregeln, Gebührenbestimmungen sowie Beschwerde- und Streitbeile-
gungsverfahren bereits heute informieren, ist das für ihre Tochtergesellschaften
und Zusammenschlüsse entweder gar nicht – ZPÜ, Zentralstelle Bibliotheks-
tantieme (ZBT), Zentralstelle für Videovermietung (ZVV), Zentralstelle Foto-
kopieren an Schulen (ZFS), Zentralstelle für die Wiedergabe von Fernsehwer-
ken (ZWF), Arbeitsgemeinschaft DRAMA, Inkassostelle Kabelweitersendung,
Clearingstelle Multimedia für Verwertungsgesellschaften von Urheber- und
Leistungsschutzrechten GmbH (CMMV) – oder nur sehr eingeschränkt – Cen-
tralized European Licensing and Administrative Services (CELAS) – der Fall.
Eine größere Transparenz bei den Einnahmen aus der Verwertung von Rechten
erfordert ferner Informationspflichten gegenüber dem einzelnen Rechteinhaber
über Einnahmen aus den Rechten des Rechteinhabers, die dem Rechteinhaber
nach Kategorien und Nutzungsart ausgezahlten Beträge sowie die für Verwal-
tungsgebühren vorgenommenen Abzüge. Darüber hinaus sollen gegenüber
Rechteinhabern bzw. Nutzern in elektronischer Form das genaue Repertoire ei-
ner Verwertungsgesellschaft sowie ihre Regelungen in Bezug auf Gebühren,
Abzüge und Tarife offengelegt werden.

Zu Nummer 6

Die Verwertungsgesellschaften Buma/Stemra (Niederlande), KODA (Däne-
mark), Stim (Schweden) und SACEM (Frankreich) haben für ihre Mitglieder in
Pilotprojekten die Möglichkeit geschaffen, ihre Werke unter Creative Commons
(CC) für nichtkommerzielle Nutzungen freizugeben (Einschränkung „NC“).
Die französische Musik-Verwertungsgesellschaft SACEM etwa hat dazu auf
ihrer Webseite eine Liste mit genaueren Festlegungen veröffentlicht, welche
Nutzungshandlungen als kommerziell zu bewerten sind, für die weiterhin Ver-
gütungen zu leisten sind, und welche nicht. In Deutschland hingegen stemmt
sich die GEMA gegen jede Form der CC-NC-Lizenzierung. Die Verwertungs-
gesellschaft ist der Ansicht, dass die Erteilung von CC-NC-Lizenzen nicht mit
ihrem Wahrnehmungsmodell vereinbar ist (zuletzt: Statement der GEMA,
23. Januar 2012). Das hat zur Folge, dass eine Band, die beispielsweise ihre
Musik in Form von Streams auf der eigenen Homepage präsentieren will, der
GEMA diese Nutzungshandlung vergüten muss, um anschließend und nach
Abzug der Verwaltungskosten an der Ausschüttung zu partizipieren, oder sich
eine gesonderte, unter rigiden und unzureichenden Vorgaben stehende Erlaub-
nis zur Eigenpräsentation durch die GEMA genehmigen lassen muss.

§ 6 Absatz 1 UrhWG verpflichtet Verwertungsgesellschaften, die Rechte und
Ansprüche der Berechtigten wahrzunehmen. Der Wahrnehmungszwang darf in
der Praxis aber nicht die Grenzen des zu diesem Zweck Unentbehrlichen über-
schreiten. Der EuGH hat daher betont, dass gleichzeitig den Interessen der ein-
zelnen Urheber Rechnung zu tragen ist, die freie Verfügung über ihr Werk nicht
stärker als notwendig eingeschränkt zu sehen. Entsprechend dürfe der Gesell-
schaftszweck die Freiheit der Mitglieder, ihr Urheberrecht auszuüben, nicht un-
billig beeinträchtigen. Verwertungsgesellschaften seien Dienstleistungsvereini-
gungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit dem Zweck, die
Rechte und Interessen ihrer Mitglieder vor allem gegenüber bedeutenden Mu-
sikverbrauchern und - verteilern, wie den Rundfunkanstalten und Schallplatten-
firmen, zu wahren (EuGH v. 27. März 1974, BRT-II, Rs. 127-73).

Drucksache 17/11043 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Letzteres ist im Falle von CC-NC-Lizenzierungen nicht der Fall. Insofern wäre
bereits heute bei gutem Willen der deutschen Verwertungsgesellschaften nicht-
kommerzielle CC-Lizenzierungen nach bestehendem Recht möglich. Da sich
insbesondere die GEMA in der Praxis diesem Anliegen versagt, erweist sich
aufgrund ihrer Monopolstellung eine Gesetzesergänzung zur Rechtewahrneh-
mung für nichtgewerbliche Zwecke durch die Wahrnehmungsberechtigten
selbst als erforderlich.

Zu Nummer 7

Die Anwendung der sogenannten GEMA-Vermutung beruht auf allgemeiner
Rechtsprechung. Diese geht davon aus, dass Verwertungsgesellschaften über
das von ihnen wahrgenommene Repertoire ein faktisches Monopol besitzen. Ist
eine Monopolstellung gegeben, erlaubt die GEMA-Vermutung eine einfache
Abwicklung von Lizenzzahlungen der Werknutzer an die Verwertungsgesell-
schaften. In Genres hingegen, in denen Rechte zunehmend nicht mehr kollektiv
über eine Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden, weil Werke entwe-
der gemeinfrei oder mit freien Lizenzen zur Aufführung kommen, führt dies
dazu, dass Lizenzzahlungen geleistet werden, die den Rechteinhabern nicht zu-
kommen bzw. den Berechtigten der Verwertungsgesellschaft nicht zustehen.
Dies ist beispielsweise in bestimmten Bereichen der E-Musik, des improvisier-
ten Jazz oder bei elektronischer Musik der Fall. Eine Monopolstellung jedoch
muss sowohl sachlich als auch quantitaiv begründet erscheinen. Sachlich ist da-
her der tatsächliche Nachweis zu erbringen und quantitativ ein solcher bei einer
Rechtewahrnehmung durch eine Verwertungsesellschaft innerhalb eines Genres
von mehr als 95 Prozent anzusetzen.

Zudem wird mit der angekündigten Gründung einer Cultural Commons Col-
lecting Society (C3S) – einer Verwertungsgesellschaft für Werke unter Crea-
tive Commons-Lizenzen – das die GEMA-Vermutung begründende Monopol
in Frage gestellt. Um einerseits die in vielen Sparten mittels GEMA-Vermutung
vereinfachte Lizenzierung von Nutzungshandlungen abzusichern, andererseits
aber solche Sparten nicht zu benachteiligen, in denen abweichende Lizenzie-
rungsmodelle etabliert sind oder sich etablieren, ist es dringend notwendig, die
Begründung der GEMA-Vermutung mit statistischen Erhebungen zu verifizie-
ren.

In jenen Fällen ferner, in denen die GEMA-Vermutung in Ermangelung einer
Monopolstellung nicht greift, es jedoch zu Aufführungen eines Mischreper-
toires kommt, soll im Sinne der Urheber und Nutzer eine möglichst genaue Ab-
rechnung der zu zahlenden Lizenzgebühren erfolgen. Eine genauere, auf ein-
zelnen Werken beruhende Dokumentation der Nutzung soll mittels einer Live-
Übermittlung der Werklizenzdaten oder der Übersendung von Playlists auf
elektronischem Wege ermöglicht werden.

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