BT-Drucksache 17/10897

Datenhandel durch Adresshändlerunternehmen

Vom 28. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10897
17. Wahlperiode 28. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Jens Petermann,
Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Datenhandel durch Adresshändlerunternehmen

Dass sich Daten von Bürgerinnen und Bürgern über die letzten Jahre zu einem
äußerst begehrten Gut entwickelt haben, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
So hat sich ein Markt aufgetan, der durch den Handel mit eben genau diesen Da-
ten ein äußerst lukratives Geschäft entwickelt hat und sich stetig weiter aus-
dehnt. Vor allem diejenigen, die die Daten von Bürgerinnen und Bürgern sam-
meln, analysieren und schließlich verkaufen oder gar vermieten – sogenannte
Adresshändlerunternehmen oder Listbroker, von denen es in der Bundesrepu-
blik Deutschland circa 1 000 gibt – verdienen horrende Summen am Geschäft
mit der Privatsphäre des Einzelnen.

Mit den kürzlich im Deutschen Bundestag verabschiedeten Neuregelungen im
Meldewesen wird es für Adresshändler zukünftig noch einfacher, an die Privat-
adressen von Bürgerinnen und Bürgern zu gelangen: Schließlich können die Da-
ten durch das neue Gesetz einfach bei den jeweiligen Meldeämtern eingekauft
werden. Somit fallen für ein paar Cent pro Datensatz auch die letzten durch den
Staat auferlegten Grenzen, die den Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und
Bürger gewähren sollten.

Als Paradebeispiel eines Listbrokers dient die Schober Information Group
Deutschland GmbH. Das Unternehmen wirbt damit, im Besitz von 50 Millionen
Privatadressen deutscher Bürgerinnen und Bürger zu sein. Bei diesem einen Un-
ternehmen sind also die Daten von etwa 62 Prozent der gesamten deutschen
Bevölkerung gespeichert. Neben den reinen Adressdatensätzen können bei der
Schober Information Group Deutschland GmbH auch über 300 sogenannte Zu-
satzmerkmale eingekauft werden – Daten, die Aufschluss über Reisen, Hobbys,
Sport- und Freizeitaktivitäten, Fahrzeugbesitz, Versicherungen, Altersvorsorge
oder Investitionen des jeweiligen Adressinhabers geben. Die Adresshändlerun-
ternehmen sind bestrebt, die gespeicherten Daten der Bürgerinnen und Bürger
immer auf dem neuesten Stand zu halten.

Interessant sind solche Angebote insbesondere für Unternehmen, die ihre Pro-
dukte möglichst gezielt und individualisiert, beispielsweise durch Postsendung,
bewerben möchten. Laut Deutschem Dialogmarketing Verband e. V. haben
Unternehmen im vergangenen Jahr 27,7 Mrd. Euro in die Adressen privater

Haushalte investiert – genauso viel wie in die klassische Werbung. Durch die
Angebote der Listbroker haben sie die Möglichkeit, ohne großen Aufwand
herauszufinden, wer Interesse an ihren Produkten haben könnte. Für Unter-
nehmen sind dabei vor allem Daten interessant, die Rückschlüsse auf Interessen,
Freizeitgestaltung und Lebens- bzw. Einkommensverhältnisse von Bürgerinnen
und Bürgern zulassen. Daten dieser Art sind bei den Adresshändlern für jeden

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gegen Entgelt in immensem Umfang und je nach Bedarf in einem Onlineshop
abrufbar. Es reichen schon ein paar Klicks durch die kleinformatig katalogisierten
und spezialisierten Adresssammlungen, um an Tausende passende Adressen po-
tenzieller Kundinnen und Kunden zu gelangen. Wenn man beispielsweise ledig-
lich die Privatadressen von 18- bis 35-jährigen Berlinerinnen und Berlinern, die
in Einpersonenhaushalten in Häusern der Baujahre 1946 bis 1980 leben, an
Mode interessiert sind und überdurchschnittlich oft einkaufen gehen, haben
möchte, ist das kein Problem. Bei dem Kauf von Adressen gibt es nur eine ein-
zige Regel: je genauer und detaillierter die Daten, desto teurer sind sie.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den Verkauf von Daten der Bürgerinnen
und Bürger durch Listbroker gegen Entgelt im Hinblick auf den Datenschutz,
das Gebot der Datensparsamkeit und das Recht auf informationelle Selbstbe-
stimmung?

2. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass der Datenhandel der
Listbroker nicht immer mit den gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz
im Einklang ist?

a) Wenn ja, wie sehen diese Erkenntnisse aus?

b) Beabsichtigt die Bundesregierung, die gesetzlichen Regelungen hinsicht-
lich des Umgangs mit Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu verschär-
fen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

3. Ist der Bundesregierung bekannt, aus welchen Quellen und auf welchen je-
weiligen Rechtsgrundlagen die Listbroker die Daten für ihre Kataloge be-
kommen?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Datensätze durch welche List-
broker jährlich verkauft oder vermietet werden?

Wenn ja, wie viele, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass
allein die Schober Information Group Deutschland GmbH im Besitz von
50 Millionen Privatadressen und insgesamt nahezu jeder Bürger mit seinen
Daten bei privaten Dienstleistern erfasst ist?

6. Greift die Bundesregierung selbst oder greifen deren Behörden auf das An-
gebot von Listbrokern zurück?

Wenn ja,

a) auf welcher gesetzlichen Grundlage,

b) wie oft, und zu welchen Zwecken hat die Bundesregierung auf solche An-
gebote zurückgegriffen,

c) welche Behörden arbeiten mit welchen Unternehmen zusammen,

d) wie viele Datensätze haben welche Behörden bei welchen Unternehmen
für welche Zwecke eingekauft,

e) in welchem finanziellen Umfang haben welche Behörden Daten bei wel-
chen Unternehmen eingekauft?

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7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die kommunalen Meldeämter ihre Da-
tensätze mit denen der Listbroker abgleichen?

Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesem Vorgang hin-
sichtlich der datenschutzrechtlichen Grundsätze?

8. Besteht für Listbroker die Möglichkeit, Daten bei den kommunalen Melde-
ämtern oder anderen Behörden der Bundesregierung einzukaufen?

Wenn ja, welche Behörden haben Daten welcher Art an welche Unterneh-
men wann für welche Beträge verkauft oder verschenkt?

9. Wie würden sich aus Sicht der Bundesregierung die Möglichkeiten für List-
broker, Daten der kommunalen Meldeämter zu beziehen, nach den vom
Deutschen Bundestag beschlossenen Neuregelungen des Meldewesens im
Vergleich zur bisherigen Situation verändern?

Sieht die Bundesregierung hier einen Änderungsbedarf, der in den Verhand-
lungen zwischen Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss eine
Rolle spielen sollte?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie und durch wen wird kontrolliert, ob die jeweiligen Adresshändler den
Auskunftsersuchen der Bürgerinnen und Bürger nachkommen?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Adresshändler Daten aus sozialen
Netzwerken exportieren?

Wenn ja, seit wann, und was hat sie diesbezüglich unternommen oder ge-
plant?

12. Plant die Bundesregierung zukünftig das Sammeln und Verkaufen von Da-
ten durch Adresshändler in irgendeiner Form zu kontrollieren bzw. zu regu-
lieren?

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für die Bürgerinnen und
Bürger gegeben, um ihre Daten vor Adresshandel zu schützen, und gibt es
Überlegungen, den Datenhandel einzuschränken?

Wenn ja, in welche Richtung zielen diese Überlegungen?

Berlin, den 28. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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