BT-Drucksache 17/10831

Hinweise auf rechtsterroristische Strukturen

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10831
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Nicole Gohlke, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Hinweise auf rechtsterroristische Strukturen

Laut einer dem Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ vorliegenden internen
Lageeinschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) rechnet die Behörde mit der
Herausbildung rechtsterroristischer Strukturen. „Es ist mit fremdenfeindlichen
Gewaltdelikten von Einzeltätern oder Tätergruppen in Form von Körperverlet-
zungen und auch mit Todesfolge, Brandanschlägen (z. B. auf Asylbewerberun-
terkünfte) und in Einzelfällen auch mit Tötungsdelikten zu rechnen“, heißt es in
dem Papier vom Juli 2012.

Befürchtet werden Anschläge von Neonazis nicht nur gegen Migranten, sondern
auch gegen „Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland wie Politiker,
Personen des öffentlichen Lebens und Polizeibeamte“ sowie „jüdische Institu-
tionen“.

In dem Papier wird davor gewarnt, dass „in die Enge getriebene“ Einzeltäter
oder Kleinstgruppen „die eigene Handlungsfähigkeit durch Gewalttaten unter
Beweis stellen wollen“. Zudem müsse das Entstehen bislang unbekannter
rechtsterroristischer Gruppierungen in Betracht gezogen werden. In dem Papier
werden neben dem Verfahren gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“
(NSU) zwei weitere aktuell eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen rechtsterro-
ristische Vereinigungen erwähnt. Auch auf die Anschläge des islamfeindlich
motivierten Massenmörders Anders Behring Breivik aus Norwegen wird ver-
wiesen. Polizeiliche Maßnahmen hätten zudem gezeigt, „dass die rechtsextreme
Szene über eine nicht unerhebliche Anzahl von Waffen und Munition verfügt.“
(www.spiegel.de/panorama/justiz/bka-warnt-vor-terror-durch-rechtsradikale-
gegen-prominente-a-854744.html).

Zuvor hatte bereits das Bundesamt für Verfassungsschutz angesichts des Auf-
fliegens des NSU vor „Nachahmungstätern“ und einem „unvermittelten
Angriff“ von Neonazis gewarnt (www.sueddeutsche.de/politik/warnung-vor-
neonazi-terror-angriff-aus-dem-hinterhalt-1.1463315).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Um was für ein Lagepapier des BKA handelt es sich bei dem vom „DER
SPIEGEL“ genannten Dokument?
2. Wie viele und welche Ermittlungsverfahren wegen Rechtsterrorismus wer-
den aufgrund welcher Straftatbestände von welchen Justizbehörden nach
Kenntnis der Bundesregierung zurzeit gegen wie viele Personen geführt?

3. Aufgrund welcher Erkenntnisse rechnet die Bundesregierung mit der Heraus-
bildung rechtsterroristischer Strukturen oder rechtsextremistisch motivierten
Anschlägen in Deutschland?

Drucksache 17/10831 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Inwieweit gab es in den letzten Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung
unter Rechtsextremen Diskussionen über die Schaffung bewaffnet agieren-
der Untergrundstrukturen?

5. Inwieweit hat nach Kenntnis der Bundesregierung das Auffliegen des NSU
Diskussionen innerhalb der rechtsextremen Szene über bewaffnete Unter-
grundarbeit ausgelöst bzw. beeinflusst?

6. Bei welchen Spektren des Rechtsextremismus (z. B. Kameradschaften, Au-
tonome Nationalisten, parteiförmiger Rechtsextremismus, unorganisierte
Einzelpersonen) besteht nach Einschätzung der Bundesregierung eine be-
sondere Gefahr der Herausbildung bewaffnet agierender Strukturen?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Herausbildung ge-
walttätiger Strukturen oder Einzelpersonen innerhalb der islamfeindlichen
Szene?

8. Inwieweit sind der Bundesregierung Beiträge in deutschen rechtsextremis-
tischen Medien (einschließlich Onlinemedien, Foren, Blogs etc.) bekannt,
in denen zu Gewalttaten und bewaffneten Aktionen gegen politische Gegner
aufgerufen wurde (bitte einzeln auflisten)?

9. In welchem Zusammenhang nennt der BKA-Bericht Anders Behring
Breivik?

a) Inwieweit und aufgrund welcher Erkenntnisse stuft das BKA Anders
Behring Breivik als Rechtsextremisten ein?

b) Inwieweit ordnet die Bundesregierung das islamophobe bzw. antimusli-
mische Spektrum dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus zu?

10. In wie vielen und welchen Fällen haben Rechtsextremisten nach Kenntnis
der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren Listen mit Namen und
Adressen ihrer Gegner erstellt?

a) In welchen dieser Fälle wurden die Listen bzw. die Namen und Adressen
der darauf genannten Personen im Internet oder anderen Medien veröf-
fentlicht?

b) In wie vielen und welchen Fällen wurden auf solchen Listen genannte
Personen oder Institutionen tatsächlich zum Ziel von Drohungen oder
Anschlägen?

c) Dient die Existenz solcher Listen nach Einschätzung der Bundesregie-
rung eher der Einschüchterung politischer Gegnerinnen und Gegner oder
zur Vorbereitung von Anschlägen?

d) In wie vielen Fällen haben Rechtsextremisten Fotos und andere persön-
liche Daten von Personen gezielt im Internet oder auf Druckerzeugnissen
veröffentlicht, um Gewalttaten gegen die Betroffenen zu provozieren?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme deutscher
Rechtsextremer an Waffentrainings oder Wehrsportübungen in Deutschland
oder dem Ausland während der letzten zehn Jahre (bitte Datum, Ort, Art des
Trainings, teilnehmende und veranstaltende Organisationen nennen)?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung von Re-
servisten der Bundeswehr an Wehrsportübungen oder Waffentrainings von
Rechtsextremen?

13. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Waffenfunde
während der letzten fünf Jahre bei Rechtsextremen in Deutschland (bitte
einzeln nach Ort, Datum, Anzahl und Art der Waffen, legalem oder illega-

lem Erwerb bzw. Besitz aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10831

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Gewaltbereitschaft,
die Beteiligung an Gewalttaten oder die Vorbereitung von Gewalttaten
sowie den Besitz von Waffen der Mitglieder der drei im August 2012 ver-
botenen Vereinigungen „Kameradschaft Aachener Land“, „Nationaler
Widerstand Dortmund“ und „Kameradschaft Hamm“?

Berlin, den 25. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.