BT-Drucksache 17/10829

Rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10829
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Nicole Gohlke, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Trotz Diskussionen über Ariernachweise, territorialen Ansprüche auf die „deut-
schen Ostgebiete“, das Relativieren von Nazikriegsverbrechen und Vorträgen
von Neonazis in Burschenhäusern hält die Bundesregierung die Deutsche Bur-
schenschaft (DB) weiterhin für eine „demokratische Studentenorganisation“.
Nur vereinzelt gäbe es Kontakte zu Rechtsextremisten, insgesamt beständen
aber keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Tendenzen
des Dachverbandes von 115 Studentenbünden mit 9 000 Mitgliedern, heißt es in
der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10294.

Umgekehrt werden der Bundesregierung keine so guten Noten ausgestellt. „Die
Verfassungsfeinde sitzen also in diesem Land an der Spitze von Staat und Regie-
rung“ heißt es in einem Artikel in Ausgabe 2/2012 der von der Deutschen
Burschenschaft herausgegebenen „Burschenschaftlichen Blätter“. In dem Bei-
trag „Weg in die Freiheit – Deutschlands Aufbruch 2012“ plädiert der Autor
Michael Friedrich Vogt für eine „revolutionäre Neuordnung“ Deutschlands und
die „Abschaffung des Parteienstaates“ zur „Herstellung wirklicher Volksherr-
schaft.“ Michael Friedrich Vogt erklärt in dem Artikel in völkischer Argumen-
tationslinie, dass „nach deutschem und burschenschaftlichen Verständnis ein
Deutscher“ nur derjenige ist, „der von Abstammung und Kultur her Deutscher
ist“ und beklagt, dass „die bundesrepublikanische Staatsbürgerschaft inflationär
und ohne Rücksicht auf deutsche Herkunft und Abstammung vergeben wird.“
Weiter heißt es: „An der tatsächlichen Neuordnung Deutschlands zu arbeiten,
wäre vornehmste Pflicht der Deutschen Burschenschaft. […] In der Tradition
konsequenten patriotischen und freiheitlichen Denkens stehen wir im automa-
tischen Widerspruch zum herrschenden System, seinen Parteien und seinen
Medien.“ Der Autor Michael Friedrich Vogt, Mitglied der im Bayerischen Ver-
fassungsschutzbericht aufgeführten Burschenschaft Danubia München, hatte im
Jahr 2007 aufgrund von Rechtsextremismusvorwürfen eine langjährige Hono-
rarprofessur an der Universität Leipzig verloren.

Für die Aufnahme des Vogt-Beitrages verantwortlicher „Schriftleiter“ ist Norbert
Weidner, der Anfang der 90er-Jahre dann verbotenen Nazigruppierungen wie der
Freiheitlichen Arbeiterpartei und der Wiking Jugend angehört hatte. An der Wie-

derwahl Norbert Weidners zum hauptamtlichen Redakteur mit 85 zu 76 Stimmen
hatte sich auf dem diesjährigen „Burschentag“ Anfang Juni in Eisenach ein Rich-
tungsstreit zwischen offen rechtsgerichteten und sich selbst als liberal verstehen-
den Bünden entzündet. Das Landgericht Bonn sah es im Juli 2011 als zulässig
an, dass der Mitbegründer der Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“
Christian Becker über seinen Verbindungsbruder Norbert Weidner behaupten
darf, dieser sei „höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremistischen

Drucksache 17/10829 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bewegung“, „die aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht“
(www.zeit.de/gesellschaft/2012-07/burschenschaft-rechtsxtremismus-gericht).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit sieht die Bundesregierung rechtsextreme Tendenzen innerhalb der
DB oder einzelner ihrer Bünde?

2. Inwieweit hat die Bundesregierung nach dem Urteil des Landgerichts Bonn,
wonach der gewählte Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter und
einzige hauptamtliche Funktionär der DB Norbert Weidner als „höchstwahr-
scheinlich einer der Köpfe der rechtsextremistischen Bewegung […] die aus
Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht“ bezeichnet werden
darf, ihre Einschätzung überdacht, wonach es sich bei der DB um eine „de-
mokratische Studentenorganisation“ handelt?

3. Wie begründet die Bundesregierung angesichts der auf dem Burschentag im
Juni 2012 in Eisenach erfolgten Wiederwahl des hauptamtlichen Schriftfüh-
rers der Burschenschaftlichen Blätter Norbert Weidner ihre auf Bundestags-
drucksache 17/10294 dargelegte Auffassung, bei Norbert Weidners zuvor ge-
tätigter Äußerung, der von den Nazis ermordete Widerstandskämpfer Pfarrer
Dietrich Bonhoeffer sei ein „Landesverräter“ und dessen Todesurteil „rein ju-
ristisch“ gerechtfertigt, handle es sich nicht um eine von der DB vertretene
Auffassung?

4. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine Zunahme rechtsextremer Tenden-
zen in den Burschenschaftlichen Blättern, seitdem die Schriftleitung im Jahr
2008 von Norbert Weidner übernommen wurde?

5. Inwieweit enthält nach Ansicht der Bundesregierung der Artikel „Weg in die
Freiheit – Deutschlands Aufbruch 2012“ in den „Burschenschaftlichen Blät-
tern 2/2012“, in dem für eine „revolutionäre Neuordnung“ und die „Abschaf-
fung des Parteienstaates“ plädiert und eine inflationäre Vergabe der „bundes-
republikanische[n] Staatsbürgerschaft […] ohne Rücksicht auf deutsche
Herkunft und Abstammung“ beklagt wird, Anhaltspunkte für verfassungs-
feindliche Bestrebungen innerhalb der DB?

6. Inwieweit sieht die Bundesregierung Anhaltspunkte für verfassungsfeindli-
che Bestrebungen innerhalb der DB in einem vom Schriftführer Norbert
Weidner Anfang 2010 in den Burschenschaftlichen Blättern publizierten
Gespräch mit dem sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten und Burschen-
schafter Arne Schimmer, in dem dieser für einen „differenzierten Blick
auf das Dritte Reich“ plädierte und ein „Ende der sogenannten Vergangen-
heitsbewältigung“ forderte, die „längst zu einer bösartigen Zivilreligion ge-
worden“ sei (www.burschenschaftliche-blaetter.de/netzversion/detailansicht/
meldung/402/fragen-ant.html)?

7. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von einer „Unterwanderung“
der DB durch Rechtsextreme bzw. einem organisierten Vorgehen rechtsextre-
mer Burschen innerhalb der DB?

a) Ist die Feststellung der Bundesregierung, „Die überwiegende Mehrzahl
der Mitgliedsburschenschaften unterhält keine Kontakte zu Rechtsextre-
misten“ (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bun-
destagsdrucksache 17/10294) so zu verstehen, dass eine Minderheit der
DB-Mitgliedsbünde solche Kontakte unterhält?

b) Wenn ja, um welche Burschenschaften, und welche Art von Kontakten zu
welchen Rechtsextremisten handelt es sich?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10829

c) Ab welcher Zahl von Mitgliedsburschenschaften mit rechtsextremen
Kontakten beziehungsweise welchem Einfluss dieser Bünde auf den Ge-
samtverband wären nach Meinung der Bundesregierung hinreichende
Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung gegeben?

8. Wie begründet die Bundesregierung ihre auf Bundestagsdrucksache 17/10294
getätigte Auffassung, bei den Mitgliedsbünden der DB handle es sich um
„rein örtliche oder regionale Personenzusammenhänge“, deren Beobach-
tung in die Zuständigkeit der Länder falle, angesichts der bundesweiten
(und sogar Burschenschaften in Österreich und Chile umfassenden) Organi-
sierung dieser Bünde in der DB sowie der überregionalen Verteilung und
politischen Wirksamkeit der sogenannten Alten Herren dieser Bünde im
ganzen Bundesgebiet?

9. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Bayerischen Lan-
desamtes für Verfassungsschutz, dass es sich bei der Aktivitas der Bur-
schenschaft Danubia München um eine rechtsextreme Vereinigung handelt?

10. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Thüringer Lan-
desregierung, dass bei der Burschenschaft Normannia zu Jena tatsächliche
Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen (vgl. http:/
/haskala.de/wp-content/uploads/2012/07/antwort_anfragejenavorfall.pdf)?

11. Inwieweit hat die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass zwei Mit-
glieder der sächsischen NPD-Landtagsfraktion sogenannte Alte Herren der
Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen sind und weiterhin in deren
Haus auftreten, Erkenntnisse über Anhaltspunkte für rechtsextreme Bestre-
bungen dieser Burschenschaft (www.giessener-allgemeine.de/Home/Stadt/
Uebersicht/Artikel,-NPD-nutzt-Giessener-Verbindungshaus-weiter-_arid,29
5107_regid,1_puid,1_pageid,113.html)?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte der DB oder
ihrer Mitgliedsbünde zu ausländischen rechtsextremen Organisationen oder
Personen?

13. Inwieweit sind der Bundesregierung Pläne von Mitgliedern der DB zur
Gründung eines rechtsextremen Studentenverbandes nach dem Vorbild des
österreichischen RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) bekannt?

14. Inwieweit gehört der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung, Dr. Peter Ramsauer, als Alter Herr der Münchener Burschenschaft
FRANKCO-BAVARIA organisatorisch der Initiative Burschenschafter ge-
gen Neonazis an (vgl. Bundestagsdrucksache 17/10294)?

a) Wann und in welcher Form hat sich der Bundesminister Dr. Peter
Ramsauer dieser Initiative angeschlossen?

b) Wie begründet der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer seine Mitglied-
schaft in dieser sich explizit gegen rechtsextremistische Tendenzen
innerhalb der DB gerichteten Initiative, obwohl nach Einschätzung der
Bundesregierung bislang keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ für ver-
fassungsfeindliche Tendenzen der DB bestehen?

Berlin, den 25. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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