BT-Drucksache 17/10787

Freiheit und Unabhängigkeit der Medien sichern - Vielfalt der Medienlandschaft erhalten und Qualität im Journalismus stärken

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10787
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Christine Lambrecht,
Thomas Oppermann, Ulla Schmidt (Aachen), Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Freiheit und Unabhängigkeit der Medien sichern – Vielfalt der Medienlandschaft
erhalten und Qualität im Journalismus stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Medienfreiheit und Medienvielfalt als Grundprinzipien der Medienpolitik

Die Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien sind nicht nur unverzicht-
bar für die freie Willensbildung jedes Einzelnen, sondern auch für die demokra-
tische, offene und pluralistische Staats- und Gesellschaftsordnung. Der Schutz
der Kommunikationsgrundrechte und die Sicherstellung der Medienfreiheit und
Medienvielfalt stellen daher die tragenden Prinzipien der Medienpolitik dar,
ebenso wie die Förderung der Qualität von Medienangeboten. Unabhängige und
vielfältige Medien sind Grundpfeiler einer lebendigen und funktionierenden
Demokratie und Voraussetzung für die private und öffentliche Meinungsbil-
dung. Nur mit qualitativ hochwertigen und umfassenden Informationszugängen
ist es Bürgerinnen und Bürgern möglich, an politischen und gesellschaftlichen
Debatten teilzunehmen. Zentrale Bedeutung kommt jedoch nicht nur der indivi-
duellen Informationsbeschaffung, sondern insbesondere der medialen Informa-
tionsaufbereitung und -vermittlung zu, die es Bürgerinnen und Bürgern erst
ermöglicht, auch zu komplexen Themenzusammenhängen eine Meinung zu ent-
wickeln. Eine freie, unabhängige und vielfältige Medienlandschaft sowie ein
qualitativ hochwertiger Journalismus sind somit tragende Säulen einer infor-
mierten und pluralistischen Gesellschaft.

2. Folgen der Digitalisierung und des Auflagenrückgangs für die Presseland-
schaft

Mit der Digitalisierung, der weltweiten Vernetzung und der Konvergenz der
Medien gehen immense Chancen, aber auch große Herausforderungen für die
Medienlandschaft und im Hinblick auf die Sicherung der Medien- und Kommu-

nikationsfreiheiten einher. In den vergangenen Jahren hat sich die Medien- und
Kommunikationslandschaft erheblich verändert. Zwar zeichnet sich Deutsch-
land auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern noch immer durch
eine vielfältige und qualitativ hochwertige Medienlandschaft aus. Die Digitali-
sierung hat jedoch insbesondere die Presse vor große wirtschaftliche und publi-
zistische Herausforderungen gestellt, auch wenn Auflagenrückgänge nicht allein
darauf zurückzuführen sind. Die schnelle und oftmals kostenlose Verfügbarkeit

Drucksache 17/10787 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

von Informationen im Internet, das Auftreten neuer Kommunikationsanbieter
sowie ein völlig veränderter Werbemarkt stellen über Jahrzehnte bewährte Ge-
schäftsmodelle vor allem im Printbereich in Frage. Zu beobachten sind auch
bereits Probleme im Bereich des privaten Rundfunks. Sinkende Abonnement-
anteile und ein rückläufiger Anzeigenmarkt dort stehen oftmals einer Erwar-
tungshaltung gegenüber, über hochwertige Onlineinformationsangebote gratis
verfügen zu können.

Der Auflagenverlust der Tagespresse ist nach den zuletzt verfügbaren Daten
enorm und anhaltend und ein Ende des Rückgangs ist nicht absehbar. Dabei sind
rückläufige Auflagen auch auf den demografischen Wandel und ein sich verän-
derndes Mediennutzungsverhalten zurückzuführen, dies allein reicht aber als
Erklärung bei Weitem nicht aus. Von 1995 bis 2010 haben die Kaufzeitungen gut
ein Drittel (–33,6 Prozent) ihrer Auflage eingebüßt und die Abonnementzeitun-
gen ein Fünftel (–20,1 Prozent). Eine weitere Ursache für die wirtschaftlichen
Herausforderungen der Presseverlage ist die negative Entwicklung der Werbe-
erlöse, die seit 1998 von ca. 5,8 Mrd. Euro auf 3,6 Mrd. Euro im Jahr 2011 zu-
rückgingen.

Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, gibt es für redaktionelle Presseangebote
im Netz bislang noch keine tragfähigen Onlinegeschäftsmodelle, die ohne
Refinanzierung über den Printbereich auskommen. Angesichts dieser Finanzie-
rungslücke sind insbesondere zeitaufwändige und damit kostenintensive journa-
listische Qualitätsangebote zunehmend schwieriger zu finanzieren. Der Trend
zu Kosteneinsparungen im Personalbereich der Redaktionen und in der Ausbil-
dung und Nachwuchsförderung ist offensichtlich. Zwar wurden zunächst Re-
strukturierungsmaßnahmen in Verlag und Technik vorgenommen. Es kommt
aber zunehmend zum Abbau redaktioneller Ressourcen und Stellen, Verlage set-
zen immer öfter auf Outsourcing und Leiharbeit, Redaktionen werden zusam-
mengelegt. Zu befürchten ist von daher eine schleichende Qualitätsminderung
und Einschränkung der Angebotsvielfalt, zumal bei Verlagen zunehmend öko-
nomische Gesichtspunkte den verlegerischen Anspruch überdecken.

3. Herausforderungen für die Medienpolitik

Angesichts dieser Entwicklungen steht auch die Medienpolitik vor enormen He-
rausforderungen. Aufgrund der Kompetenzverteilung ergibt sich, dass der Bund
im Medienbereich nur sehr begrenzte Handlungsspielräume hat. Zentrale Be-
zugspunkte der Medienpolitik auf Bundesebene sind die in Artikel 5 des Grund-
gesetzes (GG) verbürgten Kommunikationsgrundrechte (Meinungs-, Informa-
tions-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit) und das in Artikel 20 Absatz 2 GG
niedergelegte Demokratieprinzip. Danach sind die Kommunikations- und Me-
dienfreiheiten nicht nur unverzichtbar für Bürger und Bürgerinnen und klassi-
sche wie neue Medien, sondern auch für die demokratische Staats- und Gesell-
schaftsordnung. Der Schutz der Kommunikationsgrundrechte gehört daher
ebenso zu den Grundprinzipien der Medienpolitik, wie die Sicherung der Mei-
nungs- und Medienvielfalt. Im jüngsten Kommunikations- und Medienbericht
der Bundesregierung wird eine möglichst große Vielfalt von Medienangeboten
und Meinungen als „Lebenselixier der Demokratie“ bezeichnet. Dies gilt ebenso
für ein qualitativ hochwertiges Medienangebot. Der Staat ist verfassungsrecht-
lich verpflichtet, Vielfalt zu sichern, und gehalten, Rahmenbedingungen für die
Medienunternehmen zu schaffen, die die Entwicklung und Erhaltung qualitativ
hochwertiger Angebote ermöglichen und fördern.

4. Bedeutung des Presse-Fusionsrechts für die Medienvielfalt

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Staatsfreiheit der Medien kommt

dem Staat die wichtige Funktion zu, die Rahmenbedingungen auf den Medien-
märkten so zu strukturieren, dass eine möglichst große Vielfalt von Medien-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10787

inhalten und Meinungen entsteht oder erhalten bleibt und dauerhaft gesichert
wird. Der Staat ist verfassungsrechtlich gehalten, Rahmenbedingungen für die
Medienanbieter zu schaffen, die ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Ange-
bot ermöglichen und fördern.

In dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP haben die Regierungs-
parteien vereinbart, dass „die Medien- und Kommunikationsordnung […] ge-
meinsam mit den Ländern weiter an die veränderten technischen und wirtschaft-
lichen Gegebenheiten angepasst werden“ muss. Bis heute stehen allerdings ent-
sprechende Initiativen und Gespräche zwischen Bund und Ländern zur Fortent-
wicklung der Medien- und Kommunikationsordnung aus. Konkret angekündigt
haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag, dass „im Interesse der
Erhaltung der Meinungs- und Pressevielfalt“ das Medienkonzentrations- und
das Pressekartellrecht überprüft werden sollen. Darüber hinaus haben die Regie-
rungsparteien festgestellt, dass das „Presse-Grosso […] ein unverzichtbarer Teil
unserer Medienordnung“ bleibe.

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Novellierung des Achten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-Novelle)
Vorschläge vorgelegt, mit denen der Handlungsspielraum kleiner und mittlerer
Presseunternehmen für Zusammenschlüsse erweitert werden soll. Eine gesetz-
liche Verankerung des Systems des Presse-Grosso ist bislang nicht enthalten.
Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission haben sich in ihren schrift-
lichen Stellungnahmen zum Regierungsentwurf zur 8. GWB-Novelle grundsätz-
lich kritisch zu Lockerungen beim Pressefusionsrecht geäußert. Es sei zu be-
fürchten, dass dadurch der Wettbewerb und die Pressevielfalt eingeschränkt
würden. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie des Deutschen Bundestages am 27. Juni 2012 haben sowohl das Bun-
deskartellamt als auch die Monopolkommission aber auch erklärt, dass die mit
dem Regierungsvorschlag vorgesehenen Änderungen insgesamt als vertretbar
angesehen werden, um die wirtschaftliche Situation der Verlage zu verbessern.
Zugleich haben sie dabei deutlich gemacht, dass damit eine „rote Linie“ erreicht
sei, die nicht überschritten werden sollte.

5. Medienstatistik verbessern

Die Anhörung hat erneut bestätigt, dass die Datengrundlage für medienpoliti-
sche Entscheidungen defizitär ist. Der Deutsche Bundestag hatte im April 1975
im Zuge der Diskussionen über die Pressekonzentration ein Gesetz über eine
Pressestatistik beschlossen, mit der Transparenz über eine weitgehend unbe-
kannte Branche erzielt werden sollte. Zudem sollte die Pressestatistik auch Hin-
weise über Gefährdungspotentiale für die angestrebte Medienvielfalt geben und
letztlich als Instrument zur Frühwarnung vor neuen Wellen der Pressekonzen-
tration dienen. Bis 1994 war mit der dann eingeführten so genannten Pressesta-
tistik des Statistischen Bundesamtes ein zuverlässiger und breiter Überblick
über die Zeitungsverlage in Deutschland gegeben. Die Bundesregierung hat mit
Kabinettsbeschluss vom 24. Januar 1996 die Bearbeitung der Pressestatistik
ausgesetzt und damit faktisch beendet. Seitdem gibt es zu wenig grundlegende
Informationen und valide Daten, beispielsweise hinsichtlich der Formen der
(crossmedialen) Zusammenarbeit und Verflechtungen im Medienbereich.

Angesichts der hohen, mit der Pressekonzentration einhergehenden Gefahren
für Meinungsvielfalt und Demokratie, bedarf es einer konsequenten Ermittlung
der Fakten, um eine darauf basierende Folgenabschätzung etwaiger Änderungen
des Fusionsrechts vornehmen zu können.

Aus diesen Gründen hat der Deutsche Bundestag die Errichtung einer Medien-
datenbank beschlossen, die – aufbauend auf den Ergebnissen der Medien- und

Medienkonzentrationsforschung – belastbare Daten zu den Angebots- und An-

Drucksache 17/10787 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bieterstrukturen sowie zu den Nutzungsstrukturen enthalten soll. Die Daten für
die Mediendatenbank liegen in Rohfassung vor und erlauben erste Bewertun-
gen. Das FORMATT-Institut kommt in seiner Zusammenfassung zu dem Ergeb-
nis, dass das „Kartellrecht und die Spruchpraxis des Bundeskartellamtes […]
eine ansonsten noch wesentlich höhere Anbieterkonzentration im Zeitungs-
markt verhindert“ haben und stellt fest: „So lange der Gesetzgeber keine den
heutigen Marktverhältnissen mit seinen crossmedialen Anbieterstrukturen ange-
passte und angemessene Regulative zur Vielfaltsicherung geschaffen hat, sollten
zumindest die vorhandenen Instrumente weiterhin genutzt werden, insbesondere
in der Fusionskontrolle.“

6. Presse-Grosso als vielfaltsichernde Vertriebsstruktur erhalten

Grundvoraussetzung für die Vielfaltsicherung in der Medienlandschaft ist neben
den gesetzlichen Vorgaben des Medienkonzentrationsrechts eine funktionie-
rende Vertriebsstruktur, die Chancengleichheit gewährleistet und verhindert,
dass große Verlage einseitig dominieren. Das Presse-Grosso trägt entscheidend
dazu bei, dass in Deutschland eine flächendeckende neutrale Versorgung mit
einem Vollsortiment an Zeitungen und Zeitschriften besteht. Das Presse-Grosso
in seiner bewährten Form wird derzeit vor allem von einem Verlag grundlegend
in Frage gestellt, wobei insbesondere das System des Alleinauslieferungs-
Grosso und das zentrale Verhandlungsmandat des Bundesverbandes Deutscher
Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e. V. Gegenstand gerichtlicher
Auseinandersetzungen sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Kündigung
des Belieferungsvertrags mit einem Alleinauslieferungs-Grossisten durch den
Bauer-Verlag für rechtmäßig erklärt und damit den Weg zu einem Wettbewerbs-
gebiets-Grosso geebnet. Zwar ist selbstverständlich, dass auch das historisch
gewachsene und vielfaltssichernde Instrument des Presse-Grosso sich gegebe-
nenfalls veränderten marktlichen Rahmenbedingungen anpassen müsste. Die
grundsätzliche Aufkündigung des Presse-Grosso-Systems führt jedoch zu Ge-
fahren für die Pressevielfalt, sofern keine Alternativen vorliegen, die die gleiche
Funktion für die Meinungsvielfalt erfüllen. Wie beim Pressefusionsrecht gilt
auch hier, dass einmal eingetretene Fehlentwicklungen nur bedingt und nur
unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten. Aus
diesen Gründen ist der Gesetzgeber aufgrund seiner Verpflichtung zur Gewähr-
leistung von Pressevielfalt gehalten, durch gesetzliche Regelungen zur Veranke-
rung des Presse-Grosso-Systems solche Fehlentwicklungen zu vermeiden, je-
denfalls dann, wenn es nicht kurzfristig doch noch zu einer entsprechenden
Konsenslösung aller Beteiligten kommt. Denkbar wäre beispielsweise eine
Klarstellung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), flankiert
durch ein Gesetz zur Regelung der Preisbindung und des Vertriebs von
Presseerzeugnissen. Zu prüfen ist darüber hinaus, ob auch auf Landesebene
flankierende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine neutrale Pressever-
triebsstruktur dauerhaft abzusichern.

7. Finanzierung des Journalismus

Selbst wenn das Pressefusionsrecht und die gesetzliche Verankerung des Presse-
Grosso-Systems einen Beitrag zur Vielfaltssicherung bzw. zur Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage der Verlage leisten, reichen diese Instrumente allein aber
keineswegs aus. Notwendig sind weitergehende medienpolitische Initiativen,
um verbesserte Rahmenbedingungen für die Medienanbieter zu schaffen, die
Vielfalt sichern und ein qualitativ hochwertiges Angebot fördern.

Ergänzend zu der Änderung des Pressefusionsrechts schlägt die Bundesregie-
rung die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger vor, um die

wirtschaftliche Situation der Verlage zu verbessern und die Durchsetzung ihrer
Rechte zu erleichtern. Nachdem der erste Entwurf in der öffentlichen Debatte

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10787

auf massive Kritik gestoßen ist, hat das Bundesministerium der Justiz den Refe-
rentenentwurf mehrfach überarbeitet. Das Bundeskabinett hat am 29. August
2012 den Gesetzentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechtes beschlos-
sen. Sollte der Entwurf für ein Leistungsschutzrecht ursprünglich alle kommer-
ziellen Nutzungsformen von Presseerzeugnissen erfassen, bezieht sich der nun
beschlossene Entwurf der Bundesregierung noch auf Suchmaschinen und ge-
werbliche Anbieter von Diensten, die „Inhalte entsprechend aufbereiten“. Aller-
dings ist zu befürchten, dass damit negative „Nebenwirkungen“ für die Informa-
tionsfreiheit verbunden wären. Auch bleibt unklar und umstritten, welchen
wirtschaftlichen Nutzen die Verlage hieraus am Ende wirklich ziehen können.
Dabei braucht es zur besseren gerichtlichen Durchsetzung bereits heute be-
stehender Urheberrechte vor allem verbesserter Möglichkeiten zur Rechtsdurch-
setzung.

Die Debatte um die Lockerung des Pressefusionsrechts, wie auch um die Ein-
führung eines Leistungsschutzrechts überlagert die viel grundsätzlichere Frage,
wie viel Journalismus und unabhängige journalistische Beobachtung die Gesell-
schaft sich leisten und vor allem wie sie diese finanzieren will. Angesichts der
gravierenden Veränderungen und Herausforderungen sind weitere Instrumente
notwendig, um die Vielfalt der Medienlandschaft und die Qualität der Medien-
angebote sicherzustellen. Im Kern geht es nicht nur um Verwertungsketten und
um neue Geschäftsmodelle, sondern um die Frage, wie wir einen freien, unab-
hängigen und qualitativ hochwertigen Journalismus in der digitalen Gesellschaft
erhalten und finanzieren wollen. Wenn der qualitativ hochwertige Journalismus
von so grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft und Demokratie ist, muss
umfassend die Frage diskutiert werden, welche Rahmenbedingungen geschaffen
werden müssen, damit die Presse ihre öffentliche Aufgabe erfüllen kann. Disku-
tiert und geprüft werden sollten daher auch neue Finanzierungsformen, etwa
Stiftungsmodelle, wie sie in anderen Ländern durchaus mit Erfolg auf den Weg
gebracht wurden. Es gibt bereits Genossenschafts-, Crowdfunding- oder Stif-
tungsmodelle, vor allem in den USA, wo jährlich 70 Mio. Euro über Stiftungen
zur Finanzierung journalistischer Arbeit umgesetzt werden. In der Diskussion
sind beispielsweise Vorschläge für Stiftungsmodelle für Qualitätsjournalismus
oder für investigative Recherchemöglichkeiten, die oftmals kostenintensiv und
langwierig sind. Auch mit Blick auf den Erhalt der Nachrichtenagenturen wurde
ein mögliches Stiftungsmodell diskutiert, sollten sich weitere Gesellschafter,
also die Verleger, nicht zuletzt aus Kostengründen abwenden.

In vielen europäischen Ländern gibt es darüber hinaus unterschiedliche Formen
der direkten oder indirekten Förderung der Presse. Eine direkte Förderung ist in
Deutschland aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben problematisch und
seitens der Medienunternehmen auch nicht gewollt. Denkbar sind jedoch unter-
schiedlichste Formen einer indirekten Förderung, beispielsweise durch eine
Stärkung der „Nationalen Initiative Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften
in der Demokratie“. Um das Interesse gerade junger Menschen für Zeitungen
und Zeitschriften zu fördern, hat die Bundesregierung die „Nationale Initiative
Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften in der Demokratie“ ins Leben geru-
fen. Ziel der Initiative ist es, Schülerinnen und Schüler über die Bedeutung von
Medien- und Meinungsvielfalt aufzuklären und sie an einen mündigen Umgang
mit Zeitschriften und Zeitungen heranzuführen. Diese Initiative bleibt jedoch
leider weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Gemeinsam mit den Verlagshäu-
sern könnte über die Initiative weitaus mehr für die Bedeutung des Journalismus
in der demokratisch verfassten Gesellschaft geworben werden und es könnte
deutlich weitergehende gemeinsame Aktivitäten geben, etwa die Förderung von
Schul- und Schülerabonnements von Tageszeitungen.

Es ist die ureigene Aufgabe der Verlage, tragfähige und zeitgemäße Geschäfts-

modelle zu entwickeln. Diesen Veränderungsprozess zu unterstützen, ist im ge-
samtgesellschaftlichen Interesse. Die Situation auf dem Zeitungsmarkt wird sich

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in den nächsten Jahren nach Auffassung von Experten weiter verschlechtern.
Völlig unabhängig von der Reform des Pressefusionsrechts sind weitere Kon-
zentrationsprozesse zu befürchten. Ob es tatsächlich gelingt, in nennenswertem
Umfang mindestens zwei lokal-informierende Zeitungen auch in der Fläche er-
halten zu können, ist fraglich.

Direkte staatliche Subventionierung überkommener Geschäftsmodelle wäre
kontraproduktiv, da sie einen gesellschaftlich und ökonomisch sinnvollen Inno-
vationsdruck mindern würde. Zudem werfen staatliche Hilfen immer auch die
Frage nach der Unabhängigkeit der Medien auf. Bund und Länder sind aber auf-
gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern und bestehende Innovations-
hemmnisse zu beseitigen.

Gerade für die Vielfalt der lokalen Information bietet dabei das Internet erheb-
liche Chancen für den Onlinejournalismus. Die Zeitungsvielfalt wird abnehmen
und andere Medientypen sind nicht in der Lage, in diese Lücke zu stoßen. Daher
bieten vor allem lokaljournalistische Onlineportale eine denkbare Vielfaltsre-
serve. Will man diese Chance nutzen, müssen solche Portale offensiv gefördert
und unterstützt werden.

8. Entwicklungsperspektiven für öffentlich-rechtliche und private Medienange-
bote sichern

Notwendig ist darüber hinaus auch in Zukunft die Balance zwischen dem gebüh-
renfinanzierten öffentlich-rechtlichen und den privaten Medienangeboten und
eine Stärkung des publizistischen Wettbewerbs zu gewährleisten. Es sollte einen
Konsens darüber geben, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen wie auch
privaten Anbieter in einer veränderten Medienlandschaft ihre Verbreitungschan-
cen finden müssen. Beide sind zwingend darauf angewiesen, hierzu auch neue
Übertragungswege nutzen zu können. Die medienpolitische Herausforderung ist
es, den publizistischen Wettbewerb und die Entwicklungsfähigkeit sowohl des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch die von privaten Anbietern zu ermög-
lichen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt eine unverzichtbare Säule unserer
Medienordnung und bedarf einer Entwicklungsgarantie. Angesichts des verän-
derten Nutzerverhaltens, gerade auch bei jungen Menschen, sollten neben Hör-
funk und Fernsehen die Telemedien als „dritte Säule“ gestärkt werden. Hierzu
gehört auch eine Überprüfung der festgeschriebenen 7-Tages-Frist im Rund-
funkstaatsvertrag, der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der Nutzung
öffentlich-rechtlicher Telemedienangebote unverhältnismäßig einschränkt.

9. Angemessene Vergütung und Ausbildung

Die teilweise sehr heftig geführte Debatte über die Einführung eines Leistungs-
schutzrechts für Presseverlage überdeckt eine weitere grundsätzliche Frage,
nämlich die nach der angemessenen Vergütung für Journalistinnen und Journa-
listen. Qualitätsjournalismus kostet Geld. Journalismus dient der Allgemeinheit,
er übernimmt eine öffentliche Aufgabe von Verfassungsrang. Journalisten neh-
men diese Aufgabe berufsmäßig wahr und müssen davon leben können. Natür-
lich können auch Blogs oder andere Kommunikationsformen einen wichtigen
Beitrag für die öffentliche Kommunikation leisten. Professionelle Journalisten
sind aber auf berufliche Standards verpflichtet, auf Sorgfalt, auf Recherche, auf
Relevanz, auf Unabhängigkeit, auf presserechtliche Kriterien. Es ist eine Kern-
frage für die Zukunft des Qualitätsjournalismus, was der Gesellschaft der pro-
fessionelle Journalismus noch wert ist, was uns unabhängige, verlässliche Infor-
mationen zur Meinungsbildung und zur Partizipation wert sind. Hier sind

natürlich zuvörderst die Verlage und Medienunternehmen gefordert, die allen
Grund haben, in den Qualitätsjournalismus zu investieren, denn journalistische

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10787

Qualität bleibt auch in Zukunft das entscheidende Verkaufsargument – erst recht
in einer beschleunigten und immer komplexer werdenden Gesellschaft. In-
formationsleistung, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit sind das wichtigste
Kapital von Medien und auch von Journalisten und damit ein wesentlicher
Garant für die Zukunft des Qualitätsjournalismus. Ohne einen hochwertigen
Journalismus würde sich die Presse als verlässliche Institution letztlich selbst in
Frage stellen. Wie am Beispiel der Presse bereits aufgezeigt, werden sich die
Herausforderungen für den Journalismus durch die Digitalisierung und die zu-
nehmende Bedeutung des Onlinejournalismus – nicht zuletzt angesichts des im-
mensen Wettbewerbsdrucks – noch einmal drastisch verschärfen.

Die grundlegenden Veränderungen des Arbeitsmarktes haben längst auch den
Journalismus erreicht.1 Die soziale Lage der Journalistinnen und Journalisten ist
gekennzeichnet durch „karge Honorare für freie Journalisten, Flucht in die PR,
prekäre Praktika, Umstrukturierungen und Leiharbeit in den Redaktionen“.2 Im-
mer mehr Journalistinnen und Journalisten kommen nicht über die Runden und
sind auf Nebentätigkeiten – oft im PR- oder Werbebereich – angewiesen. Auch
der Berufseinstieg ist schwierig und nicht selten absolvieren junge Journalisten
postgraduale Praktika. Die „Prekarisierung des Journalistenberufs“3 hat mehrere
Ursachen. Eine der wesentlichen Ursachen ist die Erosion des klassischen Ge-
schäftsmodells der Presse und der Einbruch der Werbeerlöse. Diese Faktoren
werden seitens der Verlage oft zur Begründung der Sparmaßnahmen, zur Ver-
kleinerung der Redaktionen oder zur Auslagerung in (oft hausinterne) Leih-
arbeitsfirmen angeführt. Dies liegt jedoch nicht allein an den Verlagen und Sen-
dern, denn auch hier stellt sich die Frage, welchen Journalismus die Gesellschaft
sich eigentlich noch leisten mag. Es fehlt ein Wertbewusstsein für die journalis-
tische Arbeit.

Das setzt aber zugleich auch faire Regeln am journalistischen Arbeitsmarkt vo-
raus. Auch hier muss endlich der Grundsatz gelten: „Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ („Equal Pay“) für Stamm- und Leihbelegschaften. Die hausinterne Ver-
leihung muss begrenzt werden. Fairer Regelungen am Arbeitsmarkt bedarf es
auch bei den Werkverträgen und bei befristeten Verträgen bei Neueinstellungen.

Vor diesem Hintergrund ist vor allem auch eine Überarbeitung des Urheberver-
tragsrechts notwendig. Ziel dieser Novelle muss es sein, die strukturelle Unter-
legenheit der Urheber in Vertragsverhandlungen mit Verlagen und anderen Ver-
wertern zu überwinden und ihren Anspruch auf angemessene Vergütung zu
sichern. Die 2002 eingeführten Regelungen zum Urhebervertragsrecht sollten
einen Beitrag dazu leisten, die prinzipiell schwächere Position des Urhebers par-
tiell auszugleichen. Die mit der Einführung urhebervertragsrechtlicher Schutz-
normen in das Urheberrechtsgesetz erhofften Wirkungen haben sich in der Pra-
xis bislang nicht erfüllt – auch weil die Rechtsprechung teilweise die Intention
der Reform ignoriert.4 Der Gesetzgeber muss sich deshalb fragen, in welcher
Weise der ursprünglichen Intention der Reform doch noch zum Durchbruch ver-
holfen werden kann. Notwendig ist – in einem ersten Schritt und wie bereits von
der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ gefordert – die 2002 einge-

1 Vergleiche dazu ausführlich Volker Lilienthal/Thomas Schnedler: Gezwungen, sich zu verkaufen? Zur
sozialen Lage von Journalistinnen und Journalisten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 29-31/
2012).

2 Volker Lilienthal/Thomas Schnedler: Gezwungen, sich zu verkaufen? Zur sozialen Lage von Journalis-
tinnen und Journalisten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 29-31/2012), S. 21.

3 Volker Lilienthal/Thomas Schnedler: Gezwungen, sich zu verkaufen? Zur sozialen Lage von Journalis-
tinnen und Journalisten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 29-31/2012), S. 19.

4 So hält der BGH z.B. trotz Einführung des Urhebervertragsrechts an der überkommenen Auffassung
(BGH, GRUR 1984, 45) fest, dass § 31 Absatz 5 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) kein gesetzliches
Leitbild statuiert (BGH, BeckRS 2012, 15227), obwohl der Gesetzgeber durch § 11 Satz 2 UrhG das
Gegenteil zum Ausdruck gebracht hat und etliche Oberlandesgerichte (OLG) und Instanzgerichte die

gegenteilige Meinung vertreten (z. B. OLG Hamburg, NJOZ 2011, 1323; OLG Jena, ZUM-RD 2012,
393; LG Hamburg, BeckRS 2011, 23452; LG Braunschweig, ZUM 2012, 66).

Drucksache 17/10787 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

führten Regelungen zum Urhebervertragsrecht auf ihre Wirksamkeit hin zu eva-
luieren. Danach sollen sich Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von
Werknutzern auf gemeinsame Vergütungsregeln verständigen, nach denen die
angemessene Vergütung des Urhebers für die Nutzung seiner Werke zu ermitteln
ist. Gemeinsame Vergütungsregeln sind bisher in weit geringerem Umfang zu-
stande gekommen als vom Gesetzgeber erwartet. Eine Verständigung ist bisher
– oft nach jahrelangen Verhandlungen – lediglich in Teilbereichen gelungen, wie
z. B. im Jahr 2010 für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten von
Tageszeitungen. Das Urhebervertragsrecht muss daher weiterentwickelt wer-
den, da einige der seit dem Jahr 2002 existierenden Schutzregelungen für die
Urheber ihre Funktion nicht erfüllen. Andere Instrumente müssen zudem hinzu-
treten, um die strukturelle Unterlegenheit der Urheber in Vertragsverhandlungen
mit Verwertern überwinden zu können und ihren Anspruch auf angemessene
Vergütung zu sichern. Soweit erforderlich, müssen die Schlichtungsmechanis-
men – wie ursprünglich vorgesehen – verbindlich ausgestaltet werden.

In der Anhörungsreihe des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen
Bundestages zum „Qualitätsjournalismus“ herrschte weitgehend Konsens, dass
es dringend neuer und einheitlicher Standards in der Aus- und Weiterbildung
bedarf und dass die Aus- und Weiterbildung insgesamt derzeit sträflich vernach-
lässigt wird. Der Deutsche Journalisten-Verband e. V. (DJV) hat sich bereits im
Jahr 2003 in einem Memorandum besorgt über Entwicklungen in der journalis-
tischen Aus- und Weiterbildung geäußert, die sich infolge der aktuellen Krise
auf dem Medienmarkt, der Kürzungen öffentlicher Fördermittel, der konzep-
tionellen Mängel in der Medienpolitik und der isolierten curricularen Entschei-
dungen in Bildungsinstitutionen und Hochschulen ergeben. Um ihre öffentliche
Aufgabe angemessen und glaubwürdig zu erfüllen, sind die Medienunterneh-
men und die Institutionen der journalistischen Aus- und Weiterbildung ver-
pflichtet, die Qualität der journalistischen Bildungsarbeit in Volontariaten,
Hochschulen, Journalistenschulen sowie bei freien Bildungsträgern zu fördern
und zu sichern. Gefordert ist hier insbesondere eine von Bund und Ländern
unterstützte systematische Kooperation und Koordination von Institutionen der
Aus- und Weiterbildung. Die Hochschulen sollten neben Angeboten zur journa-
listischen Spezialisierung auch die grundlegenden professionellen Kompeten-
zen hinreichend vermitteln. In den Medienunternehmen ist auf die Entwicklung
einer Weiterbildungskultur hinzuwirken.

Unter dem Aspekt Qualitätssicherung wie auch mit Blick auf den wirksamen
Schutz von Journalistinnen und Journalisten ist auch die Vergabepraxis für Pres-
seausweise relevant. Leider ist derzeit eine Inflation der Presseausweise fest-
stellbar. Verantwortlich dafür sind die Innenminister von Bund und Ländern, die
mit dem Beschluss vom Dezember 2007 den bis dahin gängigen „amtlichen“
bundeseinheitlichen Presseausweis abgeschafft haben. Ein Großteil der neuen
Ausweise ist jedoch völlig nutzlos und dient nur dem Zweck, fragwürdigen Ge-
schäftsmodellen zum kommerziellen Erfolg zu verhelfen. Gleichzeitig entwer-
ten diese dubiosen Presseausweise die regulären Dokumente, schaden dem An-
sehen der Journalistinnen und Journalisten und gefährden durch die Inflation
den gebotenen Schutz. Die Medien- und Journalistenverbände drängen daher zu
Recht auf die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen und amtlich aner-
kannten Presseausweises und eine enge Definition von Journalistinnen und
Journalisten – nämlich die hauptberufliche journalistische Tätigkeit bzw. die
„berufsmäßige Mitwirkung“ der Journalistinnen und Journalisten. Auch garan-
tieren sie eine Kontrolle dieser Kriterien, um so eine Inflation der Presseaus-
weise zu verhindern. Dies ist dringend geboten, um die freie, ungehinderte und
kritische Berichterstattung durch professionell arbeitende Journalistinnen und
Journalisten sicherzustellen. Es würde auch den Ermittlungsbehörden vor Ort

die Arbeit erleichtern, wenn sie wüssten, dass die Ausweisinhaber hauptberuf-
lich tätige Journalisten sind.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/10787

10. Presse- und Medienfreiheit stärken

Eine freie und unabhängige Medienlandschaft und freie, nicht von der öffent-
lichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Medien sind Wesensele-
mente des freiheitlichen Staates und schlechthin konstituierend für die freiheit-
lich-demokratische Grundordnung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) in zahlreichen Entscheidungen festgehalten. Ihre Funktion für die frei-
heitlich-demokratische Ordnung erfüllen Presse und Rundfunk, die durch Arti-
kel 5 GG geschützt sind, gerade auch durch kritischen und investigativen Jour-
nalismus. Nach der Rechtsprechung des BVerfG unterliegt der gesamte Bereich
publizistischer Tätigkeit – von der Beschaffung von Informationen bis zur Ver-
breitung von Nachrichten – dem verfassungsrechtlichen Schutz. Geschützt sind
vor allem die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensver-
hältnis zwischen Presse bzw. Rundfunk und Informanten und das Redaktionsge-
heimnis. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil Presse und Rundfunk auf private
Mitteilungen nicht verzichten können, diese Informationsquellen aber nur dann
ergiebig fließen, wenn sich Informanten und Journalisten grundsätzlich auf die
Wahrung des Redaktionsgeheimnisses und den Informantenschutz verlassen
können (vgl. zusammenfassend nur BVerfGE 117, 244, 258 f. (Cicero)). Die
Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag eine Stärkung der Presse-
freiheit angekündigt. Darüber hinaus hat sich die Koalition mit Blick auf die
Zeugnisverweigerungsrechte insbesondere von Journalistinnen und Journalisten
darauf verständigt, dass die in § 160a der Strafprozessordnung (StPO) derzeit
enthaltene Differenzierung nach verschiedenen Berufsgeheimnisträgern besei-
tigt werden soll. Dabei sollte überprüft werden, ob die Einbeziehung weiterer
Berufsgeheimnisträger – und gemeint sind hierbei insbesondere Journalistinnen
und Journalisten – „in den absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO angezeigt
und im Hinblick auf die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches des Staa-
tes vertretbar ist.“

Der Deutsche Bundestag hat zwischenzeitlich das Gesetz zur Stärkung der Pres-
sefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) vom 25. Juni 2012 (BGBl. I
S. 1374) und das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen
zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I
S. 2261) beschlossen. Mit dem PrStG wurden zwar Verbesserungen dahinge-
hend erreicht, dass Journalisten sich nicht mehr strafbar machen, wenn sie ihnen
lediglich zugespieltes Material veröffentlichen. Auch beim Beschlagnahme-
schutz gibt es Verbesserungen. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes von
Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht wurden ledig-
lich Verbesserungen für Anwälte erreicht, nicht aber für Journalistinnen und
Journalisten. Ein Ergebnis der im Koalitionsvertrag angekündigten Prüfung, ob
die Einbeziehung von Journalistinnen und Journalisten „in den absoluten Schutz
des § 160a Absatz 1 StPO“ angezeigt ist, steht noch immer aus – offensichtlich
ist eine Einigung innerhalb der Bundesregierung hierzu nicht möglich.

Die Fraktion der SPD hat daher einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefrei-
heit (Bundestagsdrucksache 17/9144) in den Deutschen Bundestag eingebracht,
mit dem weitergehende Regelungen zur Stärkung der Pressefreiheit vorgeschla-
gen werden. Darüber hinaus schlägt der Gesetzentwurf vor, dass auch Journa-
listinnen und Journalisten den absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO ge-
nießen sollen.

Die Medien- und Kommunikationsfreiheiten gilt es, immer wieder zu verteidi-
gen und abzusichern, nicht zuletzt angesichts der gesellschaftlichen Umbrüche
zur digitalen Gesellschaft und der wirtschaftlichen und technologischen Ent-
wicklungen. Wie notwendig das ist, zeigt sich zum Beispiel an den Entwicklun-
gen in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, beispielsweise in Un-

garn oder Italien. Die Freiheit und Unabhängkeit der Medien und damit

Drucksache 17/10787 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

europäische Grundwerte dürfen nicht in Frage gestellt, und die Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss konsequent umgesetzt
werden.

Angesichts der massiven Veränderungsprozesse für die Medien und die Medien-
landschaft, die mit der Digitalisierung, der Konvergenz und der weltweiten
Vernetzung einhergehen, reicht es nicht aus, einige Stellschrauben des Presse-
fusionsrechts zu lockern. Ein solcher Weg birgt angesichts der bereits bestehen-
den Konzentration zudem nicht unerhebliche Risiken mit Blick auf die Vielfalt
der Presselandschaft und ist nur insoweit vertretbar, wie ein Festhalten an den
bestehenden Aufgreifschwellen das Verschwinden von publizistischen Einhei-
ten zur Folge hätte oder jedenfalls befürchten ließe.

Ziel einer verantwortungsvollen Medienpolitik muss es – in Zusammenarbeit
zwischen Bund und Ländern und der Europäischen Union – auf nationaler wie
auch internationaler Ebene sein, die Chancen der Digitalisierung so weit wie
möglich zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Dabei gilt es, auch in Zukunft
die Kommunikationsgrundrechte und -freiheiten zu schützen und die Qualität
von Medieninhalten zu fördern sowie die Meinungsvielfalt und den Zugang zu
Medienangeboten zu gewährleisten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Presse- und Medienfreiheit,
zur Erhaltung der Medienvielfalt und zur Stärkung der Qualität der Medien
zu ergreifen;

2. sich auf europäischer und außereuropäischer Ebene für die Freiheit und Un-
abhängigkeit der Medien und den wirksamen Schutz der Journalistinnen und
Journalisten einzusetzen;

3. auf europäischer Ebene auf die Wahrung der europäischen Grundrechte und
auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien in allen europäischen Mit-
gliedstaaten zu drängen;

4. zu prüfen, welche zusätzlichen Absicherungen es auf europäischer Ebene zur
Wahrung einer freien und unabhängigen Medienlandschaft bedarf und hierfür
entsprechende Initiativen auf den Weg zu bringen;

5. gemeinsam mit den Ländern Gespräche zur Fortentwicklung der Medien-
und Kommunikationsordnung aufzunehmen, um diese an die technischen,
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen;

6. die Pressefreiheit entschieden zu stärken und entsprechende gesetzliche Re-
gelungen zu unterstützen; Medienangehörige sind dabei vor strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen deutlich besser als bisher zu schützen, damit das
Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibt und Informanten ohne Sorge vor Ent-
tarnung die journalistische Arbeit unterstützen können;

7. gemeinsam mit den Ländern und den fünf ausstellungsberechtigten Medien-
organisationen zu einem bundeseinheitlichen Presseausweis für hauptberuf-
lich tätige Journalisten zurückzukehren;

8. die Datenlage über den Status quo und Veränderungsprozesse der deutschen
Medienlandschaft zu verbessern und die Pressestatistik als Medienstatistik
wieder einzuführen;

9. die vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) verantwortete
Mediendatenbank umgehend zu veröffentlichen und fortzuschreiben, darüber
hinaus weitere Forschungen in diesem Bereich aus dem Haushalt des BKM
zu ermöglichen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/10787

10. bei der Novellierung des Pressefusionsrechts Initiativen zu unterstützen, die
folgende Eckpunkte beachten:

a) eine wirksame Pressefusionskontrolle ist von erheblicher Bedeutung für
den Erhalt der Medienvielfalt;

b) Anpassungen aufgrund veränderter Mediennutzung, neuer Angebote vor
allem im Onlinebereich, crossmedialer Verflechtungen sowie wirtschaft-
licher Gefährdung kleiner und mittlerer Verlage müssen sorgfältig ge-
prüft werden;

c) Veränderungen im Pressefusionsrecht müssen

i. durch veränderte Rahmenbedingungen nachvollziehbar gerechtfer-
tigt sein,

ii. geeignet sein, das wirtschaftliche Fundament bedrohter Pressever-
lage zu stärken und

iii. dürfen die Medienvielfalt bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkun-
gen – insbesondere auch im Hinblick auf crossmediale Verflechtun-
gen – nicht verschlechtern;

d) wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine behutsame Anhe-
bung der Aufgreifschwellen für die Pressefusionskontrolle gegenüber
dem bestehenden Pressefusionsrecht vertretbar;

11. im Zusammenhang mit der 8. GWB-Novelle eine gesetzliche Verankerung
des vielfaltssichernden Presse-Grosso-Vertriebssystems zu unterstützen
und zugleich im Austausch mit den Bundesländern zu prüfen, inwieweit
hierfür ergänzende Regelungen auf der Länderebene sinnvoll oder erforder-
lich sind;

12. endlich den seit Jahren angekündigten Dritten Korb zur Reform des Ur-
heberrechts vorzulegen und die Modernisierung des Urheberrechts nicht
weiter zu verschleppen;

13. dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Mög-
lichkeiten der Presseverleger zur Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf
bereits bestehende (ggf. abgeleitete) Urheberrechte stärkt und dabei die
Interessen der Urheber vollständig wahrt. Presseverleger sollen die unauto-
risierte Verwendung ihrer Presseerzeugnisse durch Dritte (z. B. News-
Aggregatoren, Harvester) effizient verfolgen können; die bisherigen Vor-
schläge der Bundesregierung sind nicht geeignet, diesen Zielen gerecht zu
werden;

14. zeitnah eine Evaluierung des Urhebervertragsrechts durchzuführen und die
Regelungen dahingehend zu hinterfragen, warum sich die mit der Einfüh-
rung des Urhebervertragsrecht erhofften Wirkungen in der Praxis bislang
nicht erfüllt haben;

15. einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Urhebervertragsrechts vorzule-
gen, um dem ursprünglichen Ziel des Gesetzes, die prinzipiell schwächere
Position des Urhebers partiell auszugleichen, zum Durchbruch zu verhel-
fen;

16. gemeinsam mit den Ländern und den Medienunternehmen nach Möglich-
keiten zu suchen, wie Medienunternehmen, insbesondere die Presse, bei der
Wahrnehmung ihrer für die freiheitlich-demokratische Ordnung essenziel-
len öffentlichen Aufgabe unterstützt werden können;

17. hierbei zu prüfen, ob und wie die finanziellen und qualitativen Rahmen-
bedingungen für Medienangebote durch indirekte Förderung verbessert

werden sollten;

Drucksache 17/10787 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. die „Nationale Initiative Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften in der
Demokratie“ weiterzuentwickeln und auszubauen, um insbesondere Kinder
und Jugendlichen die Bedeutung eines qualitativ hochwertigen Journalis-
mus nahezubringen;

19. dabei gemeinsam mit der Initiative „Ein Netz für Kinder“ und der „Natio-
nalen Inititiave Printmedien – Zeitungen und Zeitschriften in der Demokra-
tie“ ein Programm zu erarbeiten, mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche zum
Onlinejournalismus hinzuführen und zu desen kompetenter Nutzung zu be-
fähigen;

20. gemeinsam mit den Ländern und allen Akteuren im Medienbereich zu prü-
fen, ob und wie Stiftungsmodelle einen Beitrag zur Absicherung journalis-
tischer Qualität und Recherche leisten können.

Berlin, den 25. September 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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