BT-Drucksache 17/10738

Zur Einschränkung der Selbstbestimmung von HIV-positiven Gefängnisinsassen

Vom 20. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10738
17. Wahlperiode 20. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Martina Bunge, Diana Golze,
Yvonne Ploetz, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Einschränkung der Selbstbestimmung von HIV-positiven Gefängnisinsassen

Eine erkannte und behandelte HIV-Infektion führt heute kaum noch zu körper-
lichen Einschränkungen. Doch noch immer kommt es zu schweren Einschrän-
kungen der Selbstbestimmung von Menschen mit einer HIV-Infektion, wenn
Grundrechte verletzt werden. Unwissenheit und Ängste über die Infektions-
krankheit und ihre Folgen sind trotz aller Aufklärung immer noch in weiten
Teilen der Bevölkerung verbreitet und schränken das Leben der Betroffenen ein.
Das Recht auf Selbstbestimmung wird verletzt, wenn Menschen mit einer HIV-
Infektion nicht frei entscheiden können, ob und wem gegenüber sie ihre In-
fektion offenlegen. Eine HIV-Infektion, wie auch eine Infektion mit Hepatitis C
ist mit Stigmatisierungen verbunden, die zu gesellschaftlichen Ausschlüssen
führen können.

In Nordrhein-Westfalen werden seit 1987 HIV-positive Gefangene dazu genö-
tigt, ihre Infektion gegenüber Mithäftlingen und Bediensteten offenzulegen,
wenn sie an Gemeinschaftszeiten („Umschluss“) teilnehmen wollen. Nach An-
gaben der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. werden Vollzugsbeamte auch ohne vor-
herige Einwilligung der Gefangenen über eine HIV-Infektion informiert (vgl.
www.ondamaris.de/?p=25062). Der Justizminister von Nordrhein-Westfalen,
Thomas Kutschaty, kündigte am 30. März 2012 an, dieses „Zwangsouting“ zu
beenden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Art und Erhebung von
Daten über Infektionskrankheiten von Gefangenen, erhoben in Justizvoll-
zugsanstalten, vor?

2. Inwiefern erachtet es die Bundesregierung für sinnvoll, Mitgefangene und
Vollzugsbeamte über die HIV-Infektion eines Gefangenen in Kenntnis zu
setzen?
Wie hoch ist die Infektionsgefahr jeweils für Mitgefangene oder Vollzugs-
beamte?

Welche Handlungsoptionen stehen Vollzugsbeamten und Mitgefangenen
jeweils durch das Wissen um die HIV-Infektion eines Gefangenen zur Ver-
fügung?

Drucksache 17/10738 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Inwiefern erachtet es die Bundesregierung für sinnvoll, Mitgefangene und
Vollzugsbeamte über die Hepatitisinfektion eines Gefangenen in Kenntnis zu
setzen?
Wie hoch ist die Infektionsgefahr jeweils für Mitgefangene oder Vollzugs-
beamte?
Welche Handlungsoptionen stehen Vollzugsbeamten und Mitgefangenen je-
weils durch das Wissen um die Hepatitis-C-Infektion eines Gefangenen zur
Verfügung?

4. Inwiefern kollidiert aus Sicht der Bundesregierung die Erfragung auf eine
mögliche HIV- und Hepatitis-C-Infektion und eine Mitteilung gegenüber
Mitgefangenen und Vollzugsbeamten mit dem grundgesetzlichen Schutz auf
Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes)?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Dokumentation von Daten über Infek-
tionskrankheiten in Justizvollzugsanstalten?

6. Inwiefern erachtet die Bundesregierung eine gesonderte Überprüfung der
Löschung personenbezogener Daten in Justizvollzugsanstalten für sinnvoll?

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zugang zu Infor-
mationen und Schulungen für Vollzugsbeamte und Gefangene über Infek-
tionswege und -risiken zu Hepatitis C und HIV vor?

8. Inwiefern werden die Aidshilfen in ihrer Arbeit im geschlossenen und offe-
nen Strafvollzug durch Bundes- oder Landesmittel unterstützt?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aufklärungs- und Unterstützungs-
arbeit von Aidshilfen in Justizvollzugsanstalten?

Berlin, den 20. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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