BT-Drucksache 17/10726

Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen

Vom 19. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10726
17. Wahlperiode 19. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sven-Christian Kindler, Nicole Maisch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen

Bestimmte Typen von Masten für Mittelspannungsleitungen stellen für Großvö-
gel (Greifvögel, Eulen, Störche, Reiher usw.) eine erhebliche Gefahr dar, weil die
Vögel durch ihre Größe und Flügelspannweite einen Kurz- oder Erdschluss zwi-
schen stromführenden Teilen bzw. zwischen diesen und dem geerdeten Mast her-
stellen können. Für manche Vogelarten (z. B. Weißstorch, Uhu) stellt der Strom-
schlag die Haupttodesursache dar; nicht selten sind Jungvögel betroffen, wodurch
der Bruterfolg beeinträchtigt wird (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6378, S. 57).
Bis Ende dieses Jahres müssen gemäß § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes
(BNatSchG) bestehende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungs-
freileitungen mit hoher Gefährdung für Vögel so umgerüstet werden, dass die
Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Diese Umrüstung ist technisch zumeist
ohne großen zusätzlichen Aufwand bei routinemäßigen Wartungsarbeiten mög-
lich. Die entsprechende Regelung in § 41 BNatSchG wurde im Jahr 2002 ein-
geführt, so dass den Netzbetreibern zehn Jahre Zeit für deren Umsetzung blieb.
Neu zu errichtende Masten müssen seit 2002 von vorneherein so ausgeführt sein,
dass sie vogelsicher sind. Seit 2010 gilt diese Regelung auch für vogelgefähr-
dende Eisenbahnoberleitungen (§ 41 Satz 3 BNatSchG).

In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vom 14. Dezember 2010 (Bundestagsdrucksache 17/4267) musste die Bundes-
regierung eingestehen, dass sie über keinerlei Informationen über den Stand der
Umrüstung vogelgefährdender Masten verfügt. Zuständig für die Überwachung
der Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Umrüstung sind die Länder. Die
Umrüstung selbst ist Aufgabe der jeweiligen Netzbetreiber. Im Juni 2012 hat der
Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) eine vom ihm durchgeführte Um-
frage unter den Ländern veröffentlicht, die darstellt, dass in der Mehrzahl der
Länder wenige Monate vor Ablauf der Frist nach § 41 BNatSchG noch längst
nicht alle gefährlichen Masten umgerüstet sind. Allerdings ist die Datenlage
zum Teil unvollständig, weil Landesregierungen nicht geantwortet haben oder
trotz ihrer Zuständigkeit selbst nicht über die nötigen Informationen verfügen.
Insgesamt scheint die Umsetzung in den Ländern sehr unterschiedlich vonstat-
tenzugehen. Nach Einschätzung des NABU ist lediglich Nordrhein-Westfalen
als einziges Flächenland einigermaßen nahe am Ziel: Hier sind immerhin 52 000

von 63 000 ehemals gefährlichen Masten inzwischen umgerüstet. Hessen und
Bayern dagegen beschränken sich laut NABU bei den Umrüstungen nur auf
Vogelschutzgebiete und das Vorkommen bestimmter gefährdeter Großvogelarten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung inzwischen gegenüber ihrem Informationsstand
vom Dezember 2010 (vgl. Antwort zu Frage 1a der Kleinen Anfrage der Frak-

Drucksache 17/10726 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/4267) reprä-
sentative Daten über Stromschlagopfer an Mittelspannungsleitungen vor
oder sind ihr zumindest Daten aus Stichprobenflächen oder einzelnen Re-
gionen bekannt, und wenn ja, zu welchen Ergebnissen kommen diese?

2. Liegen der Bundesregierung inzwischen bundesweite Daten zu regionalen
Konzentrationen von Vogelverlusten an Mittelspannungsleitungen vor (vgl.
Antwort zu Frage 1b der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/
4267), und wenn ja, welche Erkenntnisse lassen sich aus diesen ableiten?

3. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass sich infolge der
Umrüstungen an Mittelspannungsleitungen die Bestandssituation der durch
Elektrokution gefährdeten Arten verbessert hat, und wenn ja, welche?

4. Wie viele Mittelspannungsmasten waren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung 2002 als vogelgefährlich einzustufen, und wie viele sind es aktuell
(wenn möglich bitte nach Ländern auflisten)?

5. a) Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Stand der
Umrüstung der Mittelspannungsmasten in den Ländern vor?

b) Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um sich über
die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung des § 41 BNatSchG zu
informieren?

6. Welche Möglichkeiten stehen der Bundesregierung zur Verfügung, wenn
ihr bekannt wird, dass die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung des
§ 41 BNatSchG in bestimmten Ländern nicht vollständig zum Ende des
Jahres 2012 erfolgt ist?

Welche Maßnahmen hat sie ergriffen bzw. wird sie ergreifen, um eine zü-
gige Umsetzung der Verpflichtung zu unterstützen?

7. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, dass Umrüstungs-
maßnahmen entgegen der Anwendungsregel des Verbandes der Elektro-
technik e. V. (VDE) (VDE-AR-N 4210-11) durchgeführt werden?

Wenn ja, welche Schritte unternimmt sie, um eine sachgemäße Umrüstung
zu erreichen?

8. Sieht die Bundesregierung das Umsetzungsgebot des § 41 BNatSchG als
hinreichend erfüllt an, wenn – wie offensichtlich in Bayern und Hessen
praktiziert – die Umrüstung der Mittelspannungsmasten nur beschränkt auf
Vogelschutzgebiete und auf die Umgebung des Vorkommens bestimmter
Großvogelarten erfolgt?

Wenn ja, wie begründet sie diese Auffassung?

9. Was unternimmt die Bundesregierung konkret, um eine möglichst bundes-
einheitliche Umsetzung des § 41 BNatSchG durch die Verwaltungsbehör-
den der Länder zu unterstützen?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass nach 2002 noch neue Mittel-
spannungsmasten errichtet wurden, die nicht vogelsicher waren, und kann
sie ebenfalls ausschließen, dass nach 2010 noch neue Eisenbahnoberleitun-
gen errichtet wurden, die nicht vogelsicher waren?

Wenn nein, was hat sie in diesen ihr bekannt gewordenen Fällen unternommen?

Berlin, den 18. September 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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