BT-Drucksache 17/10697

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Christine Lambrecht, Olaf Scholz, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/3646 - Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen

Vom 14. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10697
17. Wahlperiode 14. 09. 2012

Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Christine Lambrecht, Olaf Scholz,
Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/3646 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen
Verjährungsvorschriften bei sexuellem Missbrauch von Kindern und
minderjährigen Schutzbefohlenen

A. Problem

Die mittlerweile große Zahl aktuell bekannt gewordener Missbrauchsfälle der
60er-, 70er- und 80er-Jahre in kirchlichen, aber auch in nicht konfessionell ge-
bundenen Einrichtungen belegt der einbringenden Fraktion zufolge, dass in
Kinderjahren missbrauchte Opfer so massiv traumatisiert sein können, dass sie
als Erwachsene erst nach Jahrzehnten in der Lage sind, ihr Schweigen zu bre-
chen. Während die Verjährungsfrist im Falle von Vergewaltigung und sexueller
Nötigung, auch zum Schaden von Erwachsenen, zwanzig Jahre betrage, ver-
jähre der sexuelle Missbrauch von Kindern bereits nach zehn Jahren. Der sexu-
elle Missbrauch von minderjährigen Schutzbefohlenen verjähre schon inner-
halb von fünf Jahren. Die Regelung im Strafrecht, nach der die Verjährung bis
zur Vollendung des 18. Lebensjahres ruhe, trage zwar dem Umstand Rechnung,
dass der Entschluss zur Anzeige solcher Straftaten erst nach dem Ende altersbe-
dingter und familiärer Abhängigkeiten gefasst werden könne, die genannten
Verjährungsfristen seien jedoch zu kurz.

Zivilrechtliche Ansprüche von Opfern sexuellen Missbrauchs auf Schadenser-
satz und Schmerzensgeld verjährten regelmäßig innerhalb von nur drei Jahren.
Zwar beginne die zivilrechtliche Verjährungsfrist bei Sexualdelikten mit Voll-
endung des einundzwanzigsten Lebensjahres. Gleichwohl stünden damit die
unter Umständen bis ins hohe Erwachsenenalter schwer traumatisierten Opfer
unter dem Druck, sehr schnell tätig werden zu müssen und entweder bis zur

Vollendung ihres vierundzwanzigsten Lebensjahres ihre Ansprüche geltend zu
machen oder ihre Ansprüche für immer zu verlieren.

B. Lösung

Ziel des Gesetzentwurfs ist, kindlichen Opfern von Delikten des sexuellen
Missbrauchs und der Misshandlung von Schutzbefohlenen nach Eintritt in die

Drucksache 17/10697 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Volljährigkeit mehr Zeit für die Entscheidung zu geben, ob sie die Straftat zur
Anzeige bringen sowie zivilrechtliche Ansprüche geltend machen wollen. Zu
diesem Zweck soll im Strafgesetzbuch (StGB) bei Straftaten nach den §§ 174
bis 174c und 176 StGB eine spezielle, vom Höchstmaß der Strafandrohung un-
abhängige Verjährungsfrist von 20 Jahren ab Eintritt der Volljährigkeit einge-
führt werden. Zudem soll im Bürgerlichen Gesetzbuch die Verjährungsfrist für
Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung der sexuellen Selbstbestim-
mung wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c und 176 StGB beruhen,
von drei auf 30 Jahre erhöht werden.

C. Alternativen

Beibehaltung der bisherigen Rechtslage.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-

sache 17/3646 in seiner 71. Sitzung am 11. November 2010
in erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuss zur
federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
an den Ausschuss für Gesundheit zur Mitberatung über-
wiesen.

III.

Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 78. Sitzung
am 27. Juni 2012 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der SPD
empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage in seiner
82. Sitzung am 27. Juni 2012 beraten und bei gleichem Ab-
stimmungsergebnis ebenfalls empfohlen, den Gesetzent-
wurf abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat noch kein Votum abgegeben.

IV.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
17/3646 in seiner 56. Sitzung am 6. Juli 2011 und in seiner

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das
Protokoll der 64. Sitzung am 26. Oktober 2011 mit den an-
liegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 89. Sitzung am 27. Juni
2012 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, die weitere Beratung der Vorlage auf
Drucksache 17/3646 zu vertagen.

Zu dem Gesetzentwurf liegen dem Rechtsausschuss meh-
rere Petitionen vor.

Sibylle Dworazik Präsidentin des
Landgerichts Ingolstadt

Anja Farries Richterin am Amtsgericht Lübeck

Dr. Margarete
Gräfin von Galen

Fachanwältin für Strafrecht, Berlin

Reinhard Nemetz Leitender Oberstaatsanwalt der Staats-
anwaltschaft Augsburg

Prof. Dr. Henning
Radtke

Leibniz Universität Hannover, Lehr-
stuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht
und Internationales Strafrecht

Prof. Dr. Bernhard
Weiner

Polizeiakademie Niedersachsen,
Meppen.

Berlin, den 14. September 2012

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Berlin, den 14. September 2012

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10697

Bericht des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (Villingen-
Schwenningen)

I.

Die Fraktion der SPD hat gemäß § 62 Absatz 2 der Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages einen Bericht
des Rechtsausschusses über den Stand der Beratungen des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/3646 verlangt. Die Vor-
aussetzungen für die Berichterstattung liegen vor.

II.

59. Sitzung am 21. September 2011 anberaten und beschlos-
sen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die er in
seiner 64. Sitzung am 26. Oktober 2011 durchgeführt hat.
An dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teil-
genommen:

Klaus Michael
Böhm

Behandlungs-Initiative Opferschutz
(BIOS-BW) e. V., Karlsruhe

Prof. Dr.
Reinhard Böttcher

Präsident des Oberlandesgerichts
Bamberg a. D.

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