BT-Drucksache 17/10610

Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners im Jahr 2013

Vom 6. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10610
17. Wahlperiode 06. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Jan Korte, Thomas Nord,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners im Jahr 2013

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) ist ein Schmetter-
ling, welcher als Raupe Bäume der Gattung Eiche befällt (Quercus robur, Q.
petrea und Q. rubra). Seine Raupen verursachen Fraßschäden an den Blättern
der befallenen Bäume. Seit 1993 breitet sich der zu Massenvermehrung nei-
gende Schmetterling in Deutschland verstärkt aus. Er tritt derzeit verstärkt in
Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt auf, in kleine-
ren Populationen aber auch in anderen Bundesländern. Im Jahr 2011 waren
4 000 Hektar des Brandenburger Waldes betroffen (Eichenbestand 57 000 Hek-
tar).

Während die Schäden an den Bäumen von der interessierten Öffentlichkeit
meist wenig thematisiert werden, wird eine weitere vom Eichenprozessions-
spinner verursachte Gefahr aktuell in den Medien breiter diskutiert. Die Raupen
des Schmetterlings besitzen Härchen mit dem Nesselgift Thaumetopoein, das
beim Menschen zu teilweise heftigen allergischen Reaktionen führen kann. Ab
dem dritten Larvenstadium wachsen den Raupen sehr feine, leicht brechende
Brennhaare, deren Zahl mit jedem Larvenstadium kontinuierlich wächst. Bei
einer begünstigenden Witterung können die Haare durch Luftströmungen über
weite Strecken getragen werden. Alte Larvenhäute verbleiben nach der Häu-
tung in den Nestern und stellen somit auch längerfristig eine Gefahr für die
menschliche Gesundheit dar. Durch die Zunahme von Witterungsextremen
infolge von Klimawandeleffekten wird von einer steigenden Bedrohung für
Mensch und Wald durch den Eichenprozessionsspinner ausgegangen.

Die Bekämpfung der Raupen des Eichenprozessionsspinners ist sowohl mecha-
nisch als auch mit unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen möglich, wobei
hier zwischen den anzuwendenden Mitteln (Häutungshemmer oder Bakterien-
präparat), ihrer Verabreichung und der konkreten Örtlichkeit (Wald oder Wohn-
gebiet) unterschieden werden muss. Der Einsatz von Insektiziden oder Bioziden
zur Bekämpfung der Raupen muss angesichts der konkreten Situation vor Ort
sehr sorgfältig abgewogen werden. Dabei sind Belange des Gesundheitsschutzes
bei Waldarbeiterinnen und Waldarbeitern sowie der Bevölkerung einerseits und
des Naturschutzes (vor allem die Wirkung auf Nichtzielorganismen und die

natürlichen Gegenspieler) und des Wasserschutzes andererseits angemessen zu
berücksichtigen.

Für das laufende Jahr sind Bekämpfungsoptionen nicht mehr sinnvoll. Aber in
den besonders betroffenen Landkreisen und Bundesländern wird intensiv an
Vorbereitungen für das Jahr 2013 gearbeitet. Die Brandenburger Landesregie-
rung hat eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet und Brandenburgs
Agrarminister Jörg Vogelsänger fordert die Zulassung des Bekämpfungsmittels

Drucksache 17/10610 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Dipel ES“ zur Ausbringung mit Luftfahrzeugen im kommenden Jahr 2013. In
vielen Regionen Deutschland mangelte es im Jahr 2012 an verfügbaren und
rechtssicheren effektiven Bekämpfungsstrategien. Gründe waren sowohl admi-
nistrative Probleme als auch nicht zur Verfügung stehende Insektizide. Des
Weiteren gibt es Konflikte zwischen dem Biozid- und dem Pflanzenschutzrecht
sowie zwischen der nationalen und der EU-Rechtsetzung. Wegen der schnellen
Ausbreitung ist ein regionenübergreifender, koordinierter Umgang mit dem
Eichenprozessionsspinner erforderlich.

Die Bundesregierung wurde im Sommer 2012 bereits umfassend zum Eichen-
prozessionsspinner befragt (vgl. die Bundestagsdrucksachen 17/9823 und 17/
10180). Diese Kleine Anfrage beschränkt sich daher auf ergänzende oder in der
Beantwortung durch die Bundesregierung offen gebliebene Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die Bedrohungslage für die menschliche
Gesundheit durch die Raupen des Eichenprozessionsspinners im Jahr 2012
ein?

2. Welche Rückschlüsse zieht sie aus dieser Einschätzung für Bekämpfungs-
notwendigkeiten, -maßnahmen und -mittel für 2013 bzw. die folgenden
Jahre?

3. Wie sollte nach Ansicht der Bundesregierung eine bundesweit konzertierte
Bekämpfung aussehen?

Wie kann diese durch wen (anteilig) finanziert werden?

4. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen zu Gesundheitsauswirkungen
des Pflanzenschutzmittels „Dipel ES“ auf Menschen liegen der Bundes-
regierung, den Bundesbehörden bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung
den Bundesländern vor, und wie können diese Studien öffentlich eingese-
hen werden?

5. Wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung „Dipel ES“ regulär für die
Ausbringung aus Luftfahrzeugen auch über Notfallsituationen (Artikel 53
der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) hinausgehend – auch für Alleen – zu-
gelassen (bitte begründen)?

Wenn keine Zulassung erfolgen soll, warum nicht?

6. Welche Anwendungsbestimmungen für „Dipel ES“ sollten nach den Erfah-
rungen des Jahres 2012 nach Meinung der Bundesregierung für das kom-
mende Jahr 2013 verändert werden (bitte begründen)?

7. Wie wird die Bundesregierung Rechtssicherheit für die Anwender (z. B.
Flugunternehmen beim Hubschraubereinsatz) bei der Ausbringung von
Insektiziden auf differenzierter gesetzlicher Grundlage – Pflanzenschutz-
recht, Biozidrecht oder Ordnungsrecht – schaffen?

8. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, eine Meldepflicht für das
Auftreten des Eichenprozessionsspinners und durch seine Larven verur-
sachte humanmedizinische Fälle einzuführen (bitte begründen)?

9. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus Bekämpfungsmetho-
den des Eichenprozessionsspinners mit Nematoden?

10. Welche Anstrengungen wird die Bundesregierung unternehmen, um Er-
kenntnisse über die Befalls- und Bekämpfungssituation an den Bundes-
straßen zu erlangen (vgl. die Antwort zu Frage 5, Bundestagsdrucksache
17/10304)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10610

11. Wie kann nach Kenntnis der Bundesregierung der Einfluss der natürlichen
Gegenspieler auf die Reduzierung der Population des Eichenprozessions-
spinners erhöht werden, und welchen Beitrag leistet die Bundesregierung
zur Beantwortung dieser Frage (vgl. die Antwort zu Frage 3, Bundestags-
drucksache 17/10020)?

12. In welchem Rahmen wird sie sich an der Finanzierung von Forschungsvor-
haben in diesem Bereich beteiligen, und mit welchen Einrichtungen hat sie
sich diesbezüglich bereits abgestimmt (vgl. die Antwort zu Frage 5, Bun-
destagsdrucksache 17/10020)?

Berlin, den 6. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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