BT-Drucksache 17/10567

Antiterroreinsatz auf der Baustelle des Flughafens Berlin Brandenburg und Sicherheitsüberprüfungen

Vom 28. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10567
17. Wahlperiode 28. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Herbert Behrens, Jens Petermann, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Antiterroreinsatz auf der Baustelle des Flughafens Berlin Brandenburg
und Sicherheitsüberprüfungen

Am 2. August 2012 führten Beamte des Zolls und des Brandenburger Landes-
kriminalamts eine Razzia wegen des Verdachts auf illegale Beschäftigung auf
der Baustelle des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) durch. Dabei wurden
20 Mitarbeiter der Firma C. C. festgestellt, die nicht über die notwendige Zulas-
sung der Industrie- und Handelskammer verfügten und über Praktikumsverträge
mit dem Arbeitsamt beschäftigt waren. Nachdem bekannt geworden war, dass
sich unter den festgestellten Personen ein polizeibekannter „Gefährder aus dem
islamistischen Spektrum“ befand, sprachen die Behörden gegenüber den Medien
von einem verdeckten Antiterroreinsatz (www.tagesspiegel.de/berlin/schwere-
sicherheitspanne-islamist-hielt-wache-an-der-ber-baustelle/6998768.html).

Die Medienberichterstattung dreht sich seitdem weniger um die Frage, in wel-
chem Ausmaß an der Baustelle des BER Schwarzarbeit durch Subunternehmer
geleistet wird, sondern vor allem um den 21-jährigen F. L., der nach Informatio-
nen des Magazins „stern“ seit dem 20. Juli 2012 vom Landeskriminalamt (LKA)
Berlin als „Gefährder im islamistischen Spektrum“ geführt wird. Es bestehe laut
LKA Brandenburg „Anlass zur Sorge“, dass der in der Salafistenszene aktive F. L.
„an Vorbereitungshandlungen zu einem Sprengstoffanschlag beteiligt sein“
könnte. An der Flughafenbaustelle war F. L. mit der Aufgabe der Zugangskon-
trolle betraut, eine Genehmigung zum Betreten des besonders gesicherten Bau-
stellenbereichs hatte er allerdings nicht (www.stern.de/politik/deutschland/
airport-berlin-brandenburg-islamist-kontrollierte-zugang-zu-flughafen-baustelle-
1877901.html). F. L. war von der Bundesagentur für Arbeit als Praktikant an die
Sicherheitsfirma C. C. vermittelt worden, die als Subunternehmerin der von der
Flughafengesellschaft mit dem Objektschutz des Containerdorfs außerhalb der
gesondert geschützten Baustelle beauftragten Firma Securitas tätig war. Nach
der Kontrolle von LKA und Zoll hat die Flughafengesellschaft von der Securitas
„unverzüglich eine vertiefte Sicherheitsüberprüfung für sämtliche Arbeits-
kräfte“ auch für das im öffentlichen und nicht gesperrten Bereich eingesetzte
Personal gefordert. Securitas lässt ihr Personal nun einer solchen Tiefenprüfung
durch die staatlichen Sicherheitsbehörden unterziehen (www.tagesspiegel.de/

berlin/schwere-sicherheitspanne-l-war-nicht-in-der-eu-terrordatei-registriert/
6998768-3.html).

Mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 ist das Sicherheitsüber-
prüfungsgesetzes (SÜG), das bis zu diesem Zeitpunkt nur den vorbeugenden
personellen Geheimhaltungsschutz geregelt hat, um vorbeugenden personellen
Sabotageschutz erweitert worden. Nicht mehr nur die Tätigkeit mit einem
Zugang zu als „geheim“ eingestuften Dokumenten ist nun Grundlage für

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Sicherheitsüberprüfungen, sondern auch die Tätigkeit in „verteidigungswichti-
gen“ oder „lebenswichtigen“ Einrichtungen. Damit hat sich der Kreis der poten-
tiell Betroffenen stark erweitert, besonders im privatwirtschaftlichen Bereich
(Flughäfen, Häfen, zivile Bedienstete in militärischen Einrichtungen etc.).

Behörden und Einrichtungen des Bundes und die Tätigkeitsbereiche von nicht
öffentlichen Unternehmen, in denen eine Sicherheitsüberprüfung im Sinne des
„vorbeugenden personellen Sabotageschutzes“ bei Neuanstellung oder turnus-
mäßig erfolgen soll, werden durch die Sicherheitsüberprüfungsfeststellungs-
verordnung (SÜFV) festgelegt. Lebenswichtige Einrichtungen im nicht öffent-
lichen Bereich liegen fachlich im Zuständigkeitsbereich des Bundesministe-
riums des Innern, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Das BMWi ist zuständig für deren Durchführung.

Bei der Sicherheitsüberprüfung gibt es mehrere Stufen. Die unterste Stufe gilt
auch beim Sabotageschutz und umfasst eine Sicherheitserklärung des Betroffe-
nen, Abfragen vorhandener Erkenntnisse beim Bundeszentralregister und den
Sicherheitsbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Militä-
rische Abschirmdienst geben eine Einschätzung zum Sicherheitsrisiko ab, die
dann von den zuständigen Geheimschutzbeauftragten der Behörden oder – im
nicht öffentlichen Bereich – durch das BMWi abschließend bewertet wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit trifft eine Meldung des „DER TAGESSPIEGEL“ zu, dass es sich
bei dem offiziell gegen Schwarzarbeiter gerichteten Einsatz von LKA und
Zoll am Abend des 2. August 2012 in Wirklichkeit um einen Antiterrorein-
satz handelte?

2. Welche Dienststelle war für die Anordnung, Planung und Durchführung des
Einsatzes zuständig?

3. Fand die Razzia – wie von Polizei und Zoll angegeben – auf der Baustelle
selber oder – wie von der Flughafengesellschaft behauptet – nur am Zugang
zur Baustellenverwaltung statt?

4. Waren an dem Einsatz außer LKA und Zoll weitere Sicherheitsbehörden
beteiligt, und wenn ja, welche?

5. Seit wann war den Sicherheitsbehörden bekannt, dass F. L. als Wachmann
auf der Baustelle des BER beschäftigt war?

6. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse über F. L. liegen der
Bundesregierung vor?

7. Hätte nach Einschätzung der Bundesregierung die Anstellung von F. L.
durch eine vertiefte Sicherheitsüberprüfung im Vorfeld verhindert werden
können?

8. Fand vor dem Polizei- und Zolleinsatz auf der BER-Baustelle eine Gefähr-
deransprache von F. L. statt?

a) Wenn ja, wann, und durch welche Behörde?

b) Wenn nein, inwieweit hält die Bundesregierung eine Schwarzarbeiter-
razzia von Polizei und Zoll für ein verhältnismäßiges Mittel, um einem
mutmaßlichen Gefährder zu signalisieren, dass man seine Aktivitäten
kennt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10567

9. Wie viele Sicherheitsüberprüfungen wurden seit Anfang 2008 in der Zu-
ständigkeit des Bundes bzw. von Bundesbehörden durchgeführt (bitte nach
Jahren trennen)?

a) Wie viele davon im militärischen Bereich,

b) wie viele davon im öffentlichen Bereich (ohne Militär) (bitte nach Bun-
desministerien auflisten),

c) wie viele davon im nicht öffentlichen Bereich (bitte nach den §§ 9a, 10
und 11 SÜFV aufschlüsseln)

(falls die genauen Zahlen nicht angegeben werden können, bitte jeweils den
Anteil an den gesamten Sicherheitsüberprüfungen benennen)?

10. Wie viele der Überprüfungen seit Anfang 2008 waren einfache Sicherheits-
überprüfungen (§ 8 SÜG), erweiterte Sicherheitsüberprüfungen (§ 9 SÜG)
oder erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen (§ 10
SÜG) (bitte nach Jahren und Bereichen auflisten)?

11. Wie viele der Überprüfungen seit Anfang 2008 ergaben sicherheitsrele-
vante Erkenntnisse (bitte nach Jahren und Bereichen auflisten)?

12. Wie viele der Überprüfungen seit Anfang 2008 ergaben ein Sicherheits-
risiko, und welche der im Gesetz genannten Sicherheitsrisiken (fehlende
Zuverlässigkeit, besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungs-
versuche fremder Dienste, Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich-demo-
kratischen Grundordnung) wurden festgestellt (bitte nach Jahren und Be-
reichen auflisten)?

a) Auf welche Anhaltspunkte wird „fehlende Zuverlässigkeit“ zurück-
geführt (mit der Bitte um beispielhafte Aufzählung)?

b) Auf welche Anhaltspunkte wird eine „besondere Gefährdung durch An-
bahnungs- und Werbungsversuche fremder Dienste“ zurückgeführt (mit
der Bitte um beispielhafte Aufzählung)?

c) Auf welche Anhaltspunkte wird ein „Zweifel am Bekenntnis zur frei-
heitlich-demokratischen Grundordnung“ zurückgeführt (mit der Bitte
um beispielhafte Aufzählung)?

13. Welche Datenbestände (Datenbanken, Verbunddateien, Amtsdateien etc.)
bei welchen Bundesbehörden werden im Rahmen der Sicherheitsüber-
prüfungen regelmäßig abgefragt?

14. Wie viele der Personen, die sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen
mussten, waren ausländische Staatsangehörige?

15. Von wie vielen Personen sind persönliche Daten, die in der Sicherheits-
erklärung angegeben werden (Personalien, Familienstand, nahe Verwandte,
Auslandsaufenthalte etc.), in die vom Bundesamt für Verfassungsschutz
geführten Verbunddateien (nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes)
eingegeben und dauerhaft gespeichert worden (bitte seit 2002 nach Jahren
auflisten)?

16. Wie viele Auskunftsersuchen sind im Rahmen von Sicherheitsüberprüfun-
gen an den/die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheits-
dienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gerichtet
worden (bitte auflisten nach Jahr und anfragender Behörde)?

17. Welche Informationspflichten bestehen seitens der Stelle, die ein vermeint-
liches Sicherheitsrisiko gegen das Eingehen eines Beschäftigungsverhält-
nisses geltend macht, gegenüber dem/der Betroffenen?

Drucksache 17/10567 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Bürgerinnen und Bürger,
gegen Feststellungen im Ergebnis von Sicherheitsüberprüfungen, die zu
ihrem Nachteil sind, vorzugehen?

Berlin, den 28. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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