BT-Drucksache 17/10528

Zukunft der dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen

Vom 22. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10528
17. Wahlperiode 22. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dr. Barbara Höll, Herbert Behrens,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner, Sabine Stüber
und der Fraktion DIE LINKE.

Zukunft der dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen

Am 17. Juni 2012 wurde in München ein Bürgerentscheid über eine dritte Start-
und Landebahn am Münchner Flughafen durchgeführt. 54,3 Prozent der Münch-
ner Bevölkerung votierten gegen die geplante dritte Bahn. In der Folge hat der
Oberbürgermeister der Stadt München, die Anteilseignerin der Flughafen Mün-
chen GmbH (FMG) ist, erklärt, das Ergebnis des Bürgerentscheids entgegen sei-
ner bisherigen Pro-Ausbau-Position zu akzeptieren. Entsprechend habe die Stadt
laut Online-Ausgabe der „Deutschen Verkehrszeitung“ (DVZ) vom 6. Juli 2012
von der FMG gefordert, den Bau der dritten Start- und Landebahn nicht weiter
zu verfolgen. Das Land Bayern und der Bund hätten in der Versammlung dem-
gegenüber weiterhin am Ausbau des Münchner Flughafens festgehalten. Beide
hätten die Anträge Münchens überstimmt. Neben der Stadt München mit 23 Pro-
zent Anteilen ist der Freistaat Bayern mit 51 Prozent und der Bund mit 26 Pro-
zent Gesellschafter der FMG.

Ob der Flughafenausbau nur mit Zustimmung aller drei Anteilseigner umgesetzt
werden kann, hängt einerseits davon ob, welche Stimmenanteile in der Gesell-
schafterversammlung für Beschlüsse erforderlich sind, und andererseits, ob und
gegebenenfalls welche Beschlüsse hierzu noch zu treffen sind. Unklar ist zu-
dem, ob sich Bund und Land dauerhaft über das Votum der Stadt München hin-
wegsetzen wollen.

Der bisherige Höchststand der Flugbewegungen am Münchner Flughafen lag im
Jahr 2008 bei etwas mehr als 432 000, seither liegt der Wert darunter (Flughafen
München GmbH: Flugbewegungen am Flughafen München von 1993 bis 2011,
vom 24. Januar 2012). Auch das Argument der Befürworter der geplanten dritten
Bahn, der Flughafen sei ein Jobmotor, ist durch das Gutachten der Technischen
Universität Chemnitz widerlegt (Prof. Dr. Friedrich Thießen: „Auswirkungen
einer dritten Start- und Landebahn der Flughafen München GmbH auf Wirt-
schaft und Siedlung im Flughafenumland“, vom 1. Juni 2012).

Laut § 29b Absatz 2 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) ist die Bevölkerung vor
unzumutbarem Fluglärm zu bewahren. Eine künftige dritte Start- und Lande-
bahn hätte jedoch enorme zusätzliche Lärmbelastungen zur Folge.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viel Prozent der Stimmen sind laut Gesellschaftervertrag der FMG in der
Gesellschafterversammlung erforderlich, um Beschlüsse zu treffen?

2. Gibt es Fälle, in denen eine Einstimmigkeit erforderlich ist?
Wenn ja, welche sind das?

Drucksache 17/10528 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wann wurden in den letzten drei Jahren welche Beschlüsse in der Gesell-
schafterversammlung der FMG für den Bau der dritten Start- und Lande-
bahn gefasst?

4. Könnte die Stadt München nach den Regeln des FMG-Gesellschafterver-
trags mit einem entsprechenden Abstimmungsverhalten den Bau einer drit-
ten Start- und Landebahn am Flughafen München verhindern (bitte mit
Begründung)?

5. Gab es einen offiziellen Beschluss der Gesellschafterversammlung der
FMG zum Baustopp der dritten Start- und Landebahn bis zum Abschluss
der Klagen gegen die dritte Start- und Landebahn?
Wenn nein, wer hat den Baustopp wann in welcher Form erlassen?
Wenn ja, wann ist dieser erfolgt, und muss dieser Baustopp durch einen er-
neuten Beschluss der Gesellschafterversammlung aufgehoben werden?

6. Hat sich die Stadt München als Gesellschafter der FMG gegenüber den an-
deren beiden Gesellschaftern bereits dazu geäußert, ob der Bürgerentscheid,
der am 17. Juni 2012 mit 54,3 Prozent ein klares Votum gegen den Bau einer
dritten Start- und Landebahn ergab, für eine bestimmte Frist für die Stadt
München bindend ist?
Wenn ja, um welche Frist ging es dabei?

7. Hat sich die Auseinandersetzung in der FMG-Gesellschafterversammlung
und im Aufsichtsrat der FMG um die Konsequenzen aus dem Münchner
Volksentscheid zur dritten Start- und Landebahn und die entsprechenden
Anträge der Stadt München am 5. Juli 2012 so abgespielt, wie in der Online-
ausgabe der „Deutsche Verkehrszeitung“ (DVZ) vom 6. Juli 2012 beschrie-
ben („Flughafengesellschaft sagt Nein zum ‚Schildbürgerstreich‘“)?
Wenn nein, was wurde von wem beantragt, und wie und mit welchem Er-
gebnis wurde darüber abgestimmt?

8. Hat die Stadt München nach ihrer von den zwei anderen Gesellschaftern ab-
gelehnten Forderung an die FMG, den Bau der dritten Start- und Landebahn
nicht weiter zu verfolgen, gegenüber den anderen beiden Gesellschaftern
erklärt, wie sich die Stadt zukünftig zu Planung und Bau verhalten wird?
Wenn ja, wie?

9. Sind für den Bau der dritten Start- und Landebahn weitere Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung erforderlich?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

10. Hat sich die Stadt München gegenüber den anderen beiden Gesellschaftern
dazu geäußert, ob sie auch zukünftig Anteilseigner der FMG bleiben
möchte?
Wenn ja, wie?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es weitere Beteiligungen der Öffent-
lichkeit mit Instrumenten der direkten Demokratie (z. B. Bürgerentscheid
oder Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene oder Volksbegehren auf Lan-
desebene) zum Bau der dritten Start- und Landebahn geben wird?

12. Laufen aktuell Ausschreibungs- bzw. Vergabeverfahren im Zusammenhang
mit dem Bau der dritten Start- und Landebahn?
Wenn ja, welche?

13. Liegt in der FMG ein Konzept für den langfristigen Betrieb nur mit den bei-
den bestehenden Start- und Landebahnen vor?

Wenn ja, wie sieht dieses aus?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10528

14. Wie hoch war die Anzahl an Flugbewegungen des inländischen und des
grenzüberschreitenden Luftfrachtverkehrs und des Personenverkehrs auf
innerdeutschen und grenzüberschreitenden Flügen vom und zum Münchner
Flughafen in den Jahren 2009, 2010, 2011?

15. Welche Entwicklung der Passagierzahlen und der Anzahl der Starts und
Landungen – unterteilt in Personen- und Frachtverkehr – am Münchner
Flughafen wird für die kommenden 30 Jahre prognostiziert (bitte Auflis-
tung in Schritten von fünf Jahren)?

16. Welche Erwartungen gibt es entsprechend den Fragen 14 und 15 für die Ent-
wicklung des Passagier- und Luftfrachtverkehrs in den nächsten 30 Jahren
am Nürnberger Flughafen?

17. Wie groß war die Zahl der Passagierflüge vom und zum Flughafen München
bis zu einer Distanz von 1 000 km jeweils in den Jahren 2010 und 2011
a) absolut,
b) in Prozent aller Passagierflüge (bitte Gesamtzahl aller Passagierflüge

angeben),
c) und wie sind diese Flüge strukturiert nach Entfernung (in Schritten von

jeweils 100 km und unterteilt nach Inlands- und Auslandsflügen)?

18. Wie viele der Passagierflüge vom und zum Flughafen München fanden je-
weils in den Jahren 2010 und 2011 von und zu Zielen statt, die mit der Bahn
ab München Hauptbahnhof schon jetzt in höchstens vier Stunden erreichbar
sind, und wie viele waren in höchstens sechs Stunden erreichbar?

19. Wie viele der Passagierflüge vom und zum Flughafen München fanden je-
weils in den Jahren 2010 und 2011 von und zu Zielen statt, die mit der Bahn
nach Realisierung aller Maßnahmen des Bedarfsplans Schiene und der ver-
traglich von der Bundesregierung vereinbarten Internationalen Schienen-
projekte ab München Hauptbahnhof in höchstens vier Stunden erreichbar
wären, und wie viele wären in höchstens sechs Stunden erreichbar?

20. Wie viele reine Frachtflüge fanden jeweils in den Jahren 2010 und 2011
vom und zum Flughafen München statt, und wie viele waren dies in Prozent
aller Flüge vom und zum Flughafen München (bitte Gesamtzahl der Flüge
ebenfalls angeben)?

21. Wie viele reine Frachtflüge gingen in den Jahren 2010 und 2011 jeweils von
und zu nationalen, europäischen und außereuropäischen Zielen (bitte je-
weils getrennt absolute Zahlen angeben sowie in Prozent aller Frachtflüge)?

22. Wie verteilten sich in den Jahren 2010 und 2011 diese reinen Frachtflüge
zeitlich (bitte in Intervallen von je einer Stunde angeben sowie getrennt
nach Starts und Landungen)?

23. Hat der Flughafenbetreiber die Möglichkeit, eine Maximalanzahl von Flug-
bewegungen vorzugeben, um den Flächenverbrauch des Flughafens oder
die Emissionen und Immissionen in Grenzen zu halten?
Wenn ja, inwieweit nimmt er diese Aufgabe wahr?
Wenn nein, warum nicht, und wer ist dafür zuständig?

24. Welchen Anteil (in Prozent) machen die Einnahmen aus den anteiligen
Landeentgelten aus, die
a) lärmabhängig,
b) schadstoffbezogen
erhoben werden?

Drucksache 17/10528 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
25. Welche Schadstoffe werden für die schadstoffbezogenen Landeentgelte be-
rücksichtigt, warum nur diese, und welche Änderungen bei den schadstoff-
bezogenen Landeentgelten sind seit ihrer Einführung 2008 wann warum
erfolgt?

26. Würden sich beim Betrieb der dritten Start- und Landebahn Änderungen für
die Flugrouten der beiden bereits existierenden Bahnen ergeben?
Wenn ja, welche?

27. Welche Flugrouten wurden im Planfeststellungsverfahren für die dritte
Start- und Landebahn in München unterstellt?

28. Wie hat sich die Bevölkerung in den Umlandgemeinden des Münchner
Flughafens seit 1990 entwickelt (bitte die demographische Entwicklung in
Fünfjahresschritten für alle Ortslagen bis zu einer Entfernung von 12 km
zum FMG und der geplanten dritten Bahn angeben)?

29. Wurden Starts und Landungen – geplanter oder bislang geflogener Verbin-
dungen – auf andere deutsche Flughäfen aufgrund der nicht vorhandenen
dritten Start- und Landebahn verlagert (z. B. Nürnberger Flughafen, Flug-
platz Ingolstadt-Manching oder andere), und wenn ja, welche Flüge wurden
wohin verlagert?

30. Trifft es zu, dass die aktuelle Gesamtkapazität des Münchner Flughafens
ohne die dritte Start- und Landebahn bei 520 000 Flugbewegungen pro Jahr
liegt, und wenn nein, bei wie vielen Flugbewegungen liegt die Gesamt-
kapazität?

31. Wie erklärt die Bundesregierung den Bedarf für die dritte Start- und Lan-
debahn einerseits vor dem Hintergrund einer gesunkenen Zahl von Flug-
bewegungen auf nur noch ca. 410 000 jährlich und andererseits der Aussage
von Flughafenchef Michael Kerkloh, dass der Flughafen München noch
eine Slotreserve von 10 Prozent besitzt (Süddeutsche Zeitung vom 22. Juni
2012 „Viele waren nicht da, als es darauf ankam“)?

32. Trifft es zu, dass gemäß Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen Mün-
chen im Rauminnern von Aufenthalts- und Schlafräumen kein Einzelschall-
ereignis über 55 Dezibel eintreten darf (Regierung von Oberbayern, Plan-
feststellungsbeschluss für den Verkehrsflughafen München, 3. Start- und
Landebahn, Band 2, S. 1087 f., 5. Juli 2011), aber sechs tägliche Einzel-
schallereignisse toleriert werden, wie in der „Berliner Zeitung“ vom 26. Juni
2012 berichtet („Viel Lärm um Fluglärm“) (bitte mit Begründung)?

33. Gab es gegen diese Tolerierung von sechs täglichen Überschreitungen bis-
her Klagen, und wenn ja, wann, von wem, und wie wurde in der Sache von
welchem Gericht entschieden?

34. Wie setzt sich die Fluglärmkommission des Flughafens München zusam-
men?

35. Lässt sich nach Meinung der Bundesregierung ein Verzicht auf eine dritte
Start- und Landebahn am Münchner Flughafen durch eine größere Auslas-
tung des Nürnberger Flughafens kompensieren (bitte mit Begründung)?

Berlin, den 22. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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