BT-Drucksache 17/10525

Ehrenbekundungen der Bundeswehr für verstorbene Wehrmachtsoffiziere (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/6201)

Vom 22. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10525
17. Wahlperiode 22. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Heidrun Dittrich, Inge Höger, Andrej
Hunko, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Ehrenbekundungen der Bundeswehr für verstorbene Wehrmachtsoffiziere
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/6201)

Die Bundeswehr hält an ihrer Praxis fest, bei Beerdigungen von Wehrmachts-
offizieren Ehrengeleite abzuordnen, ohne sich zuvor in jedem Fall davon zu
überzeugen, dass der Verstorbene nicht an Kriegsverbrechen beteiligt war oder
verbrecherische Befehle erteilt hat. Die Antworten der Bundesregierung auf
Anfragen der Fraktion DIE LINKE. sind aus deren Sicht nicht konsistent.

Die Bundesregierung besteht darauf, die Ehrung von Wehrmachtsgrößen sei
„nicht Teil der Traditionspflege, sondern Bestandteil militärischen Brauch-
tums.“ Den Fragestellern ist dies zunächst gleichgültig – sie lehnen die pau-
schale Ehrung von Männern, die sich freiwillig dazu entschlossen hatten (die
Rede ist von Berufssoldaten), für die Nazis zu kämpfen, als falsch ab. Schon
die Tatsache, dass die Wehrmacht grausame Kriegsverbrechen begangen hat,
sollte einer Übernahme angeblicher „internationaler Gepflogenheiten“ entge-
genstehen. Das Mitgefühl mit den Hinterbliebenen würde nicht geschmälert,
wenn die Bundeswehr bei den Begräbnissen in der Kaserne bliebe. Durch ihre
Präsenz am Grabe aber macht sie die Trauerfeier zum Politikum, weil sie damit
unweigerlich ihr offenbar positives Verhältnis zur Wehrmacht demonstriert.

Die Bundesregierung hat bis heute nicht umfassend dargelegt, welche Schritte
die für eine Prüfung von Anträgen auf Ehrengeleit zuständigen Wehrbereichs-
kommandos (WBK) regelmäßig einleiten. Einerseits ergibt sich aus den bishe-
rigen Antworten, dass Institutionen wie das Militärgeschichtliche Forschungs-
amt (MGFA), die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung
nationalsozialistischer Verbrechen und andere nicht eingeschaltet werden und
dass nur „fallbezogen […] verschiedene Wege und Quellen genutzt“ würden,
um zu Ergebnissen zu gelangen (ohne diese Wege und Quellen im Einzelnen zu
benennen), andererseits verweist die Bundesregierung darauf, dass die Bundes-
wehr „regelmäßig deren abschließenden Befund“ übernehme. Eine Rekonstruk-
tion, in welchen der seit 2000 durchgeführten 117 Ehrenbekundungen eine

umfangreichere Prüfung stattgefunden hat, sei nicht möglich, weil „zentrale
Listen“ nicht geführt würden. Die Fragesteller gehen allerdings davon aus, dass
die Anträge auf Ehrengeleite und die eingeleiteten Prüfungsschritte in den
WBK als schriftliche Vorgänge abgeheftet werden und damit eine Beantwor-
tung der Fragen der Fragesteller zulassen.

Drucksache 17/10525 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist die Formulierung (Antwort zu Frage 4 in der Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/10455), es würden „fallbezogen […] verschiedene Wege und
Quellen genutzt, um zu tragfähigen Ergebnissen zu gelangen“, zu verstehen?

a) In welchen Fällen werden Prüfungen zum historischen und politischen
Hintergrund der Verstorbenen geführt, die über die rein formalen Fakten
hinausgehen, die in der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 10/8 genannt
werden, und nach welchen Kriterien richten sich die Verantwortlichen in
den WBK hierbei (bitte vollständig angeben)?

b) Um welche Wege und Quellen, die genutzt werden, handelt es sich hier-
bei (bitte vollständig angeben)?

2. Trifft die Annahme der Fragesteller zu, dass Anträge auf Stellung eines
Ehrengeleits und damit notwendig werdende Prüfungen zu schriftlichen
Vorgängen in den WBK führen, und wenn ja, warum ist dann nicht
rekonstruierbar, bei welchen der seit 2000 durchgeführten 117 Ehrenbekun-
dungen welche Art von Prüfungen durchgeführt wurden (bzw. welche
„Wege und Quellen“ genutzt), insbesondere, bei welchen Fällen die Zentrale
Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer
Verbrechen, das Berlin Document Center, das Simon Wiesenthal Center und
das MGFA hinzugezogen wurden (falls die Vorgänge doch rekonstruierbar
sind, wird um ausführliche Angaben nach Art und Umfang der Prüfung so-
wie hinzugezogenen Stellen gebeten)?

3. Wie viel Zeit steht im Durchschnitt zur Verfügung, um eine Prüfung hin-
sichtlich etwaiger Beteiligung an Kriegsverbrechen und anderen Aus-
schlussgründen durchzuführen, und wie fällt die Entscheidung aus, wenn die
Zeit nicht ausreicht, um die Prüfung abzuschließen?

4. Warum beschränken sich die Ausschlussgründe lediglich auf Mitgliedschaft
in verbrecherischen Organisationen, Beteiligung an Kriegsverbrechen und
auf verfassungsfeindliche Bestrebungen und schließen nicht auch Mitglied-
schaft in der NSDAP, Weitergabe verbrecherischer Befehle, Nichtverfolgen
von Straftaten deutscher Soldaten, öffentliche Unterstützung des NS-
Regimes, Leugnen der deutschen Kriegsschuld, Leugnen von Verbrechen
der Wehrmacht, usw. mit ein, was es – unbeschadet einer etwaigen straf-
rechtlichen Relevanz – als unverhältnismäßig erscheinen lassen sollte, eine
Abordnung der Bundeswehr zu entsenden?

Aus welchen Gründen findet die Bundesregierung, dass solche Umstände
bzw. Äußerungen einer Ehrung durch die Bundeswehr nicht entgegenste-
hen?

Berlin, den 22. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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