BT-Drucksache 17/10521

Erkenntnisse zur Weiterreise von irregulär in die EU eingereisten Migrantinnen und Migranten innerhalb des Schengenraums

Vom 22. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10521
17. Wahlperiode 22. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Heidrun
Dittrich, Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Raju Sharma, Frank Tempel, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse zur Weiterreise von irregulär in die EU eingereisten Migrantinnen
und Migranten innerhalb des Schengenraums

Mehrfach führten europäische Polizeien in den vergangenen Jahren so genannte
Europäische Polizeioperationen durch, um dadurch Erkenntnisse zu den Reise-
routen irregulär eingereister Migrantinnen und Migranten innerhalb der Europä-
ischen Union (EU) zu gewinnen. Asylsuchende oder irreguläre Migrantinnen
und Migranten reisen demnach in die EU ein, verbleiben aber nicht im Erstein-
reisestaat, sondern in einem anderen Zielstaat innerhalb des Schengenraums
(„Sekundärmigration“), in dem sie keine regulären Grenzkontrollen fürchten
müssen. Für manche Schutzsuchende ist das die einzige Chance, mit bereits in
einem bestimmten EU-Staat lebenden Verwandten zusammenzukommen, oder
sie erhoffen sich größere Erfolgsaussichten bei ihrer Asylantragstellung.

In der Sicherheitspolitik der EU bzw. der Schengenstaaten wird die Sekundär-
migration im Wesentlichen als Problem einer ungesteuerten Migration und da-
mit – ohne erkennbare logische Verknüpfung – als Sicherheitsproblem gesehen.
Um die Sekundärmigration wirksam unterbinden zu können, sollen möglichst
viele Erkenntnisse über die genauen Verläufe der Sekundärmigration erhoben
und gemeinsam ausgewertet werden. Damit soll nach Einschätzung der Frage-
steller ein effizienter Einsatz der in allen Mitgliedstaaten abnehmenden Zahl von
Beschäftigten im Polizeivollzugsdienst erreicht werden, indem diese verstärkt
auf den Hauptrouten irregulärer Migration innerhalb der EU aktiv werden.

Um solche Erkenntnisse gemeinsam zu erheben und auszuwerten, werden seit
einigen Jahren „gemeinsame Polizeioperationen“ durchgeführt. Die Teilnahme
der Mitgliedstaaten ist freiwillig, koordiniert werden die Operationen von der je-
weiligen Ratspräsidentschaft. Im Jahr 2008 koordinierte Frankreich eine Opera-
tion, an der die Bundesrepublik Deutschland mit 11 000 Beamtinnen und Beam-
ten der Bundespolizei beteiligt war (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/11576).
Im Jahr 2010 gab es die Operation „Hermes“ auf Initiative der belgischen
Ratspräsidentschaft (nicht zu verwechseln mit der Operation „Hermes“ der
Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen

der Mitgliedstaaten der EU – FRONTEX – im Zeitraum von 2011 bis 2012). Auf
Initiative der ungarischen Ratspräsidentschaft fand vom 28. März 2011 bis
3. April 2011 die Operation „Mitras“ statt. Ebenfalls 2011 wurde unter
Federführung der polnischen Ratspräsidentschaft im Oktober die Operation
„Demeter“ durchgeführt. Unter dänischer Ratspräsidentschaft fand vom 16. bis
22. April 2012 die Operation „Balder“ statt. Für das zweite Halbjahr ist unter

Drucksache 17/10521 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Führung der zypriotischen Ratspräsidentschaft die Operation „Aphrodite“ ge-
plant.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche gemeinsamen Polizeioperationen im Sinne der Fragestellung gab es
in den vergangenen zehn Jahren neben den in der Vorbemerkung genannten
(bitte Name, Datum, Federführung, deutsche Beteiligung und Schwer-
punktsetzung nennen)?

2. Wie viele Kräfte der in den einzelnen beteiligten Staaten zuständigen Be-
hörden wurden insgesamt und in Bezug auf die einzelnen Staaten jeweils
eingesetzt?

Inwieweit entsprach diese Zahl nach Kenntnis der Bundesregierung in etwa
den im Schnitt eingesetzten Einsatzkräften dieser Staaten auch in den
Wochen des Jahres, in denen keine „gemeinsamen Polizeioperationen“
stattfanden (bitte zumindest in Bezug auf deutsche Kräfte ausführen)?

3. Welche strategische Fragestellung wurde bei den gemeinsamen Polizeiope-
rationen jeweils verfolgt, und welche Daten wurden zur Beantwortung aus-
gewertet?

4. Wie erfolgte die Auswertung jeweils?

5. Bei welchen dieser Operationen wurden die Einsatzpläne der Bundespolizei
eigens auf den Zweck der Operationen abgestimmt (inhaltlich und/oder
räumlich), und in welcher Hinsicht?

6. Welche Verdachtsfälle von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wurden
bei den Operationen im Einzelnen festgestellt (bezogen auf alle Teilnahme-
staaten und auf die Bundesrepublik Deutschland)?

a) Welche besonderen, strategisch relevanten Erkenntnisse ergaben sich
aus diesen Feststellungen?

b) Inwieweit wären diese Erkenntnisse auch gewonnen worden, wenn die
Daten einer beliebigen Woche ausgewertet worden wären, ohne dem
Einsatz dabei den Titel „gemeinsame Polizeioperation“ zu geben (bitte
ausführen)?

7. Was sind die aus den gemeinsamen Polizeioperationen gewonnenen Er-
kenntnisse im Hinblick auf die den einzelnen Operationen jeweils zugrunde
liegenden Fragestellungen?

8. Was waren in Bezug auf die einzelnen Operationen und in ihrer Gesamt-
schau gewonnene Erkenntnisse, die zu neuen Initiativen im Bereich Grenz-
kontrolle auf EU-Ebene geführt haben (z. B. „smart border package“)?

9. Welche anderen Instrumente stehen den Mitgliedstaaten zur Verfügung, im
Rahmen der Maßnahmen zum Ausgleich des Wegfalls der Kontrollen an
den Binnengrenzen (anlassbezogene Kontrollen im grenznahen Raum und
an Transitstrecken etc.) strategische Erkenntnisse auszutauschen?

Wenn solche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, worin besteht der spezi-
fische Mehrwert der „gemeinsamen Polizeioperationen“ gegenüber diesen
anderen Instrumenten?

10. Waren in der Bundesrepublik Deutschland noch weitere Behörden neben
der Bundespolizei an den „gemeinsamen Polizeioperationen“ beteiligt
(Zoll, Länderpolizeien etc.), und in welcher Größenordnung jeweils?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10521

11. Erfolgt von Stellen des Bundes eine eigene Auswertung der Erkenntnisse
aus den „gemeinsamen Operationen“, mit welchem Zweck, und mit welchen
Ergebnissen für die operationelle Ausrichtung der Bundesbehörden (insbe-
sondere der Bundespolizei)?

12. Welche Einrichtungen, Agenturen etc. der Europäischen Union waren an
der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der „gemeinsamen Poli-
zeioperationen“ jeweils beteiligt (bitte für die einzelnen Phasen der Opera-
tion getrennt angeben)?

13. Wird sich die Bundespolizei (und ggf. weitere Stellen des Bundes oder der
Länderpolizeien) an der für die kommenden Monate geplanten Operation
„Aphrodite“ beteiligen, und welchen Erkenntnisgewinn bzw. operativen
Mehrwert verspricht sich die Bundesregierung von dieser Teilnahme?

Berlin, den 22. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.