BT-Drucksache 17/10501

Stand der Polizeireform 2011 nach dem Bericht der Werthebach-Kommission

Vom 16. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10501
17. Wahlperiode 16. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Jens Petermann, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Polizeireform 2011 nach dem Bericht der Werthebach-Kommission

Am 28. Juni 2011 verkündete der Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter
Friedrich quasi offiziell das Ende der mit der Einsetzung und den Ergebnissen
der Werthebach-Kommission verbundenen öffentlichen Debatte um Umfang
und Qualität der Reform der Polizeien des Bundes und des Zolls.

Seine damalige Presseerklärung, die den wesentlichen Inhalt des Berichts
darstellte, der zwei Monate später als Drucksache den Innenausschuss des
Deutschen Bundestages (Ausschussdrucksache 17(4)329) erreichte, enthielt
folgende Punkte:

1. „Die Aus- und Fortbildung für die beiden Säulen der Polizei des Bundes,
d. h. für Bundeskriminalamt und Bundespolizei, wird bei der Bundespolizei-
akademie als zentrale Bildungseinrichtung zusammengeführt […]“ (Presse-
erklärung des Bundesministeriums des Innern – BMI – am 28. Juni 2011).
Neben der sachlich durchaus nachvollziehbaren Vereinheitlichung der Aus-
bildung wurde auch ein eher ideologisches Ziel verfochten, wenn es heißt,
dass „damit auch perspektivisch bei den Polizisten ein gemeinsames Ver-
ständnis der beiden Sicherheitsbehörden als Teil einer ‚Polizei des Bundes‘
im Geschäftsbereich des BMI“ (ebenda) geschaffen werden soll.

2. Die Informations- und Kommunikationstechnik der beiden Polizeibehörden
des Bundes soll mit dem Ziel der Schaffung eines Informations- und Kom-
munikationstechnik (IKT)-Zentrums Polizei des Bundes konsolidiert wer-
den. Erstellt werden soll eine Kooperationsvereinbarung zwischen Bundes-
kriminalamt (BKA) und Bundespolizei (BPOL), und bis zum Sommer 2012
soll ein Feinkonzept zur Umsetzung vorliegen.

3. Der Personenschutz im Ausland wird von der Bundespolizei gestellt, der
Personenschutz im Inland bleibt beim Bundeskriminalamt.

4. Die Bekämpfung der schweren und der organisierten Schleusungskriminali-
tät bleibt als Teil der Bekämpfung der illegalen Migration Aufgabe der
Bundespolizei.

5. Das Verbindungsbeamtenwesen (einschließlich Entsendeplanung und Be-
treuung) wird im BMI gebündelt, um nicht zuletzt ein einheitliches Auftreten

Deutschlands im Ausland sicherzustellen.

6. Die Zusammenarbeit mit der Bundeszollverwaltung soll in Absprache mit
dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) weiter intensiviert und aus-
gebaut werden, wobei die Einzelempfehlungen der Werthebach-Kommission
aufgegriffen und „zeitnah umgesetzt“ (ebenda) werden sollen; bei einigen
wenigen der Empfehlungen soll noch Prüfbedarf bestehen, der zwischen dem
BMI und dem BMF geklärt werden soll.

Drucksache 17/10501 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anfang Oktober 2011 wurde dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-
tages unter Bezug auf die genannte Ausschussdrucksache 17(4)329 eine soge-
nannte Sachinformation des BMI für den Haushaltsausschuss vom 7. Oktober
2011 zugeleitet. Den Themenblöcken, so die Darstellung der Sachinformation,
werden weitere Einzelmaßnahmen, deren Umsetzung weiter betrieben werden
sollte, zugeordnet. Dabei ging es um:

– Stärkung der Zentralstellenfunktion des BKA,

– Beibehaltung der Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes,

– Zuständigkeit der BPOL für leichte und mittlere Kriminalität in ihrem Auf-
gabenbereich,

– Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Kompetenzabgrenzungen, Aufgabenwahr-
nehmung und Zusammenarbeit von Bundespolizei und Ländern,

– Abstimmung der Entsendung von Verbindungsbeamten, insbesondere Ein-
richtung von Standorten, Bestimmung der Entsendebehörde und Zahl der
Verbindungsbeamten an einem Standort zwischen BKA und Zollkriminal-
amt (ZKA) und den beteiligten Ressorts,

– Einrichtung eines ständigen Ausschusses, der Aus- und Fortbildungsmaß-
nahmen der Sicherheitsbehörden plant und koordiniert,

– systematischer Arbeitsplatzwechsel (Job-Rotation) zwischen den Sicher-
heitsbehörden zur Steigerung der Kooperationsfähigkeit,

– kritische Bestandsaufnahme vor Errichtung neuer behördenübergreifender
Zentren der Zusammenarbeit,

– Recht zu INPOL-Abfragen auch für Zollfahndungsämter (im Einvernehmen
mit Ländern),

– Abstimmung der Dienstvorschriften von BPOL und Zollverwaltung im
Schengengrenzbereich,

– gemeinsame Module für Aus- und Fortbildung der an der Schengengrenze
eingesetzten Kräfte von BPOL und Zollverwaltung,

– gegenseitige Hospitationen in den schengengrenznahen Behörden von
BPOL und Zollverwaltung,

– Abstimmung der Personalstärken im Einsatz auf Leitungsebene der schengen-
grenznahen Dienststellen von BPOL und Zollverwaltung,

– gemeinsame Lageerstellung, -beurteilung und Risikoanalyse von BPOL und
Zollverwaltung für Schengengrenzbereich,

– Abstimmung der Kontroll- und Fahndungstätigkeiten, insbesondere Einsatz-
und Streifenpläne, von BPOL und Zollverwaltung im Schengengrenzbereich,

– gemeinsame Einsatzeinheiten von BPOL und Zollverwaltung im Schengen-
grenzbereich,

– Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen Flughafendienststellen
von BPOL und Zollverwaltung,

– gemeinsame Ausbildungsmodule und Fortbildungen für an Flughäfen ein-
gesetzte Beschäftigte von BPOL und Zollverwaltung,

– gegenseitige Hospitationen in den Flughafendienststellen von BPOL und
Zollverwaltung als Standardmaßnahme der Personalentwicklung,

– Möglichkeit des Abgleichs von Passagierdaten der Luftfahrtunternehmen
mit Erkenntnissen aus der Risikoanalyse der Zollverwaltung,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10501

– Einrichtung einer Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift bei BKA mit
ZKA,

– Gemeinsame Finanzermittlungsgruppen des Zollfahndungsdienstes auch mit
Länderpolizei von Hessen und Bremen,

– Intensivierung der Zusammenarbeit von BKA und ZKA bei Bekämpfung der
Arzneimittelkriminalität,

– Einrichtung Gemeinsamer Ermittlungsgruppen in geeigneten Fällen zur Inten-
sivierung der Zusammenarbeit und Koordinierung im Ermittlungsbereich,

– institutionalisierte regelmäßige Treffen der zuständigen Abteilungs-/Grup-
penleiter von BKA, BPOL und ZKA zur Verbesserung der Abstimmung und
Koordinierung auf dem Gebiet der Strafverfolgung,

– Ansiedlung der zentralen Risikoanalysen der Zollverwaltung insgesamt
beim ZKA,

– Aufnahme der Eilkompetenz für Vollzugsbeamte der Zollverwaltung in alle
Landespolizeigesetze,

– intensivierte ganzheitliche Betrachtung der Phänomene Schwarzarbeit, ille-
gale Migration, Schleusungskriminalität und illegaler Aufenthalt durch
Finanzkontrolle Schwarzarbeit,

– Einbeziehung der besonderen Sachkunde der BPOL in Bezug auf die
Bekämpfung der illegalen Migration und der Schleusungskriminalität in
Kontrollmaßnahmen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit,

– die zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder verschaffen sich
regelmäßig einen Überblick über die von BKA, BPOL und den repressiv-
und präventiv-polizeilichen Teilen der Zollverwaltung untereinander und mit
anderen Behörden getroffenen schriftlichen Kooperationsvereinbarungen,

– Prüfung, inwieweit die im Bereich des Bundes vorhandenen kriminaltechni-
schen Einrichtungen auf eine dauerhafte und ggf. arbeitsteilige Zusammen-
arbeit ausgerichtet werden können,

– Fortführung des Projekts „Auf- und Ausbau von Kompetenz- und Dienst-
leistungszentren“ der Bundesregierung,

– die Informationstechnik (IT) auf die polizeiliche Arbeitsebene, auf die Fach-
dienststellen der mittleren Ebene und auf ein integriertes Entwicklungs-
zentrum aufgabenspezifisch zu dislozieren (Prinzip der Subsidiarität),

– ein Strategiezentrum Sicherheit und IT in Kooperation von BKA und Bundes-
amt für die Sicherheit in der Informationstechnik einzurichten,

– den Ländern eine koordinierende Einrichtung als Partner des Strategiezen-
trums vorzuschlagen,

– Konzentration der Beschaffung von Informationstechnologie auf bestimmte
Technologien und Produkte,

– flächendeckende (IT-)Aus- und Fortbildung aller Sachbearbeiter der Arbeits-
ebene,

– Verbesserung der personellen Ausstattung insbesondere der Fachdienst-
stellen auf der mittleren Ebene,

– bessere Beratung von Parlamenten, Verwaltung und Justiz bei der Einschät-
zung von Risiken und Chancen moderner Kommunikationstechnologie,

– eine nach außen gewendete Compliance zur systematisierten Aufdeckung
EDV-gestützter Straftaten zu etablieren,

Drucksache 17/10501 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– Zusammenführung der Aus- und Fortbildungseinrichtungen von BKA und
BPOL sowie gemeinsame Strategie zur Personalgewinnung bei von der
Kommission empfohlener Neuordnung von BKA und BPOL,

– Personenschutz im Ausland (Botschafterschutz) bei BPOL,

– Konzentration der Entsendung von Verbindungsbeamten des BKA und der
BPOL.

Die Systematik ist etwas schwer durchschaubar, da in den Empfehlungen auch
Teile der Themenblöcke aus der Pressemitteilung auftauchen. Insgesamt bilden
die aufgeführten 43 Einzelmaßnahmen aber doch, über die bloße Absichts-
erklärung hinaus, ein Arbeitsprogramm, das Schritte zur etwas eingeschränkten
Umsetzung der Reform der Polizeien des Bundes angibt, die der Vorgänger im
Amt des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, geplant und als
„eine Organisations- und keine Befugnisreform“ verstanden wissen wollte
(Deutschlandfunk am 11. Januar 2011). Über die tatsächliche Umsetzung ist bis
heute allerdings wenig bekannt geworden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Welche der in den sechs Punkten der Presseerklärung vom 28. Juni 2011, der
Ausschussdrucksache 17(4)329 des Innenausschusses des Deutschen Bundes-
tages und der Sachinformation des BMI für den Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages vom 7. Oktober 2011 aufgeführten Themenblöcke und
43 Einzelempfehlungen sind

a) mit welchen Schritten und Maßnahmen wann begonnen worden, und welchen
Stand haben sie erreicht,

b) wann mit welchen Schritten und Ergebnissen durchgeführt und umgesetzt
worden,

c) auf Grund welcher Überlegungen und auf wessen Veranlassung nicht weiter
verfolgt worden

(bitte der besseren Verständlichkeit wegen die Einzelmaßnahmen mit Termin
und jeweiligen Schritten, einschließlich der Einrichtung von Arbeitsgruppen
oder anderen organisatorischen Maßnahmen mit jeweiligen Teilnehmerinnen
und Teilnehmern und der Ergebnisumsetzung den Themenblöcken zugeordnet
darstellen)?

Berlin, den 8. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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