BT-Drucksache 17/10497

Unterstützung nachhaltiger Aquakultur

Vom 16. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10497
17. Wahlperiode 16. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Steffen Bockhahn,
Eva Bulling-Schröter, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Sabine Stüber
und der Fraktion DIE LINKE.

Unterstützung nachhaltiger Aquakultur

Fisch ist gesund. Er ist ein beliebtes Nahrungsmittel. Auch in Deutschland lan-
det er regelmäßig auf dem Teller. Doch nur einer von zehn Fischen wurde in der
Bundesrepublik Deutschland bzw. in ihren Hoheitsgewässern gefangen. Laut
dem Fisch-Informationszentrum (FIZ) e. V. in Hamburg werden 88 Prozent des
deutschen Fisch- und Fischwarenbedarfs importiert.

Fisch wird in Meeren, Flüssen oder Seen gefangen. Immer häufiger werden
Speisefische aber auch in künstlichen Anlagen zu Wasser oder auf dem Land
produziert. Diese als Aquakultur bezeichneten Fischanlagen reichen von tradi-
tionellen Teichwirtschaften – beispielsweise für Forellen oder Karpfen – über
Käfiganlagen in Meeren, Flüssen und Seen bis hin zur Haltung in geschlossenen
Kreislaufanlagen mit Meeres- oder Süßwasserfischen oder anderen Meerestie-
ren im Binnenland weit ab von jeder Küste. Weltweit wächst die Bedeutung der
Aquakultur. Dazu tragen einerseits der steigende Bedarf an Fisch und Meeres-
früchten bei und andererseits die zurückgehenden oder stagnierenden Fischerei-
erträge in natürlichen Fischbeständen infolge der Übernutzung der natürlichen
Ressourcen oder Umweltproblemen in Meeren, Flüssen und Seen.

In der Bundesrepublik Deutschland sehen sich die Fisch- und Teichwirtschaft
einem enormen Preisdruck durch Importe von Aquakulturfischen, z. B. Panga-
siusfilet, ausgesetzt. Solche Importware wird häufig unter problematischen
sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen betriebswirtschaftlich sehr
kostengünstig erzeugt. Die einheimische Fischproduktion in geschlossenen
Aquakulturanlagen steckt noch in den Kinderschuhen und bietet – gerade in
Kombination mit Biogasanlagen zur Ausnutzung der Abwärme – ein enormes
Wachstumspotential. Allerdings wird für die Fütterung in Aquakultur gehaltener
Raubfische Fischmehl genutzt, welches wiederum aus Meeresfischen produziert
wird. Somit ist Aquakultur nur bedingt eine Lösung des Problems drohender
oder bereits existierender Überfischung der Meere.

Zu einer wünschenswerten Steigerung der Selbstversorgung der Bundesrepublik
Deutschland mit Fisch kann ein Wachstum der Aquakultur beitragen. Gleich-

zeitig muss die Bundesrepublik Deutschland einen Beitrag zur Verbesserung der
sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen der Importware leisten.
Neben der Weiterentwicklung nachhaltiger Produktionstechniken sind auch of-
fene wissenschaftliche Fragestellungen (z. B. Alternativen zum Fischmehl) und
eine Verbesserung der Verbraucherinformation notwendig. Gerade hinsichtlich
des Forschungsbedarfs und der Forschungsbemühungen der Bundesregierung
ergeben sich etliche Fragen.

Drucksache 17/10497 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Grundsätzliches

1. Welche Definition des Begriffes „Aquakultur“ legt die Bundesregierung
ihrer Politik zu Grunde?

2. Welche nach der Verordnung (EG) Nr. 708/2007 meldepflichtigen ge-
schlossenen Aquakulturanlagen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland,
und seit wann werden sie in welchem Bundesland betrieben?

3. Wie sollte eine „nationale Forschungsstrategie Aquakultur“ nach Meinung
der Bundesregierung ausgestaltet sein?

4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das quantitative
Verhältnis von einheimischen und in die Bundesrepublik Deutschland
importierten Fischereiprodukten vor (absolut und relativ)?

Wirtschaft und Arbeit

5. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage und Entwicklungsperspektiven
der einheimischen Aquakulturanlagen ein (bitte unterscheiden in Teichwirt-
schaften und geschlossene Kreislaufanlagen)?

6. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Situation der Karpfenteich-
wirtschaft?

7. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Situation der Muschelzucht
in Aquakulturanlagen?

8. Wie können die Produktion und der Absatz einheimischer Fischereierzeug-
nisse gesteigert werden?

Welche Potenziale schreibt die Bundesregierung der nachhaltigen Steige-
rung der bestehenden Anlagen bzw. der Errichtung von standortunabhängi-
gen Kreislaufanlagen zu?

9. Welches Potential misst die Bundesregierung der Fischproduktion in ge-
schlossenen Kreislaufanlagen in Kombination mit Biogasanlagen zu?

Wie will sie solche Anlagen konkret unterstützen?

10. Welches Potential misst die Bundesregierung dem Einsatz von Netzkäfigen
in Gewässern und Teichen in Teichsystemen zu?

11. Welche Probleme im Bereich der Larvenaufzucht mariner Fischarten sind
nach Ansicht der Bundesregierung vorhanden, und welchen Beitrag leistet
sie, diese zu verringern?

12. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen aus den Bereichen Natur-, Bau-,
Veterinär- und Wasserrecht begrenzen aktuell den Aus- und Zubau von
Aquakulturanlagen, und welchen rechtlichen Regelungsbedarf sieht die
Bundesregierung?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation der Aus- und Fortbildung der
in der Aquakultur Beschäftigten ein?

14. Welche Einkommensstruktur gibt es in der Aquakulturwirtschaft?

Europa

15. Wann wird die Bundesregierung ihre von der Europäischen Kommission im
Rahmen der Reform der EU-Fischereipolitik eingeforderte nationale Stra-
tegie zur Entwicklung der Aquakultur vorlegen?
16. Wie bewertet die Bundesregierung die finanzielle Unterstützung im Rah-
men der EU-Fischereipolitik (Gemeinsame Fischereipolitik – GFP) für die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10497

Hochseefischerei im Verhältnis zur Unterstützung der einheimischen Aqua-
kultur?

17. In welchem Umfang wurde in den vergangenen zehn Jahren die Errichtung
von Warmwasserkreislaufanlagen durch Landes-, Bundes oder EU-Mittel
gefördert?

18. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung der Europäische Fischerei-
fonds (EFF) bzw. zukünftig Europäischer Meeres- und Fischereifonds
(EMFF) stärker zu Gunsten der Förderung der Süßwasseraquakultur durch
die Bundesländer eingesetzt werden?

Welche Vorschläge bringt die Bundesregierung diesbezüglich in die Ver-
handlungen zur Zukunft der GFP ein?

Welche Form der Investitionsförderung im Aquakulturbereich wäre aus
ihrer Sicht notwendig?

19. Welche aktuellen Aktivitäten unternimmt die Bundesregierung zur Durch-
setzung ihrer Forderung nach einem EU-Kormoranmanagement?

Welche Mitgliedstaaten konnte sie bereits von der notwendigen Einführung
eines Kormoranmanagements überzeugen?

Woran scheitern ihre Bemühungen, auch die anderen Mitgliedstaaten davon
zu überzeugen?

Forschung

20. Welche wissenschaftlichen Einrichtungen stehen in der Bundesrepublik
Deutschland zur Aquakulturforschung zur Verfügung, und welche Bedeu-
tung misst die Bundesregierung ihnen bei?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die einheimische Aquakulturforschung
in Hinsicht auf ihre Kontinuität, Koordination und Praxistauglichkeit?

Welcher Verbesserungsbedarf wird gesehen?

22. Welche Forschungsergebnisse zur tiergerechten Haltung von Fischen, vor
allem von Meeresfischen, sind der Bundesregierung bekannt?

Welche Forschungsvorhaben werden in diesem Bereich durch die Bundes-
regierung unterstützt bzw. gefördert, vor allem hinsichtlich der Besatzdich-
ten, sowie der In- und Outputs (z. B. Futtermittel, Fäkalien, etc.)?

23. Warum schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) keine Forschungsprogramme mehr im Bereich der marinen Aqua-
kultur aus?

24. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Potential von Algennutzung zur
Energieproduktion bzw. als Lebens- oder Futtermittel ein?

Welche Forschungsvorhaben werden in diesem Bereich von der Bundes-
regierung wo und in welchem finanziellen Umfang gefördert?

25. Welches Forschungspotential sieht die Bundesregierung im Bereich geeig-
neter Arzneimittel für die Binnenfischerei?

26. Welche Konzepte zur Fischgesundheit, gerade auch in Bezug auf zuneh-
mende Barrierefreiheit der Fließgewässer, liegen der Politik der Bundes-
regierung zu Grunde?

27. Welches Potential bieten integrierte multitrophische Aquakultursysteme
(IMTA) in Kombination mit Offshore-Windkraftanlagen?

Welche Forschungsvorhaben werden in diesem Bereich von der Bundes-

regierung unterstützt bzw. gefördert?

Drucksache 17/10497 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Sind die vorhandenen nationalen Offshore-Windkraftanlagen für das An-
bringen von Netzgehegen geeignet, bzw. was wäre dazu notwendig?

29. Wie ist in diesem Zusammenhang der Schiffsverkehr in der Nähe der Off-
shore-Windkraftanlagen zu bewerten?

30. Welche Forschungsvorhaben unterstützt bzw. fördert die Bundesregierung
im Bereich der Futtermittel für Aquakulturen, insbesondere hinsichtlich der
Entwicklung von Alternativen zum Fischmehl?

31. Welche Forschungsvorhaben unterstützt bzw. finanziert die Bundesregie-
rung im Bereich der (zertifizierten) ökologischen Aquakultur (bitte Projekte
und Projektnehmer benennen)?

Verbraucher- und Umweltschutz

32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu Wahrnehmung, Wissen und
Bewertung der Aquakultur durch Verbraucherinnen und Verbraucher?

33. Welchen eigenen Beitrag leistet die Bundesregierung zu einer sachlichen
Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über einheimische und
importierte Fischereierzeugnisse?

34. Wie ist der Umgang mit Medikamenten, insbesondere Antibiotika, zur Be-
handlung von Erkrankungen und zur vorsorgenden Gesunderhaltung in der
Teichwirtschaft bzw. in anderen Aquakulturanlagen geregelt?

35. Warum hat die Bundesregierung im Gesetzentwurf zur Novelle des Arznei-
mittelgesetzes – Ausschussdrucksache 17(10)943, Stand 18. Juli 2012 – die
Fisch produzierenden Betriebe von der Ermittlung der Therapiehäufigkeit
ausgenommen (§ 58a)?

36. Welche Auswirkungen von eingesetzten Medikamenten auf die umgebende
Süß- bzw. Salzwasserökologie sind der Bundesregierung bekannt?

37. In welcher Weise beeinflusst die Fütterung in der Teichwirtschaft und in
marinen Aquakulturen die umliegende Fauna und Flora?

38. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Salzgehalt des
Ablaufwassers von marinen Kreislaufanlagen vor, und wie wirkt sich dieser
auf die umliegenden Gewässer aus?

39. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des IFM-GEOMAR
Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften an der Universität Kiel zur Ein-
richtung eines zentralen Informationssystems für Verbraucherinnen und
Verbraucher zur umfassenden Wissensvermittlung sowie zur Informationen
über Forschungsaktivitäten und Aquakulturpraxis?

Berlin, den 14. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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