BT-Drucksache 17/10473

Stand der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge des CGZP-Urteils

Vom 9. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10473
17. Wahlperiode 09. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Britta Haßelmann, Maria
Klein-Schmeink, Brigitte Pothmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge des
CGZP-Urteils

Die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge der Aberkennung
der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeit-
arbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) durch das Bundesarbeitsgericht
dauert weiter an. Aufgrund der Personalsituation der Prüfdienste ziehen sich die
Prüfungen weiter in die Länge, denn laut Auskunft der Bunderegierung wurden
den Prüfdiensten keine weiteren Personalmittel zur Verfügung gestellt.

Die lang andauernde Prüfzeit kann zu Vermeidungsstrategien der Verleihbetriebe
führen. In der Folge drohen den betroffenen Leiharbeitskräften Nachteile, ins-
besondere, wenn vermehrt sogenannte Sammelbescheide von der Deutschen
Rentenversicherung erlassen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Prüfverfahren der Deutschen Rentenversicherung in Verleih-
betrieben aufgrund des CGZP-Urteils

a) wurden bis heute abgeschlossen,

b) dauern bis heute an oder

c) müssen noch begonnen werden?

2. Wann ist mit dem Abschluss aller Prüfungen im Zuge des CGZP-Urteils zu
rechnen?

3. Zu welchen Ergebnissen haben die bis heute abgeschlossenen Prüfverfahren
aufgrund des CGZP-Urteils geführt?

a) Wie viele Beitragsbescheide wurden bis heute erlassen?

b) In welcher Höhe wurden bis heute Beitragsnachforderungen gestellt?

c) Wie viele Leiharbeitskräfte sind von den Beitragsnachforderungen be-
troffen?

4. Können mittlerweile nachfolgende Fragen zu den Beitragsnachforderungen

aufgrund des CGZP-Urteils beantwortet werden?

a) In welcher Höhe wurden die bisher gestellten Beitragsnachforderungen
von den Verleihbetrieben bereits bezahlt?

b) In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden die Beitragsnachforde-
rungen aufgrund eingelegter Widersprüche bzw. von Klagen der Leih-
arbeitsbetriebe außergerichtlich ausgesetzt?

Drucksache 17/10473 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden die Beitragsnachforde-
rungen durch Widersprüche bzw. Klagen der Leiharbeitsbetriebe auf-
grund gerichtlicher Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz aus-
gesetzt?

d) Wie viele Niederschlagungsfälle gibt es mittlerweile und in welcher
Höhe?

e) In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden Beitragsnachforderun-
gen gestundet?

f) Wenn diese Fragen nicht beantwortet werden können, warum wurde das
in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 14 der Kleinen Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „CGZP-Urteil und die neu-
esten Entwicklungen“ auf Bundestagsdrucksache 17/8549 angekündigte
standardisierte Informationssystem, das diese Daten erfassen soll, vom
GKV-Spitzenverband bislang nicht implementiert?

5. Liegen mittlerweile Erkenntnisse darüber vor, in wie vielen Fällen die
Deutsche Rentenversicherung bei den Prüfungen infolge des CGZP-Urteils
die Beitragsdifferenzen personenbezogen anhand des jeweils konkret zu er-
rechnenden individuellen Lohnanspruchs der Leiharbeitskräfte ermittelt
hat?

6. Trifft es zu, dass Sammelbescheide erlassen werden, wenn bei Prüfungen
aufgrund des CGZP-Urteils anstelle des individuellen Lohnanspruchs zur
Berechnung der Beitragsdifferenzen der maßgebliche Lohnabstand im
Rahmen eines „Stufenmodells“ oder durch prozentuale Lohnaufschläge
ermittelt wird?

7. Wie viele der bisherigen Beitragsnachforderungen basieren auf solchen
Sammelbescheiden (bitte differenziert nach Verfahren angeben)?

8. Haben Sammelbescheide zur Folge, dass die Verleihfirmen die nachge-
forderten Beiträge zwar an die Rentenkasse überweisen müssen, den be-
troffenen Leiharbeitskräften aber keine zusätzlichen Rentenansprüche auf
ihrem Rentenkonto gutgeschrieben werden?

Wenn ja, wie ist das mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar?

9. Trifft es zu, dass, wenn Beitragsnachforderungen auf der Basis von indivi-
duellen Lohnansprüchen gestellt werden, den betroffenen Leiharbeitskräf-
ten die zusätzlichen Rentenansprüche auf ihrem Rentenkonto gutgeschrieben
werden, auch wenn der jeweilige Verleihbetrieb die Sozialversicherungs-
beiträge aufgrund von Niederschlagung, Aussetzung oder Stundung (noch)
nicht abführt?

Wenn ja, erachtet die Bundesregierung dies als gerecht gegenüber der Ver-
sichertengemeinschaft?

10. Wie hoch sind die im Rahmen der Beitragsnachforderungen festgestellten
durchschnittlichen Differenzbeträge zwischen gezahltem Entgelt und dem
für die Beitragsnachforderungen maßgeblichen Vergleichslohn eines Stamm-
mitarbeiters im Entleihunternehmen (bitte in Prozent angeben)?

11. Ist es zutreffend, dass Verleihunternehmen im Falle von nicht ausreichender
Liquidität zur Zahlung der Beitragsnachforderungen problemlos eine
außergerichtliche Aussetzung der Zahlungspflicht seitens der Deutschen
Rentenversicherung für den Lauf des Widerspruchs- und Klageverfahrens
erhalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10473

12. Trifft es zu, dass Verleihunternehmen mit ausreichender Liquidität bzw.
angespartem Eigenkapital zur Sicherheit für konjunkturschwache Zeiten
keine außergerichtliche Aussetzung seitens der Deutschen Rentenversiche-
rung erhalten, sondern diesbezüglich einstweiligen Rechtsschutz vor den
Sozialgerichten in Anspruch nehmen können?

13. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Urteilen
einiger Landessozialgerichte, die zwischenzeitlich bestätigt haben, dass
eine Beitragsnacherhebung für bereits geprüfte Zeiträume mit rechtskräfti-
gem Prüf-/Beitragsbescheid nicht bzw. nur nach vorheriger Aufhebung des
bestehenden Beitragsbescheids erfolgen darf?

14. Aus welchen Gründen hat die Deutsche Rentenversicherung neue Beitrags-
bescheide erlassen, ohne die vorherigen aufzuheben?

15. Wie hoch sind die Beitragsnachforderungen in Bezug auf bereits voran-
gegangene rechtskräftige und nicht aufgehobene Beitragsbescheide?

16. Gibt es mittlerweile Fälle, in denen die Deutsche Rentenversicherung bei
den Prüfungen infolge des CGZP-Urteils aufgrund eines „unverhältnis-
mäßigen Aufwands“ zur Ermittlung der „Equal Pay“-Ansprüche auf eine
Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ganz oder teilweise ver-
zichtet hat?

Wenn ja, wie wird „unverhältnismäßiger Aufwand“ nachprüfbar definiert?

Allgemeine Fragen zur Leiharbeitsbranche

17. Wie viele Beschäftigte gibt es derzeit in der Leiharbeitsbranche, und wie
werden diese beschäftigt (bitte differenziert nach Voll- und Teilzeit bzw.
Minijobs angeben)?

18. Wie viele dieser Leiharbeitskräfte bezogen im Jahr 2011 aufstockendes
Arbeitslosengeld II, und wie hoch war die Summe der aufstockenden
Leistungen?

19. Wie viele Unternehmen haben eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung,
und wie viele dieser Unternehmen

a) betreiben ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung,

b) haben neben der Arbeitnehmerüberlassung einen weiteren Geschäfts-
bereich,

c) betreiben aktuell bzw. betrieben in den letzten zwölf Monaten keine
Arbeitnehmerüberlassung und verleihen somit keine Arbeitskräfte

(bitte jeweils differenziert nach befristeter und unbefristeter Erlaubnis so-
wie nach Sitz im In- und Ausland angeben)?

20. Ist der Bundesagentur für Arbeit und der Bundesregierung bekannt, dass
manche Unternehmen die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung aus-
schließlich zur Absicherung nutzen, falls sich bei Werkvertragstätigkeiten
herausstellt, dass Scheinwerkverträge und damit verdeckte Arbeitnehmer-
überlassung vorliegen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung aus diesem Geschäftsmodell, bzw. sieht sie diesbezüglich Hand-
lungsbedarf?

Drucksache 17/10473 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. Was ändert sich durch die Neuorganisation der Erlaubnisbehörden für die
Arbeitnehmerüberlassung seit dem 1. Juli 2012?

a) Erhöht sich durch die Neustrukturierung die Prüfdichte bzw. die Anzahl
der Kontrollen der Erlaubnisinhaber?

b) Wird die Zusammenarbeit der Erlaubnisbehörden, insbesondere der
neuen Prüfteams, mit dem Zoll zur Kontrolle der Lohnuntergrenze in der
Leiharbeit verbessert?

Berlin, den 9. August 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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