BT-Drucksache 17/10399

Lange Wartezeiten und Ungleichbehandlung im Visumverfahren (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/10022)

Vom 24. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10399
17. Wahlperiode 24. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Annette Groth, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Lange Wartezeiten und Ungleichbehandlung im Visumverfahren
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/10022)

Wie infolge der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. bekannt geworden
ist (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022 und DER TAGESSPIEGEL vom
29. Juni 2012: „Warten aufs Visum“), wird die Regelvorgabe des EU-Visakodex
einer maximal zweiwöchigen Wartefrist bis zur Vorsprache zur Beantragung
eines Schengen-Visums von der Bundesrepublik Deutschland in erheblichem
Umfang verletzt. Die Bundesregierung erklärte, dass derzeit in acht Ländern
weltweit diese Frist wegen hoher Nachfrage überschritten würde (u. a. in Russ-
land, China und der Türkei), und sie bedauerte, dass es „nicht immer gelungen“
sei, die Regelvorgabe des Visakodex einzuhalten (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/10022, zu den Fragen 2 und 3). Diese Formulierungen gehen
allerdings darüber hinweg, dass die besagten acht Länder im Jahr 2011 fast
60 Prozent der gesamten Visabearbeitung ausmachten (vgl. Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/8823, Anlage zu Frage 1). Vor diesem Hintergrund muss auch die
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 17/8221, zu Frage 10, wonach die Zweiwochenfrist
„in der weit überwiegenden Zahl der Fälle eingehalten“ würde, bezweifelt
werden.

Der massive Verstoß gegen verbindliches EU-Recht ist nicht mit Verweisen auf
saisonale Schwankungen und Reisestoßzeiten zu rechtfertigen (so die Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 17/8221, zu Frage 10). Artikel 38 Absatz 1 des Visa-
kodex verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, „geeignete Kräfte in ausreichender
Zahl zur Prüfung der Anträge“ einzusetzen, um eine „angemessene (…) Dienst-
leistungsqualität für die Öffentlichkeit“ sicherzustellen. Das Visa-Handbuch der
Europäischen Kommission, das von den nationalen Behörden vorrangig zu be-
achten ist (vgl. Artikel 2 des entsprechenden Beschlusses der Kommission vom

19. März 2010), regelt zudem in Punkt 3.2.2.: „Ein Termin muss innerhalb von
höchstens zwei Wochen erhältlich sein. Die Kapazitäten der Konsulate der Mit-
gliedstaaten für die Bearbeitung von Visumanträgen sind so anzupassen, dass
diese Frist auch in Stoßzeiten eingehalten werden kann“.

Wenn die Bundesregierung vorbringt, dass auf das „immer wieder saisonal-
höhere Antragsaufkommen in Russland mit „personellen Verstärkungen“ und
„zusätzlichem Personal“ und „Saison-Arbeitskräften vor Ort“ reagiert worden

Drucksache 17/10399 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sei (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 5), steht dies in einem
Widerspruch zu ihren Angaben in der Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8823 (Anlage zu Frage 20),
wonach die eingesetzten Mitarbeiterkapazitäten in Russland im Bereich der
Visumbearbeitung im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr um 8 Prozent reduziert
wurden, was angesichts zugleich gestiegener Visaanträge zu einer Mehrbelas-
tung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 15 Prozent führte. Bereits im Jahr
zuvor hatte es in Russland eine vergleichbare Entwicklung gegeben (vgl. Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 17/8221, Tabelle II). Auch warum es trotz angeblich zu-
sätzlich eingesetzten Personals Mitte Mai 2012 zu Wartezeiten von über sieben
Wochen im Generalkonsulat Nowosibirsk kommen konnte (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/10022, zu Frage 1), ist für die Fragesteller nicht nachvoll-
ziehbar. Dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach Artikel 38 Absatz 1
des Visakodex nachkommt, muss auch deshalb bezweifelt werden, weil die
offizielle Webseite des Generalkonsulats Nowosibirsk am 5. Juli 2012 darüber
informierte, dass die Wartezeit nunmehr über acht Wochen betrage („Achtung!
Kümmern Sie sich rechtzeitig um Ihr Visum! (…) Heute werden Termine für den
Zeitraum ab dem 31. August 2012 vergeben. Ausnahmen von der Verpflichtung
zur Terminabsprache können leider nicht gemacht haben [so im Original], da
die Visastelle bereits vollständig ausgelastet ist. Deshalb wird auch dringend da-
rum gebeten, von Anrufen beim oder Mails an das Generalkonsulat abzusehen“;
www.nowosibirsk.diplo.de/Vertretung/nowosibirsk/de/Startseite.html). Allzu
rechtzeitig dürfen sich reisewillige Personen aber auch nicht um ihr Visum
kümmern, denn entsprechende Anträge dürfen frühestens drei Monate vor der
beabsichtigten Reise abgegeben werden.

Die von der Bundesregierung angestrebte Lösung zur Verkürzung der Warte-
fristen, die Auslagerung insbesondere der „Antragsannahme an kommerzielle
Dienstleistungsunternehmer“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu
Frage 5), ist problematisch. Zum einen führt diese Teilprivatisierung hoheit-
lichen Handelns zu einer weiteren Steigerung der ohnehin hohen Visagebühren.
Zum anderen sollen nach Artikel 40 Absatz 1 des Visakodex Visaanträge
„grundsätzlich“ bei einem Konsulat der Mitgliedstaaten eingereicht werden.
Eine Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern ist laut Artikel 40 Absatz 3
Buchstabe b nur dann – als „letztes Mittel“ – zulässig, wenn sich zuvor eine
Zusammenarbeit mit einem oder mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten zur
schnelleren Bearbeitung einer hohen Zahl von Anträgen oder zur Erreichung
einer besseren geografischen Abdeckung als „ungeeignet“ erwiesen hat. Dem
entgegengesetzt will die Bundesregierung jedoch erst „nach erfolgter Auslage-
rung“ prüfen, „welche zusätzlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um den
Service weiter zu verbessern“ (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu
Frage 31). Den Fragestellern erschließt sich nicht, warum gemeinsame Visum-
antragstellen oder Formen gegenseitiger Vertretungen zwischen Schengen-Part-
nerländern für die Bundesrepublik Deutschland in Russland nicht möglich sein
sollen. Ohnehin wäre eine vorrangige und selbstverständliche Maßnahme, zu-
nächst einmal das Personal aufzustocken (statt abzubauen), um Vorsprachen
innerhalb von zwei Wochen in den deutschen Konsulaten zu ermöglichen – wie
vom EU-Visakodex im Regelfall vorgesehen.

Schließlich musste die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022 einräumen, dass

privat und geschäftlich Reisende bei der Vergabe von Visa-Vorspracheterminen
„an vielen Dienstorten“ unterschiedlich behandelt und Geschäftsreisende bevor-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10399

zugt werden – in Nowosibirsk etwa erhielten im Mai 2012 Geschäftsreisende
bereits nach zehn Tagen einen Termin, während privat Reisende über sieben
Wochen warten mussten (ebd., Antwort zu den Fragen 1 und 9). Dies ist nach
Ansicht der Fragesteller ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
der EU-Grundrechtecharta. Der Versuch einer Rechtfertigung dieser Ungleich-
behandlung, wonach angeblich nach „Dringlichkeit“ differenziert würde (ebd.,
Antwort zu Frage 12), ist unglaubwürdig. Zum einen wird bei der Terminver-
gabe die Dringlichkeit des Reisezwecks gar nicht abgefragt, und es wäre auch
unklar, wie die privaten Dienstleister am Telefon die Dringlichkeit eines An-
liegens beurteilen können sollten. Zum anderen werden unterschiedliche Vor-
sprachekontingente gerade nicht nach „Dringlichkeit“ vorgehalten und vergeben
(was die Ungleichbehandlung bewirkt), sondern, so die Bundesregierung, nach
„Visumkategorien bzw. Reisezweck“, wozu „die Vorhaltung von Terminkontin-
genten für Geschäftsleute, die häufig kurzfristig reisen müssen“, gehöre (ebd.,
Antwort zu Frage 9). Auch privat Reisende könnten einen „Vorzugstermin“ er-
halten, heißt es weiter zur Rechtfertigung, wenn sie geltend machen, dass sie aus
„unvorhersehbaren Gründen dringlich reisen müssen“ und eine „vorausschau-
ende Planung“ „nicht möglich war“ (ebd., Antwort zu Frage 12). Eine solche
Verfahrensweise im Einzelfall ergibt sich zwingend aus Artikel 9 Absatz 3 des
Visakodex, doch die europarechtswidrige Ungleichbehandlung liegt darin, dass
in der Praxis bei Geschäftsreisenden grundsätzlich – und nicht im Einzelfall –
eine Dringlichkeit unterstellt wird und sie deshalb weitaus früher einen Vorspra-
chetermin erhalten, während privat Reisende eine Dringlichkeit unter hohen
Anforderungen im Einzelfall nachweisen müssen und ansonsten einen Termin
erhalten, der deutlich später und gegebenenfalls auch nicht mehr innerhalb der
Zweiwochenfrist liegt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie lang sind derzeit die Wartezeiten für privat bzw. geschäftlich Reisende
(bitte differenzieren) für einen Termin zur Visumantragstellung in den ver-
schiedenen deutschen Auslandsvertretungen in den 15 wichtigsten visum-
pflichtigen Ländern weltweit (bitte nach Auslandsvertretungen differenzie-
ren und bei mehreren Vertretungen in einem Land auch den Gesamtwert
nennen; sinngemäße Wiederholung der insofern nicht beantworteten Frage 2
der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/10022, denn die Fragesteller gehen angesichts der Antwort zu Frage 1 auf
derselben Bundestagsdrucksache davon aus, dass die Bundesregierung ent-
sprechende konkrete Angaben machen kann – wenn nicht, warum nicht, und
welche ungefähren Einschätzungen liegen ihr hierzu vor)?

2. In welchen Ländern wird derzeit die Regelvorgabe des Artikels 9 Absatz 2
Satz 2 des Visakodex einer maximal zweiwöchigen Wartefrist überschritten
(bitte nach privat und geschäftlich Reisende differenziert angeben), und wel-
chen Anteil an der Visumbearbeitung weltweit haben diese Länder?

3. Wie bewertet und rechtfertigt es die Bundesregierung, dass – gemessen am
Visabearbeitungsvolumen des Jahres 2011 – die Regelvorgabe des Artikels 9
Absatz 2 Satz 2 des Visakodex einer maximal zweiwöchigen Wartefrist
mehrheitlich (rechnerisch: in 59 Prozent der Fälle; vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/10022, zu Frage 2, und Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8823,
Anlage zu Frage 1) verletzt wird, insbesondere angesichts der Verpflichtung
nach Artikel 38 Absatz 1 des Visakodex, „geeignete Kräfte in ausreichender
Zahl zur Prüfung der Anträge“ einzusetzen, um eine „angemessene (…)
Dienstleistungsqualität für die Öffentlichkeit“ sicherzustellen?

Drucksache 17/10399 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Mit welcher Begründung ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es
sich bei derart umfassenden (in Bezug auf 59 Prozent des Visaaufkom-
mens) und deutlichen (in zeitlicher Hinsicht: bis zu vierfache) Überschrei-
tungen der Regelvorgabe des Visakodex noch um eine „Ausnahme“
(Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 3) handelt, die
nach dem Visakodex zulässig sei?

5. Mit welcher Begründung hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund
ihre Aussage für angemessen, zutreffend und mit der Verpflichtung zur
gewissenhaften und wahrheitsgemäßen Beantwortung parlamentarischer
Anfragen für vereinbar, „nicht immer“ würde die Zweiwochenfrist ein-
gehalten (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 3) bzw.
die Zweiwochenfrist würde „in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ein-
gehalten“ (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8221, zu Frage 10)?

6. Seit wann genau wird in Nowosibirsk die Vorgabe einer maximal zwei-
wöchigen Wartefrist für privat Reisende überschritten, und mit welcher
Begründung hält die Bundesregierung diese (seit mindestens zwei Monaten
andauernde) deutliche Überschreitung der Vorgabe des Visakodex für
„vorübergehend“ und deshalb zulässig, wie auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 3,
dargestellt?

7. Hält es die Bundesregierung für zumutbar, wenn Reisewillige in Nowosi-
birsk nur innerhalb eines schmalen Zeitfensters von vier Wochen einen
Visumantrag stellen können, weil eine Antragstellung frühestens drei
Monate vor der Reise möglich ist, zugleich aber der Antrag mindestens
zwei Monate vorher gestellt werden muss (bitte ausführen), wie viele Be-
schwerden gab es im Jahr 2012 in Russland bzw. in Nowosibirsk wegen zu
langer Wartezeiten im Visumverfahren, und hält es die Bundesregierung
für angemessen, wenn angesichts einer Überschreitung der Regelvorgabe
einer maximal zweiwöchigen Wartefrist – auf die sich die Betroffenen ver-
lassen können durften – um das Vierfache auf der Homepage des General-
konsulats in Nowosibirsk Reisewilligen davon abgeraten wird, das Konsu-
lat anzurufen oder per E-Mail zu kontaktieren (siehe Vorbemerkung)?

8. Über welche Zeiträume hinweg wurde in den Jahren 2010, 2011 und 2012
die Regelvorgabe einer zweiwöchigen Wartefrist für privat Reisende im
Generalkonsulat Nowosibirsk überschritten, und wie bewertet die Bundes-
regierung dies?

9. Inwieweit ist die Rechtfertigung der Bundesregierung für die Überschrei-
tung der zweiwöchigen Wartezeit, wonach es in Russland „immer wieder
saisonal zu höherem Antragsaufkommen gekommen“ sei (ebd., Antwort zu
Frage 5), mit der Vorgabe in Punkt 3.2.2. im von den nationalen Behörden
vorrangig zu beachtenden (vgl. Artikel 2 des entsprechenden Beschlusses
der Kommission vom 19. März 2010) Visa-Handbuch der Europäischen
Kommission vereinbar, wonach ein Termin innerhalb von höchstens zwei
Wochen erhältlich sein muss und „Kapazitäten der Konsulate der Mitglied-
staaten für die Bearbeitung von Visumanträgen (…) so anzupassen [sind],
dass diese Frist auch in Stoßzeiten eingehalten werden kann“?

10. Was hat die Bundesregierung in der Vergangenheit konkret unternommen,
um die Personalkapazitäten im Bereich der Visabearbeitung in Russland,
aber konkret z. B. auch in Nowosibirsk, so anzupassen, dass die zwei-
wöchige Frist eingehalten werden kann?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10399

a) Wie viele zusätzliche Arbeitskräfte wurden in den letzten zwei Jahren in
Russland wann eingestellt, wie viele Arbeitskräfte gingen in den letzten
zwei Jahren verloren, und wie hat sich in den letzten zwei Jahren im
Ergebnis der Personalstand im Bereich der Visumbearbeitung verändert
(bitte für jedes Quartal den Stand nennen und nach den verschiedenen
Auslandsvertretungen differenziert ausweisen)?

b) Wie ist die Behauptung der Bundesregierung, sie sei „bemüht, die
Regelvorgabe des Visakodex einzuhalten“ (Antwort der Bundesregie-
rung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/10022, zu Frage 3), damit zu vereinbaren, dass die einge-
setzten Mitarbeiterkapazitäten im Bereich der Visumbearbeitung in den
Jahren 2010 und 2011 ausweislich der Angaben der Bundesregierung
trotz gestiegener Visumzahlen reduziert wurden?

c) Wieso betont die Bundesregierung bei kritischen Nachfragen zur Ab-
senkung der Mitarbeiterkapazitäten (MAK), dass diese Größe „nur sehr
eingeschränkt Rückschlüsse auf tatsächlichen Personalauf- oder -abbau“
zulasse (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 6), wo
es doch die Bundesregierung war, die auf die Frage nach der personellen
und finanziellen Ausstattung der Auslandsvertretungen mit entsprechen-
den Hinweisen auf die MAK antwortete (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/8221, Antwort zu Frage 9 und Tabelle II) die Personal-
kosten als zweite Größe verlaufen in etwa parallel zu den MAK und sie
überdies darauf hinwies, dass sich das in den Auslandsvertretungen „ein-
gesetzte Personal (…) ausschließlich in MAK angeben“ lässt (Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 17/8823, zu Frage 20) (bitte ausführen)?

d) Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die eingesetzten MAK
im Grundsatz erhöht – und nicht gesenkt – werden müssten, um eine
schnellere Visumbearbeitung erreichen zu können, wenn nein, warum
nicht, und wenn ja, warum wurden in Russland die eingesetzten MAK in
den Jahren 2010 und 2011 trotz Problemen bei den Wartefristen reduziert
statt erhöht, mit dem Ergebnis, dass die Zahl der zu bearbeitenden Fälle
pro MAK deutlich gestiegen ist (bitte nachvollziehbar begründen)?

11. Wie ist der genaue Stand der Auslagerung von nichthoheitlichen Teilen des
Visumverfahrens an private Dienstleistungsunternehmen in den 15 wich-
tigsten visumpflichtigen Ländern?

12. Wie hoch ist derzeit der durchschnittliche Arbeitsaufwand zur Bearbeitung
eines Visums, und aufgrund welcher Annahmen rechnet die Bundesregie-
rung mit welchen zeitlichen und im Ergebnis personellen Entlastungen
durch den Einsatz externer Dienstleister (soweit möglich bitte nach Privat-
und Geschäftsvisum und Antragsannahme und -prüfung und -bescheidung
differenzieren und jeweils Angaben in Minuten zu den 15 wichtigsten Län-
dern machen)?

13. Mit welchen Mehrbelastungen rechnet die Bundesregierung infolge der Er-
fassung biometrischer Daten im Visumverfahren (bitte so genau wie mög-
lich quantifizieren: zeitlicher Aufwand pro Vorgang, benötigtes Personal,
finanzielle Mehrkosten, regionale-zeitliche Planung usw.), und wie reagiert
die Bundesregierung hierauf?

Drucksache 17/10399 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

14. Welche Bemühungen gab es in den zehn wichtigsten visumpflichtigen Län-
dern, in denen der Einsatz externer Dienstleister im Visumverfahren geplant
ist (beispielhaft aber bitte besonders ausführlich mit Bezug auf Russland
antworten), mit anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Schengen-
Zusammenarbeit vor Ort eine Kooperation einzugehen (Vertretungen, ge-
meinsame Visumantragstellen usw.), um die fristgerechte Entgegennahme
von Visumanträgen unter angemessenen Bedingungen zu organisieren bzw.
um eine bessere geografische Abdeckung im betreffenden Drittstaat zu
erreichen, und welche konkreten Formen der Zusammenarbeit, die nach Ar-
tikel 40 Absatz 2 Buchstabe b des Visakodex vorgeschrieben ist, existieren
in den genannten Ländern unter welchen EU-Mitgliedstaaten (insbesondere
mit deutscher Beteiligung)?

a) Warum waren oder sind gegebenenfalls solche Formen der Zusammen-
arbeit nicht möglich, welche konkreten Besprechungen mit anderen EU-
Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer solchen Zusammenarbeit gab es
wann mit welchen Ergebnissen (bitte nach den genannten Ländern diffe-
renzieren und genau die Gründe darlegen), und warum ist z. B. in Russ-
land und Österreich eine solche Zusammenarbeit mit anderen Mitglied-
staaten möglich, in Deutschland aber nicht?

b) Wie ist insbesondere die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022,
zu Frage 31, zu verstehen, wonach eine „Zusammenarbeit mit anderen
Schengenpartnern“ in Russland „wegen der hohen Zahl von Anträgen“
„im Augenblick nicht vorgesehen“ sei?

Bieten sich Formen der Zusammenarbeit mit anderen Schengen-Part-
nern nicht gerade bei hohen Antragszahlen zur eigenen Entlastung an?

c) Wie und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung vor der Pla-
nung zur Auslagerung von Teilen des Visumverfahrens an externe
Dienstleister geprüft – wie nach Artikel 40 Absatz 3 des Visakodex vor-
geschrieben –, dass Formen der Zusammenarbeit mit anderen Mitglied-
staaten (nach Artikel 40 Absatz 2 Buchstabe b des Visakodex) ungeeig-
net seien und deshalb die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern
als „letztes Mittel“ in Betracht kommt, und wie genau legt die Bundes-
regierung die Bedingung „als letztes Mittel“ in diesem Zusammenhang
aus (bitte ausführen)?

d) Inwieweit kann der von der Bundesregierung geplante breite Einsatz
externer Dienstleister in zahlreichen Ländern als „letztes Mittel“
(Artikel 40 Absatz 3 Visakodex) angesehen werden, wenn z. B. in Russ-
land die Mittel für das Personal der Visabearbeitung und die entspre-
chenden Mitarbeiterkapazitäten in den Jahren 2010 und 2011 gekürzt
wurden (bitte genau begründen)?

e) Warum stockt die Bundesregierung nicht zuerst das in der Visabearbei-
tung eingesetzte Personal auf (wie nach Artikel 38 Absatz 1 des Visa-
kodex vorgesehen) und sucht nach Formen der Zusammenarbeit mit
anderen EU-Mitgliedstaaten (wie nach Artikel 40 Absatz 2 Buchstabe b
des Visakodex vorgesehen), um eine Antragseinreichung in den deut-
schen Konsulaten (wie nach Artikel 40 Absatz 1 des Visakodex vorge-
sehen) unter angemessenen Bedingungen und innerhalb der maximalen
Wartefristen zu ermöglich, statt zum eigentlich nur als „letztes Mittel“
(Artikel 40 Absatz 3 des Visakodex) vorgesehenen Einsatz externer
Dienstleister zu greifen, was zudem für die reisewilligen Menschen mit
zusätzlichen Kosten verbunden ist (bitte nachvollziehbar begründen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10399

15. Wie stark können die geplanten Entlastungen durch den Einsatz externer
Dienstleister im Visumverfahren überhaupt sein, wenn nach Artikel 17
Absatz 5 des Visakodex „jeder betreffende Mitgliedstaat die Möglichkeit
für sämtliche Antragsteller aufrecht“ erhalten muss, „die Anträge unmittel-
bar bei seinen Konsulaten einzureichen“ – und zwar unter den üblichen
Regelbedingungen einer maximal zweiwöchigen Wartefrist (bitte ausführ-
lich begründen)?

a) Wie lange genau sind derzeit die Vorsprachemöglichkeiten in den Aus-
landsvertretungen der zehn wichtigsten visumpflichtigen Länder?

b) Welche Änderungen sind diesbezüglich geplant, wenn externe Dienst-
leister bei der Antragsannahme zum Einsatz kommen, und wie wird
dabei sichergestellt, dass alle Reisewilligen die Möglichkeit zur Antrag-
stellung in den Auslandsvertretungen innerhalb der zweiwöchigen Frist
erhalten?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, dass externe Dienstleister bereits verge-
bene Termine einfach wieder streichen bzw. sie der Auslandsvertretung gar
nicht mitteilen, wenn es bei der Bezahlung der Dienstleistungsgebühr zu
Problemen kommt, ohne dass die Betroffenen von der Streichung ihres Ter-
mins in Kenntnis gesetzt werden?

Wenn ja, inwieweit lassen die Verträge mit den Dienstleistern ein solches
Vorgehen zu?

17. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass Antragstellerinnen und
Antragsteller, die unter Umständen mehrere tausend Kilometer zur Aus-
landsvertretung anreisen, ihren Antrag nicht stellen können, weil es z. B.
bei der Bezahlung der 5 Euro Gebühren für den Termin zu Unregelmäßig-
keiten gekommen ist, die sie womöglich nicht selbst verschuldet haben,
und wäre es in solchen Fällen nicht angemessen, die Hinterlegung einer
Sicherheitsleistung in Höhe der Servicegebühr zugunsten des Dienstleisters
zu verlangen, die gegebenenfalls dann an ihn weitergegeben wird, vor dem
Hintergrund, dass allein die Anreise zur Auslandsvertretung für den Be-
troffenen oft erheblich teurer ist als die Termingebühr von einigen Euro?

18. Wie ist es mit der Haftung bestellt, wenn private Dienstleister eine öffent-
liche Aufgabe wie die Vergabe von Terminen wahrnehmen und dabei Feh-
ler machen, z. B. einen zugeteilten Termin der Vertretung nicht übermit-
teln, und dann deshalb Reisen nicht angetreten werden können, Flüge stor-
niert werden müssen oder verfallen etc.?

Haftet in solchen Fällen die Bundeskasse gemäß Artikel 34 Satz 1 des
Grundgesetzes?

19. Wie wird in den zehn wichtigsten visumpflichtigen Ländern bzw. generell
gewährleistet, dass in begründeten dringlichen Fällen eine Antragstellung
ohne Terminvereinbarung möglich sein muss bzw. umgehend ein Termin
gewährt wird (entsprechend Artikel 9 Absatz 3 des Visakodex)?

a) Wie legt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Begriff
„umgehend“ konkret aus, bzw. wie ist die entsprechende Praxis?

b) Wie legt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Begriff
„begründete dringliche Fälle“ konkret aus, und inwieweit deckt oder un-
terscheidet sich dies von der Annahme einer „Dringlichkeit“ bei vielen
Geschäftsleuten (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022,
Antwort zu Frage 9; bitte genau darlegen)?

Drucksache 17/10399 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

20. Welche Auslandsvertretungen in den zehn wichtigsten visumpflichtigen
Ländern sehen eine „Terminierung nach Visumkategorien bzw. Reise-
zweck und Konzentration bestimmter Gruppen auf bestimmte Zeiträume“
vor (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022, zu Frage 9), und wie ist
dieses Verfahren genauer ausgestaltet?

a) Entsprechen die jeweilig nach unterschiedlichem Reisezweck vorgehal-
tenen Vorsprachekontingente dem erfahrungsgemäßen Anteil der jewei-
ligen Reisezwecke, und wenn nein, warum nicht?

b) Wie und anhand welcher Kriterien wird bei der Terminvereinbarung im
Einzelfall geprüft (etwa durch einen externen Dienstleister), ob ein
Reiseanliegen „dringlich“ ist oder nicht?

c) Wird bei Geschäftsreisenden grundsätzlich eine „Dringlichkeit“ unter-
stellt, mit der Folge, dass sie schneller einen Vorsprachetermin erhalten
als privat Reisende (wie es etwa in dem in der Vorbemerkung der Frage-
steller auf Bundestagsdrucksache 17/10022 geschilderten und von der
Bundesregierung bestätigten Fall in Bezug auf das Generalkonsulat in
Nowosibirsk der Fall war), wenn nein, wie verhält es sich, und wenn ja,
wie wird dies begründet, angesichts des nicht zuletzt in der EU-Grund-
rechtecharta verankerten Verbots einer sachlich nicht begründeten Un-
gleichbehandlung (bitte ausführen)?

d) In welchem Umfang kommt es vor, dass privat Reisenden eine direkte
oder unmittelbare Vorsprache aufgrund eines dringlichen Reiseanlie-
gens gewährt wird, und stimmt die Bundesregierung der Einschätzung
zu, dass die Anforderung einer Dringlichkeit, die auch nicht vorherseh-
bar war, eher hoch ist (bitte ausführen)?

e) Wieso wird privat Reisenden, die z. B. einen Vorsprachetermin inner-
halb von fünf Wochen bräuchten, um ein (im Vertrauen auf die zwei-
wöchige Frist des Visakodex) bereits erworbenes Flugticket nutzen zu
können, selbst in solchen Konstellationen kein rechtzeitiger Vorsprache-
termin aus dem „Kontingent“ für Geschäftsreisende angeboten?

21. Was genau beinhalten die von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/10022, zu Frage 17, in Bezug genommenen „Gemeinsamen Schritte“
mit dem Ziel der Visumliberalisierung zugunsten Russlands, und inwieweit
sind demnach Visaerleichterungen noch innerhalb dieser Legislaturperiode
möglich?

22. Kennt die Bundesregierung Fälle, in denen es Probleme bei der Visumver-
gabe an Geschäftsleute aus Russland bzw. der Ukraine gab?

23. In welchem Umfang wird von der Vielreisenden- bzw. Bona-fide-Regelung
(bitte jeweils differenzieren) Gebrauch gemacht, weltweit und in Bezug auf
die fünf wichtigsten Herkunftsländer (gegebenenfalls werden ungefähre
relative Schätzwerte erbeten; Wiederholung der Frage 34 der Kleinen An-
frage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/9837, weil
ausdrücklich ungefähre relative Schätzwerte erbeten worden waren für den
Fall, dass keine entsprechenden statistischen Erfassungen vorliegen. Die
Fragesteller gehen davon aus, dass die Bundesregierung zu den fünf wich-
tigsten visumpflichtigen Ländern entsprechende Angaben machen kann
und vermuten z. B., dass von der Bona-fide-Regelung allenfalls in sehr ge-
ringer Zahl Gebrauch gemacht wird)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/10399

24. Wie ist zu erklären, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/10022, zu Frage 38, erklärte, der Hinweis auf der Webseite des General-
konsulats in Istanbul, wonach für die Terminvergabe „mit längeren Vor-
laufzeiten zu rechnen“ sei und „Termine mindestens 1 Monat im voraus
beim Call-Center IKS zu erfragen“ seien, mit der „hohen Nachfrage nach
Visumterminen zu Beginn der Hauptreisezeit“ erklärt wurde, dieser Hin-
weis aber auch noch zwei Monate später auf der Webseite unverändert zu
finden war?

25. In Bezug auf welche Länder besteht derzeit eine „hinkende Visumpflicht“,
d. h. dass deutsche Staatsangehörige in diese Länder visumfrei einreisen
können, nicht jedoch deren Staatsangehörige nach Deutschland (bzw. in
Bezug auf welche Länder verhält es sich womöglich anders herum)?

Berlin, den 24. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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