BT-Drucksache 17/10392

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das zweite Quartal 2012

Vom 24. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10392
17. Wahlperiode 24. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, Sevim Dag˘delen,
Petra Pau, Jens Petermann, Frank Tempel, Kersten Steinke, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das zweite Quartal 2012

Die von der Fraktion DIE LINKE. regelmäßig erfragten ergänzenden Informa-
tionen zur Asylstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
beleuchten ausgewählte Aspekte, die in der medialen Berichterstattung wenig
Beachtung finden.

So gab es im Jahr 2011 nicht nur gut 45 000 Asylerstanträge und knapp 10 000
Anerkennungen (inklusive subsidiärem Schutz). Es wurden zudem 17 439 Ver-
fahren eingeleitet, mit denen der Flüchtlingsstatus bereits anerkannter Flücht-
linge noch einmal überprüft wurde. Zwar führte dies „nur“ in knapp 500 Fällen
(5,7 Prozent aller Entscheidungen) zum Widerruf der Anerkennung, zumeist
wegen geänderter Bedingungen im Herkunftsland. Doch Widerrufsverfahren
sind für die Betroffenen – politisch verfolgte und häufig traumatisierte Flücht-
linge – extrem belastend und für Behörden und Gerichte sehr arbeitsaufwändig.
Die deutsche Widerrufspraxis ist in der Europäischen Union einmalig restriktiv,
kein anderer Mitgliedstaat kennt obligatorische Widerrufsprüfungen nach einer
bestimmten Zeitdauer. Viele Länder verzeichnen überhaupt keine oder nur ver-
einzelte Widerrufe, in Deutschland hingegen war im Zeitraum 2005 bis 2010
die Zahl der Asylwiderrufe mit 38 500 fast genau so groß wie die Zahl der
Asylanerkennungen (41 000).

Auch viele durch das BAMF zunächst abgelehnte Asylsuchende sind verfolgt
oder gefährdet: Etwa 10 Prozent der Klägerinnen und Kläger gegen eine ab-
lehnende Behördenentscheidung erhalten einen Schutzstatus durch die Gerichte
zugesprochen, bei afghanischen Asylsuchenden ist dieser Anteil etwa dreimal
so hoch.

Bei etwa 20 Prozent aller Asylgesuche im Jahr 2011 war das BAMF der Auf-
fassung, dass ein anderes Land der EU für die Asylprüfung zuständig sei. Das
Land, das dabei mit Abstand am häufigsten ersucht wurde, Asylsuchende aus
Deutschland zu übernehmen, war ausgerechnet Italien (2 279 Ersuchen), das
unter anderem wegen unzureichender Aufnahmebedingungen in der Kritik
steht.
Ein behördliches Asylverfahren in Deutschland dauert im Durchschnitt ein
knappes halbes Jahr, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung inklusive Ge-
richtsverfahren vergeht ein knappes Jahr. Bei bestimmten Herkunftsländern mit
geringen Anerkennungsquoten, etwa Serbien und Mazedonien, sind die Verfah-
rensdauern nur halb so lang oder noch kürzer. Dies widerlegt eine verbreitete

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Vorstellung, wonach sich ein Aufenthalt in Deutschland angeblich durch lange
Verfahren quasi „erzwingen“ ließe. Die Dauer eines gerichtlichen Überprü-
fungsverfahrens beträgt im Durchschnitt unter zehn Monate.

364 Anhörungen von Asylsuchenden (1,1 Prozent aller Anhörungen) wurden im
Jahr 2011 mittels Videokonferenztechnik durchgeführt. Grund hierfür sind in-
terne Personalprobleme des BAMF. Betroffen sind unter anderem Asylsuchende
aus Afghanistan, dem Irak, dem Kosovo, Syrien und Indien. Nach Einschätzung
des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages sind diese Video-
anhörungen ohne rechtliche Grundlage und damit rechtswidrig. Verbände und
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kritisieren, dass mangels persönlicher
Begegnung und durch die technische Distanz keine vertrauensvolle Atmosphäre
entstehen kann. Auch der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte sich
in seiner Sitzung vom 25. Januar 2012 nahezu einhellig gegen den Einsatz der
Videotechnik ausgesprochen. Dennoch wird an dem umstrittenen Verfahren
festgehalten.

Das so genannte Asylflughafenverfahren mussten im Jahr 2011 819 Personen
durchlaufen, unter ihnen 150 afghanische, 143 iranische und 59 syrische
Flüchtlinge sowie 42 unbegleitete Minderjährige. Im Ergebnis wurde dabei
60 Asylsuchenden nach einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ die
Einreise im Rechtssinne verweigert – wie viele von ihnen tatsächlich freiwillig
oder zwangsweise ausreisen mussten oder in Deutschland verbleiben konnten,
ist ungeklärt.

36,4 Prozent aller Asylsuchenden in Deutschland im Jahr 2011 waren minder-
jährige Kinder, 4,7 Prozent waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die
Gesamtschutzquote bei Asylsuchenden unter 18 Jahren betrug 2011 fast 30 Pro-
zent.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch war die Gesamtschutzquote (Anerkennungen nach Artikel 16a des
Grundgesetzes, nach § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes/der Genfer Flücht-
lingskonvention – AufenthG/GFK – und von Abschiebungshindernissen
nach § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 AufenthG) in der Entscheidungspraxis des
BAMF im zweiten Quartal 2012, und wie lautet der Vergleichswert des vor-
herigen Quartals (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben und nach
den zehn wichtigsten Herkunftsländern und der Art der Anerkennung diffe-
renzieren: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz nach § 60
Absatz 2 und 5 AufenthG – unmenschliche Behandlung –, nach § 60 Absatz 3
AufenthG – Todesstrafe –, nach § 60 Absatz 7 Satz 2 AufenthG – bewaffnete
Konflikte – und nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG – sonstige existenzielle
Gefahren)?

2. Wie viele der Anerkennungen nach § 60 Absatz 1 AufenthG/GFK im zwei-
ten Quartal 2012 beruhten auf staatlicher, nichtstaatlicher bzw. geschlechts-
spezifischer Verfolgung (bitte in absoluten und relativen Zahlen und noch
einmal gesondert nach den zehn Herkunftsländern mit den höchsten Ge-
samtschutzquoten angeben)?

3. Wie viele Widerrufsverfahren wurden im zweiten Quartal 2012 (bitte auch
die Vergleichswerte des ersten Quartals 2012 nennen) eingeleitet (bitte Ge-
samtzahlen angeben und nach den verschiedenen Formen der Anerkennung
und den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren), und wie viele
Entscheidungen in Widerrufsverfahren mit welchem Ergebnis gab es in die-
sen Zeiträumen (bitte Gesamtzahlen angeben und nach den verschiedenen
Formen der Anerkennung und den zehn wichtigsten Herkunftsländern diffe-

renzieren, bitte auch die jeweiligen Widerrufsquoten benennen)?

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4. Wie lang war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer im zweiten Quartal
2012 (bitte auch die Vergleichswerte des ersten Quartals 2012 nennen) bis zu
einer behördlichen Entscheidung, wie lang war die Verfahrensdauer im bis-
herigen Jahr 2012 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung (d. h. inklusive
eines Gerichtsverfahrens, bitte jeweils nach den zehn wichtigsten Herkunfts-
ländern differenzieren), und wie lang war die durchschnittliche Bearbei-
tungszeit bei Asylerstanträgen von unbegleiteten Minderjährigen (bitte nach
den wichtigsten Herkunftsländern und Außenstellen auflisten)?

5. Wie viele Verfahren im Rahmen der Dublin-II-Verordnung wurden im zwei-
ten Quartal 2012 bzw. im ersten Quartal 2012 eingeleitet (bitte in absoluten
Zahlen und in Prozentzahlen die Relation zu allen Asylerstanträgen sowie
die Quote der auf EURODAC-Treffern basierenden angeben)?

a) Welches waren in den benannten Zeiträumen die zehn am stärksten betrof-
fenen Herkunftsländer, und welches waren die zehn am stärksten ange-
fragten EU-Mitgliedstaaten (bitte in absoluten Werten und in Prozent-
zahlen angeben sowie in jedem Fall die Zahlen zu Griechenland und Malta
nennen)?

b) Wie viele Dublin-Entscheidungen mit welchem Ergebnis (Zuständigkeit
eines anderen EU-Mitgliedstaats bzw. der Bundesrepublik Deutschland,
Selbsteintritt nach Artikel 3 Absatz 2 der Dublin-Verordnung – DublinV –,
humanitäre Fälle nach Artikel 15 DublinV) gab es in den benannten Zeit-
räumen?

c) Wie viele Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung wurden in den
benannten Zeiträumen vollzogen (bitte in absoluten Werten und in Pro-
zentzahlen angeben und auch nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern
und EU-Mitgliedstaaten – in jedem Fall auch Griechenland, Ungarn,
Bulgarien, Zypern und Malta – differenzieren), und wie viele dieser Per-
sonen wurden unter Einschaltung des BAMF, aber ohne Durchführung
eines Asylverfahrens, überstellt?

d) Wie hoch war der Anteil der in Zuständigkeit der Bundespolizei durchge-
führten Dublin-Verfahren bzw. Überstellungen in den genannten Zeiträu-
men, in welcher Zahl erfolgten Überstellungen aufgrund der Dublin-II-
Verordnung bzw. aufgrund bi- oder multilateraler Abkommen, und wie
hoch war jeweils der Anteil unbegleiteter Minderjähriger (in welche Län-
der wurden diese überstellt)?

e) Wie viele Asylanträge wurden in den genannten Zeiträumen mit der Be-
gründung einer Nichtzuständigkeit nach der DublinV abgelehnt oder ein-
gestellt oder als unbeachtlich betrachtet, ohne dass ein Asylverfahren mit
inhaltlicher Prüfung durchgeführt wurde (bitte in absoluten und relativen
Zahlen angeben)?

6. Wie viele Verfahren zur Rücküberstellung im Rahmen der DublinV wurden
durch das BAMF in den Jahren 2012 bzw. 2011 bei Personen eingeleitet, die
in Deutschland als minderjährig registriert wurden (bitte auflisten nach
wichtigsten Herkunftsländern und Zielstaaten der Überstellung)?

a) Wie viele Dublin-Überstellungen von unbegleiteten Minderjährigen wur-
den in den Jahren 2012 bzw. 2011 vollzogen (bitte auflisten nach Ziellän-
dern und Alter bei Rücküberstellung), wie viele wurden nicht vollzogen
(bitte auflisten nach Zielländern und Alter bei Ablauf der Überstellungs-
frist)?

b) Wie viele Rücküberstellungen wurden in den Jahren 2012 bzw. 2011 bei
Personen vollzogen, die in Deutschland angaben, minderjährig zu sein,
deren Alter jedoch aufgrund von Informationen aus anderen Dublin-Staa-

ten korrigiert wurde (bitte auflisten nach wichtigsten Herkunftsländern
und Zielstaaten der Überstellung)?

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7. Wie viele Asylanträge wurden im zweiten Quartal 2012 bzw. im ersten Quar-
tal 2012 nach § 14a Absatz 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) von
Amts wegen für hier geborene (oder eingereiste) Kinder von Asylsuchenden
gestellt, wie viele Asylanträge wurden in den genannten Zeiträumen von bzw.
für Kinder(n) unter 16 Jahren bzw. von Jugendlichen zwischen 16 und
18 Jahren bzw. von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gestellt (bitte
jeweils in absoluten Zahlen und in Prozentzahlen in Relation zur Gesamtzahl
der Asylanträge sowie die Gesamtzahl der Anträge unter 18-Jähriger und sich
überschneidende Teilmengen angeben), und wie hoch waren die jeweiligen
Gesamtschutzquoten für die genannten Gruppen?

8. Wie viele unbegleitete Minderjährige haben in den ersten sechs Monaten des
Jahres einen Asylerstantrag gestellt (bitte nach den wichtigsten Herkunfts-
ländern und Bundesländern aufgliedern)?

Wie viele von ihnen haben ihren Asylantrag schriftlich beim BAMF, wie viele
direkt bei einer Außenstelle gestellt (bitte nach Außenstellen auflisten) und
wie viele aus dem Gefängnis heraus (bitte nach Bundesländern auflisten)?

9. Wie hoch war die Gesamtschutzquote bei unbegleiteten Minderjährigen in
den ersten sechs Monaten des Jahres (bitte nach verschiedenen Schutzstatus
und wichtigsten Herkunftsländern differenzieren und zudem die Jahre 2011
und 2010 zum Vergleich benennen)?

a) Wie ist die jeweilige Schutzquote an den einzelnen Außenstellen aufge-
teilt, differenziert nach verschiedenen Schutzstatus und Hauptherkunfts-
ländern (bitte auch die Jahre 2011 und 2010 zum Vergleich benennen)?

b) Wie hoch war im ersten Halbjahr 2012 die Gesamtschutzquote bei Per-
sonen, die als unbegleitete Minderjährige einen Asylantrag gestellt haben,
der aber erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres beschieden wurde
(bitte nach Schutzstatus, Herkunftsländern und Außenstellen auflisten)?

c) In wie vielen Fällen wurde im ersten Halbjahr 2012 subsidiärer Schutz ge-
mäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf die durch das BAMF
angenommene Interpretation des § 58 Absatz 1a AufenthG (vgl. hierzu
Entscheiderbrief 4/2012) nicht gewährt (bitte soweit möglich aufschlüs-
seln nach Außenstellen, gegebenenfalls Schätzwerte nennen), und welche
Rechtsprechung ist der Bundesregierung hierzu bekannt (bitte auflisten
nach jeweiligem Verwaltungsgericht und angeben, in welchem Umfang
solche Entscheidungen des BAMF von den Verwaltungsgerichten wieder
aufgehoben wurden)?

d) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – A 11 S 3392/11 – vom
27. April 2012, in dem der Ansatz des BAMF (kein subsidiärer Schutzsta-
tus nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG bei Minderjährigen wegen § 58
Absatz 1a AufenthG) als „nicht vertretbar“ bezeichnet wird (Urteilsab-
schrift, S. 15), weil kein „gleichwertiger Schutz“ geboten werde und die
„nicht plausible Situation“ entstehe, dass gerade Kinder und Jugendliche
bei einer Extremgefahr keinen subsidiären Schutz- und Aufenthaltsstatus
erhalten könnten, sondern auf die spätere „Ebene der Vollstreckung“ ver-
wiesen würden, wobei im Einzelfall dann aber nicht einmal sichergestellt
sei, dass mit einer Übergabe an eine zur Personensorge berechtigte Person
oder eine „geeignete Aufnahmeeinrichtung“ die geltend gemachten extre-
men Gefahren ausgeschlossen seien, und wenn das BAMF hieraus keine
Konsequenzen zieht, warum nicht (bitte begründet ausführen)?

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e) Inwieweit hält die Bundesregierung die im Entscheiderbrief 4/2012
geschilderte neue Verfahrensweise im Umgang mit unbegleitet Minder-
jährigen mit Artikel 22 Absatz 2 der UN-Kinderrechtskonvention für
vereinbar, wonach einem Flüchtlingskind, wenn Eltern oder andere Fa-
milienangehörige nicht ausfindig gemacht werden können, „derselbe
Schutz zu gewähren [ist] wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem
Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung he-
rausgelöst ist“, was aber nicht der Fall ist, wenn die Betroffenen infolge
der neuen Verfahrensweise damit rechnen müssen, nur eine Duldung statt
(wie zuvor) eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, was mit erheblichen
Einschränkungen und Unsicherheiten verbunden ist (also nicht „derselbe
Schutz … wie jedem anderen Kind“ geboten wird)?

f) Räumt die Bundesregierung ein, dass die Behauptung im Entscheiderbrief
4/2012, „§ 25 V AufenthG“ sei eine „Soll-Vorschrift“ und entspreche
deshalb der Soll-Regelung des § 25 Absatz 3 AufenthG (S. 2), insofern
falsch ist, als dass § 25 Absatz 5 AufenthG im Grundsatz eine „Kann-Re-
gelung“ darstellt (Satz 1) und erst dann zur „Soll-Regelung“ wird, wenn
eine Abschiebung 18 Monate lang ausgesetzt wurde und zudem zusätz-
liche Bedingungen erfüllt sind (wie Identitätsklärung, Mitwirkung bei
Beseitigung des Ausreisehindernisses usw.), und wenn ja, was folgt hie-
raus, und wie ist dann die neue Verfahrensweise damit vereinbar, dass
nach Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention alle staatlichen
Maßnahmen sich vorrangig am Kindeswohl orientieren müssen, was je-
doch offenkundig nicht der Fall ist, wenn schutzbedürftige Kinder zu-
nächst ausreisepflichtig werden, eine Abschiebungsandrohung erhalten
und dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zunächst nur geduldet
werden, statt sicherzustellen, dass ihnen sofort ein rechtmäßiger Aufent-
haltsstatus gewährt wird, was im Sinne des Kindeswohls wäre (bitte aus-
führlich begründen)?

g) Wie ist das neue Verfahren mit Artikel 24 Absatz 2 der EU-Qualifika-
tionsrichtlinie vereinbar, wonach Personen, denen ein subsidiärer Schutz-
status zuerkannt worden ist, „so bald wie möglich“ ein „Aufenthaltstitel“
erteilt wird, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss,
was nicht sichergestellt ist, wenn die Betroffenen zunächst an die Voll-
streckungsbehörden verwiesen werden und diese lediglich im Rahmen
ihres Ermessens (bzw. nach 18 Monaten als „Soll-Bestimmung“) eine
Aufenthaltserlaubnis erteilen, wobei zudem die weiteren Ausschluss-
gründe des § 25 Absatz 5 AufenthG über die zulässigen Ausschlussgründe
des Artikels 24 Absatz 2 der Richtlinie (zwingende Gründe der öffent-
lichen Sicherheit und Ordnung) deutlich hinausgehen (bitte begründen)?

h) Will die Bundesregierung an dem neuen Verfahren auch dann festhalten,
wenn Fachverbände und „Interessenvertreter von UM“ (UM = unbe-
gleitete minderjährige Ausländer), auf die auch in dem Entscheiderbrief
04/2012 positiv Bezug genommen wird (S. 3, Fußnote 10), im Gegensatz
zur Darstellung im Entscheiderbrief der Auffassung sind, dass dieses Ver-
fahren im Sinne des Kindeswohls abzulehnen ist, weil es für die Betrof-
fenen Nachteile mit sich bringt und belastend ist (bitte begründen)?

10. Wie viele unbegleitete Minderjährige wurden im zweiten Quartal 2012
bzw. im ersten Quartal 2012 an welchen Grenzen durch die Bundespolizei
aufgegriffen, wie viele von ihnen wurden an die Jugendämter übergeben,
wie viele von ihnen wurden zurückgewiesen oder zurückgeschoben (bitte
nach den zehn wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?

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11. Wie viele Asylanträge wurden im zweiten Quartal 2012 bzw. im ersten
Quartal 2012 mit der Begründung des „Nichtbetreibens“ oder weil eine Mit-
teilung des BAMF nicht zugestellt werden konnte, eingestellt oder abge-
lehnt oder als zurückgenommen bewertet, wie viele Abschiebungsanord-
nungen nach § 34a AsylVfG wurden erlassen, wie viele Asylanträge wurden
in den genannten Zeiträumen als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt,
wie viele mit Verweis auf § 26a bzw. 29a AsylVfG, und in wie vielen Fällen
wurde nach § 36 AsylVfG verfahren (bitte jeweils in absoluten und relativen
Zahlen angeben und bei den Ablehnungen als offensichtlich unbegründet
zudem genauere Angaben differenziert nach den zehn wichtigsten Her-
kunftsländern machen)?

12. Wie viele so genannte Flughafenverfahren wurden im zweiten Quartal 2012
bzw. im ersten Quartal 2012 an welchen Flughafenstandorten mit welchem
Ergebnis durchgeführt (bitte auch Angaben zum Anteil der unbegleiteten
Minderjährigen und den zehn wichtigsten Herkunftsländern machen)?

13. Wie lautet die Statistik zu Rechtsmitteln und Gerichtsentscheidungen im
Bereich Asyl für das bisherige Jahr 2012 (bitte wie in der Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/4627 zu Frage 7 darstellen), und welche Angaben zur
Dauer des gerichtlichen Verfahrens lassen sich machen?

14. Wie viele Asylanhörungen mittels Bild- und Tonübertragung wurden im
zweiten Quartal 2012 bzw. im ersten Quartal 2012 unter Beteiligung
welcher Außenstellen anberaumt, wie viele wurden aus welchen Gründen
abgebrochen (bitte jeweils nach den Staatsangehörigkeiten der Betroffenen
differenzieren)?

a) Wie viele Anhörungen gab es in den genannten Zeiträumen insgesamt,
in wie vielen Fällen fand keine Anhörung statt, weil die geladenen Asyl-
suchenden nicht zur Anhörung erschienen, weil es sich um hier gebo-
rene Kinder unter sechs Jahren handelte, weil die Betroffenen ohnehin
anerkannt werden sollten bzw. weil eine Einreise aus einem sicheren
Drittland vorlag (bitte differenzieren)?

b) Aus welchen Gründen hat der Leiter des BAMF die internen Personal-
probleme so gelöst, dass auf die rechtlich und politisch höchst umstrit-
tene Videotechnik zurückgegriffen wird, statt andere Mittel zu ergreifen,
wie etwa Versetzungen, Schaffung von Außenstellen in räumlicher Nähe
zu den Asylsuchenden oder Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch
die Asylsuchenden (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/9465, da die Antwort zu Frage 11c keine Begründung enthält)?

15. Wie waren die Schutzquoten und Zahlen der Schutzgesuche bei Asylsuchen-
den aus Tunesien, Ägypten, Marokko, Syrien, Jemen und Libyen im zweiten
Quartal 2012 bzw. im ersten Quartal 2012?

16. Haben sich die Entscheidungsvorgaben zu Asylsuchenden aus Syrien seit
Ende April 2012 geändert, und wenn ja, wie?

Berlin, den 24. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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