BT-Drucksache 17/10391

Ausweisungen im Jahr 2011

Vom 24. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10391
17. Wahlperiode 24. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Ausweisungen im Jahr 2011

In den vergangenen Jahren sind verschiedene neue Ausweisungstatbestände ge-
schaffen worden, die sich gegen vermeintliche Integrationsverweigerer, Hass-
prediger oder Ausländerinnen und Ausländer richten, denen die Unterstützung
extremistischer oder gar terroristischer Bestrebungen vorgeworfen wird.
Gleichzeitig wird von juristischer Seite in verschiedener Hinsicht beklagt, das
deutsche Ausweisungsrecht entspreche nicht den Anforderungen europäischer
höchstrichterlicher Rechtsprechung, insbesondere die schematische Einteilung
in „kann“-, „soll“- und „ist“-Ausweisungen.

So fordert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seit Längerem bei
Ausweisungen längerfristig im Land Lebender eine umfassende Abwägung
aller Einzelfallumstände im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dem
hat sich das Bundesverfassungsgericht angeschlossen. Automatisch verfügte
Ausweisungen ohne Einzelfallbetrachtung sind damit unvereinbar. Auch aus
europäischem Recht und dem EU-Assoziierungsabkommen mit der Türkei
ergeben sich Einschränkungen des nationalen Ausweisungsrechts.

Die Innenministerkonferenz war am 3./4. Dezember 2009 entsprechend zu der
Erkenntnis gelangt, dass es angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung
zum Ausweisungsrecht die Notwendigkeit einer strukturellen Anpassung der
gesetzlichen Vorgaben geben könne und hatte eine entsprechende Prüfbitte an
das Bundesministerium des Innern gerichtet (vgl. Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/1367, Frage 18). Bislang ist nicht zu erkennen, dass die Bundesregierung ein
entsprechendes Vorhaben vorantreiben würde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im
Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung
ergangen ist (bitte Ausweisungen der Jahre 2012, 2011 und 2010 gesondert
angeben)?

2. Wie erklärt und bewertet die Bundesregierung den systematischen Rück-

gang der ausgesprochenen Ausweisungen seit dem Jahr 2000 (vgl. Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 17/1367, Frage 1)?

3. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 31. Dezember
2011) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach Geschlecht?

Drucksache 17/10391 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im
Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfü-
gung ergangen ist, differenziert nach Alter (in den Schritten 0 bis 13 Jahre,
14 bis 17 Jahre, 18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 35 Jahre, 36 bis 60
Jahre, 60 Jahre und älter)?

5. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 31. Dezember
2011) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Auswei-
sungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Bundesländern (bitte für
Ausweisungen der Jahre 2010 und 2011 eine gesonderte Auflistung nach
Bundesländern machen)?

6. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im
Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung
ergangen ist, differenziert nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten (bitte
für Ausweisungen des Jahres 2011 eine gesonderte Auflistung machen)?

7. Über welchen Aufenthaltsstatus verfügten Ausländerinnen und Ausländer
laut Ausländerzentralregister zum Stand 30. Juni 2012, gegen die eine noch
nicht wirksame Ausweisungsverfügung ergangen ist?

8. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im
Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfü-
gung ergangen ist, differenziert nach befristet und unbefristet, und wie viele
dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2010, 2011 und 2012?

9. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsver-
fügung ergangen ist, sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im Ausländerzentral-
register als „aufhältig“ bzw. „nicht aufhältig“ gespeichert (bitte bei den noch
aufhältigen Personen nach Bundesländern, den 15 häufigsten Herkunfts-
staaten und Jahr der Ausweisung differenzieren)?

10. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand: 30. Juni 2012) im
Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfü-
gung ergangen ist, differenziert nach „noch nicht vollziehbar“, „sofort voll-
ziehbar“ und „unanfechtbar“, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten
in den Jahren 2010, 2011 und 2012?

11. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung zur je-
weiligen Rechtsgrundlage bzw. den Gründen der erlassenen Ausweisungs-
verfügungen, und wenn sie keinerlei Erkenntnisse oder Einschätzungen
haben sollte, wie will sie die Angemessenheit der gesetzlichen Regelungen
bewerten?

12. Wie viele der Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung erging,

a) reisten „freiwillig“ aus,

b) wurden abgeschoben,

c) konnten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben
werden

(bitte nach Herkunftsländern, den Jahren 2010 und 2011 und dem Stand der
Rechtskraft der Ausweisungsverfügung auflisten)?

13. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu
der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und Ausländer nach den
neuen Nummern 9 bis 11 in § 55 Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes
(AufenthG) seit Geltung der Regelung eine Ausweisungsverfügung ergan-
gen ist, und wie viele hiervon rechtskräftig wurden, und wenn es keine
solchen Erkenntnisse oder Einschätzungen geben sollte, wie sollen die

Bundesregierung und der Deutsche Bundestag die Angemessenheit und
Auswirkungen dieser Neuregelung einschätzen können?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10391

14. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu
der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und Ausländer eine
Ausweisungsverfügung auf Grundlage des § 54 Absatz 5, 5a, 6 und 7
AufenthG ergangen ist und wie viele hiervon rechtskräftig wurden, und
wenn es keine solchen Erkenntnisse oder Einschätzungen geben sollte, wie
sollen die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag die Angemessen-
heit dieser Regelungen einschätzen können?

15. In wie vielen Fällen hat die Arbeitsgruppe Statusrechtliche Begleitmaßnah-
men (AG Status) eine Überwachungsanordnung nach § 54a AufenthG
empfohlen, in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis
der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Überwachungsanord-
nungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Betrof-
fenen aufschlüsseln)?

16. In wie vielen Fällen hat die AG Status eine Abschiebungsanordnung ohne
vorherige Ausweisung nach § 58a AufenthG empfohlen, in wie vielen Fäl-
len wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge
geleistet, und wie viele Abschiebungsanordnungen gab es insgesamt (bitte
nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen aufschlüsseln)?

17. In wie vielen Fällen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf
Empfehlung der AG Status ein Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren
gegen eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung eingeleitet (bitte nach Jah-
ren, Staatsangehörigkeit der Betroffenen und Ausgang des Verfahrens auf-
schlüsseln)?

18. Welche Schritte hat die Bundesregierung bislang unternommen oder in Pla-
nung, um die „praxisgerechten Optionen zur Fortentwicklung des Auswei-
sungsrechts“ aus dem Bericht einer Arbeitsgruppe an die Innenminister-
konferenz (IMK) vom 3./4. Dezember 2009 gesetzgeberisch umzusetzen
(vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/1367, Antwort zu Frage 18)?

Berlin, den 24. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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