BT-Drucksache 17/10363

Rückgabe des Tiergarten-Steins an die venezolanischen Pemón

Vom 20. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10363
17. Wahlperiode 20. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Sevim Dag˘delen,
Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Rückgabe des Tiergarten-Steins Kueka an die venezolanischen Pemón

Am 21. Juni 2012 demonstrierten Angehörige der Pemón vor der deutschen
Botschaft in Caracas/Venezuela. Sie forderten die Rückgabe eines Steins (in der
Sprache der Pemón Kueka genannt), der seit einigen Jahren als Teil eines
Kunstprojektes im Berliner Tiergarten zu sehen ist.

Wenige Tage später forderte auch das venezolanische Parlament in einer Reso-
lution die Rückkehr des Steins nach Venezuela. Der Beschluss wurde einstim-
mig gefasst, was, angesichts der sonstigen politischen Differenzen im Parla-
ment, die Bedeutung des Themas in Venezuela unterstreicht.

Kueka war 1998 von dem Künstler Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld aus
dem Nationalpark Canaima im Südosten Venezuelas abtransportiert und im
Rahmen seines Kunstprojektes „Global Stone“ nach Berlin verbracht worden.
Der Nationalpark Canaima wird seit 1994 von der UNESCO als Weltnaturerbe
aufgeführt.

Während der Künstler sich auf eine seinerzeit vom Leiter des Nationalparks un-
terzeichnete Schenkungsurkunde beruft, weisen die venezolanischen Behörden
darauf hin, dass der Leiter des Nationalparks nicht befugt war, den Abtransport
des Steins zu genehmigen. Sie sprechen von einer illegalen Ausfuhr.

Der Transport des 35 Tonnen schweren Steins war damals von Angehörigen der
Pemón vorübergehend gestoppt worden und konnte Berichten zufolge nur unter
Anwendung polizeilicher Gewalt fortgesetzt werden.

Von Beginn an erhoben Angehörige der Pemón die Forderung nach Rückkehr
des Steins, den sie als heilig deklarieren. Die unter der Präsidentschaft von
Hugo Chávez ab 1999 und insbesondere im Rahmen des Verfassungsprozesses
erreichte gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung der indigenen Gemein-
schaften hat maßgeblich dazu beigetragen, auch der Rückgabeforderung der
Pemón mehr Durchschlagskraft zu verleihen.

Im Sommer 2012 besuchte der Präsident des Instituts für das kulturelle Erbe
Venezuelas, Raúl Grioni, Berlin, um in Deutschland über die venezolanische

Rückgabeforderung zu informieren und Verhandlungslösungen zu sondieren.

Im Anschluss an eine Veranstaltung der venezolanischen Botschaft in Berlin
hatte Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld schließlich sein grundsätzliches
Einverständnis mit der Rückkehr des Steins signalisiert, dieses aber mit einsei-
tigen Bedingungen, darunter die Einrichtung einer Stiftung und deren Finanzie-
rung durch die venezolanische Regierung, verbunden.

Drucksache 17/10363 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Unabhängig von widersprüchlichen Deutungen über die tatsächliche mythische
Bedeutung des Steins in der Kultur der Pemón steht die Auseinandersetzung
um dessen Rückgabe beispielhaft für den Umgang mit Kultgegenständen aus
Ländern des Südens.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Befürwortet die Bundesregierung eine Rückgabe des Steins Kueka an die
venezolanischen Pemón und eine Rückführung desselben in den Canaima-
Nationalpark in Venezuela?

2. Wer erhebt auf deutscher Seite Besitzanspruch auf den Stein Kueka, und auf
welcher Grundlage?

3. Wer ist auf deutscher Seite gegebenenfalls befugt, darüber zu entscheiden,
ob der Stein zurückgegeben wird oder nicht?

4. Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung rechtliche Möglichkeiten des
Künstlers, die Rückgabe des Steins zu verhindern, und wenn ja, welche
Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um die Rückgabe des
Steins zu unterstützen?

5. Liegt der Bundesregierung eine offizielle Anfrage der venezolanischen Re-
gierung zu diesem Fall vor, bzw. gab es darüber bereits einen Austausch
auf diplomatischer Ebene?

6. Wenn ja, wann, in welcher Form, und mit welchen Aussagen hat die Bun-
desregierung auf Anfragen der venezolanischen Regierung reagiert?

7. Über welche Verfahrenswege werden solche Fälle üblicherweise geklärt,
bzw. welche Verfahrenswege wären in dem oben dargestellten Fall einzu-
schlagen, um zu einer juristisch einwandfreien, ethisch vertretbaren und
politisch sinnvollen Lösung zu kommen?

8. Welche Rolle käme der Bundesregierung und welche dem Berliner Senat in
einem solchen Verfahren zu?

9. Welche Vorstellung hat die Bundesregierung davon, wie sie darüber hinaus
auf politisch-diplomatischem Wege zu einer Lösung des Problems beitra-
gen könnte?

Welche Schritte hat sie dazu bereits unternommen?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die Forderung nach Rückgabe des Steins
an Venezuela juristisch, politisch und ethisch ein?

11. Welche Kontakte hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem
Konflikt um den Stein Kueka mit Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld un-
terhalten?

12. Welche Bedingungen sind der Bundesregierung bekannt, die Wolfgang
Kraker von Schwarzenfeld gestellt hat, um einer Rückführung des Steins
nach Venezuela zuzustimmen?

13. Hält die Bundesregierung die von Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld ge-
stellten Bedingungen für gerechtfertigt und für förderlich, um zu einer
Lösung des Problems zu gelangen?

14. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung des Künstlers, der Stein
solle nicht an die venezolanische Regierung, sondern „den Menschen“ zu-
rückgegeben werden?

15. Wer war nach Ansicht der Bundesregierung vor dem Abtransport aus dem
Nationalpark Eigentümer des Steins?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10363

16. Wie schätzt die Bundesregierung die Validität der von dem Künstler ange-
führten Dokumente ein, die ihn zum Abtransport und zur Ausfuhr des
Steins berechtigt hätten?

17. Fließen Berichte darüber, dass der Abtransport des Steins gewaltsam gegen
protestierende Indígenas durchgesetzt werden musste, in die Bewertung
des Vorgangs durch die Bundesregierung ein?

18. Wer muss nach Ansicht der Bundesregierung die Kosten des Rücktranspor-
tes des Steins übernehmen?

19. Auf welchen rechtlichen und politischen Grundlagen und von welchen
grundsätzlichen, z. B. ethischen, Überlegungen geleitet, setzt sich die Bun-
desregierung mit von Ländern des Südens erhobenen Forderungen nach
Rückgabe von Kulturgütern bzw. Kultgegenständen auseinander?

20. Welche dieser Grundlagen und Überlegungen wären auf den Fall des Steins
Kueka anzuwenden?

21. Inwiefern war die Genehmigung der Ausfuhr des Steins seinerzeit durch
die deutsche Botschaft in Caracas aus heutiger Sicht der Bundesregierung
rechtlich zumindest problematisch, vor dem Hintergrund, dass es sich um
Material aus einem als UNESCO-Weltnaturerbe gelisteten Park handelte?

22. Ist die deutsche Botschaft in Venezuela bereits in irgendeiner Weise mit
dem Fall des Steins Kueka befasst gewesen?

Falls ja, in welcher Form?

23. Welche Ergebnisse hat das Gespräch des Botschafters mit den demonstrie-
renden Pemón am 21. Juni 2012 gebracht?

24. Hat der deutsche Botschafter in Caracas inzwischen persönlich das Anlie-
gen der Pemón in Berlin vorgetragen, wie es auf der Website der Botschaft
angekündigt wurde, und in welcher Form ist die Bundesregierung darauf-
hin tätig geworden?

Berlin, den 20. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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