BT-Drucksache 17/10337

Terminverschiebung und Schallschutz für den geplanten Flughafen Berlin Brandenburg

Vom 17. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10337
17. Wahlperiode 17. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn, Renate Künast, Cornelia Behm, Lisa Paus,
Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Dr. Anton
Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Friedrich Ostendorff, Dorothea
Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Terminverschiebung und Schallschutz für den geplanten Flughafen Berlin
Brandenburg

Die Verschiebung der Eröffnung des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg
(BER), der am 3. Juni 2012 eröffnet werden sollte, verursacht eine Reihe finan-
zieller, organisatorischer und rechtlicher Probleme, sowohl für die Betreiberge-
sellschaft, die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, als auch für die Anteils-
eigner der öffentlichen Hand, den Bund und die Länder Berlin und Branden-
burg.

Der Bund ist mit 26 Prozent an der Flughafengesellschaft des neuen Flughafens
Berlin Brandenburg (BER) beteiligt. Er nimmt seine Interessen durch zwei
Staatssekretäre aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung (BMVBS) sowie aus dem Bundesministerium der Finanzen (BMF)
im Aufsichtsrat war. Ebenso wie die Bundesländer Berlin und Brandenburg
steht er daher in der Verantwortung, für eine lückenlose Aufklärung des Flug-
hafenskandals zu sorgen.

Es muss für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dargestellt und nachgewiesen
werden, ob der neue, für den 17. März 2013 avisierte Eröffnungstermin realis-
tisch ist und die dafür im Sachstandsbericht der Flughafengesellschaft vom
25. Juni 2012 aufgelisteten „wesentlichen Voraussetzungen“ eingehalten wer-
den können. Dies betrifft die „Gleichstellung der Planung“, die „Interpretation
des vorliegenden Brandschutzkonzeptes“, die „Schaffung baulicher Vorausset-
zungen“, die „Zustimmung der Firmen zum Terminplan“ und die „Umsetzung
der organisatorischen Maßnahme“ (Sachstandsbericht BER der Flughafenge-
sellschaft vom 25. Juni 2012).

Ferner ist bei der Einhaltung des Eröffnungstermins zu berücksichtigen, dass
die Anteilseigner der Flughafengesellschaft gegen den Beschluss des Oberver-
waltungsgerichtes zum Schallschutz klagen und ein entsprechendes Planände-
rungsverfahren umsetzen wollen. Hintergrund dafür ist, dass zwischen der

Planfeststellungsbehörde und der Flughafengesellschaft ein Dissens darüber
besteht, wie der Planfeststellungsbeschluss umzusetzen ist. Dieser sieht vor,
dass in geschlossenen Räumen am Tage der Schallpegel von 55 dB(A) nicht
durch Fluglärm überschritten werden darf. Die Flughafengesellschaft und die
Anteilseigner gehen hingegen davon aus, dass am Tage bis zu sechs Einzel-
schallereignisse diesen Wert überschreiten dürfen. Kommt es zum Planände-
rungsverfahren, sind weitere zeitliche Verzögerungen zu erwarten.

Drucksache 17/10337 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Terminverschiebung

1. Mit welchen Maßnahmen stellen Flughafengesellschaft und Aufsichtsrat
sicher, dass der neue Eröffnungstermin am 17. März 2013 eingehalten
wird?

Welche Probleme könnten den neuen Eröffnungstermin erneut gefährden?

2. Warum wurde in der Aufsichtsratssitzung am 16. Mai 2012 ein neuer Er-
öffnungstermin festgelegt, obwohl die Einhaltung des Zeitplans noch an
verschiedene Voraussetzungen geknüpft ist, deren Erfüllung zum Zeitpunkt
der Beschlussfassung nicht gesichert war?

3. Wer hat in der Aufsichtsratssitzung am 16. Mai 2012 den neuen Eröff-
nungstermin für den Flughafen BER 17. März 2013 mit welcher Begrün-
dung vorgeschlagen?

4. Welche wesentlichen Voraussetzungen für die Inbetriebnahme zum
17. März 2013 wurden dem Aufsichtsrat des Flughafens BER von der Ge-
schäftsführung in der Sitzung am 16. Mai 2012 genannt?

5. Inwieweit wurde der Rahmenterminplan vom 16. Mai 2012 durch die zu-
ständigen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung plausibilisiert und fachlich geprüft?

6. Waren dem Aufsichtsrat bei der Entscheidung zu dem neuen Termin die
„wesentlichen Voraussetzungen“ bekannt, die der Sachstandsbericht BER
vom 25. Juni 2012 auflistet?

7. War dem Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 16. Mai 2012 insbesondere be-
kannt, dass noch keine endabgestimmten und vollständigen Planungsvor-
lagen zum Brandschutzkonzept vorlagen, und dass es noch keine abschlie-
ßenden Terminzusagen der Firmen (ImCa, Imtech Deutschland GmbH &
Co. KG, T-Systems International GmbH, Bosch Sicherheitssysteme GmbH,
SIEMENS AG) gab?

8. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Nennung eines
neuen Eröffnungstermins allein schon aufgrund der Kündigung der Pla-
nungsgemeinschaft Flughafen Berlin Brandenburg International (pg bbi)
und der Entlassung des Chefplaners Dr. Manfred Körtgen voreilig war, da
die Gründe, die zur Kündigung der pg bbi führten (mangelhafte Leistungs-
erbringung), die Vermutung nahelegen mussten, dass ein umfassendes und
wahrheitsgemäßes Bild über den tatsächlichen Zustand der Planungen und
– daraus abgeleitet – für einen neuen Rahmenterminplan erst nach einer
externen Begutachtung und dem Aufsetzen einer neuen Projektstruktur vor-
genommen werden konnten?

9. Falls die Bundesregierung diese Auffassung nicht teilt, welche Argumente
führten am 16. Mai 2012 dazu, dem neuen Termin zuzustimmen, und wie
bewertet die Bundesregierung diese Entscheidung aus heutiger Sicht?

10. Haben der Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung Rainer Bomba und der Staatssekretär des Bundesministe-
riums der Finanzen Werner Gatzer die Zustimmung zum neuen Eröffnungs-
termin in eigener Verantwortung getroffen, oder erfolgte vorher eine
Rücksprache mit ihren jeweiligen Bundesministern Dr. Peter Ramsauer und
Dr. Wolfgang Schäuble?

Wenn ja, wann, und in welcher Form haben die Bundesminister den neuen
Eröffnungstermin abgesegnet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10337

11. Wer gehört der Sonderkommission (Soko) Flughafen BER an, und wer hat
wie oft an den Sitzungen teilgenommen?

Zu welchen Ergebnissen kam die Soko Flughafen BER bisher?

12. Inwieweit hat die vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung, Dr. Peter Ramsauer, eingesetzte Soko Flughafen BER seinen am
16. Mai 2012 gegenüber der Tageszeitung „DER TAGESSPIEGEL“ geäu-
ßerten Verdacht erhärtet oder entkräftet, inwieweit „auf bohrende Fragen
des Aufsichtsrats auch in der Vergangenheit die Geschäftsführung umfas-
send und korrekt oder nicht umfassend und nicht korrekt informiert hat“?

13. Welche bohrenden Fragen waren dies im Einzelnen, wann wurden sie ge-
äußert, und welche Anhaltspunkte hat der Bundesminister Dr. Peter
Ramsauer für die Annahme, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat des
Flughafens BER nicht umfassend und nicht korrekt informiert haben könnte
(vgl. Bericht in DER TAGESSPIEGEL vom 16. Mai 2012)?

14. Inwieweit waren diese „bohrenden Fragen“ bzw. Vorbehalte auf die Tätig-
keit des Vorsitzenden der Geschäftsführung des Flughafens BER Prof.
Dr. Rainer Schwarz bezogen, oder genoss und genießt dieser zu jeder Zeit
das volle Vertrauen des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung?

15. Wann genau haben der Aufsichtsrat oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder
des Flughafens BER Vertragsänderungen mit dem Vorsitzenden der Ge-
schäftsführung Prof. Dr. Rainer Schwarz in den letzten Jahren zugestimmt?

Welche Inhalte hatten die Vertragsänderungen jeweils konkret?

Zu welchem Datum wurden sie vorgenommen?

16. Inwieweit trifft es zu, dass die vertraglich festgelegte persönliche Haftung
des Vorsitzenden der Geschäftsführung des Flughafens BER, Prof.
Dr. Rainer Schwarz, verändert wurde?

Wenn ja, wann genau, auf wessen Veranlassung, mit welchem Inhalt, und
mit welcher Begründung wurde die Haftung geändert?

17. Wurde durch die Bundesregierung geprüft, ob der Vorsitzende der Ge-
schäftsführung des Flughafens BER, Prof. Dr. Rainer Schwarz, für die
durch die Verschiebung der Eröffnung des Flughafens entstehenden zusätz-
lichen Kosten haftbar gemacht werden kann?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b) Wenn nein, warum nicht?

18. Inwieweit hat die Bundesregierung die Frage der persönlichen Haftung des
entlassenen technischen Geschäftsführers des Flughafens BER, Dr. Manfred
Körtgen, prüfen lassen?

19. Warum wurden am 20. April 2012 vom Aufsichtsrat des Flughafens BER
noch Erfolgsprämien für den entlassenen technischen Geschäftsführer
Dr. Manfred Körtgen und den Vorsitzenden der Geschäftsführung Prof.
Dr. Rainer Schwarz für das Jahr 2010 abgesegnet, obwohl im Juni 2010 der
Eröffnungstermin im November 2011 gekippt werden musste?

20. Sind in den Verträgen der Vorstände der Flughafengesellschaft des BER
auch Abzüge vorgesehen, wenn Termine nicht gehalten werden?

a) Ist vertraglich ausgeschlossen, dass wegen der letzten Verschiebung der
Flughafeneröffnung auf den 17. März 2013 keine weiteren Erfolgs-
prämien möglich sind?
b) Was ist vertraglich geregelt, wenn auch der 17. März 2013 als Eröff-
nungstermin scheitert?

Drucksache 17/10337 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. In welchen Leitungsvorlagen (mit Angabe von Datum und wesentlichem
Inhalt) für Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer ist seit Ende 2009
über den Fortschritt des Flughafenprojekts BER berichtet worden?

22. Welche Rückfragen hatte der Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer
in dieser Zeit zum Fortschritt des Flughafenprojekts BER, kenntlich z. B.
durch einen Ministervermerk auf einer Leitungsvorlage oder Protokollein-
träge von Leitungsrunden, bei denen das Projekt zur Sprache kam?

Schallschutz

23. Mit welchen zeitlichen Verzögerungen rechnet die Bundesregierung, wenn
es zu einem Planänderungsverfahren für den Flughafen BER wegen der
Schallschutzthematik kommt?

24. Trifft es zu, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen BER vor-
sieht, dass in geschlossenen Räumen am Tage der Schallpegel von 55 dB(A)
nicht durch sechs Einzelschallereignisse Fluglärm überschritten werden
darf und diese Ansicht sowohl von der Planfeststellungsbehörde als auch
vom Oberverwaltungsgericht geteilt wird?

25. Ist der Bundesregierung bekannt, dass auch an anderen Großflughäfen wie
beispielsweise in München der Schallpegel von 55 dB(A) am Tage in ge-
schlossenen Räumen nicht durch Fluglärm überschritten werden darf?

26. Wie begründet der Bund als Anteilseigner des Flughafens BER sein durch
den sogenannten Klarstellungsantrag der Flughafengesellschaft zum Aus-
druck gebrachtes Anliegen, für die Betroffenen in Brandenburg und Berlin
niedrigere Lärmschutzstandards durchsetzen zu wollen, als die in München
nach dem Planfeststellungsbeschluss von 1979 geltenden?

27. Wie begründet der Bund als Anteilseigner des Flughafens Berlin BER, dass
die Änderung des Planfeststellungsantrags erst jetzt beantragt wurde, ob-
wohl schon das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2006 klarge-
stellt hat, dass es im Tagschutzgebiet zu keiner Überschreitung von
55 dB(A) kommen darf?

28. Wie begründet der Bund, dass bei der letzten Aufsichtsratssitzung des
Flughafens BER beschlossen wurde, dass die im April 2012 beschlossenen
Kulanzregelungen für den Schallschutz nicht mehr gelten sollen?

29. Teilt die Bundesregierung inhaltlich die Äußerungen des Aufsichtsratsvor-
sitzenden Klaus Wowereit in einem Interview in der „Berliner Zeitung“,
am 30. Juni 2012,

a) dass die Gewährleistung eines Schallpegels von 55 dB(A) am Tage in
geschlossenen Räumen Tonstudioqualität entspricht und diese durch
Lärmschutzmaßnahmen nicht zu erreichen ist,

b) dass „das bisherige Schallschutzkonzept eines der weitestgehenden“ ist,
„die es gibt“,

c) dass die Lärmschutzmaßnahmen für den neuen Flughafen BER im Rah-
men der Gleichbehandlung in Relation zu den veralteten Standards ge-
setzt werden müssen, die am Flughafen Tegel gelten?

Berlin, den 17. Juli 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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