BT-Drucksache 17/10273

Annullierung von Flugtickets nach Israel anlässlich einer weltweiten Solidaritätsaktion

Vom 4. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10273
17. Wahlperiode 04. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Inge Höger, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Annullierung von Flugtickets nach Israel anlässlich einer weltweiten
Solidaritätsaktion

Am Sonntag, den 15. April 2012 sollten am internationalen Flughafen Ben
Gurion in Tel Aviv Hunderte Aktivisten ankommen. Sie wollten der Einladung
der Initiative „Willkommen in Palästina“ folgen und sich ein Bild von der Lage
in dem von Israel besetzten Westjordanland machen. Die Initiative wurde von
prominenten internationalen Intellektuellen wie Stéphane Hessel und Bischof
Desmond Tutu unterstützt. Ziel der Solidaritätsaktion „Willkommen in Paläs-
tina“ war es, auf Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte der
palästinensischen Bevölkerung durch die israelische Regierung und insbeson-
dere die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in den gesamten besetzten pa-
lästinensischen Gebieten aufmerksam zu machen.

Die israelische Regierung wollte die Einreise der Aktivisten verhindern und
hatte daher eine „schwarze Liste“ von Personen erstellt, denen die Einreise über
den Flughafen Ben Gurion verweigert werden sollte.

Die israelische Regierung hatte bereits bei der „Willkommen-in-Palästina“-So-
lidaritätsaktion im Mai 2011 versucht, die Aktivisten an der Einreise zu hindern.
Damals hatten die Fluggesellschaften nicht auf die Aufforderung der israe-
lischen Regierung, bestimmte Tickets zu stornieren, reagiert. Die meisten der
Aktivisten waren in Tel Aviv abgefangen und abgeschoben worden, was welt-
weit für Protest gesorgt hatte. Jetzt hatte die israelische Regierung offenbar bei
der Deutschen Lufthansa AG (Lufthansa) Erfolg: Laut Angaben der „Frank-
furter Rundschau“ wurden etwa 60 Prozent der Flüge storniert. Die Organisa-
toren sprachen von Dutzenden Flugtickets.

Laut dem Magazin „DER SPIEGEL“ gab eine Sprecherin der Lufthansa die
Auskunft, israelische Behörden hätten der Airline mitgeteilt, dass „bestimmten
Passagieren“ die Einreise verweigert würde. Fluggesellschaften seien ver-
pflichtet, darauf zu reagieren. Lufthansa-Sprecher Jan Bärwalde erwiderte ge-
genüber der „Frankfurter Rundschau“, dass die Fluggesellschaften nicht ver-
pflichtet seien, die Angaben der israelischen Regierung, es handele sich bei den
Aktivisten um „pro-palästinensische Radikale“, zu überprüfen.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen hat die Bundesregierung zu den Listen, die von der
israelischen Regierung an die Fluggesellschaften weitergeleitet worden sein
sollen, und wie kamen nach Informationen der Bundesregierung diese Lis-
ten und mit welchen Informationen zustande?

Drucksache 17/10273 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Handelt es sich nach Informationen der Bundesregierung bei der Verweige-
rung der Einreise in allen Fällen um begründete Sicherheitserwägungen?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu den Aussagen von
Vertretern israelischer zivilgesellschaftlicher Organisationen vor, denen
zufolge die „schwarze Liste“ überproportional aufgeblasen worden sei und
lediglich auf Verdächtigungen basierte?

Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesen Aussagen?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entschei-
dung der israelischen Regierung, Hunderten von internationalen Aktivisten
die Einreise zu verweigern?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entschei-
dung der Luftfahrtgesellschaften, die Beförderung zu verweigern?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Lufthansa, dass die Angaben
der israelischen Regierung nicht von der Fluggesellschaft überprüft werden
müssen?

7. Handelt es sich nach Meinung der Bundesregierung bei der Annullierung
der Tickets der Passagiere um das Beförderungsverweigerungsrecht nach
Artikel Nummer 7.1.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Flugge-
sellschaft?

8. Wurden alle Passagiere nach Kenntnis der Bundesregierung für die Stornie-
rungen entschädigt?

Wenn nein, wie viele nicht, und warum nicht?

9. Hält die Bundesregierung internationale friedliche Solidaritätsaktionen wie
„Willkommen in Palästina“ für legitim und geeignet, um auf Verletzungen
des Völkerrechts und der Menschenrechte der palästinensischen Bevölke-
rung aufmerksam zu machen und auf Entscheidungsträger einzuwirken?

Wenn nein, warum nicht, und welche Mittel hält sie für geeigneter und
wirksamer, um Veränderungen anzustoßen, die Rechtsverletzungen been-
den können?

10. a) Ist nach Auffassung der Bundesregierung ein „upgrading“ in den Bezie-
hungen der EU zu Israel trotz der kontinuierlichen und systematischen
Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte der palästinen-
sischen Bevölkerung durch die israelische Regierung zu rechtfertigen?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

b) Befürwortet die Bundesregierung das ACAA-Protokoll (Zusatzprotokoll
zum EU-Israel-Assoziierungsabkommen), über das in diesen Wochen
im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und im Ausschuss für
Internationalen Handel des Europäischen Parlaments abgestimmt wer-
den soll und bei dessen Annahme israelischen Industrieprodukten der
Zugang zum europäischen Markt erleichtert und damit die Beziehungen
Israels zur EU vertieft würden?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

11. a) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den politi-
schen Entscheidungen der israelischen Regierung insbesondere in Be-
zug auf den Neu- und Ausbau von Siedlungen in den besetzten palästi-
nensischen Gebieten, und was bedeuten diese Entscheidungen nach
Auffassung der Bundesregierung für die Verhandlungsbereitschaft der
israelischen Regierung mit der palästinensischen Autonomiebehörde?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10273

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zu-
sammenhang aus der Aussage des israelischen Außenministeriums in
seiner Circular Note No. P/25/11 vom 26. Oktober 2011 an alle diploma-
tischen Vertretungen, dass es keine Verhandlungen und keine Einigung
mit der palästinensischen Vertretung geben werde, so lange Mahmoud
Abbas sie leitet?

Berlin, den 20. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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