BT-Drucksache 17/10098

Ein nationales Digitalisierungsprogramm für unser Filmerbe

Vom 26. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10098
17. Wahlperiode 26. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger,
Martin Dörmann, Iris Gleicke, Lars Klingbeil, Ute Kumpf, Christine Lambrecht,
Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann, Ulla Schmidt (Aachen), Peer Steinbrück,
Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Ein nationales Digitalisierungsprogramm für unser Filmerbe

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Filme sind ein wesentlicher Ausdruck des kulturellen Reichtums und der kultu-
rellen Vielfalt einer Nation. Neben seiner künstlerischen Bedeutung reflektiert
und dokumentiert der Film die Zeit und die Gesellschaft, in der er entstanden ist.
Er ist damit zugleich Teil des nationalen kulturellen Gedächtnisses. Die Werke
des Filmschaffens in Deutschland müssen daher gesichert, bewahrt und zugäng-
lich gemacht werden. Dies betrifft sowohl die Gegenwartsproduktion als auch
den überlieferten Filmbestand. Die neuen Digitalisierungstechnologien stellen
den Umgang mit unserem Filmerbe vor besondere Herausforderungen. Die Di-
gitalisierung des bestehenden Filmerbes muss in Angriff genommen werden, da-
mit die Filmwerke auch künftig im Kino oder Internet gezeigt werden können.
Hier besteht großer Zeitdruck, denn die Umstellungsphase der Filmindustrie von
analoger auf volldigitale Produktion wird in absehbarer Zeit abgeschlossen sein.
Nur bis dahin wird die zur Umkopierung erforderliche Technik zu vertretbaren
Kosten bereitstehen. Zugleich sind mit der Digitalisierung neue Möglichkeiten
zum Erhalt und dem Zugänglichmachen unseres Filmerbes auch in neuen Nut-
zungsformen verbunden. Diese sollten umfassend erschlossen und genutzt wer-
den.

Sowohl die UNESCO als auch der Europarat haben die Bedeutung des audiovi-
suellen Erbes unterstrichen und Maßgaben zum Erhalt des Filmerbes formuliert.
Insbesondere hervorzuheben ist das „Europäische Übereinkommen zum Schutze
des audio-visuellen Erbes“, das die Bundesregierung immer noch nicht rati-
fiziert hat. Auch auf EU-Ebene gibt es insbesondere im Rahmen der „Digitalen
Agenda für Europa“ verstärkte Bemühungen, die Mitgliedsländer zu Erhalt und
Pflege ihres Filmerbes anzuhalten.

Bereits Ende 2008 hat der Deutsche Bundestag mit dem fraktionsübergreifenden

Antrag „Das deutsche Filmerbe sichern“ (Bundestagsdrucksache 16/8504) die
Bundesregierung aufgefordert, dem dringenden Handlungsbedarf nachzukom-
men. Im Entschließungsantrag zur Verabschiedung der Fünften Novelle des
Filmförderungsgesetzes wurde die Bundesregierung zudem aufgerufen, „die
notwendigen finanziellen und strukturellen Voraussetzungen für die Bewah-
rung, Sicherung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes zu verbes-
sern“.

Drucksache 17/10098 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD
„Sicherung, Bewahrung und Nutzbarmachung des nationalen Filmerbes“ (Bun-
destagsdrucksache 17/6531) zeigt auf, dass die bisherigen Maßnahmen dem
dringenden Handlungsbedarf bei den technischen, organisatorischen, institutio-
nellen und finanziellen Voraussetzungen nicht gerecht werden. Dies wurde von
einer Expertenanhörung im Ausschuss für Kultur und Medien im November
2011 bestätigt. Die Sachverständigen stellten heraus, dass die Sicherung des Fil-
merbes in Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern,
insbesondere den Niederlanden und Frankreich, weit hinter den Möglichkeiten
zurückbleibt und die internationalen Erfahrungen nicht genutzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. endlich einen Entwurf zur Regelung der Pflichtregistrierung im Rahmen des
Bundesarchivgesetzes vorzulegen;

2. einen Vorschlag zu unterbreiten, nach welchem Mechanismus die Pflicht-
registrierung erfolgen soll und welche Daten dabei zu erheben sind;

3. bereits im Rahmen der anstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes
(FFG)

a) einen Vorschlag zu machen, wie eine Beteiligung der Filmwirtschaft und
der Fernsehsender an den mit der Pflichthinterlegung verbundenen Kosten
für die Langzeitsicherung geförderter Filme in den Fördermodalitäten des
FFG auszugestalten ist,

b) sicherzustellen, dass bei der kommenden Pflichthinterlegung nicht nur
eine Kopie, sondern das analoge bzw. digitale Ausgangsmaterial nach
einer Übergangsfrist zu hinterlegen ist, und

c) darauf hinzuwirken, dass die Fördereinrichtungen der Länder entspre-
chend verfahren;

4. eine langfristige Strategie für die Sicherung und Zugänglichmachung des
retrospektiven Filmbestandes zu entwickeln und dabei

a) die diesbezüglichen Erfahrungen und den Forschungsstand europäischer
Nachbarländer, insbesondere der Niederlande, systematisch auszuwerten,

b) gemeinsam mit den beteiligten Akteuren in Deutschland – Archive, Film-
erbe-Stiftungen, Produzenten, sonstige Rechteinhaber und Verwertungs-
gesellschaften – koordinierte Lösungsvorschläge für ein nationales Pro-
gramm zur Digitalisierung vorzulegen,

c) die Einrichtungen des Deutschen Kinematheksverbundes – Vollmitglieder
sind die Stiftung Deutsche Kinemathek (SDK), das Deutsche Filminstitut
– DIF e. V. und das Bundesarchiv –für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu
stärken,

d) die Bemühungen – insbesondere von DIF und SDK für den Aufbau eines
webbasierten Bestandskatalogs deutscher Filme zu unterstützen,

e) der Vielfalt des Filmbestandes hinsichtlich bekannter, verwaister, aber
auch experimenteller Produktionen gerecht zu werden,

f) die Klärung der damit verbundenen urheberrechtlichen Fragen, insbeson-
dere mit Blick auf die verwaisten Werke unter Einbeziehung der Archive
und Verwertungsgesellschaften, zügig herbeizuführen,

g) eine freie Nutzung im Bereich der Filmbildung sicherzustellen,

h) die zu digitalisierenden Filmwerke von vornherein barrierefrei mit Audio-

deskription und Untertiteln auszustatten;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10098

5. die Auswertung des Filmbestandes für nichtkommerzielle Zwecke durch die
SDK und das DIF, die beiden zentralen Einrichtungen für die öffentliche Ver-
mittlung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes, zu stärken.

Berlin, den 26. Juni 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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